Entscheidungsstichwort (Thema)
Gastspielvertrag mit Opernsängerin. Abgrenzung des Arbeitsvertrags eines ständigen Bühnenmitglieds vom Gastspielvertrag. Beendigung eines Spielzeitvertrags durch Teilspielzeitvertrag. Befristungsrecht
Orientierungssatz
- Ein mit einem ständigen Bühnenmitglied für mindestens ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag, auf den die Bestimmungen des NV Solo anzuwenden sind, verlängert sich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TV Mitteilungspflicht um ein Jahr (Spielzeit), wenn nicht eine Vertragspartei der anderen bis zum 31. Oktober der Spielzeit, mit deren Ablauf der Arbeitsvertrag endet, schriftlich mitteilt, daß sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern (Nichtverlängerungsmitteilung).
- Ein nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TV Mitteilungspflicht um eine Spielzeit verlängerter Arbeitsvertrag kann durch einen später abgeschlossenen, auf einen Teil dieser Spielzeit befristeten Arbeitsvertrag (Teilspielzeitvertrag) beendet werden. In diesem Fall tritt eine weitere Verlängerung des Vertrags nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TV Mitteilungspflicht nicht ein. Das Arbeitsverhältnis endet vielmehr mit dem im Teilspielzeitvertrag genannten Termin (§ 2 Abs. 1 Satz 1 TV Mitteilungspflicht).
- Ein Gastspielvertrag iSv. § 20 NV Solo unterscheidet sich von dem Arbeitsvertrag eines ständigen Bühnenmitglieds dadurch, daß der Gast für eine oder mehrere bestimmte, im Vertrag bezeichnete oder auf der Grundlage des Vertrags zu vereinbarende Rollen und eine bestimmte Anzahl von Aufführungen, aber nicht mehr als 72 pro Spielzeit, engagiert wird.
- Gastspielverträge können mit demselben Künstler auch wiederholt und für mehrere aufeinanderfolgende Spielzeiten abgeschlossen werden.
- Die vertraglich vereinbarte Verpflichtung des Künstlers, an Proben teilzunehmen, steht der Bewertung eines Vertrags als Gastspielvertrag jedenfalls dann nicht entgegen, wenn im Vertrag die Probentermine oder der Beginn der Proben genannt oder Proben nach Vereinbarung zu leisten sind.
Normenkette
Normalvertrag Solo § 20; Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nach den Bestimmungen des Normalvertrags Solo (NV Solo) vom 19. April 1924, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 9. Juni 1994.
Die Klägerin war seit dem 1. August 1982 an der von der Beklagten betriebenen Oper als Opernsängerin beschäftigt. Das unbefristete Arbeitsverhältnis bestimmte sich bis zum Jahr 1991 nach dem Rahmenkollektivvertrag Theater/Orchester. Am 19. Juni 1990 schlossen die Parteien für die Zeit vom 1. August 1990 bis zum 31. Juli 1992 einen Arbeitsvertrag “zur Realisierung der im Rahmenkollektivvertrag Theater/Orchester festgelegten Grundsätze, Rechte und Pflichten”. Mit Schreiben vom 15. Juni 1991 wurde die Klägerin “unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht … zu einem Gespräch zu Ihrem Vetragsverhältnis mit der Oper Leipzig” gebeten. Das Gespräch fand am 20. Juni 1991 statt. Anschließend erklärte die Beklagte das Vertragsverhältnis am 8. Juli 1991 schriftlich “unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht in Verbindung mit dem Anhörungsgespräch vom 20. Juni 1991 … mit Ablauf des 31. Juli 1992 für beendet”. Am 29. August 1991 schlossen die Parteien einen befristeten Dienstvertrag für die Zeit vom 1. August 1991 bis zum 31. Juli 1992, in dem als Kunstfach “lyrischer bis jugendlicher Sopran und Partien nach Individualität” vereinbart war. Nach § 8 des Vertrags richtete sich das Vertragsverhältnis nach dem Normalvertrag und den sonstigen zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) abgeschlossenen Tarifverträgen.
Der in Bezug genommene Normalvertrag Solo (NV Solo) lautet auszugsweise:
Ҥ 20
- Auf Gastspielverträge finden die Bestimmungen der §§ 1 bis 19 dieses Vertrages keine Anwendung.
- Gastspielverträge sind Verträge, die der Unternehmer zur Ergänzung seines ständigen Personals und zur Ausgestaltung seines Spielplans mit Bühnenkünstlern in der Weise abschließt, daß sie nicht als ständige Mitglieder angestellt, sondern nur zur Mitwirkung für eine bestimmte Anzahl von Aufführungen, aber für nicht mehr als zweiundsiebzig während der Spielzeit, verpflichtet werden.
