Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlußverfahren zur Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung. Einwand des Rechtsmißbrauchs. rechtzeitiger Beschluß des Betriebsrats. Betriebsverfassungsrecht. Prozeßrecht
Leitsatz (amtlich)
- Der Vorwurf des Rechtsmißbrauchs ist gegenüber dem Antrag des Betriebsrats auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung keine beachtliche Einwendung.
- Für einen Antrag, dem Arbeitgeber die Anordnung bestimmter Arbeitsschichten zu untersagen, fehlt dem Betriebsrat die Antragsbefugnis, wenn insoweit sein Mitbestimmungsrecht vom Arbeitgeber nicht in Frage gestellt wird.
Orientierungssatz
- Kommt ein wirksamer Beschluß des Betriebsrats über die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Einleitung eines Beschlußverfahrens erst im Laufe des Verfahrens zustande, so steht dies der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen, sofern der Beschluß noch vor der erstinstanzlichen Entscheidung gefaßt wird. Dies gilt auch dann, wenn die Tatsache der Beschlußfassung erst in der Beschwerdeinstanz vorgetragen wird und das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats als unzulässig abgewiesen hat.
- Dem Verlangen des Betriebsrats zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung kann nicht mit dem Vorwurf des Rechtsmißbrauchs begegnet werden.
- Das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für einen Antrag, mit dem der Betriebsrat die Unwirksamkeit einer gekündigten und nicht mehr nachwirkenden Betriebsvereinbarung festgestellt wissen will, ist in der Regel nicht gegeben.
- Steht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht in Frage, fehlt diesem die Antragsbefugnis, wenn er dem Arbeitgeber die Anordnung bestimmter (Bereitschaftsdienst-)Schich-ten wegen angeblichen Verstoßes gegen arbeitszeitrechtliche Vorgaben untersagen lassen will.
- Eine Betriebsvereinbarung, die nur einen bestimmten Dienstrahmen vorgibt, der durch mitbestimmte Dienstpläne noch ausgefüllt werden muß, aus denen sich erst die Arbeitszeiten der betroffenen Arbeitnehmer verbindlich ergeben, kann nicht gegen arbeitszeitrechtliche Vorgaben verstoßen.
Normenkette
BetrVG §§ 33, 77 Abs. 6; ZPO §§ 80-81, 88, 253 Abs. 2, § 256 Abs. 1, § 282; ArbGG § 83 Abs. 1a, 3, § 87 Abs. 3, § 67 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über den Umfang der im Betrieb zulässigen Höchstarbeitszeit.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus mit rund 400 Betten. Sie beschäftigt insgesamt etwa 650 Arbeitnehmer, darunter ca. 70 Ärzte. Die Arbeitgeberin ist Mitglied des Arbeitgeberverbands Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (AHV). Auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Angestellten findet der Manteltarifvertrag für Angestellte zwischen der AHV und Rechtsvorgängerinnen der Gewerkschaft ver.di in der Fassung vom 23. März 1993 nach dem jeweils aktuellen Stand Anwendung. Nach § 15 Abs. 1 dieses Tarifvertrags (künftig: MTV) beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Angestellten 38,5 Stunden. Nach § 15 Abs. 2 MTV kann die regelmäßige Arbeitszeit im Falle von Arbeitsbereitschaft und dann, wenn der Angestellte lediglich an der Arbeitsstelle anwesend sein muß, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten, auf Zeiten zwischen zehn und zwölf Stunden täglich (durchschnittlich 49 bis 60 Stunden wöchentlich) verlängert werden. Gemäß § 15 Abs. 6a MTV ist der Angestellte ferner verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer von diesem bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst).
Arbeitgeberin und Betriebsrat schlossen am 15. Dezember 1992 zur Regelung der Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste für den gesamten ärztlichen Dienst eine “Betriebsvereinbarung Nr. 16/92”. Sie enthält folgende Regelungen:
“4.) Bereitschaftsdienste:
Mit Abschluß der Vereinbarung sind/werden folgende Bereitschaftsdienste eingerichtet:
a. |
Chirurgische Abteilung: |
2 Bereitschaftsdienste |
b. |
Anästhesie-Abteilung: |
1 Bereitschaftsdienst |
c. |
Medizinische Abteilungen A und B: |
2 Bereitschaftsdienste sowie eine Dienstreihe gemäß BV 17/92 |
…
6.) Dauer der Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste:
a. Die Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste beginnen jeweils montags bis freitags mit dem Dienstschluß des regulären Tagdienstes in der jeweiligen Abteilung und enden mit dem Dienstbeginn am darauffolgenden Tag.
b. Am Samstag, Sonntag und an Feiertagen endet der Bereitschaftsdienst des vorhergehenden Tages zu den Zeitpunkten des an Wochentagen abteilungsüblichen Dienstbeginns. Die am Samstag, Sonntag und an Feiertagen anfallenden Bereitschaftsdienste beginnen entsprechend.
