Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von Heimarbeiterinnen
Leitsatz (redaktionell)
Die Zuordnung der verschiedenen Arbeitsgänge in der Heimarbeit in die aufgrund der bindenden Festsetzung nach § 19 HAG vorgegebenen Entgeltgruppen und die Zuweisung der Tätigkeiten an die Heimarbeiter/innen sind als Eingruppierung im Sinne von § 99 BetrVG anzusehen und unterliegen deshalb der Beteiligung durch den Betriebsrat.
Verfahrensgang
Gründe
A. Der Arbeitgeber beschäftigt ca. 115 Heimarbeiterinnen mit der Montage von elektronischen Kleingeräten. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten darüber, ob der Arbeitgeber die 115 Heimarbeiterinnen eingruppiert hat und hierzu die Zustimmung des Betriebsrats hätte einholen müssen.
Die Entlohnung der Heimarbeiterinnen ist seit dem 1. September 1988 in der "Bindenden Festsetzung von Entgelten und Vertragsbedingungen für die Herstellung von Eisen-, Metall- und Elektroartikeln, Uhren, feinmechanischen und optischen Artikeln in Heimarbeit" (BAnz Nr. 108 vom 14. Juni 1988) neu geregelt. Während in der vorangegangenen Fassung ein einheitliches Mindeststundenentgelt galt, enthält die Neuregelung seit dem 1. September 1988 erstmals eine Differenzierung der Mindeststundenentgelte nach vier verschiedenen Entgeltgruppen. Insoweit ist in § 2 der "Bindenden Festsetzung" bestimmt:
(1) Entgeltgruppe 1:
Einfache Arbeiten, die ohne fachliche Vorkenntnisse
nach kurzer Unterweisung (im Betrieb oder an der
Arbeitsstätte des in Heimarbeit Beschäftigten) ausge-
führt werden können.
Entgeltgruppe 2:
Arbeiten, die ohne fachliche Vorkenntnisse nach min-
destens vierstündiger Unterweisung (im Betrieb oder an
der Arbeitsstätte des in Heimarbeit Beschäftigten) aus-
geführt werden können.
Entgeltgruppe 3:
Arbeiten, die ohne fachliche Vorkenntnisse nach min-
destens achtstündiger Unterweisung (im Betrieb oder an
der Arbeitsstätte des in Heimarbeit Beschäftigten) aus-
geführt werden können.
Entgeltgruppe 4:
Arbeiten, deren Ausführung eine entsprechende Berufsaus-
bildung voraussetzt oder Fertigkeiten und Kenntnisse,
die denen eines Facharbeiters gleichzusetzen sind, und
die nicht in den Entgeltgruppen 1-3 erfaßt werden.
(2) Unterweisung ist die Unterrichtung und Einübung des in
Heimarbeit Beschäftigten durch den Auftraggeber oder
seinen Vertreter hinsichtlich der auszuführenden Arbeit.
Für die Feststellung der Dauer der erforderlichen
Unterweisungszeit ist nicht die im Einzelfall tatsäch-
lich gebrauchte Zeit maßgebend, sondern die Zeit, die
notwendig ist, um einen normal geeigneten in Heimarbeit
Beschäftigten - ohne Berücksichtigung etwaiger fach-
licher Vorkenntnisse - in die Lage zu versetzen, die
Arbeit sachgemäß auszuführen.
Der Arbeitgeber hat allen Heimarbeiterinnen mit Schreiben vom 3. August 1988 mitgeteilt, daß ihr Mindestlohn zum 1. September 1988 auf 8,54 DM und ab 1. September 1989 auf 8,83 DM angehoben werde. Diese Vergütung entspricht der Entgeltgruppe 1 der "Bindenden Festsetzung".
