Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Versetzung
Normenkette
BetrVG § 99
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Beschluss vom 10.02.1993; Aktenzeichen 8 TaBV 2/92) |
ArbG Hamburg (Beschluss vom 11.12.1991; Aktenzeichen 9 BV 16/90) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. Februar 1993 – 8 TaBV 2/92 – wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung der Arbeitnehmerin D richtet.
Im übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung einer Arbeitnehmerin sowie darüber, ob die vom Arbeitgeber angeordnete vorläufige Durchführung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Die Beteiligte zu 1) und Antragstellerin betreibt in Hamburg ein aus mehreren Filialen bestehendes Schuhgeschäft. Weiterer Beteiligter ist der in den Betrieben der Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 3) gemeinsam gewählte Betriebsrat. Zu den fünf Betriebsratsmitgliedern gehört auch die Arbeitnehmerin D. Frau D war seit 1. Oktober 1976 als Dekorateurin bei der Beteiligten zu 1) (in der Folge Arbeitgeber) beschäftigt. Zur Dekorationsabteilung gehörten zwei weitere Mitarbeiter.
Mit Schreiben vom 21. März 1990 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis von Frau D – wie auch die Arbeitsverhältnisse der zwei weiteren Mitarbeiter – zum 30. September 1990 wegen der zu diesem Zeitpunkt beabsichtigten Auflösung der Dekorationsabteilung. Der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht durch Urteil vom 1. August 1990 statt und verurteilte den Arbeitgeber antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung. Die Berufung des Arbeitgebers wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 15. März 1991 – 8 Sa 96/90 – zurückgewiesen.
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 wurde Frau D im Verkauf beschäftigt. Sie hatte mit Schreiben vom selben Tage auf die Mitbestimmungspflichtigkeit einer solchen Maßnahme verwiesen, zugleich aber auch erklärt, vorbehaltlich der „Klärung des Prozesses” werde sie die Arbeit als Verkäuferin aufnehmen.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 1990 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat folgendes mit:
„Betr.: Einsatz von Frau D im Verkauf nach Schließung der Abteilung Dekoration
Ihnen ist bekannt, daß die Abteilung Dekoration zum 30.09.90 geschlossen wurde.
In dem abgeschlossenen Rechtsstreit, ist das Gericht der Auffassung von Frau D gefolgt, daß eine Weiterbeschäftigung im Verkauf möglich sei.
Der Einsatz von Frau D wird ab 01.10.90 im Verkauf erfolgen, in den Filialen der Firma G.
Wir bitten um Kenntnisnahme und Zustimmung.”
Der Betriebsrat rügte mit Schreiben vom 8. Oktober 1990, die Anhörung zur Versetzung sei nicht ordnungsgemäß, da weder der vorgesehene Arbeitsplatz noch die beabsichtigte Eingruppierung dem Betriebsrat mitgeteilt worden sei, außerdem verlange er eine Stellenausschreibung. Vorsorglich verweigere er die Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme, weil sie zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Arbeitnehmerin führe und weil auch eine nach § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben sei.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1990 ergänzte der Arbeitgeber daraufhin seine Angaben mit der Bitte an den Betriebsrat, seine Entscheidung nochmals zu überprüfen. In dem Schreiben heißt es u.a.:
- „Im Telefax vom 02.10.90 ist Ihnen mitgeteilt worden, daß Frau D in den Filialen der Firma G im Verkauf eingesetzt wird.
- Gehaltlich ist der Beruf der Schauwerbegestalterin sowie der Verkäuferin gleichgestellt, gemäß dem Gehaltstarif für den Hamburger Einzelhandel. Der Betrag der über das Tarifgehalt hinausgeht, gilt als Zulage.
- Die allgemeine Stellenausschreibung kann in diesem Fall nicht erfolgen, da diese Stelle nur für Frau D bereit gestellt werden mußte, aufgrund des Arbeitsgerichtsurteil vom 01.08.90. Eine andere Mitarbeiterin kommt für diesen Arbeitsplatz nicht infrage.”
Unter dem 11. Oktober 1990 wurde die neueingerichtete Stelle ausgeschrieben mit dem Hinweis: „Tätigkeitsort: Filialen der Firma G GmbH”. Mit Schreiben vom 15. Oktober 1990 teilte der Betriebsrat mit, er habe beschlossen, seine Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung zu verweigern, weil:
- „Frau D durch Beschäftigung im Verkauf einen Qualifikationsverlust als Dekorateurin erleidet und hierdurch benachteiligt wird, ohne daß dies aus betrieblichen oder in der Person von Frau D liegenden Gründe gerechtfertigt ist,
- die personelle Maßnahme gegen die Vorschrift des § 611 BGB verstößt, da Frau D nach dieser Vorschrift zur Arbeitsleistung als Dekorateurin verpflichtet ist.
