Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtskraft – Gewerkschaftseigenschaft einer Arbeitnehmervereinigung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung ist in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich nicht begrenzt.
2. Jedenfalls bei gerichtlichen Entscheidungen mit Dauerwirkung wirkt die materielle Rechtskraft aber nur solange, wie sich die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht wesentlich ändern.
3. Eine solche wesentliche Änderung lag hinsichtlich der Gewerkschaftseigenschaft einer Arbeitnehmervereinigung in der Aufnahme der von der Rechtsprechung entwickelten maßgeblichen Kriterien in den Willen des Gesetzgebers durch die Ratifizierung des Staatsvertrages mit der DDR über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 2; ArbGG §§ 97, 96, 87, 80 Abs. 2, § 2a; ZPO §§ 280, 322, 325, 543; Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990; Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1990
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Industriegewerkschaft Metall wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. Dezember 1998 – 4 TaBV 3/98 – aufgehoben.
2. Die Beschwerde der Christlichen Gewerkschaft Metall gegen den Zwischenbeschluß des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19. Februar 1998 – 15 BV 250/96 – wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Gewerkschaftseigenschaft der Christlichen Gewerkschaft Metall (Beteiligte zu 2, im folgenden: CGM), hilfsweise über ihre Tariffähigkeit in Sachsen.
Die Antragstellerin (IG Metall – Beteiligte zu 1) ist die mitgliedsstärkste Einzelgewerkschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört unter anderem der Abschluß von Tarifverträgen in der Metall- und Elektroindustrie. Ihr Organisationsbereich umfaßt das gesamte Bundesgebiet.
Die CGM führte ursprünglich den Namen „Christlicher Metallarbeiterverband Deutschlands” (CMV). Dieser wurde 1991 umbenannt in „Christliche Gewerkschaft Metall”. Ihr gehören nach eigenen Angaben circa 110.000 Mitglieder an, während die IG Metall von nur etwa 50.000 Mitgliedern der CGM ausgeht. Die CGM erstrebt die Verwirklichung eines christlich-sozialen Ordnungsbildes. Sie bekennt sich zu den unveräußerlichen Menschenrechten, zum sozialen Rechtsstaat, zur parlamentarischen Demokratie und zum geeinten Europa. Ihr Organisationsbereich erstreckt sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Nach § 1 Nr. 3 ihrer Satzung ist sie unabhängig von politischen Parteien, Kirchen, Regierungen und Unternehmern. Zu ihren Aufgaben und Zielen gehören gemäß § 2 der Satzung insbesondere die Herbeiführung eines gerechten Lohns durch den Abschluß von Tarifverträgen, die Regelung der sonstigen Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge, die Mitwirkung bei allen Fragen der Betriebsverfassung und Mitbestimmung, die Förderung der Bemühungen zum Ausbau und zur Verbesserung des Arbeits- und Sozialrechts sowie die Mitwirkung auf allen Ebenen der Selbstverwaltung. Weitere Aufgaben sind die Einwirkung auf Gesetzgebung, Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik, die Unterstützung bei gewerkschaftlich anerkannten Streiks, bei Aussperrung und Maßregelung sowie der Mitgliederrechtsschutz in arbeits- und sozialrechtlichen Streitigkeiten. Nach § 3 der Satzung kann der CGM jeder in der metallerzeugenden und metallverarbeitenden Industrie, im Metallhandwerk, in der Elektroindustrie und in den sonstigen Metallbetrieben beschäftigte Arbeitnehmer beitreten. Mit Ausnahme von Rentnern, Auszubildenden und Nichtbeschäftigten, die dem halben Beitragssatz unterliegen, hat jedes Mitglied einen monatlichen Mindestbeitrag von 10,00 DM zu leisten (§ 7 der Satzung). Die CGM ist Mitglied des Gesamtverbands der Christlichen Gewerkschaften Deutschlands (CGD) und des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschlands (CGB).