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, daß darin eine Eingruppierung gemäß § 99 BetrVG liege. Es handele sich nicht nur um eine bloße Zuordnung von Arbeiten zu Entgeltgruppen, sondern um eine Zuordnung der Heimarbeiterinnen zu der für sie nach ihrer auszuübenden Tätigkeit maßgeblichen Vergütungsgruppe. Die in § 3 der bindenden Festsetzung vorgesehenen Mindeststundenentgelte seien Grundlage der üblicherweise gezahlten Stückentgelte (§ 4 I), so daß über § 20 Satz 1 HAG eine Zuordnung der Heimarbeiterinnen zu einer Entgeltgruppe erfolge. Die Gewichtung der Tätigkeiten sei nicht Selbstzweck, sondern diene der Einordnung des Arbeitnehmers in ein Entgeltschema. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, die Zustimmung zur Eingruppierung nachträglich einzuholen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. dem Arbeitgeber aufzugeben, die Zustimmung
des Betriebsrats zu den mit Wirkung vom
1. September 1988 vorgenommenen Eingruppierungen
der bei dem Arbeitgeber beschäftigten Heim-
arbeiterinnen einzuholen,
2. dem Arbeitgeber für den Fall der Zuwider-
handlung ein Zwangsgeld anzudrohen, dessen
Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird.
Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Zur Begründung hat er vorgetragen, ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bestehe nicht. Die "Bindende Festsetzung" erfordere zwar eine Zuordnung von Arbeitsvorgängen, dies sei jedoch keine Eingruppierung. Es handele sich lediglich um eine Bewertung der Arbeit und nicht um eine Bewertung der Qualifikation der Heimarbeiterinnen. Es müßten die Besonderheiten der Zuweisung von Heimarbeit berücksichtigt werden. Heimarbeit sei dadurch gekennzeichnet, daß Vertragsgegenstand die "Übernahme von Heimarbeit" sei, ohne daß die zu ver- bzw. bearbeitenden Artikel genannt würden. Diese Betrachtungsweise sei auch für die Bestimmung, welche bindende Festsetzung einschlägig sei, maßgeblich. Für den sachlichen Geltungsbereich einer bindenden Festsetzung seien nicht die Branchenzugehörigkeit des Heimarbeitgebers, sondern die einzelnen Arbeitsvorgänge maßgebend. Heimarbeiterinnen könnten Tätigkeiten aus allen Entgeltgruppen der bindenden Festsetzung zugewiesen erhalten; die Entlohnung müsse dann je nach Art der Tätigkeit gesondert berechnet werden. Dies mache deutlich, daß Maßstab der Wert der geleisteten Arbeit sei, der von vornherein feststehe. Die von ihm, dem Arbeitgeber, getroffene Maßnahme sei nur die nach § 2 der "Bindenden Festsetzung" vorzunehmende Bewertung der dem Heimarbeiter im einzelnen zugewiesenen Arbeit. Die Zuordnung der Arbeiten zu den jeweiligen Entgeltgruppen erfolge unabhängig von den einzelnen betroffenen Arbeitnehmern und stelle damit keine personelle Einzelmaßnahme dar. Allenfalls könne insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht kommen. Dieses sei aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1) stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seinen Abweisungsantrag weiter, während der Betriebsrat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.
I. Der Betriebsrat begehrt die Sicherung seiner Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 101 Satz 1 BetrVG. Hierbei hat der Betriebsrat zu Recht vom Arbeitgeber nicht die Aufhebung einer personellen Einzelmaßnahme, sondern die nachträgliche Einholung der Zustimmung verlangt. Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine ohne seine Zustimmung durchgeführte personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufzuheben. Hat der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats eine Eingruppierung vorgenommen, kann im Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG nur die nachträgliche Einholung der Zustimmung des Betriebsrats und bei deren Verweigerung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Ersetzungsverfahrens verlangt werden. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 22. März 1983, BAGE 42, 121 = AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972; vom 31. Mai 1983, BAGE 43, 35 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972; vom 28. Januar 1986, BAGE 51, 34 = AP Nr. 32 zu § 99 BetrVG 1972; vom 27. Januar 1987, BAGE 54, 147 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972; vom 20. Dezember 1988, BAGE 60, 330 = AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972; Beschluß vom 3. Oktober 1989 - 1 ABR 66/88 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; Beschluß vom 20. März 1990 - 1 ABR 20/89 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt), die hierbei berücksichtigt, daß die Eingruppierung eines Arbeitnehmers in eine Vergütungsgruppe Rechtsanwendung und kein Akt rechtlicher Gestaltung ist. Dementsprechend ist auch das Beteiligungsrecht des Betriebsrats zu einer solchen Eingruppierung kein Mitgestaltungs-, sondern ein Mitbeurteilungsrecht. Dies hat zur Konsequenz, daß der Betriebsrat im Mitbestimmungssicherungsverfahren nicht die Aufhebung der Eingruppierung, sondern nur die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung verlangen kann.
