Streit um Abwerbung von Mitarbeitenden
Gute Fachkräfte sind in vielen Branchen rar. Beschäftigte von der Konkurrenz abzuwerben, ist daher im Alltag von Unternehmen üblich. Grundsätzlich ist das auch zulässig, doch es gibt Grenzen. So ist es beispielsweise unlauter, Mitarbeitende offen zum Vertragsbruch aufzufordern.
Im vorliegenden Fall konkurrierten zwei Brandschutzunternehmen um insgesamt 25 Mitarbeitende. Diese wechselten geschlossen von einem Arbeitgeber zu dessen Mitbewerber, viele der wechselwilligen Fachkräfte kündigten jedoch noch vor Arbeitsbeginn wieder. Das Unternehmen ging daraufhin gerichtlich gegen den Ex-Arbeitgeber der Fachkräfte vor, um ihm im einstweiligen Verfügungsverfahren die (Rück-)Abwerbung von Mitarbeitenden untersagen zu lassen.
Der Fall: 25 Mitarbeitende wechseln zur Konkurrenz und zurück
Beide Unternehmen vertreiben unter anderem stationäre Brandschutzsysteme und konkurrieren auf diesem Markt sowohl um Kunden als auch um Mitarbeitende. Etwa 25 Mitarbeitende des einen Unternehmens hatten sich ursprünglich entschlossen, zur Konkurrenz zu wechseln. Die Anstellungsverträge waren bereits geschlossen. In der Folgezeit erklärten jedoch mehrere dieser zunächst wechselwilligen Fachkräfte jeweils eine gleichlautende Kündigung dieser Anstellungsverträge und nahmen ihre Arbeit nicht auf. Das betroffene Unternehmen wehrte sich dagegen vor Gericht und beantragte eine einstweilige Verfügung.
Abwerbung mit Schädigungsabsicht?
Das Unternehmen trug vor, dass der ehemalige Arbeitgeber für die identischen und kurz vor Arbeitsbeginn erklärten Kündigungen sowie für den darauffolgenden Nichtantritt der Arbeitsstelle verantwortlich sei. Dieser habe die wechselwilligen Mitarbeitenden verleitet, die bereits geschlossenen Anstellungsverträge zu verletzen und so dem Unternehmen gezielt Schaden zufügen wollen.
Den wechselwilligen Mitarbeitenden habe der ehemalige Arbeitgeber kostenfreie Rechtsberatung durch einen externen Anwalt zur Verfügung gestellt und ihnen eine Prämienzahlung in Höhe von 2.000 bis 3.000 Euro versprochen, wenn sie von dem Wechsel Abstand nehmen würden. Durch die erfolgten Kündigungen und das Nichterscheinen der ursprünglich wechselwilligen Mitarbeitenden habe der Betriebsablauf erheblich gelitten.
Firma beantragt Unterlassung der Rückabwerbung
Das Unternehmen beantragte sinngemäß den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Konkurrenzunternehmen untersagt werden sollte, aktuelle oder ehemalige Mitarbeitende, die ihr neues Anstellungsverhältnis gekündigt oder nicht angetreten hatten, für die Dauer von sechs Monaten - hilfsweise kürzer - einzustellen oder weiterzubeschäftigen. Zudem sollte dem Ex-Arbeitgeber sinngemäß untersagt werden, seine ehemaligen oder aktuellen Mitarbeitenden aufzufordern, ihr Anstellungsverhältnis zu kündigen oder nicht anzutreten oder eine Prämie für den Fall auszuloben, dass aktuelle oder ehemaligen Mitarbeitende nicht zur Konkurrenz wechseln. Untersagt werden sollte zudem, den Mitarbeitenden unentgeltlich Rechtsrat durch einen Anwalt in Bezug auf die Möglichkeiten einer Beendigung ihres Anstellungsvertrages zur Verfügung zu stellen.
Kein Anspruch auf Unterlassung der Abwerbung
Das Landgericht Koblenz hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund vorliege. Das Gericht stellte fest, dass das Unternehmen keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 4, 4a UWG hat. Es liege keine unzulässige geschäftliche Handlung vor, weil die Konkurrenz nicht unlauter gemäß § 4 Nr. 4 UWG gehandelt habe.
Dazu stellte es fest, dass das Abwerben und auch das Rückabwerben von Beschäftigten eines Unternehmens grundsätzlich erlaubt ist. Dies sei unabhängig davon, ob das andere Unternehmen ein Mitbewerber sei oder nicht. Unlauter sei ein Abwerben nur, wenn der konkurrierende Unternehmer mit der Abwerbung einen verwerflichen Zweck verfolge oder bei der Abwerbung selbst verwerfliche Mittel oder Methoden anwende.
Verwerflicher Zweck der Abwerbung fehlt
Dies war vorliegend für das Landgericht nicht ersichtlich. Es führte in der Begründung aus: Ein verwerflicher Zweck werde beispielsweise verfolgt, wenn der Abwerber nicht sein eigenes unternehmerisches Fortkommen bezwecke, sondern primär die wirtschaftliche Entfaltung des Konkurrenten behindern wolle. Es sei auch unlauter, einen Mitarbeiter abzuwerben, indem man ihn zum Vertragsbruch verleite. Es sei dagegen zulässig, dem Arbeitnehmer bei einer rechtmäßigen Kündigung helfend zur Seite zu stehen. Ebenso dürfe das Kündigungsschreiben vom neuen Arbeitgeber übermittelt oder für eine rechtmäßige Kündigung eine Prämie ausgelobt werden.
Eine unlautere Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit der wechselwilligen Mitarbeiter durch eine - als wahr unterstellte - Hilfe bei der Fertigung der Kündigung oder die - vermeintliche - Auszahlung einer Prämie konnte das Gericht im konkreten Fall nicht feststellen. Unlauterkeit liege nur bei Druck, unangemessenem Einfluss oder Irreführung des Arbeitnehmers vor.
Im Ergebnis lag für das Gericht auch kein Verfügungsgrund vor. Die Vermutung der Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG sei widerlegt. Das Unternehmen habe durch sein eigenes Verhalten und insbesondere durch das Abwarten - zwischen der ersten Kündigung eines ursprünglich wechselwilligen Mitarbeiters und der Antragstellung lagen drei Monate - die erforderliche Dringlichkeit selbst widerlegt.
Hinweis: Landgericht Koblenz, Beschluss vom 17. September 2024, Az.: 11 O 12/24
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