Betriebsrat kann Unterlagen nicht in Papierform verlangen

Um der Pflicht zur Vorlage von Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat bei einer Einstellung zu genügen, muss der Arbeitgeber ihm diese nicht mehr zwingend in Papierform vorlegen, entschied das Bundesarbeitsgericht. Ausreichend sei es, dass Betriebsratsmitglieder digital die Einsicht in ein Bewerbermanagement-Tool erhalten.

Der Betriebsrat hat gemäß § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei jeder personellen Maßnahme wie Einstellung, Versetzung oder Ein- und Umgruppierung. Der Arbeitgeber hat ihn diesbezüglich umfassend zu informieren und ihm "die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen". Heißt das, dass er dem Betriebsrat diese in Papierform zur Verfügung stellen muss? Ist das noch zeitgemäß, wenn Bewerbungsprozesse in der Regel mithilfe von Softwareprogrammen digital durchgeführt werden? Reicht nicht vielmehr die Möglichkeit zur digitalen Einsicht? Diese Frage war rechtlich umstritten.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sie nun geklärt und entschieden, dass der Wortlaut des § 99 Abs. 1 BetrVG funktional zu verstehen sei. In dem Verfahren ging es um die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers.

Der Fall: Betriebsrat verweigert Zustimmung zur Einstellung

Ende März 2021 schrieb der Arbeitgeber, ein Unternehmen der Getränkeindustrie, eine Stelle eines Prozess- und Projektspezialisten Technik (w/m/d) aus. Die Stelle war bislang im Betrieb nicht vorhanden. Aus den 33 externen Bewerbungen wählte der Arbeitgeber einen geeigneten Kandidaten aus. Interne Bewerbungen hatte es nicht gegeben. Beim Betriebsrat beantragte der Arbeitgeber daraufhin die Zustimmung zur Einstellung. Dieser forderte zunächst die Vorlage des Protokolls des Bewerbungsgesprächs und die Stellenbeschreibung der neuen Stelle. Nachdem er die Unterlagen erhalten hatte, verweigerte er seine Zustimmung. Durch die Einstellung würden bereits beschäftigte Arbeitnehmende Nachteile erleiden. Die Stelle würde anderweitig dringender benötigt. Der Arbeitgeber beantragte daraufhin vor dem Arbeitsgericht Halle die Ersetzung der Zustimmung.

Betriebsrat hält Zugriff auf Bewerbertool für nicht ausreichend

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, das Zustimmungsersetzungsverfahren sei schon nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden, weil der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht hinreichend unterrichtet habe und ihm insbesondere die Bewerbungsunterlagen und vom Arbeitgeber gefertigte Schriftstücke nicht in Papierform vorgelegt habe. Weiter berief er sich darauf, dass er aufgrund der zu erwartenden Nachteile für bereits beschäftigte Mitarbeitende ein Recht zur Verweigerung seiner Zustimmung zu haben.

Der Arbeitgeber argumentierte, er habe dieser Pflicht genüge getan, indem er den Betriebsratsmitgliedern eine umfassende Einsichtsmöglichkeit in die digitalisierten Unterlagen gewährt habe. Tatsächlich hatten die Betriebsratsmitglieder uneingeschränkten Zugriff auf die Daten des eingerichteten Bewerbermanagement-Tools.

BAG: Arbeitgeber müssen Bewerberunterlagen nicht ausdrucken

Das Arbeitsgericht Halle hatte die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung ersetzt. Das LAG Sachsen-Anhalt wies die Beschwerde des Betriebsrates ab. Auch das Bundesarbeitsgericht kam nun zu dem Schluss, dass der Arbeitgeber den Anspruch des Betriebsrats auf "Vorlage" der Bewerbungsunterlagen erfüllt habe. Das Gericht wies darauf hin, dass ein Arbeitgeber, der den Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle mithilfe eines Softwareprogramms digital durchführt, seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat genüge, wenn er dessen Mitgliedern jederzeit nutzbares digitales Einsichtsrecht auf die hinterlegten Bewerbungsunterlagen gewährt.

Im vorliegenden Fall konnte der Betriebsrat mithilfe der zur Verfügung stehenden Laptops jederzeit die im Programm hinterlegten Anschreiben und Lebensläufe sowie Zeugnisse und Zertifikate der insgesamt 33 externen Bewerbenden einsehen.

Vorlage durch digitales Leserecht statt Papier genügt

Nach Auffassung des obersten Arbeitsgerichts war der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Anspruch des Betriebsrats auf Vorlage von Unterlagen nach § 99 Abs 1 BetrVG in Papierform zu erfüllen. Das ergebe die Auslegung der Norm. In seinem Beschluss führte das BAG aus, dass die Begriffe "Bewerbungsunterlagen" und "vorlegen" die damalige Lebenswirklichkeit abbildeten. Der vermittelte Wortsinn lasse jedoch erkennen, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat digital eingegangene Bewerbungsunterlagen auch nur in dieser Form zur Verfügung stellen müsse.

Bei einem funktionalen Verständnis seien als "Unterlagen" alle Daten und Interessensbekundungen zu verstehen, die Bewerberinnen und Bewerber dem Arbeitgeber in Bezug auf die Stellenausschreibung übersenden. In welchem Format diese eingereicht würden, sei unerheblich für die spätere Auswahlentscheidung. 

Mit einem digitalen Einsichts- und Leserecht stehe der Betriebsrat nicht schlechter da, als wenn er die Unterlagen in Papierform erhalte, stellte das BAG fest. Zwar habe er nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG grundsätzlich ein Recht auf eine vorübergehende Überlassung der Bewerbungsunterlagen, jedoch habe er mit einem jederzeit möglichen digitalen Zugriff auf die Bewerberdaten und der Möglichkeit, sich Notizen oder Screenshots zu machen, ebenfalls ausreichend Möglichkeit, sich mit den Personalien aller Bewerbenden vertraut zu machen, darüber zu diskutieren und sich alle Informationen zu verschaffen, die er für eine Stellungnahme nach § 99 Abs. 2 BetrVG benötige.

Zustimmung des Betriebsrats war zu ersetzen

Der Betriebsrat hatte nach Auffassung des Gerichts seine Zustimmung zur Einstellung zu Unrecht (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG) verweigert. Die Zustimmung des Betriebsrats war somit zu ersetzen.


Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. Dezember 2023, Az: 1 ABR 28/22; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Oktober 2022, Az: 2 TaBV 1/22


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