Wo liegen die Grenzen erlaubter Mitarbeiterabwerbung?
Das Landgericht (LG) Koblenz hat sich in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausführlich mit der Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der gegenseitigen Abwerbung und Rückabwerbung einer größeren Zahl von Mitarbeitern zweier konkurrierender Unternehmen befasst.
Wechselseitige aktive Abwerbung von Arbeitnehmern
Kontrahenten des vom LG geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens waren zwei konkurrierende Unternehmen aus dem Bereich Brandschutztechnik. Einem der Konkurrenzunternehmen, der späteren Antragstellerin, war es gelungen, etwa 25 Mitarbeiter des Konkurrenten abzuwerben und mit diesen rechtsverbindliche Arbeitsverträge abzuschließen. Kurz vor Arbeitsantritt erklärte eine größere Zahl der zunächst wechselbereiten Arbeitnehmer die Kündigung der neuen Arbeitsverträge und trat die neue Arbeit nicht an. Die Antragstellerin vermutete dahinter eine wettbewerbswidrige und gezielte, aggressive Rückabwerbungsaktion ihrer Konkurrentin.
Einstweiligen Rechtsschutz gegen Rückabwerbung beantragt
Die Antragstellerin ersuchte das LG um einstweiligen Rechtsschutz und beantragte,
- es der Antragsgegnerin für die Dauer von 6 Monaten – hilfsweise kürzer – zu untersagen, die Mitarbeiter der Antragsgegnerin, die ihr neues Anstellungsverhältnis bei der Antragstellerin gekündigt oder nicht angetreten haben, einzustellen bzw. zu beschäftigen,
- der Antragsgegnerin zu untersagen, ihren Mitarbeitern eine Prämie für den Fall auszuloben, dass sie nicht zu der Antragstellerin wechseln sowie
- Mitarbeitern unentgeltlich Rechtsrat über einen Anwalt zu den rechtlichen Optionen einer Beendigung ihres Anstellungsverhältnisses bei der Antragstellerin zur Seite zu stellen.
Arbeitnehmerabwerbung unter Konkurrenten ist zulässig
Das LG wies sämtliche Rechtsschutzanträge zurück. Nach Auffassung des LG hatte die Antragstellerin keinen Nachweis für ein unlauteres, wettbewerbswidriges Verhalten der Antragsgegnerin gemäß §§ 4, 4a UWG erbracht. Das LG stellte klar, dass die Abwerbung von Mitarbeitern auch unter Konkurrenten grundsätzlich zulässig ist (BGH, Urteil v. 9.2.2006, I ZR 73/02). Dies folge verfassungsrechtlich bereits aus Art. 12 GG, wonach Arbeitnehmer in der Wahl ihres Arbeitsplatzes grundsätzlich frei sind. Dies umfasse auch das Recht zur Rückabwerbung bereits abgeworbener Mitarbeiter.
Die Motive der Abwerbung dürfen nicht verwerflich sein
Das Recht, Mitarbeiter abzuwerben, hat nach der Entscheidung des LG allerdings auch Grenzen. Unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts sei ein Abwerben immer dann, wenn
- die Abwerbung mit verwerflichen Mitteln oder
- zu einem verwerflichen Zweck erfolge.
- Verwerflich sei die Abwerbung, wenn die Abwerbung primär in der Absicht der Schädigung des Konkurrenzunternehmens, der Behinderung dessen wirtschaftlicher Tätigkeit oder
- unter Verleitung der Mitarbeiter zum Vertragsbruch erfolge.
Liege eine dieser Voraussetzungen vor, so könne dem Konkurrenzunternehmen ein Anspruch auf Unterlassung der unlauteren Handlung gemäß §§ 8 Abs. 1, 4, 4 a UWG zustehen.
Abwerbung erfolgte nicht in Schädigungsabsicht
Diese Elemente einer unzulässigen Abwerbung vermochte das LG im konkreten Fall nicht zu erkennen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Rückabwerbung primär das Ziel verfolgt habe, die Antragstellerin in ihrer wirtschaftlichen Entfaltung zu behindern. Die zurückgeworbenen Mitarbeiter seien zuvor bei der Antragsgegnerin tätig gewesen. Diese habe ein berechtigtes Interesse, die nicht geringe Zahl von 25 Mitarbeitern weiterzubeschäftigen, um eine Störung der Arbeitsabläufe in ihrem eigenen Unternehmen zu verhindern.
Rechtliche Kündigungshilfe ist nicht unlauter
Nach Auffassung der Kammer des LG ist es auch wettbewerbsrechtlich zulässig, den Mitarbeitern einen Anwalt zur Seite zu stellen, der sie bei der Abfassung einer rechtsgültigen Kündigungserklärung berät (BGH, Urteil v. 7.4.2005, I ZR 140/02). Die rechtliche Hilfeleistung spreche im Übrigen dafür, dass die Antragsgegnerin die Mitarbeiter nicht zu einer unrechtmäßigen Kündigung oder zu einem Vertragsbruch verleiten wollte.
Erlaubte Prämienauslobung
Auch die Auslobung einer Prämie für das Beibehalten des Arbeitsplatzes im bisherigen Unternehmen, die für sämtliche Arbeitnehmer der Antragsgegnerin in gleicher Weise erfolgt sei, diene primär den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Antragsgegnerin und sei – jedenfalls nicht primär – in der Absicht der Schädigung der Antragstellerin erfolgt. Auch sei hierdurch die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmer nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt worden.
Weder Verfügungsanspruch noch Verfügungsgrund
Vor diesem Hintergrund verneinte die Kammer den für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Verfügungsanspruch. Daneben bestand nach Auffassung des LG auch kein Verfügungsgrund, denn die Antragstellerin habe nach der ersten Kündigung eines zunächst wechselwilligen Mitarbeiters 3 Monate bis zur Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz zugewartet und damit die für den einstweiligen wettbewerbsrechtlichen Rechtsschutz erforderliche Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG selbst widerlegt.
Einstweiliger Rechtsschutz abgelehnt
Im Ergebnis hatte der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz damit keinen Erfolg.
(LG Koblenz, Beschluss v. 17.9.2024, 11 O 12/24)
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