…
9.) Grundsätze der Dienstplangestaltung
a. Die Dienstplangestaltung stellt eine gerechte Verteilung der Bereitschaftsdienste, insbesondere an den Wochenenden unter den beteiligten Diensthabenden her.
b. Der Dienstplan hat grundsätzlich die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit, Dauer und Lage im Arbeitstag zu berücksichtigen. …
10.) Mitbestimmungsverfahren:
Die Bereitschaftsdienstpläne sind dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG rechtzeitig vorzulegen. …”
Diese Betriebsvereinbarung wurde durch die “Betriebsvereinbarung Nr. 17/92” vom 15. Januar 1993 ergänzt. Nach ihrer Nr. 3 wurde “zur Entlastung der 1. und 2. Dienstreihe” ein weiterer Dienst eingerichtet. Laut Nr. 6 der Regelungen sollte der Personalmehrbedarf, der durch den späten Dienst entstehen würde, mit einer Stellenplan-Erweiterung um 1,5 Planstellen im ärztlichen Dienst ausgeglichen werden. Nach Nr. 7 trat die Betriebsvereinbarung mit Wirkung vom 1. Februar 1993 in Kraft und galt “zunächst für ein Jahr”.
Mit einem “Nachtrag zu Betriebsvereinbarung Nr. 17/92” vom 21. September 1993 erhielt deren Nr. 3 mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 folgende Fassung:
“Für die Medizinischen Abteilungen wird zur Entlastung der 1. und 2. Dienstreihe ein zusätzlicher Dienst eingerichtet, der täglich mit einem Arzt/Ärztin besetzt wird.
Dieser Dienst regelt sich wie folgt:
a. |
Montag bis Donnerstag |
15.00 bis 23.00 Uhr |
= 8,0 Arbeits-stunden je Tag |
b. |
Freitag |
16.30 bis 08.00 Uhr |
= 15,5 Stunden Bereitschaftsdienst |
c. |
Samstag |
08.00 bis 08.00 Uhr |
= 24,0 Stunden Bereitschaftsdienst |
d. |
Sonn- und Feiertag |
08.00 bis 18.00 Uhr |
= 10,0 Stunden Bereitschaftsdienst |
…”
Zugleich wurde die Geltung der Betriebsvereinbarung Nr. 17/92 um ein Jahr verlängert. 1995 und 1996 vereinbarten die Betriebsparteien zwei weitere Nachträge. Darin wurde ua. der Bereitschaftsdienst an Sonn- und Feiertagen, auf die ein weiterer Feiertag folgt, auf 24 Stunden von 08.00 bis 08.00 Uhr erweitert.
Die Arbeitgeberin kündigte die Betriebsvereinbarung Nr. 16/92 mit Schreiben vom 26. Juni 1997. Im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens schlossen die Betriebsparteien am 4. Juli 2001 eine neue Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitverteilung und zu Bereitschaftdiensten. Ihre Nr. 13 enthielt folgende Regelung:
“Die Betriebsvereinbarung Nr. 16/92 vom 15.12.1992 wird hinsichtlich ihres Gegenstandes – soweit dieser die Regelung der Bereitschaftsdienste der Ärzte/innen … betrifft – gegenstandslos.
Die Betriebsvereinbarung Nr. 17/92 … wird gegenstandslos.
Diese Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft und gilt erstmals für die Dienstplanung August 2001. Sie ist beiderseits mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende kündbar. Im Falle einer Kündigung wirkt sie vollumfänglich 3 weitere Monate nach. Anschließend gelten, soweit eine Neuregelung nicht zustande gekommen ist, die BV 16 und 17 aus 1992 in der am 04.07.2001 geltenden Fassung.”
Nach zwei Betriebsratssitzungen am 4. Juli und 28. August 2001 richtete der Betriebsratsvorsitzende am 29. August 2001 ein Schreiben an die Arbeitgeberin, in dem es hieß:
“Da es sich erwartungsgemäß ziemlich schnell ergeben hat, daß die in der … Betriebsvereinbarung geregelten Bestimmungen nicht praktizierbar sind, ohne gegen die in der BV aufgeführten Bestimmungen selbst und gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen zu verstoßen, möchte ich Ihnen hiermit mitteilen, daß der Betriebsrat auf seiner Sitzung vom 28.8.2001 beschlossen hat, die Betriebsvereinbarung vom 4.7.2001 … zum 30.11.2001 zu kündigen.”
