Widerruf einer Homeoffice-Regelung bei weiter Entfernung

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers erlaubt den Widerruf der Erlaubnis zum Homeoffice bei einem 500 km entfernten Arbeitsplatz nicht ohne sachlichen Grund oder dringende betriebliche Erfordernisse.

Das LAG Köln hat sich mit der Frage der Reichweite des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts im Zusammenhang mit einer Homeoffice-Regelung befasst und hierbei die Grenzen des Direktionsrechts näher ausgeleuchtet. Das bei Ausübung des Direktionsrechts vom Arbeitgeber zu beachtende billige Ermessen erfordert nach der Entscheidung des LAG eine Abwägung der beiderseitigen Interessen sowie sachbezogene Gründe.

Kläger zu 80 % im Homeoffice tätig

Im konkreten Fall war der 55-jährige Kläger bei dem beklagten Autozulieferer seit dem Jahr 2017 beschäftigt. Zu 80 % erledigte er seine auf dem Gebiet der industriellen Planung liegende berufliche Tätigkeit in den letzten 3 Jahren mit Erlaubnis des Arbeitgebers aus dem Homeoffice. Der Anstellungsvertrag enthielt eine Bestimmung, wonach sich der Einsatzort des Angestellten auf die gesamte Unternehmensgruppe bezieht und sich nach den laufenden Projekten richtet.

Zuweisung an einen 500 km entfernt liegenden Präsenz-Arbeitsplatz

Im Rahmen einer Schließung der für den Kläger zuständigen Betriebsstätte teilte das Unternehmen ihm Ende März 2023 die Versetzung an eine vom bisherigen Standort 500 km entfernt liegende Betriebsstätte mit und forderte ihn auf, seine Tätigkeit zum 1. Mai des gleichen Jahres an der neuen Betriebsstätte in Präsenz aufzunehmen. Gleichzeitig erklärte die Beklagte hilfsweise die ordentliche Kündigung verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen der neuen Betriebsstätte in Präsenz aufzunehmen.

Klage über 2 Instanzen erfolgreich

Mit seiner beim ArbG eingereichten Klage wandte sich der Kläger sowohl gegen die Versetzung an die neue Betriebsstätte als auch gegen die hilfsweise erklärte Änderungskündigung. Die Klage hatte in beiden Punkten Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten bestätigte das LAG die stattgebende Entscheidung der Vorinstanz.

Versetzung nicht vom Direktionsrecht gedeckt

Die Gerichte bejahten den Anspruch des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung an den neuen Betriebsstandort. Die Versetzung an einen 500 km entfernten reinen Präsenz-Arbeitsplatz nach überwiegender Homeoffice-Tätigkeit in den vergangenen 3 Jahren missachte die Grenze billigen Ermessens innerhalb des gemäß § 106 GewO bestehenden Direktionsrechts des Arbeitgebers.

Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis sachlich nicht begründet

Die Versetzung an einen Präsenzarbeitsplatz enthält nach der Bewertung der Gerichte einen Widerruf der bisher geltenden Homeoffice-Erlaubnis. Dieser Widerruf erweise sich als ermessensfehlerhaft, da der Widerruf einerseits sachlich nicht nachvollziehbar begründet und mit der Zuweisung eines 500 km entfernten Arbeitsplatzes verbunden sei.

Weisungsrecht unterliegt der gerichtlichen Kontrolle

Das gemäß § 106 GewO bestehende Weisungsrecht könne der Arbeitgeber zwar grundsätzlich einseitig, das heißt gegebenenfalls auch gegen den Willen des Arbeitnehmers ausüben. Als Instrument zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen unterliege das Weisungsrecht aber gewissen Einschränkungen. Insbesondere sei das Weisungsrecht vom Arbeitgeber nach billigem Ermessen auszuüben. Dieser habe die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abzuwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Insoweit unterliege die Ausübung des Weisungsrechts auch der gerichtlichen Kontrolle (BAG, Urteil v. 15.5.2019, 7 AZR 396/17).

Keine überwiegenden sachlichen Interessen der Beklagten

Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts das erhebliche Bestands- und Ortsinteresse des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt, der über Jahre hinweg seine Arbeit beanstandungsfrei im Homeoffice ausgeführt habe. Der Kläger sei familiär und logistisch an seinem Wohnort verortet. Demgegenüber habe die Beklagte keine überwiegenden sachlichen Interessen vorgebracht, die die Versetzung des Klägers rechtfertigen könnten. Der Kläger betreue Kunden der Beklagten im In- und Ausland größtenteils in digitaler Form mithilfe von Telefon und Computer, sodass die persönliche Zuordnung des Klägers zu einem bestimmten betrieblichen Standort der Beklagten für dessen Tätigkeit keine herausragende Rolle spiele. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass eine persönliche Anwesenheit des Klägers im Betrieb für dessen Tätigkeit notwendig oder auch nur förderlich sei.

Versetzung nicht vom Direktionsrecht gedeckt

Im Ergebnis bewertete das LAG sowohl den Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis als auch die Versetzung an den 500 km entfernten Standort als unwillige und damit unzulässige Ermessensentscheidung der Beklagten und damit als nicht vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckt.

Keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für Änderungskündigung

Auch die Änderungskündigung bewertete das LAG als unwirksam, da sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse in Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt sei. Nach Auffassung des Gerichts hätte eine Neuzuordnung des Arbeitsplatzes des Klägers zur 500 km entfernten Betriebsstätte aus Arbeitgebersicht ausgereicht, um die Weiterbeschäftigung des Klägers organisatorisch zu ermöglichen. Eine gelegentliche persönliche Anwesenheit des Klägers am neuen Betriebsort im Falle besonderer Erfordernisse habe dieser ausdrücklich nicht abgelehnt. Umstände, dass dies aus betrieblichen Gründen nicht ausreichend sei, habe die Beklagte nicht dargelegt.

Klage in vollem Umfang erfolgreich

Im Ergebnis waren damit sowohl die Versetzung als auch die Änderungskündigung unzulässig.

(LAG Köln, Urteil v. 11.7.2024, 6 Sa 579/23)


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