Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten der Betriebsratstätigkeit. Freistellung von Anwaltskosten
Orientierungssatz
Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Übernahme bzw Freistellung des Betriebsrates von durch eine gerichtliche Inanspruchnahme entstandenen Kosten, insbesondere der für die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten, besteht jedoch grundsätzlich nur dann, wenn der Betriebsrat bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten und Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Rechtslage, die Führung eines Prozeßes für erforderlich halten konnte.
Normenkette
BetrVG § 2 Abs. 1, § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 10.11.1984; Aktenzeichen 5 TaBV 10/84) |
ArbG Ulm (Entscheidung vom 21.08.1984; Aktenzeichen 3 BV 2/84 R) |
Gründe
A. Die Parteien streiten darüber, ob die Antragsgegnerin (Arbeitgeber) verpflichtet ist, die Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers (Betriebsrat) zu tragen bzw. den Antragsteller von diesen Kosten freizustellen.
Der Arbeitgeber betrieb vor dem Arbeitsgericht Ulm - Kammern Ravensburg - mehrere Beschlußverfahren mit dem Ziel, die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Umgruppierung von drei Angestellten zu ersetzen. In diesen Verfahren ließ sich der Betriebsrat durch das in Stuttgart ansässige Anwaltsbüro seiner damaligen und jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vertreten. Der Arbeitgeber hat die durch die Vertretung entstandenen Anwaltskosten getragen mit Ausnahme der Fahrtkosten von Stuttgart nach Ravensburg und zurück in Höhe von rechnerisch unstreitig 820,12 DM. Die Übernahme dieser Kosten verlangt der Betriebsrat im vorliegenden Beschlußverfahren.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei verpflichtet, auch die Fahrtkosten zu tragen, denn auch insoweit handele es sich um Betriebsratskosten. Er habe das Stuttgarter Anwaltsbüro wegen dessen Sachkompetenz beauftragt. Die Belastung mit den Fahrtkosten sei für den Arbeitgeber auch nicht unzumutbar.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Antragsgegnerin für verpflichtet zu
erklären, die Fahrtkosten des Verfahrensbevollmächtigten
des Antragstellers
anläßlich der Terminswahrnehmungen in
Ravensburg in Höhe von 820,12 DM zu
übernehmen.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat vorgetragen, die Fahrtkosten der Anwälte des Betriebsrats seien zu einer ordnungsgemäßen Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen. Der Betriebsrat habe auch einen der ortsansässigen Rechtsanwälte beauftragen können, zumal das von ihm beauftragte Stuttgarter Anwaltsbüro keine auf das Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei sei und in Ravensburg mehrere mit Arbeitsrechtsstreitigkeiten vertraute Anwälte ansässig seien.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Betriebsrat von den Ansprüchen auf Reisekosten freizustellen, die durch die Beauftragung eines in Stuttgart ansässigen Anwaltsbüros entstanden sind. Die Beauftragung eines Stuttgarter Anwaltsbüros war bei pflichtgemäßer und verständiger Abwägung der zu berücksichtigenden Umstände nicht notwendig.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß der Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Umfang der Erstattungspflicht von Rechtsanwaltskosten im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren auszutragen ist (BAGE 31, 93, 95 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972 = EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 37). Es ist auch zu Recht vom Vorliegen des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses ausgegangen.
II. In der Sache hat das Landesarbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, der Arbeitgeber sei zwar grundsätzlich verpflichtet, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Beauftrage der Betriebsrat einen nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt, so seien die dadurch entstehenden Mehrkosten jedoch nur dann erstattungsfähig und vom Arbeitgeber als Betriebsratskosten zu tragen, wenn der Betriebsrat die Zuziehung gerade dieses auswärtigen Rechtsanwaltes bei pflichtgemäßer, verständiger Abwägung aller Umstände für notwendig erachten konnte. Bei der Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts komme es darauf an, ob der Betriebsrat die Maßstäbe eingehalten habe, die ein Dritter bei eigener Kostenbelastung anwenden würde. Diese Grundsätze seien im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden, da am Gerichtssitz in Ravensburg zahlreiche mit Beschlußverfahren im betriebsverfassungsrechtlichen Bereich erfahrene Anwälte ansässig seien und das beauftragte Stuttgarter Anwaltsbüro keine besondere Sachkompetenz besitze.
III. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung beizupflichten.