Im vorliegenden Beschlußverfahren hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, sämtliche Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit und zu Bereitschaftsdiensten seien wegen Verstoßes gegen die Richtlinie 93/104/EG vom 23. November 1993 (Arbeitszeit-Richtlinie) unwirksam. Sie verstießen gegen Art. 6 Nr. 2, Art. 8 Nr. 2 und Art. 5 der Richtlinie, die die wöchentliche Höchstarbeitszeit, den täglichen Höchstumfang der Arbeitszeit für Nachtarbeiten und Mindestruhezeiten festlegten.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- festzustellen, daß die zwischen den Beteiligten geschlossene Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 2001 zum Thema “Arbeitszeit in den Bereichen Innere Medizin und Anästhesie” rechtsunwirksam ist;
- festzustellen, daß die zwischen den Beteiligten geschlossene Betriebsvereinbarung Nr. 16/92 vom 15. Dezember 1992 zum Thema “Regelung der Bereitschaftsdienste und der Rufbereitschaftsdienste” und die zwischen den Beteiligten geschlossene Betriebsvereinbarung Nr. 17/92 vom 15. Januar 1993 zum Thema “Regelung des Spätdienstes und der 3. Bereitschaftsreihe” nebst den Nachträgen vom 21. September 1993, 3. Januar 1995 und 27. November 1996 rechtsunwirksam ist;
der Arbeitgeberin aufzugeben – bei Meidung eines Ordnungsgelds in jedem Einzelfall von bis zu DM 500.000,00 (und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft) – oder zur Ordnungshaft – bezogen auf die Bereiche Innere Medizin und Anästhesie zu untersagen,
- Beschäftigten gegenüber Bereitschaftsdienst anzuordnen oder zu dulden, soweit dadurch eine durchschnittliche Arbeitszeit (inklusive Bereitschaftsdienststunden und auch Überstunden und auch tatsächlich geleisteter Stunden innerhalb der Rufbereitschaftszeit) von mehr als 48 Stunden im Durchschnitt von vier Monaten gegeben ist;
- Arbeitszeiten anzuordnen oder zu dulden, bei denen bezogen auf das Ende der letzten Stunde der letzten Arbeitszeitphase (letzte Bereitschaftsdienststunde, letzte Überstunde, letzte tatsächlich geleistete Einsatzstunde im Rahmen einer Rufbereitschaft) eine Ruhezeit von weniger als elf Stunden gelegen hat;
- bei Vorliegen von mindestens zwei Stunden Nachtarbeit in der Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr anschließend eine zusammenhängende Arbeitszeit (inklusive Bereitschaftsdienststunden und Überstunden) von mehr als acht Stunden anzuordnen oder zu dulden;
erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz hilfsweise zu 3.,
der Arbeitgeberin – bei Meidung eines Ordnungsgelds in jedem Einzelfall von bis zu DM 500.000,00 (und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft) – oder zur Ordnungshaft – bezogen auf die Bereiche Innere Medizin und Anästhesie zu untersagen,
- Beschäftigten gegenüber Bereitschaftsdienst anzuordnen oder zu dulden, soweit dadurch eine durchschnittliche Arbeitszeit (inklusive geleisteter Überstunden und geleisteter Bereitschaftsdienststunden, soweit (und dann für die Dauer der konkreten Zeit) eine tatsächliche Inanspruchnahme erfolgt ist, und auch tatsächlich geleisteter Stunden innerhalb der Rufbereitschaftszeit) von mehr als 48 Stunden im Durchschnitt von vier Monaten gegeben ist;
- Arbeitszeiten anzuordnen oder zu dulden, bei denen bezogen auf das Ende der letzten Stunde der letzten Arbeitszeitphase (letzte Überstunde, letzte geleistete Bereitschaftsdienststunde mit tatsächlicher Inanspruchnahme, letzte geleistete tatsächliche Einsatzstunde im Rahmen einer Rufbereitschaft) eine Ruhezeit von weniger als 11 Stunden gelegen hat;
- bei Vorliegen von mindestens zwei Stunden Nachtarbeit in der Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr eine Arbeitszeit pro Werktag (inklusive geleistete Bereitschaftsdienststunden mit tatsächlicher Inanspruchnahme und Überstunden) von mehr als acht Stunden anzuordnen oder zu dulden, es sei denn, eine Verlängerung auf bis zu 10 Stunden erfolgt mit der Maßgabe, daß innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen eine Arbeitszeit (im Sinne der Definition nach a)) von im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten wird.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat erstinstanzlich behauptet, der Betriebsrat habe die Einleitung des Verfahrens und die Beauftragung seines Bevollmächtigten nicht ordnungsgemäß beschlossen. Sie hat gemeint, in dem Umstand, daß der Betriebsrat das Gegenteil bis zum Schluß der mündlichen Anhörung in erster Instanz nicht nachgewiesen habe, liege ein prozessual weiterhin erheblicher Mangel. Ferner hat die Arbeitgeberin die Auffassung vertreten, die Einleitung des vorliegenden Verfahrens sei wegen widersprüchlichen Verhaltens des Betriebsrats unzulässig. Der Betriebsrat habe nicht zunächst ein Einigungsstellenverfahren zur Herbeiführung bestimmter Sachregelungen betreiben dürfen, um die nach langjährigen und kostenintensiven Verhandlungen schließlich unterzeichnete Betriebsvereinbarung schon wenige Wochen später wieder zu kündigen und ihre Unwirksamkeit feststellen zu lassen. Dessen ungeachtet bestehe für den Antrag zu 1. mangels Nachwirkung der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 2001 kein Rechtsschutzbedürfnis. Im übrigen seien die Anträge unbegründet. Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz sei Bereitschaftsdienst keine Arbeitszeit. Die dem möglicherweise entgegenstehende Arbeitszeit-Richtlinie sei in den Mitgliedsstaaten nicht unmittelbar anwendbar. Urteile des Europäischen Gerichtshofs wie das vom 3. Oktober 2000 (Rs. C-303/98 – [SIMAP])zur Auslegung der Arbeitszeit-Richtlinie könnten nur die am Ausgangsverfahren beteiligten Gerichte binden.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats als unzulässig abgewiesen, weil er die ordnungsgemäße Bevollmächtigung seines Verfahrensvertreters nicht nachgewiesen habe. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen in vollem Umfang entsprochen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde bittet die Arbeitgeberin um Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat der Betriebsrat das Beschlußverfahren wirksam eingeleitet. Dieses ist auch nicht wegen rechtsmißbräuchlichen Verhaltens des Betriebsrats unzulässig. Jedoch sind die Anträge teils unzulässig, teil unbegründet. Das hat das Landesarbeitsgericht nicht erkannt.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht schon deshalb begründet, weil die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts mangels Vollmacht seines Verfahrensvertreters unzulässig gewesen wäre. Dieser war mit der Einleitung des Verfahrens wirksam beauftragt worden; von der erteilten Vollmacht ist die Berechtigung zur Einlegung von Rechtsmitteln erfaßt, § 81 ZPO.