- Bei Serientheatern liegt ein Gastspielvertrag nur vor, wenn das dem Gast bewilligte Entgelt die festen Bezüge der meisten an demselben Unternehmen fest angestellten Mitglieder weit übersteigt; in diesem Falle fällt die vorstehend festgesetzte ziffernmäßige Beschränkung der Aufführungen fort.
- Weiterer Voraussetzungen als der in Absatz 2 und 3 bezeichneten bedarf es zu der Annahme des Vorliegens eines Gastspielvertrages nicht. Verträge, die nur zur Umgehung der Anstellung von ständigen Mitgliedern geschlossen werden, gelten nicht als Gastspielverträge.”
In dem von dem Deutschen Bühnenverein und der GDBA abgeschlossenen Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht (TV Mitteilungspflicht) heißt es ua.:
Ҥ 2
(1) Das Arbeitsverhältnis endet mit dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitpunkt. Ein mindestens für ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag verlängert sich zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spielzeit), es sei denn, eine Vertragspartei teilt der anderen bis zum 31. Oktober der Spielzeit, mit deren Ablauf der Arbeitsvertrag endet, schriftlich mit, daß sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern (Nichtverlängerungsmitteilung).
(2) Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten), muß die Nichtverlängerungsmitteilung der anderen Vertragspartei bis zum 31. Juli der jeweils vorangegangenen Spielzeit schriftlich zugegangen sein.
(3) Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit ununterbrochen mehr als 15 Jahre (Spielzeiten), kann der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung nach Abs. 2 nur aussprechen, um das Arbeitsverhältnis unter anderen Vertragsbedingungen – auch außerhalb des im Arbeitsvertrag angegebenen Theaters (ein Arbeitgeber in selbständiger Rechtsform auch bei seinem oder einem seiner rechtlichen oder wirtschaftlichen Träger) – fortzusetzen.
Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit ununterbrochen mehr als 15 Jahre (Spielzeiten) und hat das Mitglied in dem Zeitpunkt, in dem die Nichtverlängerungsmitteilung spätestens zugegangen sein muß (Absatz 2), das 58. Lebensjahr – ein weibliches Bühnenmitglied das 55. Lebensjahr – vollendet, kann der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung nach Absatz 2 nur aussprechen, um das Arbeitsverhältnis unter anderen Vertragsbedingungen bei dem im Arbeitsvertrag angegebenen Theater fortzusetzen.
…”
Der Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht wurde im Beitrittsgebiet mit Wirkung vom 1. August 1991 durch § 1 Nr. 2 des Ersten Tarifvertrags zur Änderung und Übernahme des NV Solo vom 18. Juni 1991 übernommen.
Die Parteien schlossen am 22. Juni 1992 einen “Gastvertrag”, durch den die Klägerin für die Spielzeit 1992/1993 für vier konkret bezeichnete Partien verpflichtet wurde. Danach erhielt die Klägerin ein Vorstellungshonorar für die in der Folgezeit von der Beklagten mitgeteilten Aufführungstermine.
Am 7. April 1993 vereinbarten die Parteien einen Dienstvertrag für die Zeit vom 15. Februar 1993 bis zum 30. Juni 1993, der sich gemäß § 8 nach NV Solo und den sonstigen zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger abgeschlossenen Tarifverträgen richtete, in dem als Kunstfach “hochdramatischer Sopran und Partien nach Individualität” angegeben ist und in dessen § 4 die Vorstellungstermine einschließlich der zu singenden Partien benannt sind. In einem weiteren Dienstvertrag (Teilspielzeitvertrag) vom 5. Juli 1993 wurde die Klägerin für die Zeit vom 1. September 1993 bis zum 31. Januar 1994 für das Kunstfach “hochdramatischer Sopran und Partien nach Individualität” verpflichtet. Das Vertragsverhältnis bestimmte sich nach § 8 des Vertrags nach dem Normalvertrag und den sonstigen zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger abgeschlossenen Tarifverträgen.
In der Folgezeit wurde die Klägerin mit zwei Gastverträgen vom 29. Januar 1994 für insgesamt zehn Vorstellungen in drei Partien für die Spielzeit 1993/94 und mit zwei Nachträgen für weitere drei Vorstellungen in zwei dieser Partien für die Spielzeit 1994/95 verpflichtet. Am 6. Juli 1994 schlossen die Parteien einen Teilspielzeitvertrag für die zurückliegende Zeit vom 1. Februar 1994 bis zum 13. April 1994. Nach dessen § 4 waren damit alle für diesen Zeitraum ausgestellten Gastverträge hinfällig.