Mit rechtskräftigem Beschluß vom 4. Februar 1972 (– 6 BV 3/71 – EzA GG Art. 9 Nr. 9) hat das Arbeitsgericht Stuttgart auf Antrag des CMV festgestellt, dieser sei eine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne. In dem damaligen Verfahren war neben dem CMV die IG Metall beteiligt, weiter der CGD, der CGB, ein Betriebsratsvorsitzender des Volkswagenwerks Hannover, der Niedersächsische Sozialminister, der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, der DGB, die BDA und Gesamtmetall. Das Arbeitsgericht Stuttgart ging davon aus, daß sich die Begriffe der „Gewerkschaft” nach § 2 Abs. 1 TVG und der Arbeitnehmerkoalition nach Art. 9 Abs. 3 GG deckten. Danach erfülle der CMV alle Erfordernisse der Tariffähigkeit. Er handle zum Zweck der kollektiven Wahrnehmung typischer Arbeitnehmerinteressen und sei vereinsrechtlich strukturiert. Der Zusammenschluß sei freiwillig, gegnerfrei, unabhängig von seinen sozialen Gegenspielern sowie frei von parteipolitischen und tatsächlichen Einflüssen. Seine Organisation sei demokratisch und überbetrieblich angelegt. Er sei tarifwillig, was eine Vielzahl von Anschlußtarifen belege. Schließlich erkenne er das geltende Tarif- und Schlichtungsrecht an. Entgegen der seit dem Jahr 1968 vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung setze die Gewerkschaftseigenschaft nicht auch eine gewisse Verbandsstärke voraus. Dieses Kriterium würde faktisch zu einer von Art. 9 Abs. 3 GG nicht gewollten Monopolstellung der großen Gewerkschaften führen. Aber auch ohne Rücksicht auf diese Meinung sei die Voraussetzung der Durchsetzungsfähigkeit gewahrt.
Der Verband der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie (VSME – Beteiligter zu 3) und die CGM schlossen am 10. Juni 1996 zwei Tarifverträge für die sächsische Metall- und Elektroindustrie, den Tarifvertrag für Standortsicherung und Beschäftigungsförderung sowie den Tarifvertrag über die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen. Im Frühjahr 1996 hatten die IG Metall und der VSME erfolglos über entsprechende Tarifvereinbarungen verhandelt.
Die IG Metall vertritt die Ansicht, die CGM sei keine Gewerkschaft iSd. § 2 Abs. 1 TVG und könne daher keine Tarifverträge schließen. Für die Tariffähigkeit fehlten ihr insbesondere die nötige Durchsetzungskraft und Leistungsfähigkeit der Organisation. In Sachsen gehörten ihr nahezu keine Mitglieder an. Obwohl sie nach eigenen Angaben im Bundesgebiet ungefähr 20 hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre beschäftige, werde sie in Sachsen durch keinen oder höchstens einen Gewerkschaftssekretär vertreten. Die beiden Tarifvereinbarungen vom 10. Juni 1996 seien zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als sie in Sachsen weder über eine Geschäftsstelle noch über einen hauptamtlichen Mitarbeiter verfügt habe. Sie stellten als Diktat der Arbeitgeberseite Schein- und Gefälligkeitstarifverträge dar. Der VSME habe die CGM als Lückenbüßerin benutzt. Der rechtskräftige Beschluß des Arbeitsgerichts Stuttgart aus dem Jahre 1972 stehe einer erneuten Entscheidung über die Gewerkschaftseigenschaft nicht entgegen. Er lasse keine Schlüsse auf die Tariffähigkeit der CGM im Tarifgebiet Sachsen zu, zumal er vor der Wiedervereinigung und im Zusammenhang mit einer betriebsverfassungsrechtlichen Auseinandersetzung in Hannover ergangen sei. Zudem habe das Arbeitsgericht den Begriff der Gewerkschaft verkannt, indem es ihn mit dem der Arbeitnehmerkoalition gleichgesetzt habe. Jedenfalls sei das Kriterium der Mächtigkeit von der Rechtsprechung seit 1978 verschärft worden. Folglich hätten sich sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen Verhältnisse seit der damaligen Entscheidung wesentlich geändert.
Die IG Metall hat beantragt
Die CGM hat beantragt, die Anträge der IG Metall als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, dem Feststellungsbegehren stehe bereits die Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stuttgart aus dem Jahr 1972 entgegen. Nach seinem eindeutigen Wortlaut stelle der Beschluß die umfassende Gewerkschaftseigenschaft fest. Einer weiteren Auslegung sei er nicht zugänglich. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem Kriterium der Mächtigkeit habe sich seither nicht gewandelt. Sie sei lediglich differenzierter geworden. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich – wenn überhaupt – zugunsten der CGM geändert, weil sie seit 1988 nicht länger nur Anschlußtarifverträge schließe, sondern originäre Tarifvereinbarungen treffe. Sie habe dabei eigene Vorstellungen entwickelt und diese in die Tarifverhandlungen eingebracht und durchgesetzt. Der IG Metall sei auch das Interesse an alsbaldiger Feststellung abzusprechen. Schon im Rahmen eines 1990 geführten Wahlanfechtungsverfahrens sei erneut die Gewerkschaftseigenschaft der CGM bestritten worden, ohne daß die Gerichte zu deren Klärung das Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt hätten. Erst über fünf Monate nach den Tarifabschlüssen vom 10. Juni 1996 habe die IG Metall das vorliegende Verfahren eingeleitet. In Wahrheit wolle sie eine unliebsame Konkurrentin behindern.