1. Die Arbeitgeberin hat nicht gerügt, daß dem für den Betriebsrat auftretenden Rechtsanwalt bereits nach dem äußeren Erklärungstatbestand keine Vollmacht iSd. §§ 80, 81 ZPO erteilt worden sei, das vorliegende Beschlußverfahren für den Betriebsrat einzuleiten. Gemäß § 88 ZPO bestand deshalb für den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats keine Notwendigkeit, seine Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben, wie dies auch tatsächlich nicht geschehen ist.
2. Die Arbeitgeberin hat dagegen schon in der Antragserwiderung vom 4. Oktober 2001 bestritten, daß der Einleitung des Beschlußverfahrens und der Vollmachtserteilung ein wirksamer Beschluß des Betriebsrats zugrunde lag. Ein solcher Beschluß ist sowohl zur Verfahrenseinleitung als auch zur wirksamen Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich (BAG 1. Oktober 1991 – 1 ABR 81/90 – zu B I 1 der Gründe; 5. April 2000 – 7 ABR 6/99 – AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 33 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 91 mwN; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 11 Rn. 52). Fehlt es daran, ist der Betriebsrat gerichtlich nicht wirksam vertreten und kommt ein Prozeßrechtsverhältnis nicht zustande; für den Betriebsrat gestellte Anträge sind als unzulässig abzuweisen. Die Einwendung der Arbeitgeberin greift nicht durch: Im Streitfall lag ein wirksamer Betriebsratsbeschluß vor.
a) Zugunsten der Arbeitgeberin kann unterstellt werden, daß der Betriebsrat den Nachweis einer ordnungsgemäßen Beschlußfassung bis zum Schluß der mündlichen Anhörung in erster Instanz nicht erbracht und das Arbeitsgericht auf dieser Grundlage zutreffend entschieden hat. Tatsächlich lag jedoch bei Schluß der mündlichen Anhörung ein solcher Beschluß bereits vor. Zwar mögen die Beschlüsse des Betriebsrats vom 24. Juli und 28. August 2001 über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens, dessen Erweiterung um den jetzigen Antrag zu 2. und die Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten, die mit der Mehrheit der Stimmen von neun bzw. zehn anwesenden Mitgliedern gefaßt wurden, unwirksam gewesen sein, weil bei der Einladung die Tagesordnung nicht ordnungsgemäß mitgeteilt worden war. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch festgestellt, daß der Betriebsrat am 4. Dezember 2001 – eine Woche vor der mündlichen Anhörung vor dem Arbeitsgericht – bei Anwesenheit aller seiner elf Mitglieder mehrheitlich beschlossen hatte: “… Die Beschlüsse vom 24.7.01 unter Punkt 6 und vom 28.8.01 unter Punkt 4 werden nochmals bestätigt”. Damit liegt eine ordnungsgemäße Willensbildung des Betriebsrats vor. Die Arbeitgeberin hat die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Verfahrensrügen nicht angegriffen. Sie sind deshalb für das Rechtsbeschwerdegericht bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO nF). Für die Wirksamkeit des Beschlusses ist es ohne Bedeutung, daß das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob jedenfalls in der Ladung zur Betriebsratssitzung am 4. Dezember 2001 der betreffende Tagesordnungspunkt hinreichend deutlich aufgeführt war. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, konnte ein solcher Mangel dadurch geheilt werden, daß alle Mitglieder des vollzählig versammelten Betriebsrats mit der entsprechenden Ergänzung der Tagesordnung einverstanden waren. Für das Einverständnis ist es ausreichend, daß kein Mitglied der Ergänzung widersprochen hat (BAG 28. Oktober 1992 – 7 ABR 14/92 – AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 2; 29. April 1992 – 7 ABR 74/91 – BAGE 70, 178; 28. April 1988 – 6 AZR 405/86 – BAGE 58, 221). Zu einem solchen Widerspruch haben die Beteiligten nicht vorgetragen.