Die Parteien schlossen dann erst wieder am 7. November 1994 einen Gastvertrag für fünf Vorstellungen der Spielzeit 1994/95 für die Rolle der Larina in der Oper Eugen Onegin. Nach § 4 des Vertrags waren Proben ab dem 18. November 1994 vereinbart. Die Klägerin erhielt Vorstellungshonorare. In einem weiteren Gastvertrag vom 24. August 1995 nebst zwei Ergänzungen wurde die Klägerin für insgesamt neun Vorstellungen der Spielzeit 1995/96 für die Rolle der Larina engagiert. Proben waren nach § 4 des Vertrags vom 24. August 1995 ab “ca. 16. Oktober 1995” vereinbart, nach der Ergänzung vom 11. Dezember 1996 ab dem 12. Dezember 1996. In der Ergänzung vom 17. Januar 1996 heißt es “Proben: nach Vereinbarung”.
Am 22. Oktober 1996 vereinbarten die Parteien einen Gastvertrag für drei Vorstellungen in der Spielzeit 1996/1997 für die Rolle der Wirtin in der Oper Abraum. Nach § 4 des Vertrags waren szenische Proben ab dem 6. Januar 1997 vorgesehen. Bei dieser Inszenierung handelte es sich um eine Welturaufführung. In der Zeit vom 10. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 1996 fanden 28 musikalische Soloproben statt, an denen die Klägerin teilnahm. Außerdem hatten bereits vom 4. April 1996 bis zum 6. Juni 1996 musikalische Soloproben stattgefunden.
In der Folgezeit vereinbarten die Parteien weitere Gastverträge, mit denen die Klägerin für eine Vorstellung in der Spielzeit 1996/1997 und für 20 Vorstellungen in der Spielzeit 1997/98 in insgesamt drei Rollen verpflichtet wurde. In den Verträgen sind die Probentermine teilweise genannt, ansonsten sollten Proben “nach Vereinbarung” stattfinden.
Für die Spielzeit 1998/99 wurde die Klägerin durch drei Ergänzungsverträge vom 28. Mai 1998 zu den Gastverträgen vom 11. Juni 1997 und vom 24. August 1995 für insgesamt 13 Vorstellungen in drei Rollen verpflichtet. In zwei Verträgen sind Probentermine angegeben, im übrigen sollten Proben “nach Vereinbarung” erfolgen.
Mit Schreiben vom 13. Mai 1998 bot der Chefregisseur der Klägerin die Rolle der Kathinka in der Oper Die verkaufte Braut an. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 8. Juni 1998 ihre Bereitschaft, diese Rolle zu übernehmen. Am 29. Oktober 1998 wurde der Klägerin ein schriftlicher Gastspielvertrag für diese Partie übergeben. Nachdem sie diesen Vertrag nicht unterzeichnete, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 4. Dezember 1998, sie ziehe das Vertragsangebot zurück. Mit weiterem Schreiben vom 19. Mai 1999 wurde der Klägerin mitgeteilt, die Gastverträge hätten in der Spielzeit 1998/99 ihr Ende gefunden, damit sei die Beklagte für die folgenden Spielzeiten von jeder Verpflichtung frei.
Die Klägerin hat mit der am 12. November 1998 beim Bezirksbühnenschiedsgericht eingegangenen Klage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nach NV Solo geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, der am 29. August 1991 abgeschlossene Dienstvertrag gelte nach wie vor fort, da hinsichtlich dieses Vertrags keine Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen worden sei. Außerdem seien die Gastverträge keine Gastspielverträge im Tarifsinne, sondern Verträge nach NV Solo gewesen. Sie habe der Beklagten auch in der Zeit nach dem 31. Juli 1992 wie ein fest angestelltes Ensemblemitglied zur Verfügung gestanden und sei in allen Rollen ihres Kunstfachs eingesetzt worden. Sie sei verpflichtet gewesen, an den von der Beklagten vorgegebenen Proben teilzunehmen und mit studierter Partie zu den Proben zu erscheinen. Dies widerspreche dem Wesen des Gastvertrags. Insbesondere bei der Inszenierung von “Abraum” sei der Aufwand durch Proben, Premiere und Folgeaufführungen immens gewesen.
Die Klägerin hat im schiedsgerichtlichen Verfahren zuletzt beantragt
- festzustellen, daß sie seit dem 1. August 1982 über den 31. Juli 1992 hinaus als Arbeitnehmerin nach NV Solo bei der Beklagten beschäftigt ist,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Erklärungen der Beklagten vom 4. Dezember 1998 sowie vom 19. Mai 1999 nicht beendet wurde und auf der Grundlage des NV Solo weiter fortbesteht.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Dienstvertrag nach NV Solo habe am 31. Juli 1992 geendet. In den letzten Jahren sei die Klägerin nur auf der Grundlage von Gastspielverträgen beschäftigt worden, auf die der NV Solo keine Anwendung finde.
Das Bezirksbühnenschiedsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Bühnenoberschiedsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Bühnenoberschiedsgericht ausgeführt, der zuletzt abgeschlossene Spielzeit-Dienstvertrag nach NV Solo sei durch die Nichtverlängerungsmitteilung vom 8. Juli 1991 rechtswirksam zum 31. Juli 1992 beendet worden. Gegen diese Nichtverlängerungsmitteilung habe sich die Klägerin nicht innerhalb der Ausschlußfrist von sechs Monaten gewandt, so daß alle eventuellen Ansprüche aus den Dienstverträgen vom 19. Juni 1990 bzw. 29. August 1991 nach § 20a NV Solo verfallen seien. Die danach abgeschlossenen Teilspielzeit- und Gastverträge entsprächen der Definition in § 20 Abs. 2 NV Solo. Daraus ergebe sich, daß das Vertragsverhältnis nicht über den 31. Juli 1992 hinaus auf der Grundlage des NV Solo fortgesetzt worden sei.
Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts wurde der Klägerin am 12. Januar 2000 zugestellt. Mit der am 24. Januar 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Aufhebungsklage hat die Klägerin die Verletzung von § 20 und § 20a NV Solo durch das Bühnenoberschiedsgericht gerügt. Sie hat gemeint, am 8. Juli 1991 habe noch keine Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen werden können, weil der Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht in den neuen Bundesländern erst am 1. August 1991 in Kraft getreten sei. Die Nichtverlängerungsmitteilung habe auch nicht den erst danach abgeschlossenen Dienstvertrag vom 29. August 1991 betroffen. Die nachfolgenden Gastspielverträge seien unter Verstoß gegen § 20 NV Solo abgeschlossen worden. Die Absicht der Beklagten, eine Festanstellung nach NV Solo zu umgehen, komme schon darin zum Ausdruck, daß sie auf der Grundlage der Gastverträge und Teilspielzeitverträge im Jahr 1993 in sechs Rollen eingesetzt gewesen sei. Außerdem probe ein Gast nicht nach Probenplan. Auch die Häufung von Gastverträgen zeige, daß es der Beklagten nicht um die Ergänzung des ständigen Personals gegangen sei. Durch die häufige Inanspruchnahme habe für sie nicht die Möglichkeit bestanden, andere berufliche Verpflichtungen einzugehen. Die Gastverträge seien daher Verträge nach NV Solo, da dieser Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sei. Sie sei zeitgleich mit der Auflösung der DDR-Gewerkschaft der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger beigetreten.
Die Klägerin hat beantragt,
das Urteil des Bühnenoberschiedsgericht Frankfurt/Main vom 7. September 1999 (BOSchG 9/99) aufzuheben,
das Urteil des Bühnenschiedsgerichts Chemnitz vom 15. Januar 1999 (Reg.-Nr. 18/98) aufzuheben und festzustellen,
- daß die Klägerin seit dem 1. August 1982 über den 31. Juli 1992 hinaus als Arbeitnehmerin nach NV Solo bei der Beklagten beschäftigt ist,
- daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Erklärungen des Beklagten vom 4. Dezember 1998 sowie vom 19. Mai 1999 nicht beendet wurde und auf der Grundlage des NV Solo weiter fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts verteidigt.
Das Arbeitsgericht hat der Aufhebungsklage teilweise stattgegeben und unter Aufhebung der bühnenschiedsgerichtlichen Entscheidungen festgestellt, daß die Klägerin seit dem 1. August 1982 über den 31. Juli 1992 hinaus als Arbeitnehmerin nach NV Solo bei der Beklagten beschäftigt sei, das Arbeitsverhältnis durch die Erklärung der Beklagten vom 4. Dezember 1998 nicht beendet worden sei und auf der Grundlage des NV Solo fortbestehe. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Aufhebungsklage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils mit der Maßgabe, daß mit dem Klageantrag zu 1) die Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses nach NV Solo nicht ab dem 1. August 1982, sondern über den 31. Juli 1992 hinaus begehrt wird. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die zulässige Aufhebungsklage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts beruht nicht auf der Verletzung einer Rechtsnorm.
Die Aufhebungsklage ist zulässig.
1. Nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG kann auf Aufhebung eines Schiedsspruchs geklagt werden, wenn der Schiedsspruch auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Die Klage ist nach § 110 Abs. 3 Satz 1 ArbGG binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des Schiedsspruchs zu erheben.
2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht geltend, das Bühnenoberschiedsgericht habe § 20a und § 20 NV Solo fehlerhaft angewandt bzw. ausgelegt. Damit rügt sie die Verletzung von Rechtsnormen durch das Bühnenoberschiedsgericht. Rechtsnormen iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG sind auch tarifliche Bestimmungen (vgl. BAG 12. Mai 1982 – 4 AZR 510/81 – BAGE 38, 383 = AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 20).