II. Der Antrag des Betriebsrats auf nachträgliche Einholung seiner Zustimmung ist auch begründet, weil der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ohne Beteiligung des Betriebsrats durchgeführt hat, die der Zustimmung des Betriebsrats bedurfte.
1. Da zu den vom Betriebsrat repräsentierten Arbeitnehmern diejenigen Heimarbeiter rechnen, die in der Hauptsache für den Betrieb tätig sind (§ 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BetrVG), hat der Betriebsrat auch bei der Eingruppierung von Heimarbeitern nach § 99 BetrVG (vgl. BAG Urteil vom 13. September 1983, BAGE 44, 132, 139 = AP Nr. 11 zu § 19 HAG, zu III 1 c der Gründe, für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG) mitzubestimmen.
2. Die Eingruppierung ist ein gedanklicher Vorgang, ein Akt der Rechtsanwendung bzw. die Kundgabe des bei dieser Rechtsanwendung gefundenen Ergebnisses, daß die vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Tätigkeiten den Tätigkeitsmerkmalen einer bestimmten Vergütungsgruppe entsprechen und daher der Arbeitnehmer in diese Vergütungsgruppe einzuordnen ist. An diesem Akt der Rechtsanwendung ist der Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG beteiligt. Die Betriebspartner sollen gemeinsam die Frage beantworten, welcher Vergütungsgruppe der Arbeitnehmer aufgrund der von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten zuzuordnen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BAGE 54, 147 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972; Beschluß vom 20. März 1990, aaO, zu II 2 a der Gründe).
Eingruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG ist die Zuordnung eines Arbeitnehmers aufgrund der von ihm vertragsgemäß auszuübenden Tätigkeit zu einer bestimmten Vergütungsgruppe einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung. Dabei ist unerheblich, ob diese Vergütungsordnung kraft Tarifbindung wirkt, auf einer Betriebsvereinbarung beruht, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Anwendung kommt oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen wurde (BAGE 51, 34 = AP Nr. 32 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 50, 241 = AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 54, 147 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972 sowie Beschluß des Senats vom 3. Oktober 1989, aaO, zu B II 2 der Gründe). Auch die bindende Festsetzung nach § 19 HAG ist eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Sie hat nach § 19 Abs. 3 Satz 1 HAG die Wirkung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages.