b) Mit dem Beschluß vom 4. Dezember 2001 hat der Betriebsrat die Beschlüsse vom 24. Juli und 28. August 2001 “bestätigt”. Dabei ging es ihm ersichtlich darum, vorsorglich eine eigenständige rechtliche Grundlage für die Einleitung des Beschlußverfahrens und die Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten zu schaffen, um möglichen Wirksamkeitsbedenken zu begegnen. Der Betriebsrat hat auf diese Weise zu erkennen gegeben, daß beide schon getroffenen Maßnahmen von seinem Willen getragen werden. Dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken; die Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses über die Einleitung eines Beschlußverfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwalts kann durch einen ordnungsgemäßen späteren Beschluß, wenn er noch vor Abschluß der ersten Instanz gefaßt wird, geheilt werden (BAG 5. April 2000 – 7 ABR 6/99 – AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 33 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 91; Wiese/Raab GK-BetrVG 8. Aufl. § 33 Rn. 65 f.; Fitting BetrVG 21. Aufl. § 33 Rn. 57).
3. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin durfte das Landesarbeitsgericht den Beschluß vom 4. Dezember 2001 bei seiner Entscheidung berücksichtigen.
a) Zwar kann nach Erlaß eines Prozeßurteils, mit dem die Klage mangels Vollmacht des Vertreters abgewiesen wurde, eine rückwirkende Heilung dieses Mangels durch nachträgliche Vollmachtserteilung nicht mehr erfolgen. Mit Erlaß des Prozeßurteils besteht keine genehmigungsfähige Rechtslage mehr; eine nachträgliche Genehmigung würde nicht den Mangel der Vollmacht beseitigen, sondern nur dem richtigen Prozeßurteil die Grundlage entziehen (BAG 18. Dezember 1964 – 5 AZR 109/64 – BAGE 17, 32; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 17. April 1984 – GmS-OBG 2/83 – NJW 1984, 2149). Auch können diese Grundsätze auf das Fehlen eines ordnungsgemäßen Beschlusses des Betriebsrats, der der Vollmachtserteilung – etwa von Seiten des Betriebsratsvorsitzenden – zugrunde liegt, übertragen werden.
Eine rechtzeitige Heilung des Mangels der Vollmacht liegt aber vor, wenn – wie hier – eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung tatsächlich bereits vor Erlaß des Prozeßurteils erfolgt war und nur nicht rechtzeitig nachgewiesen wurde. Die Verwertung von Tatsachenstoff aus der Zeit vor der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts, welches das Prozeßurteil erlassen hat, – auch von insoweit neuem Vorbringen in der Rechtsmittelinstanz – ist für die Prüfung der Prozeßvoraussetzungen zulässig (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 17. April 1984 – GmS-OBG 2/83 – NJW 1984, 2149). Der Nachweis der Vollmachtserteilung bzw. Beschlußfassung im Rechtsmittelverfahren führt, falls die Klage im übrigen zulässig und begründet ist, zur Aufhebung des klageabweisenden Prozeßurteils unabhängig davon, worauf die Verspätung des Nachweises zurückzuführen ist (vgl. BFH 18. Mai 1972 – V R 77/70 – BFHE 106, 257).
b) Das Landesarbeitsgericht war auch nicht aus anderen Gründen gehindert, die am 4. Dezember 2001 beschlossene Vollmachtserteilung zu berücksichtigen. Ein Fall des § 83 Abs. 1a ArbGG iVm. § 87 Abs. 3 Satz 1 ArbGG lag nicht vor. Das Arbeitsgericht hatte entsprechendes Vorbringen des Betriebsrats, das erstinstanzlich gerade nicht mehr erfolgte, nicht zurückgewiesen. Das – neue – Vorbringen des Betriebsrats zur Vollmachtserteilung hätte nach § 87 Abs. 3 Satz 2 ArbGG allenfalls das Landesarbeitsgericht selbst zurückweisen können; das hat es nicht getan. Auch bei einem Verstoß des Betriebsrats gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht des § 282 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, die wegen § 67 Abs. 3 ArbGG jedenfalls im Urteilsverfahren gilt, hat das Landesarbeitsgericht neues Vorbringen nur dann nicht mehr zuzulassen, wenn dies die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Unabhängig davon, ob § 67 Abs. 3 ArbGG iVm. § 282 Abs. 1, Abs. 2 ZPO auch im Beschlußverfahren Anwendung finden kann, ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das betreffende Vorbringen zuzulassen, nicht mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar (vgl. für das Urteilsverfahren BAG 20. April 1983 – 4 AZR 497/80 – BAGE 42, 244; 31. Oktober 1984 – 4 AZR 604/82 – AP TVAL II § 42 Nr. 3; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/ Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 67 Rn. 19).
- Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht deshalb begründet, weil die Einleitung des vorliegenden Beschlußverfahrens durch den Betriebsrat rechtsmißbräuchlich gewesen wäre. Die Arbeitgeberin hat ein widersprüchliches und treuwidriges Verhalten des Betriebsrats darin gesehen, daß er kurze Zeit, nachdem das Einigungsstellenverfahren mit der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 2001 beendet worden war, diese Betriebsvereinbarung gekündigt und die gerichtliche Feststellung ihrer Unwirksamkeit beantragt hat. Dem ist nicht zu folgen. Zwar begrenzt der Einwand des Rechtsmißbrauchs als allgemeine Schranke der Rechtsausübung nicht nur subjektive Rechte, sondern auch Rechtsinstitute und Rechtsnormen (Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 242 Rn. 40). Deshalb kann auch die Berufung auf die aus einer Rechtsvorschrift folgende Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts in besonderen Ausnahmefällen eine unzulässige Rechtsausübung darstellen (vgl. BGH 5. Mai 1992 – X ZR 134/90 – BGHZ 118, 182, 191 mwN). Hier geht es aber um die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer (betrieblichen) Rechtsnorm selbst. Betriebsvereinbarungen haben den Charakter eines privatrechtlichen kollektiven Normenvertrags (Fitting BetrVG 21. Aufl. § 77 Rn. 13). Sie setzen objektives Recht. Dem Verlangen eines der Beteiligten nach Überprüfung der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung kann deshalb schon im Interesse der Normunterworfenen nicht mit dem Vorwurf des Rechtsmißbrauchs begegnet werden. Dieser ist gegenüber dem Antrag auf Normenkontrolle kein geeigneter Einwand (vgl. BAG 8. Dezember 1970 – 1 ABR 20/70 – BAGE 23, 122, 127). Der Betriebsrat kann auch im Hinblick auf seine Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht gezwungen werden, es wider besseres Wissen bei der möglicherweise rechtswidrigen Betriebsvereinbarung zu belassen, auch wenn diese ursprünglich von ihm selbst mitgetragen wurde.
Die Rechtsbeschwerde hat gleichwohl Erfolg. Die Anträge zu 1. und 3. – einschließlich des zu 3. gestellten Hilfsantrags – sind unzulässig, der Antrag zu 2. ist unbegründet.
1. Dem Antrag zu 1. fehlt es am Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.
a) Das rechtliche Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung als besondere Prozeßvoraussetzung ist die spezielle Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzinteresses (Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 256 Rn. 13 mwN). § 256 ZPO ist deshalb auch im Beschlußverfahren anwendbar (BAG 19. Februar 2002 – 1 ABR 20/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 27 = EzA ZPO § 256 Nr. 65 mwN). Ein Feststellungsinteresse muß als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens und auch in der Revisionsinstanz noch gegeben sein (BAG 21. Juni 2000 – 5 AZR 782/98 – BAGE 95, 141, 144 mwN). Dies gilt im Beschlußverfahren gleichermaßen. Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der keinerlei Rechtswirkungen für die Zukunft mehr folgen, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig nicht (BAG 28. Mai 2002 – 1 ABR 35/01 – AP ZA-Nato-Truppenstatut Art. 56 Nr. 23 mwN, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b) Mit dem Antrag zu 1. möchte der Betriebsrat die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 2001 festgestellt wissen. Diese ist seit dem 1. März 2002 kein im Betrieb geltendes Regelungswerk mehr.
Der Betriebsrat hat die Betriebsvereinbarung zum 30. November 2001 wirksam gekündigt. Das Schreiben des Betriebsratsvorsitzenden vom 29. August 2001 stellt nach den äußeren Umständen eine Kündigungserklärung iSd. § 77 Abs. 5 BetrVG dar und nicht etwa nur eine bloße Mitteilung über den Inhalt eines entsprechenden Betriebsratsbeschlusses, mit der ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswille nicht verbunden gewesen wäre. So hat auch die Arbeitgeberin das Schreiben verstanden. Gemäß Nr. 13 der Betriebsvereinbarung sollten ihre Regelungen nach Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist lediglich drei weitere Monate nachwirken, um anschließend durch die dann wieder in Kraft tretenden Betriebsvereinbarungen Nr. 16/92 und Nr. 17/92 in ihren bis zum 4. Juli 2001 geltenden Fassungen ersetzt zu werden. Gegen eine solche Regelung der Nachwirkung bestehen keine Bedenken. Die Vorschrift des § 77 Abs. 6 BetrVG läßt abweichende Vereinbarungen zu (Fitting BetrVG 21. Aufl. § 77 Rn. 180). Die Betriebsparteien können die dort angeordnete Nachwirkung von mitbestimmungspflichtigen Regelungen sowohl von vornherein als auch erst für die Zeit nach Ablauf einer vereinbarten Frist ausschließen (für die erste Alternative vgl. BAG 17. Januar 1995 – 1 ABR 29/94 – AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 54; 9. Februar 1984 – 6 ABR 10/81 – BAGE 45, 132). Dafür, daß sich aus der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 2001 auch für die Zeit nach dem 28. Februar 2002 Rechtsfolgen noch ergäben, hat der Betriebsrat nichts vorgetragen; sein Begehren ist deshalb ausschließlich vergangenheitsbezogen.