Die zweiwöchige Klagefrist ist gewahrt. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts wurde der Klägerin am 12. Januar 2000 zugestellt. Die Aufhebungsklage ging am 24. Januar 2000 beim Arbeitsgericht ein.
Die Aufhebungsklage ist unbegründet.
1. Der Klageantrag zu 1) ist, soweit er in der Revision noch anhängig ist, nur teilweise zulässig. Mit diesem Antrag verlangt die Klägerin die Feststellung, daß sie über den 31. Juli 1992 hinaus als Arbeitnehmerin nach NV Solo bei der Beklagten beschäftigt ist. Dieser Antrag ist nach der Klagebegründung dahingehend auszulegen, daß für den gesamten nachfolgenden Zeitraum der Bestand eines Arbeitsverhältnisses festgestellt werden soll, auf das die Bestimmungen des NV Solo insgesamt anzuwenden sind. Die Klägerin macht damit die Feststellung eines solchen Arbeitsverhältnisses auch für Zeiträume geltend, die in der Vergangenheit liegen. Dafür ist grundsätzlich das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, weil von dieser Feststellung auch für die Zukunft Rechtsfolgen abhängen. Das Feststellungsinteresse fehlt jedoch, soweit der Bestand eines Arbeitsverhältnisses nach NV Solo für die Zeit vom 15. Februar 1993 bis zum 30. Juni 1993 und für die Zeit vom 1. September 1993 bis zum 13. April 1994 festgestellt werden soll. In diesen Zeiträumen war die Klägerin auf der Grundlage von Teilspielzeitverträgen beschäftigt, die sich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach dem NV Solo richteten. Dies hat auch die Beklagte nicht bestritten. Damit ist für diese Zeiten das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nach NV Solo zwischen den Parteien nicht streitig. Ein Interesse der Klägerin an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung dieses Rechtsverhältnisses ist daher nicht gegeben.
2. Im übrigen ist der Antrag zu 1) unbegründet. Zwischen den Parteien besteht jedenfalls seit dem 14. April 1994 kein Arbeitsverhältnis mehr, auf das die Bestimmungen des NV Solo insgesamt anzuwenden sind.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß der am 19. Juni 1990 abgeschlossene Arbeitsvertrag nicht über den 31. Juli 1992 hinaus fortbestanden hat. Denn er wurde durch den am 29. August 1991 abgeschlossenen, bis zum 31. Juli 1992 befristeten Dienstvertrag abgelöst. Durch diesen Vertrag wurden die Arbeitsbedingungen, die sich bis dahin nach dem Rahmenkollektivvertrag Theater/Orchester richteten, durch die Bestimmungen des NV Solo ersetzt. Dadurch haben die Parteien ihre Rechtsbeziehungen auf eine neue Grundlage gestellt, die künftig allein maßgeblich sein sollte.
b) Der Dienstvertrag vom 29. August 1991 besteht entgegen der Auffassung der Klägerin ebenfalls nicht fort. Zwar bestimmte sich das Arbeitsverhältnis – zumindest auf Grund arbeitsvertraglicher Bezugnahme in § 8 des Vertrags – nach NV Solo und dem diesen ergänzenden TV Mitteilungspflicht. Da der Vertrag für die Dauer eines Jahres abgeschlossen war, bedurfte es grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TV Mitteilungspflicht einer Nichtverlängerungsmitteilung, um die Verlängerung des Vertrags um ein weiteres Jahr zu verhindern. Eine Nichtverlängerungsmitteilung ist in Bezug auf diesen Vertrag nicht ausgesprochen worden. Die Nichtverlängerungsmitteilung vom 8. Juli 1991 betraf den Vertrag vom 19. Juni 1990, nicht aber den zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Dienstvertrag vom 29. August 1991. Dieser Vertrag verlängerte sich deshalb gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 TV Mitteilungspflicht zunächst um ein weiteres Jahr bis zum 31. Juli 1993, sofern er nicht durch den Gastvertrag vom 22. Juni 1992 zum Beginn der Spielzeit 1992/93 aufgehoben wurde. Das kann allerdings dahingestellt bleiben. Der Dienstvertrag endete jedenfalls mit Ablauf des 14. Februar 1993, weil die Parteien am 7. April 1993 einen Teilspielzeitvertrag für die Zeit vom 15. Februar 1993 bis zum 30. Juni 1993 abgeschlossen haben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats wird durch den vorbehaltlosen Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrags ein bis dahin bestehendes unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt, die für die Vertragsbeziehungen der Parteien künftig allein maßgeblich ist (vgl. zur Befristungskontrolle: BAG 4. April 1990 – 7 AZR 259/89 – BAGE 65, 86 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 136 = EzA BGB § 620 Nr. 107, zu A II 1 der Gründe; 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 166 = EzA BGB § 620 Nr. 130, zu I 1 der Gründe mwN). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall. Denn es hätte des Abschlusses eines bis zum 30. Juni 1993 befristeten Teilspielzeitvertrags nicht bedurft, wenn bereits ein Dienstvertrag für die gesamte, bis zum 31. Juli 1993 dauernde Spielzeit bestanden hätte, den die Parteien hätten aufrechterhalten wollen. Der Teilspielzeitvertrag hat daher den möglicherweise fortbestehenden Dienstvertrag vom 29. August 1991 abgelöst. Da der befristete Teilspielzeitvertrag nicht für eine gesamte Spielzeit oder für ein Jahr abgeschlossen wurde, bedurfte es zu seiner Beendigung keiner Nichtverlängerungsmitteilung. Eine automatische Verlängerung um eine weitere Spielzeit bzw. ein weiteres Jahr nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TV Mitteilungspflicht erfolgte nicht. Das Arbeitsverhältnis endete daher nach § 2 Abs. 1 Satz 1 TV Mitteilungspflicht zu dem im Teilspielzeitvertrag vorgesehenen Vertragsende am 30. Juni 1993. Auch die nachfolgenden Teilspielzeitverträge vom 5. Juli 1993 und vom 6. Juli 1994 wurden nicht für mindestens eine Spielzeit oder ein Jahr abgeschlossen, so daß eine Vertragsverlängerung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TV Mitteilungspflicht auch insoweit nicht erfolgte. Der letzte zwischen den Parteien bestehende Dienstvertrag nach NV Solo endete daher am 13. April 1994.
c) Die für die Zeit nach dem 13. April 1994 abgeschlossenen Verträge sind Gastspielverträge iSv. § 20 Abs. 2 NV Solo. Sie wurden nicht zur Umgehung der Anstellung von ständigen Mitgliedern abgeschlossen (§ 20 Abs. 4 Satz 2 NV Solo).
aa) Nach § 20 Abs. 2 NV Solo sind Gastspielverträge Verträge, die der Unternehmer zur Ergänzung seines ständigen Personals und zur Ausgestaltung des Spielplans mit Bühnenkünstlern in der Weise abschließt, daß sie nicht als ständige Mitglieder angestellt, sondern nur zur Mitwirkung für eine bestimmte Anzahl von Aufführungen, aber für nicht mehr als 72 während der Spielzeit, verpflichtet werden.
(1) Für das ständige, mit Normalvertrag angestellte Bühnenmitglied ist kennzeichnend, daß es dem Theaterunternehmer grundsätzlich für sämtliche Aufgaben seines Kunstfachs zur Verfügung steht und daß der Unternehmer ihm kraft seines Direktionsrechts die konkreten Aufgaben jeweils zuweisen kann. Dies ergibt sich aus den tariflichen Vorschriften über den Normalvertrag Solo. Gem. § 2 Abs. 1 Buchst. a NV Solo müssen in dem Dienstvertrag eines ständigen Bühnenmitglieds bei darstellenden Künstlern die Kunstgattung und das Kunstfach angegeben sein, wobei die Bezeichnung des Kunstfachs durch die Vereinbarung eines Rollengebiets näher gekennzeichnet oder ersetzt werden kann. Nach § 5 Abs. 1 NV Solo bestimmen sich Art und Umfang der Dienste im Rahmen der vertragsmäßigen Begrenzung nach den Anordnungen der Theaterleitung. In dem Dienstvertrag eines ständigen Bühnenmitglieds braucht also der Gegenstand der künstlerischen Dienstleistung nur allgemein dem Kunstfach nach festgelegt zu sein; die nähere Konkretisierung ist Sache des Arbeitgebers, der einseitig bestimmt, welche Aufgabe in welchem Bühnenstück das Bühnenmitglied im Rahmen seines Kunstfachs übernehmen soll.
(2) Den Gegensatz dazu bildet eine Vertragsgestaltung, bei der die konkrete Dienstleistung des Künstlers von den Vertragsparteien einvernehmlich festgelegt wird. Damit wird zugleich der wesentliche Unterschied zwischen dem Dienstvertrag eines ständigen Bühnenmitglieds und dem Gastspielvertrag iSv. § 20 Abs. 2 NV Solo deutlich. Ein Gastspielvertrag liegt vor, wenn die konkrete Aufgabe, die der Gast übernehmen soll, bereits im Vertrag selbst festgelegt ist oder auf Grund des Vertrags einvernehmlich festgelegt werden soll. Dementsprechend bestimmt § 20 Abs. 2 NV Solo, daß der Gastspielvertrag ein Vertrag ist, den der Theaterunternehmer “zur Ausgestaltung seines Spielplans” mit einem Bühnenkünstler abschließt. Das bedeutet, daß der Unternehmer den Gast im Hinblick auf den bereits konzipierten Spielplan engagiert haben muß. Gegenstand des Engagements kann daher nur eine bestimmte Aufgabe innerhalb dieses Spielplans sein. Deshalb gehört zum Wesen eines Gastspielvertrags bei einem darstellenden Künstler eine Vereinbarung darüber, welche Rolle er in welchem Bühnenstück spielen soll. Mit dem Wesen des Gastspielvertrags ist es dagegen unvereinbar, wenn es der Theaterleitung überlassen bleiben soll, dem Bühnenkünstler im Rahmen seines Kunstfachs die von ihm zu übernehmenden Aufgaben jeweils zuzuweisen (BAG 24. September 1986 – 7 AZR 663/84 – BAGE 53, 108 = AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 28, zu I 2b der Gründe; 27. September 2001 – 6 AZR 140/00 –, zu I 2a und b der Gründe).
