BAG, Urteil v. 26.5.2020, 9 AZR 129/19

Der Anspruch auf Zusatzurlaub nach § 27 TVöD für ständige Wechselschicht setzt erstens die ständige Leistung von Wechselschichtarbeit und zweitens den Anspruch auf die Wechselschichtzulage gem. § 8 Abs. 5 TVöD-VKA voraus. Im Gegensatz zum Tatbestandsmerkmal "ständig Wechselschichtarbeit leisten" liegt das Tatbestandsmerkmal "Anspruch auf die Wechselschichtzulage" nach dem Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums nicht mehr vor, wenn der Arbeitnehmer weiterhin arbeitsunfähig ist, selbst wenn er einen Zuschuss zum Krankengeld nach § 22 Abs. 2 TVöD-VKA erhält; denn soweit nach Satz 2 der Protokoll­erklärung zu § 27 Abs. 1 und 2 TVöD-VKA Zeiten ohne Arbeitsleistung für den Anspruch auf Zusatzurlaub unschädlich seien, bezieht sich die tarifliche Anordnung nur auf die Prüfung, ob ständige Wechselschichtarbeit vorliege, nicht aber auf die Prüfung, ob dem Mitarbeiter auch die Zulage wegen ständiger Wechselschicht zusteht.

Sachverhalt

Der Kläger ist in ständiger Wechselschicht in der 4-Tage-Woche bei der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, als Notfallsanitäter im Rettungsdienst beschäftigt. Der TVöD fand kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung. Zwischen dem 12.5. bis zum 15.8.2016 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er erhielt während dieses Zeitraums bis zum 23.6.2016 Entgeltfortzahlung und ab dem 24.6.2016 einen Krankengeldzuschuss gem. § 22 Abs. 2 TVöD. Der beklagte Arbeitgeber berechnete den Zusatzurlaub nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA für das Jahr 2016 unter Ausschluss des Zeitraums, in dem der Kläger Krankengeld erhielt, und kürzte diesen unter Berücksichtigung der 4-Tage-Woche des Klägers auf 3 zusätzliche Urlaubstage. Er setzte hierbei für das Jahr 2016 die Zeiträume 1.1. bis 29.2., 1.3. bis 30.4., 13.8. bis 12.10. und 13.10. bis 12.12. als Bemessungszeiträume fest. Der Kläger klagte auf 2 weitere Tage Zusatzurlaub. Er vertrat hierbei die Auffassung, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit keine Auswirkungen auf den Anspruch auf Zusatzurlaub habe.

Die Entscheidung

Während die Klage vor dem Arbeitsgericht Erfolg hatte, wies das LAG sie ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das Gericht entschied, dass zwar ein zusätzlicher Anspruch auf Urlaub gem. § 27 TVöD bestehe, jedoch nur in Höhe von insgesamt 4 Tagen, sodass der Kläger für das Jahr 2016 nur Anspruch auf einen weiteren Arbeitstag Zusatzurlaub habe.

Das BAG führte insoweit aus, dass nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA Beschäftigte, die ständig in Wechselschicht nach § 7 Abs. 1 TVöD-VKA arbeiten und denen hierfür eine Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-VKA zustehe, für je 2 zusammenhängende Monate einen Arbeitstag Zusatzurlaub haben. Nach dem eindeutigen Tarifwortlaut enthalte die Tarifnorm 2 Tatbestandsvoraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssten: Erstens die ständige Leistung von Wechselschichtarbeit und zweitens den Anspruch auf die Wechselschichtzulage gem. § 8 Abs. 5 TVöD-VKA. Da der Kläger zwar arbeitsunfähig abwesend war, jedoch die Protokollerklärung zu § 27 Abs. 1 und 2 TVöD die Arbeitsunfähigkeit in den Grenzen des § 22 TVöD, d. h. bis zu 39 Wochen, als unschädlich deklariere, lag vorliegend ein Einsatz in ständiger Wechselschicht vor. In diesem Fall stehe es der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung gleich, wenn die ständige Leistung von Wechselschichtarbeit nur deshalb nicht erfolge, weil der Beschäftigte unter Fortzahlung der Bezüge gem. § 21 Satz 1 TVöD-VKA von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt sei. Es reiche hierbei, wenn der Beschäftigte ohne die Freistellung von der Arbeitsleistung die erforderlichen Schichten tatsächlich geleistet hätte (vgl. BAG, Urteil v. 24.3.2010, 10 AZR 152/09).

Bzgl. des Anspruchs auf Wechselschichtzulage gem. § 8 Abs. 5 TVöD i. V. m. § 21 TVöD führte das BAG aus, dass die Wechselschichtzulage als "sonstiger in Monatsbeträgen festgelegter Entgeltbestandteil" dem Entgeltausfallprinzip unterliege; d. h., wäre der Kläger nicht arbeitsunfähig erkrankt, wäre er im Wechselschichtdienst eingesetzt worden. Insoweit erfülle der Kläger auch für die Monate Mai und Juni 2016 die tariflichen Voraussetzungen der Wechselschichtzulage. Allerdings gelte dies nicht für den Monat Juli; hier sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen, an den Kläger die Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit zu zahlen, sodass dieser Monat für die Berechnung des Zusatzurlaubs außer Betracht zu bleiben habe. Das Gericht begründete dies mit dem Umstand, dass anders als das Tatbestandsmerkmal "ständig Wechselschichtarbeit [...] leisten" das Tatbestandsmerkmal "Anspruch auf die Wechselschichtzulage" nach dem Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums nicht vorliege, wenn der Arbeitnehmer – wie hier der Kläger – weiterhin arbeitsunfähig sei. Der Bezug eines Zuschusses zum Krankengeld nach § 22 Abs. 2 TVöD-VKA ändere hieran nichts; denn soweit nach Satz 2 der Protokollerklärung zu § 27 Abs. 1 und 2 TVöD-VKA Zeiten ohne Arb...

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