Das Arbeitsgericht hat die abgesonderte Anhörung der Beteiligten über die Zulässigkeit des Hauptantrags der IG Metall angeordnet und diesen mit Zwischenbeschluß für zulässig erklärt. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich seit der Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Februar 1972 derart geändert, daß der jetzt zur Entscheidung stehende Lebenssachverhalt nicht mehr mit dem rechtskräftig entschiedenen zu vergleichen sei. Auf die Beschwerde der CGM hat das Landesarbeitsgericht den Zwischenbeschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und den Hauptantrag der IG Metall abgewiesen. Seiner Zulässigkeit stehe die Rechtskraft der Entscheidung vom 4. Februar 1972 entgegen.
Mit ihrer vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die IG Metall die Wiederherstellung des Beschlusses des Arbeitsgerichts und beantragt, die Sache zur weiteren Erörterung und Entscheidung über die Feststellungsanträge an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Der DGB schließt sich diesen Anträgen an. Die CGM sowie der CGB bitten, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Der VSME und Gesamtmetall stützen deren Antrag mit Rechtsausführungen.
B. Die Rechtsbeschwerde der IG Metall hat Erfolg.
Die Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Februar 1972(– 6 BV 3/71 – aaO) steht einer erneuten Entscheidung über die Gewerkschaftseigenschaft der CGM nicht entgegen. Im Ergebnis zu Recht, wenn auch mit unzutreffender Begründung, hat das Arbeitsgericht den Hauptantrag der IG Metall als zulässig angesehen. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts ist daher aufzuheben und die Beschwerde der CGM gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
I. Die Rechtsbeschwerde ist nicht bereits deshalb begründet, weil der Beteiligte zu 11) zu Unrecht von den Vorinstanzen nicht in das Verfahren einbezogen worden war.
Die Frage, welche Vereinigungen und Stellen an einem Verfahren zur Klärung der Gewerkschaftseigenschaft einer Arbeitnehmervereinigung Beteiligte sind, ist – wie auch sonst im Beschlußverfahren – von Amts wegen zu prüfen, und zwar auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz. Diejenigen Beteiligten, die bislang nicht beteiligt wurden, sind zum Verfahren hinzuzuziehen. Einer Rüge der Nichtbeteiligung bedarf es nicht(vgl. nur Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 83 Rn. 28 mwN).
Werden Vereinigungen oder Stellen, die nach materiellem Recht Beteiligte des Verfahrens sind, vom Gericht nicht beteiligt, kann dieser Fehler für die Zukunft jedenfalls dadurch beseitigt werden, daß die betreffende Vereinigung oder Stelle künftig beteiligt wird, was vorliegend hinsichtlich des Beteiligten zu 11) geschehen ist. Der Beteiligte zu 11) war in das Verfahren einzubeziehen, weil er durch die Entscheidung über die Gewerkschaftseigenschaft der CGM in seiner Rechtsstellung betroffen wird(§ 2 a Abs. 1 Nr. 4, § 97 Abs. 2, § 83 Abs. 3 ArbGG).
II. Die Rechtsbeschwerde ist indessen begründet, weil entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts der Hauptantrag der IG Metall auf Feststellung, daß die CGM keine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne ist, zulässig ist. Die Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stuttgarts vom 4. Februar 1972 steht einer – neuen – Entscheidung über diese Frage nicht entgegen.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine wesentliche Änderung des der Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart aus dem Jahre 1972 zugrundeliegenden Sachverhalts, die zur Durchbrechung der Rechtskraft führen würde, liege nicht vor. Weder die „Verwerfungen” im Zuge des Wiedervereinigungsprozesses und die damit in Zusammenhang stehenden „Veränderungen der tarifvertraglichen Rahmenbedingungen” noch die Zahl der Mitglieder der CGM, die Frage der Rechtsschutzgewährung, die Rollenveränderung der Gewerkschaften wegen wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen, das Problem von Scheintarifverträgen und Anschlußtarifverträgen oder die Erweiterung des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland im Zuge der Wiedervereinigung führten zu einer wesentlichen Veränderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts.
