Mutterschutzlohn bei individuellem Beschäftigungsverbot: Anspruch

Das Mutterschutzgesetz enthält verschiedene Regelungen zur Absicherung von Arbeitnehmerinnen in Mutterschutzzeiten, und zwar auch außerhalb der regulären gesetzlichen Mutterschutzfristen. Diese dienen im Wesentlichen dem Zweck, schwangerschaftsbedingte Einkommenseinbußen während bestehender Beschäftigungsverbote zu verhindern.

Kann eine Arbeitnehmerin außerhalb der regulären Mutterschutzfristen (vor oder nach der Entbindung) wegen eines individuellen Beschäftigungsverbotes schwangerschaftsbedingt teilweise oder gar nicht beschäftigt werden, hat sie nach § 18 Satz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) Anspruch auf sog. „Mutterschutzlohn“. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem sog. „Mutterschaftsgeld“, das die Arbeitnehmerin während der gesetzlichen Mutterschutzfristen erhält (§ 19 MuSchG).

Wer zahlt Gehalt bei individuellem Beschäftigungsverbot?

Der Anspruch der Arbeitnehmerin auf Zahlung von Mutterschutzlohn besteht gegenüber dem jeweiligen Arbeitgeber. Die Krankenkassen erstatten den Arbeitgebern ihre Leistungen für Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG auf Antrag in vollem Umfang (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG). Der Mutterschutzlohn selbst unterliegt als Arbeitsentgelt der Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht.

Individuelles Beschäftigungsverbot bei Schwangerschaft

Einen Anspruch auf Mutterschutzlohn können nur Frauen im Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 MuSchG haben. Der Anspruch besteht u. a. dann, wenn die Arbeitnehmerin unter das in § 16 MuSchG genannte individuelle ärztliche Beschäftigungsverbot fällt. Danach darf der Arbeitgeber

  • eine schwangere Frau nicht beschäftigen, soweit nach einem ärztlichen Zeugnis ihre Gesundheit oder die ihres Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist (Absatz 1), oder
  • eine Frau, die nach einem ärztlichen Zeugnis in den ersten Monaten nach der Entbindung nicht voll leistungsfähig ist, nicht mit Arbeiten beschäftigen, die ihre Leistungsfähigkeit übersteigen (Absatz 2).

Anspruch auf Mutterschutzlohn bei teilweisem oder völligem Aussetzen mit der Arbeit

Der Anspruch auf Mutterschutzlohn entsteht, wenn die Arbeitnehmerin

  • aufgrund des Beschäftigungsverbots mit ihrer Arbeit vollständig aussetzen muss,
  • nur teilweise beschäftigt werden kann oder
  • die Beschäftigung wegen des Beschäftigungsverbots gewechselt werden muss.

Kein Anspruch auf Mutterschutzlohn besteht bei einem Arbeitsausfall während des regulären gesetzlichen Beschäftigungsverbots nach § 3 MuSchG. In diesen Fällen kann ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss gegeben sein (§§ 19, 20 MuSchG).

Individuelles Beschäftigungsverbot muss alleinige Ursache sein

Das individuelle Beschäftigungsverbot muss nach dem Gesetzeswortlaut die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall der Arbeitnehmerin sein („wegen eines Beschäftigungsverbots“). Der Mutterschutzlohn fällt damit grundsätzlich nicht an, wenn die Vergütung aus anderen Gründen als wegen des Beschäftigungsverbots entfällt. Ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG besteht daher regelmäßig nicht bei

  • Urlaub der Arbeitnehmerin (hier Anspruch auf Urlaubsentgelt nach Bundesurlaubsgesetz – BUrlG) oder
  • Krankheit der Arbeitnehmerin (hier ggf. Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG)

Das Beschäftigungsverbot muss letztlich die nicht wegzudenkende Ursache für das Nichtleisten der Arbeit und den damit verbundenen Verdienstausfall sein. Hat eine Arbeitnehmerin während der Schutzfristen nach dem MuSchG etwa unbezahlten Sonderurlaub mit dem Arbeitgeber vereinbart, ist kausal für die Nichterbringung der Arbeitsleistung der Sonderurlaub, nicht aber das gesetzliche Beschäftigungsverbot nach dem MuSchG (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 2.11.2021, 8 Sa 107/21).

Exkurs: Nur Ursachen aus der Sphäre der Schwangeren

Nach einem OrientierungspapierMutterschaftsleistungen bei Kurzarbeit“ vom 2. Juni 2020 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (unter Beteiligung der Bundesministerien für Gesundheit und für Arbeit und Soziales) soll § 18 MuSchG einschränkend, so auszulegen sein, dass nur Gründe, die in der Sphäre der Schwangeren lägen, zum Ausschluss des Anspruchs auf Mutterschutzlohn führen könnten. Die Nichtbeschäftigung infolge von Kurzarbeit sei rechtlich jedoch nicht der Sphäre der Schwangeren zuzuordnen, sodass der Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG trotz Zusammentreffen mit Kurzarbeit in voller Höhe bestehen bleibe. Dies entspreche dem gesetzgeberischen Schutzgedanken und der gesetzlichen Systematik des mutterschutzrechtlichen Leistungsrechts nach § 18 ff. MuSchG.