1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören nach einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung auch solche Kosten, die im Zusammenhang mit der gerichtlichen Inanspruchnahme von Rechten des Betriebsrats anfallen (vgl. z.B. BAGE 31, 93, 97 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe, mit zust. Anm. von Grunsky; BAG Beschluß vom 4. Dezember 1979 - 6 ABR 37/76 - AP Nr. 18 zu § 40 BetrVG 1972, alle m.w.N.; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 40 Rz 7 ff.; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 40 Rz 16 ff.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 40 Rz 14 ff.; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 40 Rz 10 ff.). Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Übernahme bzw. Freistellung des Betriebsrates von durch eine gerichtliche Inanspruchnahme entstandenen Kosten, insbesondere der für die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten, besteht jedoch grundsätzlich nur dann, wenn der Betriebsrat bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten und Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Rechtslage, die Führung eines Prozesses für erforderlich halten konnte. Die Kosten eines Rechtsanwalts, den der Betriebsrat aufgrund eines ordnungsgemäßen Beschlusses mit seiner Vertretung beauftragt hat, sind in einem solchen Falle vom Arbeitgeber ohne Rücksicht darauf zu tragen, ob in dem Rechtsstreit die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist oder nicht. Der Betriebsrat ist nur nicht befugt, auf Kosten des Arbeitgebers offensichtlich aussichtslose und unbegründete Rechtsstreitigkeiten zu führen (vgl. BAGE 26, 376, 382 = AP Nr. 6 zu § 20 BetrVG 1972, zu III 3, 4 der Gründe; BAGE 31, 93, 97 = AP, aaO; BAG Beschluß vom 3. April 1979 - 6 ABR 64/76 - AP Nr. 1 zu § 13 BetrVG 1972).
2. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist nicht rückblickend nach einem rein objektiven Maßstab, sondern vom Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebsrats auszugehen (BAG Beschluß vom 4. Dezember 1979, aaO, zu III 2 b der Gründe). Für diese Abwägung, bei der dem Betriebsrat ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht, ist, wie auch sonst im Rahmen der Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG, auf das Urteil eines vernünftigen Dritten im Zeitpunkt des Auftrags an den Rechtsanwalt abzustellen (BAGE 26, 376, 382 = AP, aaO; BAGE 31, 93, 102 = AP, aaO, zu III 4 a.E.). Der Betriebsrat muß also wie jeder, der auf Kosten anderer handeln kann, die Maßstäbe einhalten, die er gegebenenfalls anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden Mitglieder die Kosten tragen müßten und dementsprechend sein Wahlrecht hinsichtlich seiner Vertretung ausüben. Der Betriebsrat muß sich, wenn er nicht ein ortsansässiges, sondern ein auswärtiges Anwaltsbüro mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen will, ernsthaft fragen und prüfen, ob die dadurch unvermeidbar entstehenden Mehrkosten wirklich vertretbar und sachlich gerechtfertigt sind. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG, das u.a. auch eine angemessene Berücksichtigung der finanziellen Belange des Arbeitgebers erfordert (vgl. hierzu BAGE 26, 376, 381 = AP, aaO, zu III 2 der Gründe).
b) Ausgehend von diesen Maßstäben, kann der zusätzliche Kosten verursachende Auftrag gerade an einen auswärtigen Rechtsanwalt dann notwendig sein, wenn es sich um eine Sache handelt, die ihrer Sach- und Rechtslage nach Schwierigkeiten aufweist, zu deren Beurteilung der betreffende Anwalt in besonderem Maße sach- und rechtskundig ist. Das wird z.B. in der Regel immer dann der Fall sein, wenn der betreffende Anwalt durch die ständige Vertretung des Konzern-, des Gesamtbetriebsrats oder auch des Betriebsrats über die Verhältnisse und Besonderheiten des Betriebes besondere Kenntnisse und Einblicke verfügt oder wenn er aus sonstigen Gründen besondere Fachkenntnisse in der zu beurteilenden Streitfrage hat. Der Betriebsrat ist zwar in der Wahl seines Verfahrensbevollmächtigten grundsätzlich frei und kann insbesondere nicht auf eine Vertretung durch Gewerkschaftsbeauftragte verwiesen werden (BAGE 31, 93, 101 = AP, aaO, zu III 3 c der Gründe). Er kann auch grundsätzlich den Rechtsanwalt seines Vertrauens wählen. Soweit durch seine Wahl jedoch besondere, über das normale Maß hinausgehende Kosten entstehen, müssen hierfür aber auch besondere Gründe vorliegen.
IV. Diese Rechtsgrundsätze hat das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall beachtet. Nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen besitzt das von dem Betriebsrat beauftragte Stuttgarter Anwaltsbüro keine besondere, über das normale Maß hinausgehende Sachkompetenz in den seinerzeit für die Entscheidung maßgebenden Rechtsfragen. Der Betriebsrat hat auch in den Vorinstanzen nicht einen einzigen besonderen Umstand vorgetragen, warum er, obwohl eine Reihe von sachkundigen Anwaltsbüros am Gerichtsort und Firmensitz ansässig sind, ein Stuttgarter Anwaltsbüro beauftragt hat. Solche Umstände sind auch sonst nicht ersichtlich. Danach war die Beauftragung des auswärtigen Anwaltsbüros in den seinerzeitigen Streitfällen bei verständiger Würdigung nicht erforderlich, so daß der Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG nicht zur Tragung der dadurch entstandenen besonderen Reisekosten verpflichtet ist.
Dr. Röhsler Dörner Schneider
Dr. Kukies Carl
Fundstellen
Haufe-Index 440536 |
NZA 1987, 753-754 (ST) |
AP § 40 BetrVG 1972 (ST1), Nr 31 |