Dem folgt der Senat nicht. Der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens stimmt mit demjenigen des vom Arbeitsgericht Stuttgart im Jahre 1972 entschiedenen nicht überein. Die Rechtskraftwirkung des damaligen Beschlusses hat 1990 geendet, weil sich seinerzeit die Rechtslage in einem wesentlichen Punkt geändert hat.
1. Allerdings sind Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. 20. März 1996 – 7 ABR 41/95 – BAGE 82, 291, zu B II 1 der Gründe; 1. Februar 1983 – 1 ABR 33/78 – BAGE 41, 316, zu B II 1 der Gründe; 27. Januar 1981 – 6 ABR 68/79 – BAGE 35, 1, zu II 2 a der Gründe; 31. Oktober 1975 – 1 ABR 64/74 – BAGE 27, 301, zu II 3 der Gründe; 27. August 1968 – 1 ABR 6/68 – BAGE 21, 139, zu B 1 der Gründe) und der herrschenden Meinung im Schrifttum(vgl. Dütz FS Kehrmann 1997 S 349 ff.; Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 322 Rn. 324 f.; Germelmann/Matthes/Prütting aaO § 84 Rn. 20 ff.; Leipold Anm. zu BAG 1. Februar 1983 – 1 ABR 33/78 – AP ZPO § 322 Nr. 14; Krause Anm. zu BAG 20. März 1996 – 7 ABR 41/95 – AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 32) der formellen und materiellen Rechtskraft fähig.
Formell rechtskräftig werden die Beschlüsse im Beschlußverfahren – wie Urteile im Urteilsverfahren –, wenn sie mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden können. Die von dieser äußeren Rechtskraft abhängige materielle (innere) Rechtskraft bedeutet, daß die in dem Beschluß behandelten Fragen durch die am Verfahren Beteiligten bei unverändertem Sachverhalt nicht erneut einer Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen unterbreitet werden können. Diese materielle Rechtskraft soll der Gefahr einer zweiten, widersprechenden Entscheidung begegnen, um Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu gewährleisten(vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozeßrecht 15. Aufl. § 149 I und II S 908 f.). Daß Beschlüsse im Beschlußverfahren der inneren Rechtskraft fähig sind, zeigt schon der Wortlaut des § 85 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, wonach aus „rechtskräftigen” Beschlüssen die Zwangsvollstreckung vorgesehen ist(Grunsky Anm. BAG 27. Januar 1981 – 6 ABR 68/79 – in AP ArbGG 1979 § 80 Nr. 2). Für die Annahme einer materiellen Rechtskraft von Beschlüssen im Beschlußverfahren spricht auch § 80 Abs. 2 ArbGG, der die Vorschrift über die Wiederaufnahme des Verfahrens für anwendbar erklärt und es auf diese Weise ermöglichst, die Rechtskraft zu durchbrechen(ständige Rechtsprechung des BAG vgl. 27. August 1968 – 1 ABR 6/98 – aaO, zu B 1 der Gründe; 20. März 1996 – 7 ABR 41/95 – aaO, zu B II 1 der Gründe = AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 32 mit Anm. Krause).
Das Fehlen entgegenstehender innerer Rechtskraft einer vorangegangenen Entscheidung ist negative Prozeßvoraussetzung für die Folgeentscheidung; das gilt auch für die Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren. Folge der materiellen Rechtskraft eines früheren Beschlusses ist somit, daß eine erneute Entscheidung desselben oder eines anderen Gerichts innerhalb bestimmter objektiver, subjektiver und zeitlicher Grenzen ausgeschlossen ist(BAG 27. August 1968 – 1 ABR 6/68 – aaO; Zöller/Vollkommer ZPO 20. Aufl. Vor § 322 Rn. 3); nur innerhalb dieser Grenzen treten die Wirkungen der materiellen Rechtskraft ein. Ein Antrag, der die gleiche Streitfrage erneut zur Entscheidung stellt, ist unzulässig, weil der Rechtsschutz bereits gewährt wurde(vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO § 151 III S 917; Würthwein ZZP 1999, 447, 450 Fußnote 15; BAG 27. August 1968 – 1 ABR 67/68 – aaO, zu B 1 der Gründe = AP ArbGG 1953 § 80 Nr. 4 mit Anm. Neumann-Duisberg; 1. Februar 1983 – 1 ABR 33/78 – aaO, zu B II 1 der Gründe = AP ZPO § 322 Nr. 14 mit Anm. Leipold; 20. März 1996 – 7 ABR 41/95 – aaO; grundsätzlich ebenso Stein/Jonas/Leipold aaO § 322 Rn. 39).