…
Es bleibt daher dabei, daß wir keine Veranlassung sehen, unsere einmal getroffenen Entscheidungen abzuändern. Lediglich vorsorglich für den Fall, daß Sie Ihr Anschreiben vom 10.10.1990 als erneute Anhörung verstanden wissen wollen, verweigern wir ausdrücklich die Zustimmung zu der Versetzung und bestreiten auch das sachliche Erfordernis einer vorläufigen personellen Maßnahme. Zur Begründung beziehen wir uns voll inhaltlich auf unsere bereits erfolgte Zustimmungsverweigerung.”
Frau D hatte ihrerseits bereits unter dem 6. Oktober 1991 mitgeteilt, ihre Tätigkeit im Verkauf sei rechtswidrig, solange der Betriebsrat der Versetzung nicht zugestimmt habe; sie sehe sich daher nicht mehr in der Lage, ihre Tätigkeit im Verkauf fortzuführen; bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts stelle sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Ab 9. Oktober 1990 war Frau D für längere Zeit arbeitsunfähig krank. Ab August 1991 bot sie ihre Dienste dem Arbeitgeber wieder an, jedoch ausdrücklich nur als Dekorateurin. Sie bestand darauf, daß ihr ein funktionsfähiger Arbeitsplatz als Dekorateurin angeboten werde, solange ihr nicht wirksam eine Änderungskündigung ausgesprochen worden sei. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1991 sprach der Arbeitgeber eine Änderungskündigung zum 30. Juni 1992 aus. Im Änderungsschutzverfahren hat das Arbeitsgericht Hamburg die Klage hinsichtlich der begehrten Feststellung durch Urteil vom 19. Juni 1992 – 9 Ca 20/92 – abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 10. Februar 1993 – 8 Sa 55/92 – zurückgewiesen.
Mit seinem Antrag hat der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Arbeitnehmerin D sowie die Feststellung begehrt, daß die vorgenommene vorläufige Versetzung aus dringenden Gründen sachlich erforderlich war. Er hat die Auffassung vertreten, die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats sei unbegründet. Der Betriebsrat könne die Weigerung nicht auf behauptete Nachteile für Frau D stützen. Zwar sei es richtig, daß sie nicht mehr als Dekorateurin eingesetzt werden und damit Qualifikationsnachteile erleiden könne. Die zum 30. September 1990 durchgeführte Auflösung der Dekorationsabteilung sei aber als unternehmerische Entscheidung hinzunehmen. Dekorationsarbeiten würden von eigenen Arbeitnehmern nicht mehr durchgeführt. Frau D habe sich im Kündigungsschutzverfahren selbst bereit erklärt, im Verkauf zu arbeiten. Eine Änderungskündigung sei an sich nicht erforderlich gewesen, da er zur Umsetzung auch im Wege des Direktionsrechts berechtigt sei.
Der Betriebsrat sei jedenfalls durch das ergänzende Schreiben vom 10. Oktober 1990 auch ausreichend unterrichtet gewesen. Der Einsatzort sei nicht offengeblieben, vielmehr sei deutlich geworden, daß Frau D als sog. Springerin in allen Filialen eingesetzt habe werden sollen. Sie sei auch als Dekorateurin schon in allen Filialen eingesetzt gewesen. Die Versetzung habe vorläufig durchgeführt werden müssen, da angesichts der Aufgabe der Dekorationsabteilung sonst nur eine Freistellung möglich gewesen wäre.
Der Arbeitgeber hat erstinstanzlich beantragt,
- die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung der Arbeitnehmerin Frau Karin D zu ersetzen;
- festzustellen, daß die am 1. Oktober 1990 vorgenommene vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, ein sachlicher Grund für die Versetzung habe nicht bestanden. Es fielen auch nach dem 30. September 1990 ständig Dekorationsarbeiten an, die teils von anderen Arbeitnehmern des Arbeitgebers durchgeführt würden. Frau D drohten also Nachteile, für die eine betriebliche Notwendigkeit nicht bestehe. Eine Versetzung komme auch nicht in Betracht, solange der Arbeitgeber keine wirksame Änderungskündigung ausgesprochen habe.
