LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 13.2.2020, 5 Sa 311/19
Der Arbeitnehmer ist berechtigt, eine von einem Vertreter des Arbeitgebers ausgesprochene Kündigung als einseitige Willenserklärung gem. § 174 BGB zurückzuweisen, wenn dieser seine Berechtigung nicht mit einer Vollmachtsurkunde belegt bzw. der Arbeitnehmer nicht über die konkrete Person und Funktion des Erklärenden "in Kenntnis gesetzt" wurde. Hierfür hat der Arbeitgeber die Namen derjenigen Personen, die Arbeitgeberfunktionen gegenüber Beschäftigten wahrnehmen, konkret zu benennen. Nicht ausreichend ist es, wenn sich eine betriebsüblich zur Kenntnis gebrachte Organisationsverfügung lediglich auf die Amtsbezeichnung ohne namentliche Nennung des Amtsinhabers beschränkt.
Sachverhalt
Dem Kläger, der bei der Bundespolizei-Akademie beschäftigt und dort in Entgeltgruppe 13 TVöD eingruppiert war, wurde am 7.1.2019 fristlos durch die beklagte Bundesrepublik Deutschland gekündigt. Das Kündigungsschreiben ging beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.1.2019 per Fax und am 14.1.2019 per Post ein. Das Kündigungsschreiben war auf dem Briefbogen der Arbeitgeberin erstellt worden. Unterzeichnet war es von der Regierungsdirektorin, welche seit September 2017 Leiterin des Dezernats 3 der Arbeitgeberin war, mit dem Zusatz "im Auftrag". Seit dem 8.2.2017 gab es im Intranet eine Organisationsverfügung. Hiernach legte der Polizeipräsident fest, dass für Tarifbeschäftigte der Präsident der Bundespolizei-Akademie grds. der Repräsentant der Arbeitgeberin sei. Dieser werde für Beschäftigte bis einschließlich Entgeltgruppe 13 durch die Leiterin oder den Leiter der Zentral- und Grundsatzabteilung sowie die Leiterin oder den Leiter des Dezernats 3 vertreten. Eine namentliche Bezeichnung der jeweiligen Stelleninhaber erfolgte hierbei nicht.
Mangels Vollmachtvorlage gem. § 174 BGB wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers die per Fax bzw. per Post übersandte Kündigung zurück. Er erhob im Namen des Klägers Kündigungsschutzklage.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem LAG Erfolg.
Das LAG führte in seinen Urteilsgründen zunächst aus, dass die vorab per Fax übermittelte Kündigung und die später per Post schriftlich übersandte Kündigung als eine einheitliche Kündigungserklärung aufzufassen sei. Zudem sei die Kündigung per Fax gem. § 125 Satz 1 BGB mangels Einhaltung der Schriftform nichtig. Nach Auffassung des Gerichts war vorliegend jedoch auch die per Post übersandte Kündigung unwirksam; denn eine Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornehme, sei nach § 174 Satz 1 BGB, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht im Vorfeld vorlege und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweise. Gemäß § 174 Satz 2 BGB sei die Zurückweisung nur dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt habe. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, bei einseitigen Rechtsgeschäften Rechtsklarheit zu schaffen, sodass der Erklärungsempfänger zur Zurückweisung einer Kündigung berechtigt sei, wenn er keine Gewissheit darüber habe, dass der Erklärende tatsächlich bevollmächtigt sei. Er solle nicht verpflichtet sein, nachzuforschen, welche Stellung der Erklärende habe bzw. ob dieser überhaupt die Berechtigung zur Kündigung habe. Insoweit könne er die Kündigung zurückweisen, wenn ihm keine Vollmachtsurkunde vorgelegt werde oder er von der Berechtigung des Erklärenden zur Abgabe der einseitigen Willenserklärung nicht durch ein "In-Kenntnis-Setzen" erfahre. Das "In-Kenntnis-Setzen" müsse, so das LAG weiter, ein gleichwertiger Ersatz für die Vorlage einer Vollmachtsurkunde sein. Wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter, z. B. durch die Bestellung zum Leiter der Personalabteilung, in eine Stelle berufen habe, mit der üblicherweise ein Kündigungsrecht verbunden sei, reiche die bloße interne Übertragung einer solchen Funktion nicht aus, sondern dies müsse auch nach außen ersichtlich sein oder durch eine sonstige Bekanntmachung kommuniziert werden.
Für den vorliegenden Fall entschied das Gericht, dass die erfolgte Veröffentlichung im Intranet nicht für ein In-Kenntnis-Setzen genüge; denn die Kündigung war durch den Arbeitgeber lediglich der Leiterin oder dem Leiter des Dezernats 3 übertragen worden. Es sei nicht namentlich kenntlich gemacht worden, welche Person dieses Amt bekleide. Auch dass die Leiterin ihr Amt in aller Öffentlichkeit ausgeübt hatte, änderte vorliegend nichts am Ergebnis.
Anmerkung:
Das Zurückweisungsrecht gem. § 174 BGB findet keine Anwendung, wenn gesetzliche Vertretungsregelungen bestehen, bspw. bei den Geschäftsführern einer GmbH nach dem GmbH-Gesetz oder dem Bürgermeister einer Stadt nach der Gemeindeordnung.