2. Subjektiv wirkt die materielle Rechtskraft grundsätzlich zwischen den Parteien des Vorprozesses, § 325 ZPO; im Beschlußverfahren zwischen den Beteiligten. Diese Grenzen sind hier gewahrt. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Februar 1972(– 6 BV 3/71 – aaO), der die Gewerkschaftseigenschaft des CMV feststellt, wirkt im Verhältnis zwischen der CGM und der IG Metall, der jetzigen Antragstellerin und Rechtsbeschwerdeführerin. Die heutige CGM und die IG Metall waren an dem damaligen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart beteiligt. Dadurch, daß der damalige Antragsteller, der „Christliche Metallarbeiterverband Deutschlands”, am 13. Oktober 1991 in „Christliche Gewerkschaft Metall” umbenannt worden ist, hat er seine Rechtspersönlichkeit nicht geändert. Wegen der Beteiligung der CGM als Antragstellerin und der IG Metall als Antragsgegnerin des damaligen Verfahrens kommt es hier nicht darauf an, ob sich die subjektive Rechtskraft im Beschlußverfahren auf Antragsteller und Antragsgegner beschränkt oder auf alle Beteiligten erstreckt ist(Dütz aaO S 350) bzw. – gerade im Falle des § 97 ArbGG – generell gegenüber jedermann wirkt(BAG 25. November 1986 – 1 ABR 22/85 – BAGE 53, 347, zu B I 3 a der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting aaO § 97 Rn. 28; Hauck ArbGG § 97 Rn. 6; aA GK-ArbGG/Leinemann Stand Dezember 1999 § 97 Rn. 68 f.).
3. Da sich der Hauptantrag des vorliegenden Verfahrens mit dem Entscheidungsgegenstand des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Februar 1972 (– 6 BV 3/71 – aaO) deckt, hält er sich auch insoweit innerhalb der Grenzen der Rechtskraft.
Nach § 322 Abs. 1 ZPO sind Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren – wie Urteile – der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder die Widerklage – hier: den Antrag – erhobenen Anspruch entschieden ist. Um die gleiche Streitfrage handelt es sich bei dem neuen Verfahren dann, wenn bei Identität der Beteiligten über den gleichen (prozessualen) Streitgegenstand noch einmal entschieden werden soll. Damit werden die objektiven Grenzen der Rechtskraft des Entscheidungsgegenstandes durch den Streitgegenstand des Erstprozesses bestimmt(BAG 20. März 1996 – 7 ABR 41/95 – aaO, zu B II 2 der Gründe). Der Streitgegenstand ergibt sich seinerseits aus dem zur Entscheidung gestellten Antrag und dem zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird(BAG 1. Februar 1983 – 1 ABR 33/78 – aaO, zu B II 1 der Gründe = AP ZPO § 322 Nr. 14 mit Anm. Leipold). Bezugspunkt der Rechtskraft ist damit die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen der geltend gemachten konkreten Rechtsfolge. Bei einem positiven Feststellungsausspruch erwächst somit der Bestand des behaupteten Rechtsverhältnisses – bzw. hier das Vorliegen der beanspruchten rechtlichen Eigenschaft – in Rechtskraft. Gleiches gilt für sein kontradiktorisches Gegenteil(Würthwein aaO S 451 f.), im gegebenen Fall also die Feststellung des Nichtbestehens der Gewerkschaftseigenschaft. Mit ihrem jetzigen Hauptantrag verfolgt die IG Metall das der Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgarts vom 4. Februar 1972(aaO) entgegengesetzte Ziel, wenn sie festgestellt haben will, die CGM sei keine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne. Auch dieser Antrag wird daher von den objektiven Grenzen der Rechtskraft umfaßt.
4. Die Rechtskraftwirkung des Beschlusses von 1972 hatte indessen geendet, bevor das vorliegende Verfahren eingeleitet wurde.
a) Allerdings ist in zeitlicher Hinsicht die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich nicht begrenzt. Der bloße Zeitablauf ist insoweit ohne Bedeutung. Dies gilt auch bei feststellenden Entscheidungen mit Dauerwirkung, etwa – wie hier – bei der Feststellung, daß eine bestimmte Arbeitnehmervereinigung eine Gewerkschaft ist oder nicht(BAG 27. August 1968 – 1 ABR 6/68 – aaO, zu B 2 a und b der Gründe = AP ArbGG 1953 § 80 Nr. 4 mit Anm. Neumann-Duisberg).