Das Zustimmungsverfahren sei nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden, da er, der Betriebsrat, nicht ausreichend unterrichtet worden sei. Ungenügend sei insbesondere die Angabe über den künftigen Einsatzort von Frau D gewesen. Schließlich fehle es auch an der vorzunehmenden Stellenausschreibung.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihnen unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist zurückzuweisen, soweit das Landesarbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Arbeitnehmerin D ersetzt hat. Im übrigen ist das Verfahren einzustellen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, der Betriebsrat könne sich nicht auf eine nicht ausreichende Unterrichtung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG berufen.
1. Gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder der im Gesetz genannten mitbestimmungspflichtigen Einzelmaßnahmen zu unterrichten, ihm erforderliche Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Personen der Beteiligten zu geben. Er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen, § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.
Der Umfang der vom Arbeitgeber geforderten Unterrichtung des Betriebsrats bestimmt sich nach dem Zweck der Beteiligung an der jeweiligen personellen Maßnahme. Der Arbeitgeber muß den Betriebsrat so unterrichten, daß dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe geltend gemacht werden kann (BAGE 60, 57 = AP Nr. 57 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 3. Oktober 1989 – 1 ABR 73/88 – AP Nr. 74 zu § 99 BetrVG 1972; Matthes, DB 1989, 1285).
Die Verletzung der Unterrichtungspflicht stellt keinen Verstoß gegen ein Gesetz im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dar. Der Betriebsrat ist also nicht berechtigt, die Zustimmung allein wegen mangelnder Unterrichtung zu verweigern. Allerdings läuft ohne die gesetzlich vorgeschriebene Unterrichtung nicht die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG. Der Betriebsrat muß den Arbeitgeber auf die ihm bekannten Mängel der Unterrichtung hinweisen. Ergänzt der Arbeitgeber seine Unterrichtung, setzt er damit eine neue Wochenfrist in Lauf. Hat der Betriebsrat schon auf eine unvollständige Unterrichtung hin die Zustimmung verweigert, kann der Arbeitgeber noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlende Unterrichtung nachholen. Der Betriebsrat kann dann innerhalb einer Woche weitere, sich aus der nachgeschobenen Unterrichtung ergebende Zustimmungsverweigerungsgründe geltend machen. Der Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag steht die zunächst unvollständige Unterrichtung des Betriebsrats dann nicht mehr entgegen (BAGE 51, 42 = AP Nr. 34 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 60, 330 = AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 61, 189 = AP Nr. 64 zu § 99 BetrVG 1972; zum Ganzen Matthes, DB 1989, 1285, 1286).
2. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, die ergänzende Unterrichtung sei ordnungsgemäß im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG. Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Rechtsbeschwerde sind nicht gerechtfertigt.
Außer Streit steht, daß die zunächst mit Schreiben vom 2. Oktober 1990 erfolgte Unterrichtung unzureichend war. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 8. Oktober 1990 darauf hingewiesen, daß weder der vorgesehene Arbeitsplatz noch die beabsichtigte Eingruppierung mitgeteilt worden sei. Der Arbeitgeber hatte daraufhin mit Schreiben vom 10. Oktober 1990 die Unterrichtung ergänzt. Diese ergänzende Unterrichtung ist vom Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit den dem Betriebsrat weiter bekannten Fakten als ausreichend angesehen worden.
Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die ergänzenden Informationen im Schreiben vom 10. Oktober 1990 ausreichend im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG waren – wofür allerdings vieles spricht. Selbst wenn man dies verneinen wollte, könnte sich der Betriebsrat hierauf nicht mehr berufen, nachdem er im Schreiben vom 15. Oktober 1990 eine unzureichende Unterrichtung nicht mehr beanstandet hat. Hierzu wäre er aber verpflichtet gewesen, wenn weiterer Aufklärungsbedarf bestanden hätte (vgl. BAGE 60, 330 = AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972).
Wenn er in seinem Schreiben vom 15. Oktober 1990 abschließend ausführt: „Zur Begründung beziehen wir uns vollinhaltlich auf unsere bereits erfolgte Zustimmungsverweigerung”, bezieht sich das offensichtlich auf die schon in dem Schreiben vom 8. Oktober 1990 enthaltene vorsorgliche Zustimmungsverweigerung bzw. auf die bestrittene Dringlichkeit der vorläufigen Durchführung der Maßnahme. Hätte der Betriebsrat weiteren Aufklärungsbedarf gehabt – insbesondere auch hinsichtlich der Frage, ob Frau D – als Springerin oder in einer bestimmten Filiale eingesetzt werden sollte –, hätte er das dann deutlicher zum Ausdruck bringen müssen. Der Arbeitgeber war also berechtigt, das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.