In einer Entscheidung aus 1970 hatte das BAG dem gegenüber keine Sphärenzuordnung vorgenommen, sondern vielmehr allgemein ausgeführt, die Gewährung des sog. „Mutterschutzlohnes“ (§ 11 MuSchG a. F.) komme nur dann in Betracht, wenn wegen („kausal bedingt“) eines Beschäftigungsverbotes ein Entgeltausfall eintrete. Dies sei jedoch, so das BAG, bei betrieblich bedingter Kurzarbeit nicht der Fall (BAG, Urteil v. 7.4.1970, 2 AZR 201/69).    

Soweit ersichtlich, fehlt es bislang an aktueller Rechtsprechung zum Zusammentreffen von Beschäftigungsverbot (Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG) und Kurzarbeit.

Berechnung des Mutterschutzlohns

Als Mutterschutzlohn wird grundsätzlich das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten 3 abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft gezahlt (§ 18 Satz 2 MuSchG). Für die Ermittlung des Schwangerschaftsbeginns ist grundsätzlich maßgeblich das ärztliche Zeugnis oder das Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers im Sinne des § 15 Abs. 2 MuSchG. Der Referenzzeitraum für die Berechnung endet grundsätzlich am letzten Tag des Kalendermonats, der dem Eintritt der Schwangerschaft vorausgeht.

Beispiel: Laut ärztlichem Zeugnis ist errechneter erster Tag der Schwangerschaft der 24. April eines Jahres. Der Referenzzeitraum für die Berechnung des Mutterschutzlohns wäre danach der 1. Januar bis 31. März.

Abweichende Zeiträume zur Berechnung des Mutterschutzlohns

Bei der Berechnung des Mutterschutzlohns können jedoch ausnahmsweise andere Zeiträume relevant sein, und zwar:

  • Beginnt das Beschäftigungsverhältnis erst nach Eintritt der Schwangerschaft, ist das durchschnittliche Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsentgelt der ersten 3 Monate der Beschäftigung zu berechnen (§ 18 Satz 4 MuSchG).
  • Besteht das Beschäftigungsverhältnis erst kürzer als drei Monate, ist der Berechnung der tatsächliche Zeitraum des Beschäftigungsverhältnisses zugrunde zu legen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 MuSchG).
  • Bezog die Arbeitnehmerin im Referenzzeitraum infolge unverschuldeter Fehlzeiten kein Arbeitsentgelt, bleiben diese Zeiten bei der Berechnung außer Betracht (§ 21 Abs. 1 Satz 1 MuSchG).

Zulagen und sonstige Entgeltbestandteile im individuellen Beschäftigungsverbot

Bei der Ermittlung des relevanten Arbeitsentgelts ist das gesamte Bruttoarbeitsentgelt zusammenzurechnen, welches für die im Referenzzeitraum geleistete Arbeit gewährt wurde. Hierzu gehören neben der monatlichen Grundvergütung insbesondere auch

  • Sachbezüge (z. B. Überlassung eines Dienstwagens auch zum privaten Gebrauch),
  • vermögenswirksame Leistungen,
  • Zulagen, die an die berufliche Qualifikation der Arbeitnehmerin anknüpfen.

Nicht zu berücksichtigen sind hingegen Aufwendungsersatz und Leistungen anlässlich der tatsächlichen Arbeit (z. B. Essenszuschüsse, Zulagen zum Ausgleich besonderer Belastungen, die mit der Erbringung der Arbeitsleistung verbunden sind). Dauerhafte Änderungen der Arbeitsentgelthöhe sind bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts dagegen zu berücksichtigen (§ 21 Abs. 4 MuSchG).

Keine Berücksichtigung von Einmalzahlungen beim Mutterschutzlohn

Für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts bleibt nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 MuSchG einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne von § 23a SGB IV unberücksichtigt. Ob und inwieweit im Laufe des Kalenderjahres zusätzlich Anspruch auf Einmalzahlungen besteht (z. B. Jahressonderzahlung, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) hängt von den zugrunde liegenden Regelung ab, d. h. insbesondere den arbeits- und ggf. anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen.

Keine Berücksichtigung von Kürzungen im Referenzzeitraum

Kürzungen des Arbeitsentgelts, die im Referenzzeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldetem Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben unberücksichtigt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG).

Exkurs: Während des Beschäftigungsverbots fällig werdende Provisionen

Auch dann, wenn ein Teil der Vergütung variabel ausgestattet ist und auf provisionspflichtigen Geschäften beruht, ist grundsätzlich auf das durchschnittliche Arbeitsentgelt im Referenzzeitraum abzustellen. Provisionen, die erst während eines ärztlichen Beschäftigungsverbots nach § 16 MuSchG fällig werden, sollen aber nach einer jüngeren Entscheidung des LAG Niedersachsen auch dann und in dem Umfang zur Auszahlung kommen können, wie sie den nach § 18 Satz 2 MuSchG errechneten Mutterschutzlohn übersteigen (LAG Niedersachen, Urteil v. 20.2.2023, 1 Sa 702/22).

Hintergrundwissen Beschäftigungsverbot:

Maßgebend sind allein der individuelle Gesundheitszustand der beschäftigten Arbeitnehmerin und die konkrete Arbeitstätigkeit der Schwangeren. Die Ursache der Gesundheitsgefährdung ist unerheblich. Es können auch psychische Belastungen ein Beschäftigungsverbot begründen (BAG, Urteil v. 7.11.2007, 5 AZR 883/06). Der Arzt kann das Verbot wirksam mündlich (BAG, Urteil v. 11.11.1998, 5 AZR 49/98) wie auch schriftlich aussprechen. Letzteres ist die Regel.

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