Direktionsrecht des Arbeitgebers rechtfertigt Anordnung von Corona-Tests
Im Wege der Umsetzung seiner arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen ist ein Arbeitgeber in der Regel berechtigt, im Rahmen eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts regelmäßige Coronatests einseitig anzuordnen.
Staatsoper entwickelte eigenes Test- und Hygienekonzept
Geklagt hatte eine Flötistin der Bayerischen Staatsoper gegen den Freistaat. Die bayerische Staatsoper hatte zu Beginn der Spielzeit 2020/21 im Rahmen eines betrieblichen Hygienekonzepts zum Schutz ihrer Mitarbeiter vor den Ansteckungsgefahren der COVID-19-Pandemie diverse bauliche und organisatorische Maßnahmen im Bühnenbereich ergriffen. In Kooperation mit dem Institut für Virologie der Technischen Universität München und dem Klinikum rechts der Isar hatte die Staatsoper darüber hinaus eine Teststrategie entwickelt und für unterschiedliche Risikogruppen bei den Beschäftigten in unterschiedlichen Zeitabständen die Durchführung von PCR-Tests angeordnet, die die Staatsoper ihren Mitarbeitern kostenlos anbot.
Gehaltszahlungen nach Testverweigerung eingestellt
Die Klägerin verweigerte die die Durchführung der angeordneten Tests. Darauf teilte der Arbeitgeber ihr mit, dass sie ohne die geforderten Testungen nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen könne. Für die Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 hatte die Bayerische Staatsoper dann die Gehaltszahlungen an die nicht zu den Proben und Aufführungen erschienene Klägerin eingestellt. Ab Ende Oktober 2020 legte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die geforderten PCR-Tests vor.
Klage auf Lohnnachzahlung und Weiterbeschäftigung ohne Tests
Ihre Forderung auf Zahlung ihres für den Zeitraum Ende August bis Ende Oktober 2020 nicht gezahlten Lohns von monatlich brutto 8.351,86 Euro machte die Klägerin beim ArbG geltend. Der Beklagte sei in Annahmeverzug geraten, denn sie sei zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung bereit gewesen. Darüber hinaus verlangte sie die Feststellung, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, sie ohne Verpflichtung zur Durchführung von Tests jedweder Art weiter zu beschäftigen.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für den Gesundheitsschutz der Beschäftigten
Die Klage der Flötistin war über drei Instanzen erfolglos. Die Gerichte stellten maßgeblich auf die Vorschrift des § 618 Abs. 1 BGB ab. Danach ist der Arbeitgeber zur Regelung der unter seiner Leitung vorzunehmenden Arbeitsleistungen in der Weise verpflichtet, dass die Arbeitnehmer gegen arbeitsbedingte Gefahren für Leben und Gesundheit in bestmöglicher Weise geschützt sind. Diese Fürsorgepflicht des Arbeitgebers werde durch die Arbeitsschutznormen des ArbSchG konkretisiert.
Direktionsrecht rechtfertigt Anordnung zu regelmäßigen Testungen
Mit der Erstellung eines betrieblichen Hygienekonzepts durch die Bayerische Staatsoper und der darauf fußenden Anordnung zu regelmäßigen PCR-Tests hatte die Beklagte nach Bewertung des BAG ihre Pflichten zum Schutz der Mitarbeiter vor vermeidbaren Ansteckungsgefahren in geradezu vorbildlicher Weise erfüllt. Infolge der Besonderheiten eines Orchesters sei das Tragen einer Mundnasenbedeckung und auch das Einhalten von coronagemäßen Sicherheitsabständen nicht möglich gewesen. Die Anweisungen der Arbeitgeberseite, in regelmäßigen Abständen Testergebnisse vorzuweisen, seien dieser Situation angemessen und damit durch das Direktionsrecht des § 106 GeWO ohne weiteres gedeckt gewesen.
Hinweis: In mitbestimmungspflichtigen Betrieben wäre gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 BetrVG der Betriebsrat an einem entsprechenden Schutzkonzept zu beteiligen.
Anordnung zu PCR-Tests war verhältnismäßig
Das BAG bewertete die Anordnung der regelmäßigen Tests auch als verhältnismäßig. Der mit den Tests verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch Einführung der Teststäbchen in beide Nasenöffnungen sei von geringer Intensität. Im Hinblick auf das von der Arbeitgeberseite verfolgte Ziel der Aufrechterhaltung des Spielbetriebs sei der Eingriff erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung werde nur geringfügig tangiert, denn im Hinblick auf die infektionsrechtlichen Meldepflichten und die Vorschriften zur Kontaktnachverfolgung seien positive Testergebnisse am Ende ohnehin nicht geheim zu halten.
Kein Annahmeverzug der Bayerischen Staatsoper
Da die Klägerin sich den Testpflichten zu Unrecht verweigert hat, hat der Bayerische Freistaat als Arbeitgeber der Klägerin den Zugang zu Proben und Aufführungen nach Auffassung des BAG im Ergebnis zu Recht verweigert. Daher sei der Beklagte im Hinblick auf die von der Klägerin grundsätzlich angebotenen Arbeitsleistungen auch nicht in Annahmeverzug gekommen, denn die Klägerin sei zur Erfüllung ihrer Arbeitsverpflichtung unter der in rechtmäßiger Weise von Arbeitgeberseite gestellten Bedingung der Erfüllung ihrer Testpflichten nicht bereit gewesen. Im Ergebnis sei die Klägerin damit nicht leistungsbereit gewesen.
Klage in vollem Umfang erfolglos
Im Ergebnis war nach dem Urteil des BAG ein Vergütungsanspruch der Klägerin für die aufgetretenen Fehlzeiten nicht gegeben. Ein solcher bestand nach der Entscheidung des Senats auch nicht hinsichtlich der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten häuslichen Übungsstunden. Den Antrag auf Feststellung der Beschäftigungspflicht unabhängig von der Durchführung von PCR-Tests wies das BAG unter Bezugnahme auf die Begründung der Abweisung des Zahlungsantrags ebenfalls ab.
(BAG, Urteil v. 1.6.2022, 5 AZR 28/22)
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