2. Der Antrag zu 3. und der hilfsweise statt seiner gestellte Hilfsantrag sind ebenfalls unzulässig. Dem Betriebsrat fehlt es an der erforderlichen Antragsbefugnis.
a) Im Beschlußverfahren ist ein Beteiligter nur insoweit antragsbefugt, als er eigene Rechte geltend macht. Antragsbefugnis und Beteiligtenstatus fallen nicht notwendig zusammen; § 83 Abs. 3 ArbGG besagt nichts darüber, ob ein Beteiligter im Beschlußverfahren einen Antrag stellen kann. Die Antragsbefugnis ist vielmehr nach den Regeln über die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu bestimmen (§ 81 Abs. 1 ArbGG). Regelmäßig kann nur derjenige ein gerichtliches Verfahren einleiten, der vorträgt, Träger des streitbefangenen Rechts zu sein. Ausnahmen gelten im Fall zulässiger Prozeßstandschaft. Prozeßführungsbefugnis im Urteilsverfahren und Antragsbefugnis im Beschlußverfahren dienen dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlußverfahren ist die Antragsbefugnis deshalb nur gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen werden kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht (BAG 18. August 1987 – 1 ABR 65/86 – BAGE 56, 44; 30. Oktober 1986 – 6 ABR 52/83 – BAGE 52, 279; 25. August 1981 – 1 ABR 61/79 – BAGE 37, 31, 38; 27. November 1973 – 1 ABR 11/73 – BAGE 25, 415, 417).
b) Mit dem Antrag zu 3. nimmt der Betriebsrat nicht eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte wahr, sondern individuelle Rechte der Arbeitnehmer. Es geht ihm erkennbar nicht darum, der Verletzung eigener Mitbestimmungsrechte vorzubeugen. Die Arbeitgeberin hat zu keiner Zeit in Abrede gestellt, daß jegliche Arbeitszeitanordnungen gegenüber den Beschäftigten des Krankenhauses der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Der Betriebsrat hat etwas anderes nicht vorgetragen. Er will ausschließlich verhindern, daß gegenüber den Arbeitnehmern Arbeitsanordnungen ergehen, deren zeitlichen Umfang er für rechtswidrig hält. Darin liegt keine Wahrnehmung eigener Rechte.
Ob andernfalls angesichts der Bereitschaft der Arbeitgeberin, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten, ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag zu 3. bestünde und sich der hier erhobene Unterlassungsanspruch aus Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, etwa aus § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG überhaupt ableiten ließe, kann dahinstehen (ablehnend für einen möglichen Unterlassungsanspruch aus § 75 Abs. 2 BetrVG BAG 28. Mai 2002 – 1 ABR 32/01 – AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebs Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 29, zu B I 3 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
c) Die vorstehenden Erwägungen treffen in gleicher Weise auch für den erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellten Hilfsantrag zu. Ob dieser wegen der in ihm liegenden Antragserweiterung in der Rechtsbeschwerdeinstanz wirksam hat gestellt werden können, braucht nicht entschieden zu werden.
3. Der zulässige Antrag zu 2. ist unbegründet.
a) Der Antrag bedarf der Auslegung. Ihm läßt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob der Betriebsrat die Unwirksamkeit sämtlicher Regelungen der Betriebsvereinbarungen Nr. 16/92 und Nr. 17/92 nebst Nachträgen oder deren Unwirksamkeit nur insoweit geltend machen will, als sie das Thema “Regelung der Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaftsdienste” betreffen. Der Betriebsrat hat etwa die Wirksamkeit der Regelungen über die Grundsätze der Dienstplanerstellung und des einzuhaltenden Verfahrens bei Aufstellung oder Änderung der konkreten Dienstpläne nicht ausdrücklich in Frage gestellt.
Wäre der Antrag in diesem eingeschränkten Sinne zu verstehen, wäre er allerdings nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es bliebe offen, welche Regelungen im einzelnen unwirksam sein sollen; unklar bliebe auch, ob die übrigen Regelungen nach Ansicht des Betriebsrats isoliert weiterhin Geltung besäßen. Ein Antrag ist jedoch möglichst so auszulegen, daß er eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht (BAG 17. Juni 1997 – 1 ABR 10/97 –, zu B 1 der Gründe mwN). Das Begehren des Betriebsrats ist deshalb dahin zu verstehen, daß er die Unwirksamkeit der beiden Betriebsvereinbarungen jeweils in ihrer Gesamtheit festgestellt wissen möchte.
b) Der Antrag hat keinen Erfolg. Der Betriebsrat hält die Regelungen in den Betriebsvereinbarungen über Bereitschaftsdienste für rechtswidrig, weil Bereitschaftsdienstzeiten als Arbeitszeiten anzusehen seien und ihre Anordnung unter dieser Voraussetzung gegen Höchstarbeitszeitbestimmungen der europäischen Arbeitszeit-Richtlinie verstoße. Das Landesarbeitsgericht ist dem gefolgt. Dabei hat es übersehen, daß sich ein unmittelbarer Verstoß der Regelungen der Betriebsvereinbarungen Nr. 16/92 und Nr. 17/92 einschließlich ihrer Nachträge gegen höherrangiges Recht nicht erkennen läßt.