3. a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, vorliegend habe der Arbeitgeber die Heimarbeiterinnen zustimmungspflichtig eingruppiert im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Arbeitgeber habe die Vergütung der Heimarbeiterinnen nach der in der einschlägigen bindenden Festsetzung vorgenommenen Einteilung durch die Zuordnung der verschiedenen Arbeitsgänge in der Heimarbeit in die vorgegebenen Entgeltgruppen festgesetzt. Mit der Zuordnung werde die von der Heimarbeiterin auszuübende Tätigkeit, wenn auch ohne Bezug zu einer bestimmten Person, unter die Tätigkeitsmerkmale der bindenden Festsetzung subsumiert. Dabei erfolge die Subsumtion der Tätigkeit einer Heimarbeiterin in zwei Schritten. Zunächst würden abstrakt die verschiedenen Arbeitsgänge in die vorgegebenen Entgeltgruppen der bindenden Festsetzung eingeordnet. Sodann erfolge die Zuordnung der mit einer bestimmten Wertigkeit versehenen Arbeit an die Heimarbeiterin. Darin liege eine Eingruppierung. Diese sei auch dann gegeben, wenn der Arbeitgeber einseitig für Arbeiten oder Arbeitsvorgänge eine bestimmte Wertigkeit festsetze, da eine derartige Festsetzung notwendigerweise zur Zugehörigkeit des mit dieser Arbeit betrauten Arbeitnehmers zu einer bestimmten Entgeltgruppe führe. Mit der Übertragung der Arbeit vollziehe sich automatisch die Einreihung in eine bestimmte Entgeltgruppe. Die "Sonderbedingungen", unter denen Heimarbeit erfolge, könnten allerdings dazu führen, daß der Heimarbeiter heute in der einen und morgen in einer anderen Entgeltgruppe eingruppiert sei, wobei auch ein stundenweiser Wechsel denkbar sei.
b) Dem ist der Senat im Ergebnis gefolgt.
aa) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es handele sich um Rechtsanwendung, wenn der Arbeitgeber die einzelnen Arbeitsgänge bewertet und den Gruppen der bindenden Festsetzung zuordnet. Entsprechend hat der Senat entschieden, die Zuordnung bestimmter Arbeitsbereiche zu einer einschlägigen tariflichen Vergütungsgruppe stelle die Subsumtion eines vorgegebenen Sachverhalts unter die tariflichen Vergütungsmerkmale dar und dieser Vorgang sei Rechtsanwendung und keine Rechtsgestaltung, wie sie § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG anspreche (Beschluß vom 8. März 1983 - 1 ABR 38/81 - AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II der Gründe).
bb) Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, daß der Betriebsrat nicht bei jeder Rechtsanwendung mit Einfluß auf die Entgelthöhe mitzubestimmen hat (BAGE 52, 218, 225 = AP Nr. 37 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 4 b der Gründe).
Richtig ist auch, daß im Bereich der Heimarbeit in der Regel nicht eine bestimmte Tätigkeit, sondern - wie auch im vorliegenden Falle - die im Betrieb anfallende Heimarbeit geschuldet wird. Den Heimarbeiterinnen wird also je nach Bedarf die Herstellung unterschiedlicher Artikel zugewiesen. Die Arbeiten können dementsprechend an die Heimarbeiterinnen unterschiedliche Anforderungen stellen, mit der Folge, daß sie bei der Zuweisung unterschiedlicher Arbeiten auch nach unterschiedlichen Entgeltgruppen zu vergüten sind.
cc) Das schließt aber nicht aus, daß mit der Vergabe der Arbeiten die personelle Einzelmaßnahme einer Eingruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verbunden ist, an der der Betriebsrat zu beteiligen ist.
Auszugehen ist von § 6 Abs. 1 Satz 2 und § 6 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, wonach die in Heimarbeit Beschäftigten, die überwiegend für einen Betrieb arbeiten, als Arbeiter bzw. Angestellte gelten. Der Gesetzgeber unterwirft mit dieser Fiktion eine Beschäftigungsgruppe dem Schutz des Betriebsverfassungsgesetzes, obwohl sie nicht zu den eigentlichen Arbeitnehmern gehört. Dementsprechend passen die Vorschriften des BetrVG nicht in jeder Beziehung ganz auf die Heimarbeiter, sie müssen so angewendet werden, daß sie den Besonderheiten der Beschäftigungsverhältnisse der Heimarbeiter gerecht werden. Umgekehrt schließt wegen der Fiktion in § 6 BetrVG nicht jede Besonderheit der Heimarbeiter gegenüber den "Betriebsarbeitern" die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des BetrVG aus.
