VW durfte Betriebsräten Gehalt nicht kürzen

VW hat in zwei Fällen freigestellten Betriebsratsmitgliedern das Gehalt gekürzt. Das Arbeitsgericht Braunschweig hat den Klagen der beiden Mitarbeitenden auf Zahlung der Vergütungsdifferenz in vollem Umfang stattgegeben.

Der Automobilkonzern VW hat sich nach eigener Aussage durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Januar 2023, Az: 6 StR 133/22 gezwungen gesehen, die Betriebsratsvergütung im Unternehmen strenger zu handhaben. Der Gerichtshof hatte entschieden, dass der Tatbestand der Untreue erfüllt sein kann, wenn Vorstände Betriebsräten überhöhte Bezüge gewähren. Das Betriebsverfassungsgesetz schreibe ein Begünstigungsverbot für Betriebsräte vor. VW kürzte wegen des strafrechtlichen Risikos daraufhin zahlreiche Gehälter freigestellter Betriebsräte. In zwei ersten Verfahren, in denen sich freigestellte Betriebsräte gegen die Reduzierung ihres Gehalts wehrten, unterlag VW. Der Konzern muss ausstehendes Gehalt nachzahlen, entschied das Arbeitsgericht Braunschweig.

VW-Betriebsräte gehen gegen Gehaltskürzungen vor

Die beiden Mitarbeitenden wurden mit unterschiedlichen Begründungen in eine niedrigere Gehaltsgruppe rückgruppiert. Im ersten Fall wurde der Mitarbeiter bei Beginn seiner Betriebsratstätigkeit 2002 in Entgeltstufe 18 des anwendbaren Tarifvertrags eingestuft. Zuletzt war er aufgrund der Beurteilung der "Kommission Betriebsratsvergütung" in der Entgeltgruppe 20 verortet. Auf Grundlage einer Vergleichsgruppenbetrachtung stufte der Arbeitgeber ihn Ende 2022 zurück in Entgeltgruppe 18. Der Betriebsrat kritisierte die Vergleichsgruppenbildung und verwies darauf, dass er 2015 eine Stelle angeboten bekommen habe, die unstreitig eine Gehaltsentwicklung bis zu Entgeltgruppe 20 vorgesehen habe. Der Arbeitgeber trug dagegen vor, dass er durch das BGH-Urteil zu einer strengeren Vergleichsgruppenbetrachtung verpflichtet sei.

ArbG Braunschweig: Fehlerhafte Rückgruppierung

Die ließ das Arbeitsgericht Braunschweig nicht als Argument für die Rückgruppierung und damit verbundene Kürzung des Gehaltes gelten. Unter Hinweis auf die Stelle, die dem Mitarbeiter im Jahr 2015 angeboten wurde, entschied das Gericht, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die ausstehende Vergütung nachzahlen muss. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10. Januar 2023 stehe der Berücksichtigung dieses Stellenangebotes unter dem Gesichtspunkt einer "hypothetischen Karriere" nicht entgegen. Es habe sich um eine tatsächlich zu besetzende Stelle gehandelt, für die sich der Arbeitnehmer nicht aufgrund seiner Tätigkeit im Betriebsrat, sondern der zuvor übertragenen Aufgaben und den dort gezeigten Leistungen qualifiziert habe. Die Stelle habe er mit Rücksicht auf eine kurz zuvor im Betriebsrat übernommene Funktion abgelehnt.
 

Entgelt-Rückstufung wegen fehlender Aufgaben?

Im zweiten Fall war ein Mitarbeiter, noch bevor er 2017 das Betriebsratsamt übernahm, von Entgeltstufe 12 in die Entgeltstufe 13 hochgruppiert worden. Der Arbeitgeber gruppierte ihn ab Oktober 2022 in Entgeltstufe 12 zurück und kürzte das Gehalt für die Monate Februar und März 2023 um circa 280 Euro brutto. Als Grund für die Rückgruppierung nannte VW, dass die Höhergruppierung Ende 2016 in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übernahme des Betriebsratsamts erfolgte, ohne dass der Mitarbeitende neue Aufgaben erhalten hätte. Dem widersprach der freigestellte Betriebsrat. Er habe durchaus Zusatzaufgaben bekommen. Das konnte der Arbeitgeber im Verfahren nicht widerlegen. Eine zunächst vom Arbeitgeber erhobene Widerklage wegen überzahlter Vergütung für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 nahm der Arbeitgeber noch vor dem Gerichtstermin zurück.


Hinweis: Arbeitsgericht Braunschweig, Urteile vom 5. Juli 2023


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Schlagworte zum Thema:  Urteil, Betriebsrat, Vergütung