(3) Für die Rechtsnatur des Vertrags ist nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern die wahre Natur der von ihnen getroffenen Vereinbarungen maßgeblich (BAG 24. September 1986 – 7 AZR 663/84 – BAGE 53, 108 = AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 28, zu I 2a der Gründe).
bb) Hiernach sind die Gastverträge, die die Parteien für die Zeit ab dem 14. April 1994 abgeschlossen haben, Gastspielverträge iSv. § 20 Abs. 2 NV Solo.
(1) In den Verträgen sind die von der Klägerin zu übernehmenden Partien sowie die Aufführungstermine, zum Teil auch die Probentermine, genau bezeichnet. Die Beklagte konnte die Klägerin nach den vertraglichen Vereinbarungen daher nicht im Wege des Direktionsrechts in allen Rollen ihres Fachs einsetzen, sondern nur in den vereinbarten Partien zu den vereinbarten Aufführungen. Dies entspricht dem Wesen des Gastspielvertrags. Die Anzahl der Vorstellungen, an denen die Klägerin mitgewirkt hat, bleibt weit hinter den in § 20 Abs. 2 NV Solo genannten 72 Aufführungen pro Spielzeit zurück. Der Umstand, daß sich die Klägerin der Beklagten auch nach dem 13. April 1994 stets zur Verfügung gehalten und sämtliche ihr angebotenen Rollen angenommen hat, ist nicht von Bedeutung. Denn eine vertragliche Verpflichtung dazu bestand nicht. Es hätte ihr vielmehr freigestanden, die Vertragsangebote der Beklagten abzulehnen.
(2) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Einbindung der Klägerin in den Probenplan der Qualifizierung der Verträge als Gastspielverträge nicht entgegensteht. Die Einbeziehung des Gastes in den Probenbetrieb ist typisch für ein Gastspiel-Arbeitsverhältnis (vgl. Bolwin/Sponer Bühnentarifrecht Stand: Mai 2003 § 20 NV Solo Rn. 6). Allerdings muß bei einem Gastspielarbeitsvertrag bei Vertragsschluß der Zeitraum für die Proben und die Vorstellungen bestimmbar sein, weil andernfalls die für einen Gast charakteristische Dispositionsfreiheit nicht mehr gegeben ist, so daß der Gastspielarbeitsvertrag – jedenfalls bei beiderseitiger Tarifbindung – als Dienstvertrag nach NV Solo anzusehen wäre (vgl. Bolwin/Sponer aaO § 20 NV Solo Rn. 51). Zwar enthalten nicht alle zwischen den Parteien abgeschlossenen Gastverträge Angaben zu den Probenterminen oder zum voraussichtlichen Beginn der Proben und deren Dauer. Dies hat jedoch nicht zur Folge, daß die Verträge nicht als Gastspielverträge anzusehen wären. Denn nach den Gastverträgen, die den Probenzeitraum nicht eingrenzen, waren Proben nur nach Vereinbarung zu leisten. Der Klägerin war es daher unbenommen, ihr Einverständnis mit den von der Beklagten festgelegten Probenterminen zu erklären oder die Proben im Verhinderungsfall abzulehnen. Damit war die Dispositionsfreiheit der Klägerin gewahrt. Wenn sie davon keinen Gebrauch gemacht, sondern zu den von der Beklagten angesetzten Proben stets erschienen ist, ändert dies nichts an der Rechtsnatur der Verträge als Gastspielverträge. Anders könnte die Rechtslage allenfalls dann zu beurteilen sein, wenn die Beklagte der Klägerin das Recht, ihr Einverständnis zu einzelnen Probenterminen zu verweigern, streitig gemacht hätte. Tatsachen dafür hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Auch die Tatsache, daß die Klägerin zum Teil schon vor Abschluß der schriftlichen Gastverträge an Proben teilgenommen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn ohne vertragliche Grundlage war die Klägerin dazu nicht verpflichtet.
