BAG, Urteil vom 15.7.2021, 6 AZR 561/10
Die Zulage gem. § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-H wird bei einem Stufenaufstieg abgeschmolzen, soweit keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden.
Sachverhalt
Die Klägerin war ab dem 1.6.2017 unbefristet als Lehrkraft an einer Grundschule zur berufsbegleitenden Weiterbildung zum Erwerb des Zertifikats über die Lehrbefähigung für Grundschulen sowie hierauf aufbauend zum berufsbegleitenden Erwerb des Lehramts an Grundschulen beschäftigt. Grundlage hierfür waren ein Erlass des Hessischen Kultusministeriums vom 31.3.2017. Gemäß Ziff. 4 des Erlasses sollten Bewerber als Tarifbeschäftigte mit der EG 11 eingestellt werden und ihnen aus Gründen der Personalbedarfsdeckung abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung ein um 2 Stufen höheres Entgelt gem. § 16 Abs. 5 TV-H gewährt werden.
Im Arbeitsvertrag der Klägerin war deshalb neben der Geltung des TV-H u. a. vereinbart, dass ihr nach § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-H "aus Gründen der Personalbedarfsdeckung abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung ein um 2 Stufen höheres Entgelt vorweg gewährt" werde.
Das beklagte Land Hessen zahlte der Klägerin ab Juni 2017 somit abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung nicht das Entgelt der Stufe 1, sondern das Entgelt der Stufe 3 der EG 11. Auch nachdem die Klägerin ab September 2017 (unter Berücksichtigung ihres Referendariats sowie einer Vertretungstätigkeit als Lehrkraft für eine schwangere Kollegin beim beklagten Land vom 1.3.2017 bis 31.5.2017) in die Stufe 2 aufgestiegen war, leistete das beklagte Land unverändert Entgelt entsprechend der Stufe 3. Es informierte die Klägerin, dass der vorweg gewährte Entgeltbetrag durch ihren Stufenaufstieg abgeschmolzen werde.
Die Klägerin war der Ansicht, dass § 4 des Arbeitsvertrags i. V. m. § 16 Abs. 5 TV-H zwar keine echte Vorstufung, d. h. eine Vorweggewährung des tarifvertraglichen Stufenaufstiegs, wohl aber dauerhaft ein abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung jeweils um 2 Stufen höheres Entgelt gewähre, so dass ihr ab September 2017 ein Entgelt nach der Stufe 4 zustehe, und erhob Klage. Sie begründete dies damit, dass weder aus dem Arbeits- noch dem Tarifvertrag ein Abschmelzen des Mehrbetrags folge. Insbesondere sei eine Anrechnung im Gegensatz zu anderen tarifvertraglichen Zulagen nicht vorgesehen.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das BAG entschied, dass die Klägerin weder einen Anspruch auf ein Entgelt der Stufe 4 der EG 11 ab September 2017 habe, noch darauf, zukünftig stets abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung ein um 2 Stufen höheres Entgelt zu erhalten.
Das Gericht führte hierbei aus, dass es sich bei § 16 Abs. 5 TV-H um eine Zulagenregelung handele, die die tarifliche Stufenzuordnung unberührt lasse.
Dem Arbeitgeber obliege es hierbei zu entscheiden, ob und wie er die Zulage entsprechend der von § 16 Abs. 5 Satz 3 TV-H eingeräumten Möglichkeit befriste. Zudem könne er bestimmen, ob und wie die Zulage im Falle eines Stufenaufstiegs des Arbeitnehmers abgeschmolzen werde und was bei einer Höher- oder Herabgruppierung geschehe oder ob man die Zulage widerruflich ausgestalte. Erst diese konstitutiv-gestaltende Entscheidung des Arbeitgebers, die vorliegend in § 4 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags erfolgte, führe zu einem eventuellen Anspruch für den Beschäftigten. Dagegen gewähre § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-H für sich allein dem Beschäftigten keinen Rechtsanspruch auf die Zulage.
Vorliegend ergab sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht aus der arbeitsvertraglichen Regelung. § 4 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags sei nach Auffassung des Gerichts unter Heranziehung des insoweit maßgeblichen objektiv-generalisierenden Maßstabs dahingehend auszulegen, dass das beklagte Land der Klägerin ab Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses eine Zulage zu den in § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-H geregelten Bedingungen zahle; es seien jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Frage des Abschmelzens der Zulage im Falle des Stufenaufstiegs abweichend vom Tarifvertrag geregelt werden sollte; denn die ausdrückliche Bezugnahme auf § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-H und die im Übrigen wortlautgleiche Wiedergabe des Tariftextes einschließlich des Wortes "vorweg" in § 4 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags könne nur so verstanden werden, dass die Zulage ausschließlich zu den von § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-H vorgesehenen Bedingungen gewährt werden solle.
Somit sei hier einzig entscheidend, ob § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-H ein Abschmelzen der Zulage bei einem Stufenaufstieg als Regelfall vorsehe. Dies ergebe sich jedoch nach Ansicht des BAG aufgrund der Auslegung des Tarifvertrags.
Auch wenn sich diese Folge nicht aus dem ausdrücklichen Wortlaut der tariflichen Norm ergebe, so bestimme § 16 Abs. 5 TV-H jedoch, dass ein um bis zu 2 Stufen höheres Entgelt "vorweg", d. h. im Voraus gewährt werde; dies zeige, dass die Zulage gezahlt werde, bevor etwas Anderes geschehe (so Duden Deutsches Universalwörterbuch). Und dieses "Andere" sei der Ablauf der tarif...