Die Betriebsvereinbarungen selbst treffen über die konkrete Ausgestaltung der Dienst- und Bereitschaftsdienstpläne keine Regelungen. Aus ihnen ist nicht ersichtlich, welche Arbeitnehmer welche einzelnen Schichten in welchem zeitlichen Rhythmus leisten. Daß dies nicht ihr Regelungsgegenstand ist, zeigen besonders Nr. 9 und Nr. 10 der Betriebsvereinbarung Nr. 16/92. Danach stellen erst die späteren Dienstpläne die gerechte Verteilung der Bereitschaftsdienste und die Berücksichtigung der “vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, Dauer und Lage im Arbeitstag” sicher; die Bereitschaftsdienstpläne bedürfen sodann der Zustimmung des Betriebsrats. Dagegen legen die angegriffenen Betriebsvereinbarungen nicht fest, daß der einzelne Arbeitnehmer – auch unter Einbezug der Bereitschaftsdienstzeiten – wöchentlich durchschnittlich mehr als 48 Stunden zu arbeiten (Art. 6 Nr. 2 Arbeitszeit-Richtlinie) oder mehr als acht Stunden Nachtarbeit zu leisten (Art. 8 Nr. 2 Arbeitszeit-Richtlinie) hätte oder die Mindestruhezeiten (Art. 5 Arbeitszeit-Richtlinie) nicht einhalten könnte. Die Betriebsvereinbarungen geben insoweit nur einen bestimmten Dienst- und Bereitschaftsdienstrahmen vor, ohne schon selbst Regelungen darüber zu treffen, wieviele und welche Personen mit welcher konkreten Schichtdauer jeweils zu den Diensten herangezogen werden. Mögliche Verstöße gegen Bestimmungen der Arbeitszeit-Richtlinie oder des Arbeitszeitgesetzes könnten sich erst aus konkreten Dienstplänen oder Dienstzuweisungen ergeben, die im Rahmen der abstrakten Vorgaben der Betriebsvereinbarungen festgelegt werden.
Dies gilt auch mit Blick auf Nr. 4 der Betriebsvereinbarung Nr. 16/92 und Nr. 3 der Betriebsvereinbarung Nr. 17/92 in der Fassung der Nachträge vom 21. September 1993 und 3. Januar 1995. Zwar heißt es dort, es werde ein zusätzlicher Dienst eingerichtet, der “täglich mit einem Arzt/Ärztin besetzt” werde. Die aufgeführten Dienste sehen Bereitschaftsdienstzeiten bis zu 24 Stunden vor. Auch insoweit ist aber nicht festgelegt, ob die Dienste durchgehend derselben Person zugewiesen oder nacheinander auf mehrere Personen verteilt werden. Ob ersteres der Fall ist, könnte sich erneut nur aus konkreten Dienstplänen ergeben. Diese sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die angegriffenen Betriebsvereinbarungen lassen sich deshalb ohne weiteres, und ohne daß sie geändert werden müßten, in einer Weise anwenden, die den vom Betriebsrat für zutreffend gehaltenen Vorgaben der Arbeitszeit-Richtlinie und des Arbeitszeitgesetzes entspricht. Auch wenn Bereitschaftsdienstzeiten als Arbeitszeiten behandelt werden, ist eine den Vorstellungen des Betriebsrats entsprechende richtlinienkonforme Umsetzung ihrer Vorgaben in die Einzeldienstpläne möglich. Damit scheidet ein Verstoß der Betriebsvereinbarungen Nr. 16/92 und Nr. 17/92 gegen europäisches und nationales Arbeitszeitrecht aus. Auf die Fragen der Auslegung des Arbeitszeitbegriffs der Richtlinie, der Tragweite der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Oktober 2000 (– Rs. C-303/98 – [SIMAP]), der Vereinbarkeit des deutschen Arbeitszeitgesetzes mit den Vorgaben der Richtlinie und der möglichen unmittelbaren Geltung der Arbeitszeitrichtlinie für die Arbeitsverhältnisse der bei der Arbeitgeberin Beschäftigten kommt es nicht an (vgl. dazu BAG 18. Februar 2003 – 1 ABR 2/02 – DB 2003, 1387 zu B IV der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Zu einem Verstoß der Betriebsvereinbarungen gegen die Vorgaben des § 15 MTV nebst den dazu ergangenen Anlagen hat der Betriebsrat nicht vorgetragen. Er ist auch nicht ersichtlich.
Unterschriften
Wißmann, Linsenmeier, Kreft, Rösch, Hayen
Fundstellen
Haufe-Index 966788 |
BAGE 2004, 19 |
BB 2003, 1960 |
DB 2003, 2290 |
EWiR 2003, 1223 |
FA 2003, 124 |
FA 2003, 286 |
NZA 2004, 336 |
SAE 2003, 372 |
ZTR 2003, 176 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 13 |
EzA |
MedR 2003, 221 |
BAGReport 2003, 312 |