Hat der Betriebsrat auf eine – hier einmal unterstellt – unvollständige Unterrichtung hin die Zustimmung verweigert, kann der Arbeitgeber die fehlende Unterrichtung auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren nachholen (BAGE 60, 330 = AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972). Der Arbeitgeber hat spätestens in der Beschwerdebegründung ausgeführt, die Beschäftigung in allen Filialen bedeute eine solche als Springerin. Damit war – wenn dies vorher zweifelhaft gewesen sein sollte – der Einsatzort klargestellt. Daß der erste Einsatz der Arbeitnehmerin D in Poppenbüttel erfolgt war und erfolgen sollte, war dem Betriebsrat bekannt.
Der Betriebsrat hat auf diese – einmal so betrachtet – nachgeholte Ergänzung der Unterrichtung keinen neuen Verweigerungsgrund gestützt. Auch wenn man die Unterrichtung vom 10. Oktober 1990 hinsichtlich des Einsatzortes also als unzureichend betrachten wollte, wäre dies letztlich unschädlich.
Ein Verstoß des angefochtenen Beschlusses gegen § 99 Abs. 1 BetrVG ist nach alledem nicht zu erkennen.
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Arbeitnehmerin D ersetzt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Einwand der Stellenausschreibung habe sich erledigt, nachdem der Arbeitsplatz am 11. Oktober 1990 ausgeschrieben worden sei.
Dem ist zuzustimmen.
a) Die Erledigung dieses Grundes ergibt sich schon daraus, daß der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung mit Schreiben vom 15. Oktober 1990 nicht mehr hierauf gestützt hat. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 8. Oktober 1990 „eine Stellenausschreibung” verlangt. Er hatte vorsorglich „3.” die Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung verweigert, weil eine nach § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben sei. Der Arbeitgeber hatte mit Schreiben vom 10. Oktober 1990 zwar mitgeteilt, es könne eine „allgemeine Stellenausschreibung nicht erfolgen, da diese Stelle nur für Frau D aufgrund des Arbeitsgerichtsurteils vom 1.8.90 bereitgestellt werden” müsse. Er hatte sodann aber doch am 11. Oktober 1990 eine Stellenausschreibung vorgenommen. Dies war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dem Betriebsrat bekannt.
Der Betriebsrat hatte daraufhin am 15. Oktober 1990 mitgeteilt, er habe beschlossen, seine Zustimmung zu der beantragten Versetzung von Frau D vom 11. Oktober 1990 zu verweigern, weil „1.” Frau D ungerechtfertigte Nachteile erleide und „2.” die Maßnahme gegen § 611 BGB verstoße, da Frau D nur zur Arbeitsleistung als Dekorateurin verpflichtet sei. Der Betriebsrat hat also seine Zustimmung gerade nicht mehr „3.” auf eine nach wie vor unterbliebene Stellenausschreibung gestützt. Diese wird in dem Schreiben vom 15. Oktober 1990 überhaupt nicht mehr erwähnt.
Wenn der Betriebsrat im Schlußabsatz dieses Schreibens sich vollinhaltlich auf die „bereits erfolgte Zustimmungsverweigerung” bezieht, ist dem nicht die Geltendmachung einer unterbliebenen Stellenausschreibung als Zustimmungsverweigerungsgrund zu entnehmen. Dagegen sprechen schon die ausdrücklich genannten Verweigerungsgründe „1.” und „2.”. Wollte der Betriebsrat auch nach der Unterrichtung durch den Arbeitgeber mit Schreiben vom 10. Oktober bzw. der erfolgten Stellenausschreibung vom 11. Oktober 1990 geltend machen, er verweigere die Zustimmung wegen einer unterbliebenen Ausschreibung, hätte er dies innerhalb der mit der ergänzenden Unterrichtung neu laufenden Wochenfrist dem Arbeitgeber schriftlich mitteilen, mindestens aber deutlich machen müssen, daß er auch hieran festhalte. Dies ist nicht geschehen. Das Schreiben vom 15. Oktober 1990 bezieht sich – wie dargelegt – gerade nicht mehr auf die Stellenausschreibung, sondern benennt nur noch die zwei anderen Verweigerungsgründe. Dies konnte aus der Sicht des Arbeitgebers nur so verstanden werden, daß der Betriebsrat die Zustimmungsverweigerung auf eine unterbliebene Stellenausschreibung nicht mehr stützen wollte.