Die Beendigung der Rechtskraft kommt indessen jedenfalls bei Entscheidungen mit Dauerwirkung dann in Betracht, wenn sich die maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich ändern. Auch für Eigenschaften, die im Beschlußverfahren festgestellt werden, gilt demzufolge, daß die Rechtskraft dann einer erneuten Entscheidung nicht mehr im Wege steht, wenn sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt oder die Rechtslage wesentlich geändert haben. Es müssen sich gerade diejenigen Tatsachen oder Rechtsgrundlagen geändert haben, die für die in der früheren Entscheidung ausgesprochene Rechtsfolge als maßgeblich angesehen worden sind(BAG 20. März 1996 – 7 ABR 41/95 – aaO, zu B II 4 der Gründe).
b) Die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse haben sich, entgegen der Annahme des erstinstanzlichen Beschlusses, seit der Entscheidung von 1972 nach den bisher getroffenen Feststellungen allerdings nicht in diesem Sinne wesentlich geändert.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß weder die mit der deutschen Wiedervereinigung verbundenen tatsächlichen „Verwerfungen”, noch die Veränderungen in den tariflichen Rahmenbedingungen die Rechtskraftwirkung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Februar 1972(– 6 BV 3/71 – aaO) beendet haben. In diesen Umständen liegt keine für die Feststellung der Gewerkschaftseigenschaft wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse.
c) Eine wesentliche Änderung ist aber im Hinblick auf die entscheidungserheblichen rechtlichen Verhältnisse gegeben.
Dabei kann dahinstehen, ob für eine solche wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eine Rechtsprechungsänderung ausreicht(verneinend BAG 12. Juni 1990 – 3 AZR 524/88 – BAGE 65, 194, zu I 4 der Gründe; 20. März 1996 – 7 ABR 41/95 – aaO, zu B II 4 der Gründe, mit eingehender Begründung; Stein/Jonas/Leipold aaO § 322 Rn. 256 und § 323 Rn. 23; Zöller/Vollkommer aaO Vor § 322 Rn. 53; Wieczorek ZPO 2. Aufl. § 323 Rn. B II b 7; MünchKommZPO-Gottwald § 323 Rn. 51; aA Krause aaO; Dütz aaO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführerin hat sich die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Gewerkschaftseigenschaft nach 1972 nicht wesentlich geändert. Das gilt insbesondere für die hier strittige Frage, ob es insoweit auf die Durchsetzungsfähigkeit der Arbeitnehmervereinigung ankommt und ob diese bei der CGM zu bejahen ist (vgl. BAG 9. Juli 1968 – 1 ABR 2/67 – BAGE 21, 98, 101 f. = AP TVG § 2 Nr. 25 mit Anm. Mayer-Maly).
Die Wirkung der materiellen Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Februar 1972 ist jedenfalls durch die Änderung der rechtlichen Grundlagen zur Beurteilung der Gewerkschaftseigenschaft eines Arbeitnehmerverbandes im Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 und dem Gemeinsamen Protokoll über Leitsätze, A III Nr. 2, (im folgenden: A III 2 des Staatsvertrages), in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1990(BGBl. II S 518) weggefallen.
A III 2 des Staatsvertrages lautet:
„Tariffähige Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände müssen frei gebildet, gegnerfrei, auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und unabhängig sein sowie das geltende Tarifrecht als für sich verbindlich anerkennen; ferner müssen sie in der Lage sein, durch Ausüben von Druck auf den Tarifpartner zu einem Tarifabschluß zu kommen.”
Zwar hat sich dadurch der Inhalt des Gewerkschaftsbegriffs nicht wesentlich geändert. Das Kriterium der „Mächtigkeit” bzw. „Durchsetzungsfähigkeit” ist von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowohl vor diesem Staatsvertrag wie auch nachher als Kriterium für die Prüfung der Gewerkschaftseigenschaft zugrunde gelegt worden. Dieses Kriterium ist für die damalige Bundesrepublik Deutschland nicht gesetzlich geregelt, sondern von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – bestätigt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts(zB BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – BVerfGE 58, 233, 248 f. = AP § 2 TVG Nr. 31) - entwickelt worden. Es ist vom Staatsvertrag im Zusammenhang mit dem Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages nicht geändert, sondern gerade festgeschrieben worden.
