Headset-Pflicht: Mitbestimmungspflicht für Betriebsrat

Ein Headset-Kommunikationssystem für Arbeitnehmer, das die Überwachung der Kommunikation der Arbeitnehmer ermöglicht, darf nicht ohne Mitbestimmung des Betriebsrats eingeführt werden.

In einer Grundsatzentscheidung hat das BAG klargestellt, dass die verbindliche Einführung eines Headset-Systems für die Arbeitnehmer eines Unternehmens der Mitbestimmung des Betriebsrates bedarf. Existiert für ein Unternehmen mit mehreren Filialen ein Gesamtbetriebsrat, so ist dieser und nicht der einzelne Filialbetriebsrat mitbestimmungsbefugt.

Kommunikation der Mitarbeiter über Headset-System

Der Entscheidung des BAG lag die Einführung einer Headset-Pflicht der Arbeitnehmer eines Bekleidungsunternehmens zugrunde. Das Unternehmen hatte hierzu mit dem Gesamtbetriebsrat eine Vereinbarung getroffen, die vorsah, die interne Kommunikation zwischen den Arbeitnehmern über ein ständig aktives „Headset-System“ zu führen. Auf diese Weise sollte innerhalb der Filialen eine ständige Kommunikation mit sämtlichen in der Filiale anwesenden Arbeitnehmern ohne lange Wege gewährleistet werden. Eine Aufzeichnung der Gespräche war nicht vorgesehen.

Headset-System ist technische Überwachungseinrichtung

Der Betriebsrat einer Filiale klagte gegen das Unternehmen auf Untersagung der Anordnung der Headset-Pflicht ohne Zustimmung des Betriebsrats erfolglos über 3 Instanzen. Das BAG stellte klar, dass es sich bei einem „Headset-System“, das eine unmittelbare Kommunikation der Arbeitnehmer untereinander ermöglicht, um eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG handelt, die geeignet und auch dazu bestimmt sei, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Headset-System erhöht den Überwachungsdruck

Dies folge allerdings nicht schon aus dem Umstand, dass die Mitarbeiter der zentralen IT-Abteilung in Dublin über das Internetportal auf bestimmte gerätebezogene Daten zuzugreifen könnten, da in der Zentrale die abrufbaren Daten nicht einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden könnten. Anders sei dies allerdings bei den in den jeweiligen Filialen tätigen Führungskräften, denen eine ständige Überwachung der Kommunikation der Arbeitnehmer durch das System allein durch die Erkennbarkeit der Stimmen der jeweiligen Mitarbeiter ermöglicht werde. Damit würden die Arbeitnehmer einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt und diese in der freien Entfaltung ihrer Person eingeschränkt (BAG, Beschluss v. 13.12.2016, 1 ABR 7/15).

Headset-Pflicht ist mitbestimmungspflichtig

Damit sind nach der Entscheidung des BAG die Voraussetzungen für eine Mitbestimmungspflicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfüllt. Das Interesse des Arbeitgebers an einer übergreifenden Regelung einer reibungslosen Kommunikation der Mitarbeiter schließe die Mitbestimmungspflicht nicht aus. Die Mitbestimmungspflicht bestehe auch dann, wenn die Gespräche nicht aufgezeichnet oder gespeichert werden.

Filial-Betriebsräte sind nicht zuständig

Dennoch wies das BAG – wie schon die Vorinstanzen – die Unterlassungsklage des Betriebsrats ab. Die Mitbestimmung an der beabsichtigten Einführung des Headset-Systems fällt nach der Entscheidung des BAG nicht in die Zuständigkeit der einzelnen Filial-Betriebsräte. Das Headset-System werde über die IT-Zentrale in Dublin einheitlich für das gesamte Unternehmen betreut und gewartet. Die Einzelfiliale, zu der der klagende Betriebsrat gehöre, verfüge demgegenüber über keine eigene IT-Abteilung. Dort bestünden auch nicht die technischen und personellen Möglichkeiten, die Aufgaben des Helpdesks vor Ort wahrzunehmen.

Headset-Pflicht unterliegt Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats

Damit besteht nach Auffassung des BAG ein zwingendes Erfordernis einer unternehmenseinheitlichen Regelung (BAG, Beschluss v. 8.3.2022, 1 ABR 20/21). Das Headset-System erfülle den Begriff der einheitlichen technischen Einrichtung im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Folglich handle es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit des Gesamtunternehmens. Diese unterliege der zwingenden Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrates. Die einzelnen Filialbetriebsräte seien nicht zuständig.

Unterlassungsklage abgewiesen

Im Ergebnis scheiterte die Klage damit an der fehlenden Zuständigkeit des Filial-Betriebsrats.

(BAG, Beschluss v. 16.7.2024, 1 ABR 16/23)


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