b) Ein Nachschieben von Zustimmungsverweigerungsgründen nach Ablauf der Wochenfrist ist nicht möglich (BAGE 46, 158 = AP Nr. 20 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 51, 345 = AP Nr. 36 zu § 99 BetrVG 1972). Wenn der Betriebsrat sich also im laufenden Verfahren auf eine fehlende innerbetriebliche Stellenausschreibung berufen hat, ist das verspätet, auch wenn man hierin die erneute Geltendmachung eines Zustimmungsverweigerungsgrundes gem. § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG sehen wollte.
Das Landesarbeitsgericht konnte also zu Recht davon ausgehen, daß die Frage der Stellenausschreibung sich erledigt hatte.
2. Die beabsichtigte Versetzung verstößt auch nicht gegen ein Gesetz im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Unrecht „einen Verstoß gegen § 611 BGB”.
a) Ein Gesetzesverstoß als Zustimmungsverweigerungsgrund setzt voraus, daß die personelle Maßnahme als solche gesetzeswidrig ist. Es kommen also in Betracht neben hier nicht interessierenden Verletzungen von Einstellungsnormen vor allem Beschäftigungsverbote, die eine Beschäftigung mit bestimmtem Inhalt oder unter bestimmten Voraussetzungen untersagen. Insoweit steht dem Betriebsrat die Rolle eines „Hüters des zwingenden Rechts” zu. Hingegen ist es nicht Aufgabe des Betriebsrats im Rahmen des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, die Einhaltung des Inhalts des Arbeitsvertrages zu überwachen (vgl. BAGE 49, 180 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 10. Februar 1988 – 1 ABN 51/87 – AP Nr. 6 zu § 92 a ArbGG 1979; zum Ganzen Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, § 99 Rz 172 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 99 Rz 41 ff.; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 99 Rz 113).
§ 611 BGB stellt kein gesetzliches Verbot in diesem Sinne dar. Eine Beschäftigung der Arbeitnehmerin D als Verkäuferin verstößt nicht gegen § 611 BGB und auch nicht gegen ein sonstiges gesetzliches Verbot. Sie entspricht möglicherweise nicht dem zwischen Frau D und dem Arbeitgeber bestehenden Arbeitsvertrag. Die vertragswidrige Beschäftigung als solche ist aber kein Verstoß gegen eine gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG und wird es auch nicht über § 611 BGB.
b) Das Landesarbeitsgericht weist zu Recht darauf hin, daß das mögliche Erfordernis einer Änderungskündigung nicht dazu führt, daß bis zur endgültigen Entscheidung über die Wirksamkeit einer solchen Kündigung dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zusteht. Das kollektivrechtliche Mitbestimmungsverfahren und das Verfahren zur individualrechtlichen Durchsetzung der beabsichtigten Maßnahme stehen nebeneinander. Die Zustimmung des Betriebsrats zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme bzw. der Ersetzung führt noch nicht zur individualrechtlichen Wirksamkeit der Maßnahme gegenüber dem Arbeitnehmer. Hierzu bedarf es der Zustimmung des Arbeitnehmers bzw. – wenn die Maßnahme nicht durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist – der Änderungskündigung. Umgekehrt enthebt die Zustimmung des Arbeitnehmers zu der Maßnahme den Arbeitgeber regelmäßig nicht von der Durchführung des kollektiven Mitbestimmungsverfahrens.
Beide Verfahren sind also grundsätzlich unabhängig voneinander durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist allerdings die Zustimmung des Betriebsrats individualrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die Versetzung (BAGE 57, 242 = AP Nr. 50 zu § 99 BetrVG 1972; zum Ganzen vgl. KR-Rost, 3. Aufl., § 2 KSchG Rz 138 ff.). Eine Versetzung kann dem Arbeitnehmer gegenüber individualrechtlich einseitig danach erst nach Vorliegen der Zustimmung des Betriebsrats wirksam durchgeführt werden; vorher kommt nur eine vorläufige Beschäftigung nach § 100 BetrVG in Betracht.
Aus diesem Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht zu Recht geschlossen, daß der Betriebsrat sich im Rahmen des § 99 BetrVG nicht darauf berufen kann, der Arbeitgeber habe die beabsichtigte Versetzung individualrechtlich noch nicht wirksam umgesetzt, sei es durch Ausübung des Direktionsrechts, sei es durch Änderungskündigung. Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß andernfalls in beiden Verfahrensebenen jeweils eingewandt werden könnte, die andere Ebene sei noch nicht abgeschlossen – mit der Folge, daß weder das eine noch das andere Verfahren abgeschlossen werden kann.