Darauf kommt es jedoch nicht an. Voraussetzung für die Annahme einer wesentlichen rechtlichen Änderung ist nicht eine andere rechtliche Beurteilung der streitigen Frage, sondern eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse. Eine solche kann aber auch in der qualitativen Änderung der Prüfungskriterien liegen, beispielsweise in der Bestätigung einer Rechtsprechung durch den Gesetzgeber. Es macht für die Rechtsanwendung – auch durch die Gerichte – einen wesentlichen Unterschied, ob einzelne Merkmale eines Rechtsbegriffs ausdrücklich vom Gesetz bestimmt oder lediglich von der Rechtsprechung entwickelt worden sind. An das Gesetz ist der Richter gebunden, nicht dagegen an die höchstrichterliche Rechtsprechung. Das verdeutlicht gerade die hier in Rede stehende Entscheidung aus dem Jahr 1972, mit der das Arbeitsgericht Stuttgart der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der die Gewerkschaftseigenschaft eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit voraussetzt, ausdrücklich die Gefolgschaft verweigert hat.
Hier ist auf Grund des Staatsvertrages und des Gemeinsamen Protokolls über die Leitsätze, A III Nr. 2, in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1990, eine wesentliche Änderung der Qualität der Kriterien für die Annahme einer Gewerkschaft eingetreten, die einer Gesetzesänderung gleichzusetzen ist.
Die Regelungen im Staatsvertrag sind zwar kein materielles Gesetz(vgl. Hanau EWiR 1991 § 2 TVG 1/91 S 917, 918), haben aber durch das Zustimmungsgesetz des Bundestags vom 25. Juni 1990 (aaO) Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers gefunden(Gitter FS Kissel S 265, 271 ff.; Schrader „Durchsetzungsfähigkeit” als Kriterium für Arbeitgeber im Tarifvertragsrecht S 140 ff.). Mit dem Zustimmungsgesetz des Bundestages zu dem Staatsvertrag vom 25. Juni 1990 (aaO) ist der Inhalt des Staatsvertrags einschließlich des Gemeinsamen Protokolls bestätigt worden; durch die Ratifizierung ist der Staatsvertrag in innerstaatliches Recht überführt worden.
Durch das Zustimmungsgesetz des Bundestages zu dem Staatsvertrag vom 25. Juni 1990 als formelles Gesetz, also die Anordnung durch die gesetzgebende Körperschaft im Verfahren der Gesetzgebung und in der Form des Gesetzes (Gitter aaO S 265, 269), haben die Beurteilungskriterien für die Annahme einer tariffähigen Gewerkschaft eine andere rechtliche Qualität bekommen. Der Gesetzgeber hat durch das Zustimmungsgesetz und A III Nr. 2 des Gemeinsamen Protokolls über die Leitsätze in Verbindung mit dem Staatsvertrag die „Durchsetzungsfähigkeit” von Koalitionen in seinen Willen aufgenommen und dadurch eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse herbeigeführt. Bis dahin war dieses Kriterium allein durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellt, jetzt entsprach es dem Willen des Gesetzgebers.
Dementsprechend nehmen auch Oetker(in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 5 bis 7 sowie FS Stahlhacke S 363), Gaul(ZTR 1991, 443, 446), Müller(DB 1992, 269, 273) und Richardi(DB 1990, 1613, 1615) in unterschiedlicher Weise – „verbindliche Interpretationsmaxime”, „normative Vorgabe”, „zu beachtende Interpretationshilfe”, „für die Interpretation des geltenden Arbeitsrechts grundlegendes Rechtsdokument” – Auswirkungen auf § 2 Abs. 1 TVG an.
Dem steht nicht entgegen, daß sich der Staatsvertrag nur auf die ehemalige DDR bezieht. Der Zweck des Staatsvertrages, in der damaligen DDR eine Rechtslage einzuführen, die mit derjenigen der Bundesrepublik Deutschland identisch war, hat auch die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland beeinflußt. Durch die Einführung der „Sozialunion” mit der damaligen DDR als Widerspiegelung der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland ist mit der Aufnahme der Kriterien für die Gewerkschaftseigenschaft, ua. der „Durchsetzungsfähigkeit”, in den Willen des Gesetzgebers auch für die Bundesrepublik Deutschland eine andere Rechtsqualität geschaffen worden.