(3) Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß weder die jahrelange Beschäftigung der Klägerin auf der Grundlage von Gastspielverträgen noch der Umfang ihrer Beschäftigung dafür sprechen, daß die Verträge nur zur Umgehung der Anstellung ständiger Mitglieder geschlossen worden sind und deshalb nach § 20 Abs. 4 Satz 2 NV Solo nicht als Gastspielverträge gelten.
Hinsichtlich des Umfangs der Beschäftigung ist in § 20 Abs. 2 NV Solo bestimmt, daß ein Gast nicht für mehr als 72 Aufführungen während der Spielzeit verpflichtet werden darf. Diese Anzahl von Aufführungen hat die Klägerin bei weitem nicht erreicht. Nach den Feststellungen des Bühnenschiedsgerichts war die Klägerin – einschließlich Proben – in der Spielzeit 1994/95 an 48 Tagen, in der Spielzeit 1995/96 an 18 Tagen, in der Spielzeit 1996/97 an 61 Tagen und in der Spielzeit 1997/98 an 45 Tagen beschäftigt. Zwar hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. Januar 2000 im Rahmen der Aufhebungsklage geltend gemacht, an einer größeren Anzahl von Proben und Aufführungen mitgewirkt zu haben. Es mag dahinstehen, ob dieses Vorbringen im Rahmen der Aufhebungsklage berücksichtigt werden kann oder ob es unbeachtlich ist, weil das Aufhebungsverfahren nach § 110 ArbGG in allen drei Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit als revisionsähnliches Verfahren ausgestaltet ist, in dem der Spruch des Bühnenoberschiedsgerichts nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann und neuer Sachvortrag daher grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl. dazu BAG 6. November 1997 – 2 AZR 253/97 – NZA 1998, 833, zu II 4 der Gründe mwN). Denn auch bei Berücksichtigung dieses Vorbringens ist die nach § 20 Abs. 2 NV Solo zulässige Anzahl von 72 Aufführungen pro Spielzeit bei weitem nicht erreicht. Danach hat die Klägerin in der Spielzeit 1994/95 an acht Vorstellungen, in der Spielzeit 1995/96 an sechs Vorstellungen, in der Spielzeit 1996/97 an sieben Vorstellungen, in der Spielzeit 1997/98 an 19 Vorstellungen und in der Spielzeit 1998/99 an acht Vorstellungen mitgewirkt. Ihr blieb daher ausreichend Zeit, auch anderen Tätigkeiten nachzugehen.
Auch der Umstand, daß die Klägerin durch Gastverträge wiederholt und während mehrerer Spielzeiten für mehrere Rollen engagiert wurde, führt nicht dazu, daß die Verträge nicht als Gastspielverträge im Tarifsinne anzusehen sind. § 20 NV Solo enthält insoweit keine Einschränkungen. In § 20 Abs. 4 Satz 1 NV Solo heißt es, daß es weiterer Voraussetzungen als der in Abs. 2 und 3 bezeichneten zur Annahme des Vorliegens eines Gastspielvertrags nicht bedarf. Aus § 20 Abs. 2 NV Solo ergibt sich nicht, daß Gastspielverträge auf eine Rolle oder eine bestimmte Anzahl von Spielzeiten zu beschränken sind. Ein Bühnenkünstler wird auch dann zur Ergänzung des ständigen Personals und zur Ausgestaltung des Spielplans angestellt, wenn er in mehreren Bühnenstücken genau bezeichnete Rollen übernimmt, soweit seine Tätigkeit die in der Tarifnorm ausdrücklich genannte Anzahl von 72 Aufführungen pro Spielzeit nicht übersteigt. Auch wenn der Künstler für mehrere Spielzeiten nacheinander auf diese Weise verpflichtet wird, kann dies in Form von Gastspielverträgen geschehen. Für die Unterscheidung eines Gastspielvertrags von dem Dienstvertrag eines ständigen Bühnenmitglieds nach NV Solo ist nicht entscheidend, daß der Gast nur für eine vorübergehende Zeit angestellt wird. Maßgebend ist vielmehr, daß der Künstler für bestimmte im Vertrag bezeichnete Rollen und für eine bestimmte Anzahl von Aufführungen engagiert wird. Diese Voraussetzungen sind in den mit der Klägerin abgeschlossenen Gastverträgen eingehalten.
3. Die Aufhebungsklage ist auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2) unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, daß zwischen den Parteien im Dezember 1998 kein Arbeitsverhältnis mehr bestand, auf das die Bestimmungen des NV Solo insgesamt anzuwenden waren. Die Erklärung der Beklagten vom 4. Dezember 1998 konnte daher ein solches Arbeitsverhältnis nicht beenden.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Pods, U. Zachert, Wilke
Fundstellen
NZA 2004, 1119 |
ZTR 2004, 159 |
AP, 0 |
PersV 2004, 189 |
NJOZ 2004, 3315 |