dd) Unter Berücksichtigung dessen ist die Bewertung der zu vergebenden Arbeiten und ihre Zuweisung an die Heimarbeiter als Eingruppierung anzusehen, die in zwei aufeinander folgenden Schritten erfolgt.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde handelt es sich nicht um eine Frage der Lohngestaltung, die möglicherweise ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auslösen würde. Der Entgeltgrundsatz, für dessen Festsetzung ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG grundsätzlich besteht, ist die bindende Festsetzung. Dagegen ist die Bewertung der zu vergebenden oder vergebenen Heimarbeit der erste Schritt der Eingruppierung. Die abstrakte Zuordnung der verschiedenen Arbeitsgänge in die vorgegebenen Entgeltgruppen der bindenden Festsetzung ist nichts anderes als ein Schritt der Vollziehung des geltenden Entlohnungsgrundsatzes, wie sie auch bei jeder Eingruppierung eines "Betriebsarbeiters" erfolgt (ebenso Th. Weiß, Anm. zum Beschluß des LAG Bremen vom 26. Januar 1990 - 4 TaBV 27/89 - LAGE § 99 BetrVG 1972 Nr. 29).
Die Vergütungsordnungen differenzieren meistens nach der Schwierigkeit der übertragenen Arbeitstätigkeit. Die Qualifikationsmerkmale der Vergütungsordnungen können sich aber auch allein auf das berufliche Können, erworben durch Berufsausbildung und Berufserfahrung beziehen (Gaul, BB 1981, 193). In diesen Fällen ist zwar ein Personenbezug gegeben, jedoch fehlt es an der Unmittelbarkeit zwischen Tätigkeit und Eingruppierungsmerkmal. Vorliegend knüpft die bindende Festsetzung ebenfalls an subjektive Qualifikationsmerkmale an. Bewertung und Zuweisung der Arbeit an den Heimarbeiter bilden hier die personelle Einzelmaßnahme der Eingruppierung. Da eine Bewertung der Arbeiten durch den Arbeitgeber nur bei dem ersten Schritt der Eingruppierung erfolgt, muß der Betriebsrat nur bei diesem ersten Schritt der Eingruppierung, der noch losgelöst vom einzelnen Heimarbeiter erfolgt, beteiligt werden.
Die Annahme eines Beteiligungsrechts im vorliegenden Falle entspricht auch dem Zweck des Mitbestimmungsrechts bei der Eingruppierung nach § 99 BetrVG. Sinn dieses Beteiligungsrechtes ist es, dem Betriebsrat bei der Anwendung der jeweiligen Vergütungsordnung im Sinne einer größeren Gewähr für die Richtigkeit der vorgenommenen Eingruppierung und der gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung im Betrieb ein Mitbeurteilungsrecht zu geben (BAGE 51, 34 = AP Nr. 32 zu § 99 BetrVG 1972).
Diesem Sinn entspricht die Beteiligung des Betriebsrats im vorliegenden Fall. Die Zuordnung der zu vergebenden Arbeiten in eine der Entgeltgruppen und die damit verbundene Wertung ist äußerst schwierig, da die Qualifikationsmerkmale mittels vager unbestimmter Rechtsbegriffe umschrieben sind. Gerade in solchen Fällen ist die Mitbeurteilung durch den Betriebsrat geeignet, die größere Gewähr für die Richtigkeit der vorgenommenen Eingruppierung zu geben. Die Mitbeurteilung durch den Betriebsrat gibt der Eingruppierung auch eine größere Akzeptanz. Im vorliegenden Falle, in dem der Arbeitgeber allen 115 Heimarbeiterinnen trotz der Zuweisung unterschiedlicher Artikel eine Vergütung nach der untersten Entgeltgruppe gezahlt hat, würde eine Mitbeurteilung durch den Betriebsrat nicht nur eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Bewertung der Arbeiten geben, sondern auch das Vertrauen der Heimarbeiterinnen vergrößern, für die übertragenen Arbeiten in die zutreffende Entgeltgruppe eingereiht worden zu sein.