Unabhängig davon, ob man deshalb den Leitsatz A III 2 als verbindliche gesetzliche Auslegungsregel auch für § 2 Abs. 1 TVG ansieht(Schrader aaO; Gitter aaO, Kissel NZA 1990, 545, 549 f.) oder als zu beachtende Interpretationshilfe(Müller aaO; Richardi aaO) auffaßt, ist damit jedenfalls anzunehmen, daß der Leitsatz nicht als völlig unverbindliche Rechtsauffassung der Parteien des Staatsvertrags ohne Bedeutung für die Rechtslage der Bundesrepublik Deutschland ist(so aber MünchArbR/Löwisch § 235 Rn. 17 – 19; Löwisch/Rieble TVG § 2 Rn. 2; Rieble SAE 1991, 316 ff.; Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. Grundlagen Rn. 48, § 2 Rn. 55, 88; Zachert FS Kehrmann S 335, 337 f.). Auch wenn man mit der Gegenmeinung(MünchArbR/Löwisch aaO; Löwisch/Rieble aaO; Rieble aaO; Kempen/Zachert aaO; Zachert aaO; Oetker aaO) davon ausgeht, daß dem Leitsatz A III 2 nicht die verbindliche Wirkung eines materiellen Gesetzes zukommt, ist die durch das Zustimmungsgesetz des Bundestages vom 25. Juni 1990 in den Willen des Gesetzgebers aufgenommene Auffassung, zum Begriff einer Gewerkschaft gehöre auch das Merkmal der „Durchsetzungsfähigkeit”, für die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung. Durch das Zustimmungsgesetz und die Absicht des Gesetzgebers, in der damaligen DDR einen Rechtszustand herzustellen, der dem in der damaligen Bundesrepublik Deutschland entspricht, hat das Kriterium der „Durchsetzungsfähigkeit” einer tariffähigen Gewerkschaft damit auch für den Rechtszustand in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem früheren Richterrecht eine andere Qualität erreicht. Damit ist eine von den Gesetzgebungsorganen der Bundesrepublik Deutschland getragene Willensbekundung gegeben, die für § 2 Abs. 1 TVG zumindest den Charakter einer nachträglichen Erläuterung hat und bei der Auslegung von § 2 Abs. 1 TVG zu berücksichtigen ist(Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 7).
Gegen dieses Ergebnis spricht entgegen Rieble (aaO) und Oetker (aaO) auch nicht, daß der Staatsvertrag mit der tatsächlichen Wiedervereinigung Deutschlands gegenstandslos geworden ist. Ist anzunehmen, daß auf Grund der Rechtsänderungen mit dem Staatsvertrag und dem Gemeinsamen Protokoll über die Leitsätze in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1990 die Rechtskraftwirkung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Februar 1972(– 6 BV 3/71 – aaO) weggefallen ist, konnte sie durch das Außerkrafttreten des Staatsvertrages mit der Wiedervereinigung Deutschlands und der Inkraftsetzung des Einigungsvertrages nicht wieder aufleben.
f) Steht demnach die Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Februar 1972 einer erneuten Entscheidung über die Gewerkschaftseigenschaft der CGM nicht entgegen, kann dahinstehen, ob die hilfsweisen Erwägungen des Arbeitsgerichts Stuttgart, die Voraussetzungen der „Durchsetzungsfähigkeit” seien gewahrt, überhaupt der Rechtskraft unterfallen.
g) Das Verfahren ist vor dem Arbeitsgericht zur Prüfung in der Sache – ob die CGM eine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne ist – fortzusetzen. Des Antrags der IG Metall, die Sache zur weiteren Erörterung und Entscheidung über die Feststellungsanträge an die Vorinstanz zurückzuverweisen, bedurfte es angesichts dieser prozessualen Situation nicht, er geht ins Leere. Das folgt daraus, daß nach der Anordnung der abgesonderten Anhörung der Beteiligten und Beschlußfassung über die Zulässigkeit des Hauptantrages durch das Arbeitsgericht die Vorinstanzen lediglich über die Zulässigkeit einer erneuten Prüfung der Gewerkschaftseigenschaft der CGM entschieden haben. Aufgrund der Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts und der Zurückweisung der Beschwerde der CGM ist das Verfahren nach der Feststellung der Zulässigkeit des Hauptantrags zur Prüfung der Begründetheit in dem Prozeßstadium und vor dem Gericht fortzusetzen, in dem es sich zur Zeit der Anordnung der abgesonderten Anhörung und Beschlußfassung befunden hat, also vor dem Arbeitsgericht. Eine förmliche Zurückverweisung kommt nicht in Betracht.
Unterschriften
Wißmann, Rost, Hauck, Brunner, Metz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.06.2000 durch Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 448637 |
BAGE, 47 |
BB 2001, 210 |
DB 2000, 1231 |
DB 2001, 1788 |
FA 2000, 258 |
FA 2001, 23 |
JR 2001, 220 |
NZA 2001, 156 |
AP, 0 |
AuA 2000, 384 |
MDR 2001, 281 |
NJ 2001, 331 |
SGb 2001, 244 |
ZfPR 2000, 276 |
AuS 2000, 62 |