Arbeitgeberrechte gegenüber Bewertungsplattformen
Arbeitgeber-Bewertungsplattform „Kununu“ mit hoher Verbreitung
Kununu ist eine verbreitete Internetplattform für die anonyme Bewertung von Arbeitgebern durch Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter. Die Bewertung erfolgt dort nach verschiedenen, vorgegebenen Kategorien. Kununu erfreut sich zunehmender Beliebtheit und enthält inzwischen über 5 Mio. Bewertungen zu über 1 Mio. Unternehmen. Laut OLG kommen täglich rund 1.000 neue Bewertungen zu etwa 500 Unternehmen hinzu. In Zeiten offener Stellen und fehlender Facharbeitskräfte können sich häufende negative Bewertung auf einer solchen Plattform für Unternehmen eine spürbare Belastung darstellen.
Realen Geschäftskontakt mit Bewerter bestritten
In dem vom OLG entschiedenen Eilverfahren hatte ein Vertriebsunternehmen sich gegen 2 Negativbewertungen von angeblichen Arbeitnehmern zur Wehr gesetzt und deren Löschung verlangt. Dabei hatte sich das Unternehmen von einer auf die Löschung von Internetbewertungen spezialisierten Anwaltskanzlei vertreten lassen. Die Kanzlei hatte in 2 gleichlautenden Schreiben Kununu zur Löschung jeder einzelnen Bewertung aufgefordert, mit dem jeweils gleichlautenden Hinweis: „Der Bewerber- und Mitarbeiter-Kontakt zu dem Bewerter wird mit Nichtwissen bestritten, da er nicht zugeordnet werden kann“. In 14 weiteren Fällen anderer Unternehmen erhielt Kununu gleichlautende Schreiben der gleichen Kanzlei.
Bewertungsportal verweigerte Löschung
Kununu forderte die Kanzlei auf, die angeblichen Rechtsverletzungen zu substanziieren. Da keine weiteren Erklärungen folgten, verweigerte Kununu die Löschung. Den hierauf im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eingereichten Antrag des Vertriebsunternehmens auf Löschung bzw. Unterlassung wies das erstinstanzlich zuständige LG zurück. Das OLG gab dem Löschungs- und Unterlassungsantrag in 2. Instanz statt.
Bewertungsportal muss einer Echtheitsrüge nachgehen
Das OLG gewährte dem Vertriebsunternehmen einen Anspruch auf Unterlassung analog §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB und stützte sich im Übrigen auf die vom BGH entwickelten Grundsätze zum Anspruch auf Löschung gegen Bewertungsportale. Der BGH hatte im Fall eines Hotelbewertungsportals entschieden, dass die Rüge des Bewerteten, einer Bewertung liege kein realer Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich ausreicht, um Prüf- und Offenbarungspflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen und zu einer näheren Begründung sei der Bewertete grundsätzlich nicht verpflichtet, dies schon deshalb nicht, weil für den Bewerteten bei fehlender Kenntnis des der Bewertung zugrundeliegenden Geschäftskontrakts keine weiteren Darlegungen möglich seien (BGH, Urteil v. 9.8.2022, VI ZR 1244/20).
Pflicht zur Individualisierung des Bewerters
Der Betreiber des Portals ist nach der Entscheidung des OLG in einem solchen Fall gehalten, den Bewerter so weit zu individualisieren, dass der Bewertete in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines realen geschäftlichen Kontakts zu überprüfen. Dies sei er i. d. R. dann, wenn er den Klarnamen des Bewerters erfährt.
Kein Rechtsmissbrauch durch Vielzahl gleichlautender Rügen
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liegt nach der Bewertung des OLG kein rechtsmissbräuchliches Verhalten darin, dass das betroffene Unternehmen von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten wird, die in einer Vielzahl von Fällen die gleiche Rüge des fehlenden Geschäftskontrakts erhebt, auf diese Weise offensiv gegen Bewertungsportale vorgeht und diese Vorgehensweise auch werbetechnisch herausstellt. Rechtlich sei der Einwand des fehlenden geschäftlichen Kontakts gegen veröffentlichte Bewertungen nach der Rechtsprechung des BGH zulässig und diene dem berechtigten Interesse des Bewerteten, den Wahrheitsgehalt einer Bewertung zu überprüfen.
Nachteile durch Individualisierung sind hinzunehmen
Zu einem anderen Ergebnis führt nach Auffassung des OLG auch nicht der Umstand, dass die Individualisierung des Bewerters im Rahmen eines Arbeitgeberbewertungsportals zu Nachteilen eines noch beim Arbeitgeber beschäftigten Bewerters führen können. Diese Gefahr könne zwar zu einem Rückgang der Bewertungsfreudigkeit führen, rechtfertige aber nicht die Konsequenz, dass ein Arbeitgeber öffentliche Kritik hinnehmen muss, ohne die tatsächliche Grundlage der Kritik überprüfen zu können. Nach der Entscheidung des OLG haben Arbeitgeber das Recht, zu einer Bewertung Position zu beziehen. Aus diesem Grund könne das Bewertungsportal die Individualisierung des Bewerters auch nicht aus datenschutzrechtlichen Gründen verweigern.
Arbeitgeberbewertungsportal zur Löschung verurteilt
Im Ergebnis kann nach der Entscheidung des OLG die Betreiberin eines Bewertungsportals analog §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB als mittelbare Störerin in Anspruch genommen werden, wenn das Portal Bewertungen veröffentlicht, denen kein tatsächlicher Kontakt des Bewerters mit der bewerteten Leistung zugrunde liegt. Sei das Bewertungsportal nicht zu einer Individualisierung des Bewerters bereit, habe der Bewertete einen Anspruch auf Löschung und Unterlassung der Bewertung.
(OLG Hamburg, Beschluss v. 8,2.2024, 7 W 11/24)
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