VW kürzt Betriebsräten das Gehalt

Im Streit um Gehaltskürzungen freigestellter Betriebsräte bei VW hatte das LAG Niedersachsen der Klage eines Betriebsrats auf die alten Bezüge stattgegeben. Aus Sicht des BAG hat es dabei verkannt, dass der Arbeitgeber bei einer Korrektur der Betriebsratsvergütung die Beweislast trägt.

Der Automobilkonzern VW hat sich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Januar 2023, Az: 6 StR 133/22 gezwungen gesehen, die Betriebsratsvergütung im Unternehmen strenger zu überprüfen. Der Gerichtshof hatte entschieden, dass der Tatbestand der Untreue erfüllt sein kann, wenn Vorstände Betriebsräten überhöhte Bezüge gewähren. Wegen des strafrechtlichen Risikos kürzte VW in der Folge Gehälter. Im vorliegenden wie auch in einigen weiteren Verfahren wehrten sich freigestellte Betriebsräte gegen die Reduzierung ihres Gehalts. Das BAG hatte nun erstmals zu entscheiden. Es verwies die Sache allerdings zurück an das zuständige LAG Niedersachsen.

VW-Betriebsrat geht gegen Gehaltskürzungen vor

Der Arbeitnehmer, ein ausgebildeter Kfz-​Mechaniker mit einem zusätzlichen Abschluss als Industriemeister, war seit 1984 als Anlagenführer bei VW beschäftigt und wurde für diese berufliche Tätigkeit entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen nach Entgeltstufe (ES) 13 vergütet. Seit 2002 ist er Mitglied des Betriebsrats und von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Der Arbeitgeber passte sein Gehalt ab Anfang 2003 „entsprechend der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG“ zunächst auf Entgeltstufe 14 an. In den folgenden Jahren erhielt der Arbeitnehmer regelmäßig ähnliche Anpassungsmitteilungen und war zuletzt in der Entgeltgruppe 20 verortet.

Aufgrund einer überprüfenden Vergleichsgruppenbetrachtung stufte der Arbeitgeber ihn Ende 2022 zurück in Entgeltgruppe 18. Der Betriebsrat hielt die Rückgruppierung für unzulässig. Er verwies darauf, dass er 2015 eine Stelle angeboten bekommen habe, die unstreitig eine Gehaltsentwicklung bis zur Entgeltgruppe 20 vorgesehen habe. Tatsächlich wurde ihm im Oktober 2015 eine freie Stelle als Fertigungskoordinator angetragen, für die er intern als „Idealbesetzung“ galt. Aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit bewarb er sich jedoch nicht. Er klagte auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen sowie auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis ab Januar 2015 nach den jeweils geltenden tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen für Beschäftigte in der ES 20 durchzuführen war. Der Arbeitgeber hielt daran fest, dass die Rückgruppierung und Vergütung des freigestellten Betriebsrats nach ES 18 zutreffend war.

LAG Niedersachsen: Fehlerhafte Rückgruppierung

Das LAG Niedersachsen gab den Zahlungsanträgen im Wesentlichen statt und bestätigte die begehrte Feststellung - allerdings erst ab 1. Januar 2016. 

Unter Hinweis auf die Stelle als Fertigungskoordinator, die dem Mitarbeiter im Jahr 2015 angeboten wurde, entschied das Gericht, dass dem Betriebsrat ein Anspruch auf Vergütung, entsprechend der ES 20 zusteht. Der Vergütungsanspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds kann sich sowohl aus § 37 Abs. 4 BetrVG (Vergütungsanpassung, Vergleichsgruppe) als auch aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. § 78 S. 2 BetrVG (fiktiver Beförderungsanspruch) ergeben. Für das LAG Niedersachsen ergab sich der Anspruch vorliegend wegen der angebotenen Stelle aus Letzterem. Betriebsräte dürfen danach wegen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht benachteiligt werden, auch nicht in ihrer beruflichen Entwicklung. Einen Anspruch gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG schloss das LAG Niedersachsen dagegen aus.

BAG: Arbeitgeber trägt Beweislast für fehlerhafte Vergütungsanpassung

Der Arbeitgeber hatte mit seiner Revision vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Das BAG klärte die Sache jedoch nicht abschließend, sondern verwies zurück an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen.

In seinem Urteil hatte die Vorinstanz bei dem hauptsächlich zur Entscheidung gestellten Anpassungsanspruch nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitnehmer gesehen. Das BAG stellte in seinem Urteil klar, dass dies fehlerhaft war und die Beweislast hier anders liegt: Wenn, wie vorliegend, der Arbeitgeber eine für das Betriebsratsmitglied ersichtlich auf § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gestützte Vergütungsanpassung ermittelt habe, diese dem freigestellten Betriebsratsmitglied mitgeteilt und die entsprechende Vergütung gezahlt habe, treffe ihn die Darlegungs- und Beweislast für deren objektive Fehlerhaftigkeit, wenn er im Nachhinein die Bemessung des Arbeitsentgelts korrigiert.

LAG Niedersachsen muss neu entscheiden

Somit habe das LAG Niedersachsen erst, wenn der Arbeitgeber die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsanpassung darlegen und gegebenenfalls auch beweisen konnte, über die Zahlungsanträge des Arbeitnehmers aufgrund des hilfsweisen erhobenen Anspruchs infolge des Verbots einer Benachteiligung bei seiner beruflichen Entwicklung zu entscheiden.

Das BAG bestätigte, dass sich aus § 78 Satz 2 BetrVG iVm. § 611a Abs. 2 BGB ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung ergeben kann, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als eine Benachteiligung wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt. Laut BAG handelt es sich um einen eigenständigen prozessualen Anspruch, den das LAG Niedersachsen dann prüfen müsse.

§ 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG enthalte insoweit keine abschließende Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts des Betriebsrats. Diese Maßgabe werde auch mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023, Az. 6 StR 133/22 nicht in Frage gestellt, betonte der Senat.


Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. März 2025, Az. 7 AZR 46/24, Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 8. Februar 2024, Az. 6 Sa 559/23
 

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Schlagworte zum Thema:  Betriebsrat, Vergütung, BAG-Urteil