ee) Gegen die Annahme einer beteiligungspflichtigen Eingruppierung spricht nicht, daß die Herstellung eines Artikels mehrere Arbeitsvorgänge erfordern kann, die unterschiedlichen Entgeltgruppen zuzuordnen sind. Insofern ergeben sich keine Besonderheiten zu der Eingruppierung von "Betriebsarbeitern". Auch die ihnen übertragenen Aufgaben können eine Vielzahl von Einzeltätigkeiten bedingen, die die Einreihung in unterschiedliche Entgeltgruppen erfordern würden, wenn die Vergütungsordnung keine "Stammlohngruppe" vorsähe, der Arbeitnehmer nicht etwa in die Entgeltgruppe einzureihen wäre, der die beispielsweise überwiegend anfallende Tätigkeit entsprechen würde. Es ist also eine Frage der Ausgestaltung der Vergütungsordnung, ob ein Arbeitnehmer in eine oder zugleich in mehrere Entgeltgruppen einzureihen ist.
Auch der Umstand, daß vorliegend von den Heimarbeiterinnen nicht eine gleichbleibende Arbeit geschuldet wird, sondern die Herstellung unterschiedlicher Artikel, die nacheinander Arbeitsgänge verschiedener Wertigkeit im Sinne der Entgeltgruppen bedingen können, spricht nicht gegen die Annahme einer Eingruppierung. Zunächst einmal ist dieses Phänomen auch bei "Betriebsarbeitern" nicht unbekannt. Wird ein "Springer" eingestellt, der sich vertraglich verpflichtet, bei Bedarf unterschiedliche Tätigkeiten unterschiedlicher Wertigkeit auszuführen, ist er bei Übernahme einer höher- oder niederwertigen Tätigkeit umzugruppieren. Eine Besonderheit der Heimarbeit der vorstehenden Art besteht nun darin, daß theoretisch die Herstellung ständig neuer Artikel übertragen werden könnte, die jeweils eine erneute Eingruppierung erforderten. Im vorliegenden Fall ist der Arbeitgeber zwar selbst von der stets gleichbleibenden Wertigkeit der von ihm übertragenen Heimarbeit ausgegangen und hat deshalb alle Arbeiten der niedrigsten Entgeltgruppe zugeordnet. Das kann aber auch anders sein. Das bedeutet, daß die Übertragung einer neuen Heimarbeit auch jeweils mit einer neuen Entscheidung über die Eingruppierung verbunden ist. Damit wird aber die Vergabe von Heimarbeit entgegen der Befürchtung der Rechtsbeschwerde nicht durch eine "Mitbestimmungsbürokratie" belastet. Gerade weil die Eingruppierung bei der hier vorliegenden Heimarbeit aus zwei Schritten, der Bewertung der Arbeiten und der Zuweisung der Arbeiten an die einzelne Heimarbeiterin besteht, und nur der erste Teil dieser Eingruppierung eine Beurteilung des Arbeitgebers bedingt, hat der Betriebsrat auch nur hier ein Mitbeurteilungsrecht. So wie der Arbeitgeber auch nur einmal beurteilt, welche der Entgeltgruppen die Herstellung eines Artikels erfüllt, hat dies der Betriebsrat auch nur einmal mitzubeurteilen.
c) Hat aber vorliegend der Arbeitgeber Eingruppierungen im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG vorgenommen, ohne den Betriebsrat zu beteiligen, hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats zu Recht stattgegeben, so daß die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen war.
Matthes Dr. Weller Bitter
Dr. Schmidt H. Paschen
Fundstellen
Haufe-Index 436754 |
BAGE 66, 48-57 (LT1) |
BAGE, 48 |
DB 1991, 552-554 (LT1) |
EBE/BAG 1991, 10-12 (LT1) |
AiB 1991, 123 (LT1) |
BetrVG, (16) (LT1) |
NZA 1991, 244-246 (LT1) |
RdA 1991, 62 |
AP § 99 BetrVG 1972 (LT1), Nr 83 |
AR-Blattei, ES 910 Nr 32 (LT1) |
AR-Blattei, Heimarbeit Entsch 32 (LT1) |
EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 96 (LT1) |