3. Der Betriebsrat kann allerdings nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG unabhängig von einem Änderungsschutzverfahren geltend machen, durch die vorgesehene Maßnahme werde der Arbeitnehmer benachteiligt, ohne daß dies aus betrieblichen oder aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt sei.
Soweit der hier beteiligte Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung hierauf gestützt hat, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht auch diesen Verweigerungsgrund als nicht gegeben angesehen.
a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Dekorationsabteilung sei zum 30. September 1990 geschlossen worden. Der größte und qualifizierte Teil der Dekorationsarbeiten sei ab diesem Zeitpunkt an ein externes Unternehmen vergeben worden. In einem gewissen Umfang weiterhin anfallende Dekorationsarbeiten ergäben keinen Arbeitsplatz für eine Dekorateurin, was vom Betriebsrat letztlich auch gar nicht behauptet werde.
Gegen diese Feststellung hat die Rechtsbeschwerde keine Verfahrensrügen erhoben. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, die Entscheidung des Arbeitgebers, die Dekorationsabteilung zu schließen, sei als unternehmerische Entscheidung einzuordnen. Diese ist im Rahmen des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG als vorgegebener betrieblicher Grund zu werten, der nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen ist (so auch Kraft, GK-BetrVG, aaO, § 99 Rz 126; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 87; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 99 Rz 126). Insoweit sind die für das Kündigungsschutzverfahren entwickelten Überlegungen entsprechend heranzuziehen. Der Betriebsrat kann nicht über § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG die Rückgängigmachung einer unternehmerischen Maßnahme erzwingen. Die kollektivrechtlichen Beschränkungen bei der Durchführung unternehmerischer Maßnahmen ergeben sich vielmehr aus §§ 111 ff. BetrVG.
Dies ist auch nicht eine Frage der Präjudizialität, wie das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf das durchgeführte Kündigungsschutzverfahren der Arbeitnehmerin D meint, sondern ergibt sich aus dem grundsätzlichen Recht des Unternehmers, den Betrieb – unter Berücksichtigung der §§ 111 ff. BetrVG – nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.
b) Hat aber der Arbeitgeber die Dekorationsabteilung aufgelöst und ist der bisherige Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin D damit weggefallen, kann nicht gesagt werden, Frau D werde durch die Versetzung benachteiligt, ohne daß dies aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt war. Dies sieht wohl inzwischen auch der Betriebsrat so, da insoweit Einwendungen gegen den angefochtenen Beschluß von der Rechtsbeschwerde nicht mehr erhoben werden.
Keine Rolle spielt dabei auch, daß Frau D Betriebsratsmitglied ist. Die Frage, ob die betrieblichen Gründe ausreichen, trotz des Sonderkündigungsschutzes eine Änderung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen, ist allein eine solche des individualrechtlichen Änderungsschutzverfahrens.
Das Landesarbeitsgericht hat nach allem die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung von Frau D zu Recht ersetzt.
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist insoweit zurückzuweisen.
III. Mit der Zurückweisung der Rechtsbeschwerde hinsichtlich des Antrags auf Ersetzung der Zustimmung steht deren Ersetzung rechtskräftig fest. Damit ist zugleich der Antrag des Arbeitgebers auf Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen Durchführung der Maßnahme erledigt.
Die Rechtshängigkeit des Feststellungsantrags des Arbeitgebers gem. § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG endet mit der Rechtskraft einer Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag. Über den Feststellungsantrag ist dann nicht mehr zu entscheiden. Das Verfahren ist vielmehr einzustellen (BAGE 60, 66 = AP Nr. 4 zu § 100 BetrVG 1972; BAGE 46, 107 = AP Nr. 1 zu Art. 72 ZA-Nato-Truppenstatut; vgl. zum Ganzen Matthes, DB 1989, 1288).
Es bedarf daher keiner Prüfung, ob das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu Recht stattgegeben hat, weil nicht davon auszugehen sei, daß die Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich sei (vgl. dazu BAGE 29, 345 = AP Nr. 1 zu § 100 BetrVG 1972).
Unterschriften
Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost, Dr. Stadler, H. Paschen
Fundstellen
Haufe-Index 915961 |
NZA 1994, 187 |