Wenn Arbeitnehmer die Kündigungsfristen nicht einhalten
Der Wunsch eines Arbeitnehmers nach vorzeitigem Ausscheiden ist für den bisherigen Arbeitgeber vielfach mit Ärger und Aufwand verbunden. Dies gilt etwa dann, wenn der ausscheidende Arbeitnehmer über besonderes Know-how verfügt oder – gerade in Zeiten eines Fachkräftemangels – generell eine Ersatzkraft nicht kurzfristig gefunden werden kann.
Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erforderlich
Grundsätzlich gilt, dass ein Arbeitnehmer selbst bei dem „Jobangebot seines Lebens“ die für ihn in seinem bisherigen Arbeitsverhältnis geltende ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten hat. Die im Einzelfall einschlägige ordentliche Kündigungsfrist ergibt sich dabei regelmäßig entweder aus dem
- Gesetz,
- einem ggf. anwendbaren Tarifvertrag oder
- dem Arbeitsvertrag.
Gesetzliche Mindestkündigungsfrist ist in jedem Fall einzuhalten
Die nach dem Gesetz vom Arbeitnehmer grundsätzlich mindestens einzuhaltende ordentliche Kündigungsfrist beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB).
Vielfach wird jedoch im Arbeitsvertrag die Geltung
- einer längeren ordentlichen Kündigungsfrist oder
- die gleichförmige Anwendung der für den Arbeitgeber gesetzlich vorgesehenen verlängerten Kündigungsfristen auf Grund der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses (§ 622 Abs. 2 BGB)
auch für arbeitnehmerseitige Kündigungen vereinbart. Die sich daraus ergebende ordentliche Kündigungsfrist ist dann vom Arbeitnehmer grundsätzlich einzuhalten.
Während der Elternzeit gilt zudem eine Sonderregelung: Will ein Arbeitnehmer in Elternzeit das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit kündigen, so kann er dies nach § 19 BEEG nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten tun.
Fristlose Kündigung wegen Jobangebots wirksam nicht möglich
Eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Wege des Ausspruchs einer außerordentlichen Kündigung ohne Einhaltung der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist ist selbst bei dem attraktivsten neuen Jobangebot regelmäßig ausgeschlossen.
Für den rechtmäßigen Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bedarf es eines sog. „wichtigen Grundes“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Danach müssen Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem kündigenden Arbeitnehmer unter
- Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und
- Abwägung der Interessen beider Vertragsteile
die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Hierunter fallen regelmäßig nur gravierende Pflichtverletzungen seitens des Arbeitgebers, nicht hingegen sich für den Arbeitnehmer kurzfristig ergebende Jobangebote, seien sie für diesen auch noch so attraktiv.
Einvernehmliche Beendigung ohne Einhaltung Kündigungsfrist
Unbenommen ist es den Arbeitsvertragsparteien natürlich, sich einvernehmlich auf eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verständigen. Hierzu bedarf es dann aber des Einverständnisses auch des Arbeitgebers. Der Abschluss eines entsprechenden Aufhebungsvertrages bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform (§ 623 BGB).
Kündigungsfrist nicht eingehalten: Verletzung der Arbeitspflicht
Hält ein Arbeitnehmer die für ihn geltende ordentliche Kündigungsfrist nicht ein und kommt es auch nicht zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages über die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht, wenn er einfach nicht mehr zur Arbeit erscheint.
Nach dem im Arbeitsrecht geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ muss der Arbeitgeber zwar bei unentschuldigtem Fernbleiben des Arbeitnehmers von der Arbeit regelmäßig die Vergütung des Arbeitnehmers nicht weiterzahlen. Zudem berechtigen den Arbeitgeber schwerwiegende Pflichtverletzungen seitens des Arbeitnehmers – ggf. nach Ausspruch einer erfolglosen Abmahnung – zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Dies hilft dem Arbeitgeber aber letztlich nicht weiter, wenn durch den plötzlichen Weggang des Arbeitnehmers Arbeiten nicht erledigt werden können.
Schadensersatz wegen Vertragsbruchs bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist
Entstehen dem Arbeitgeber durch das plötzliche Wegbleiben des Arbeitnehmers Schäden, kann er diese grundsätzlich vom Arbeitnehmer ersetzt verlangen. In der Praxis gestaltet sich die Geltendmachung jedoch regelmäßig schwierig, weil der Arbeitgeber die ihm konkret entstandenen Schäden und die Kausalität im Streitfall im Einzelnen darzulegen und zu beweisen hat. Dies mag zwar im Einzelfall gelingen, wenn etwa gerade durch den plötzlichen Weggang eines Arbeitnehmers Ware verdorben oder Gewinn entgangen ist. Im Regelfall springen jedoch andere Mitarbeiter ein. Deren Vergütung kann nur dann als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie höher liegt als die des abgesprungenen Arbeitnehmers, dessen Vergütung ja gerade wegfällt.
Wechselt der Arbeitnehmer ohne Einhaltung seiner ordentlichen Kündigungsfrist gar zu einem Wettbewerber, können sich weitere Probleme ergeben. Denn auch dann, wenn im Arbeitsvertrag selbst nichts dazu geregelt ist, gilt nach § 60 HGB grundsätzlich ein vertragliches Wettbewerbsverbot.
Arbeitsleistung während der Kündigungsfrist einfordern?
Da der Arbeitgeber auch während der ordentlichen Kündigungsfrist Anspruch auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers hat, könnte der Arbeitgeber auf den Gedanken kommen, den Arbeitnehmer vom Arbeitsgericht zur Arbeitsleistung verurteilen zu lassen. Die – personalwirtschaftlich ohnehin fragwürdige – Durchsetzung der Arbeitspflicht im Wege der Zwangsvollstreckung ist jedoch gesetzlich ausgeschlossen (§ 888 Abs. 3 ZPO).
Vertragsstrafe für Nichteinhaltung der Kündigungsfrist vereinbaren
Aus Arbeitgebersicht erheblich sinnvoller ist es demgegenüber, bereits im Arbeitsvertrag die Vereinbarung einer selbstständigen und von Beweisfragen unabhängigen Vertragsstrafe zur Sicherung der Einhaltung der Kündigungsfrist vorzusehen. Derartige Vereinbarungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) grundsätzlich zulässig.
Da es sich bei Vertragsstrafenabreden in Arbeitsverträgen regelmäßig um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, müssen diese im Einzelfall jedoch der gesetzlichen AGB-Kontrolle (§§ 305 ff. BGB) standhalten und die von der Rechtsprechung entwickelten Grenzen beachtet werden. Bei der Abfassung der Klausel ist regelmäßig besondere Sorgfalt geboten. So muss die Klausel zu ihrer Wirksamkeit insbesondere
- hinreichend klar formuliert und transparent sowie
- die Vertragsstrafe auch in ihrer Höhe angemessen sein.
Präzise Formulierung der Vertragsstrafenabrede erforderlich
Nach Auffassung des BAG ist die Regelung einer Vertragsstrafe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen etwa intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn das die Vertragsstrafe auslösende Fehlverhalten des Arbeitnehmers nicht präzise beschrieben werde (BAG v. 20.10.2022, 8 AZR 332/21).
Höhe der Vertragsstrafe muss angemessen sein
Auch die Höhe einer Vertragsstrafe kann eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen. Dabei soll es, so das BAG, jedoch keinen Rechtssatz geben, wonach eine Vertragsstrafe, die einen Bruttomonatsverdienst übersteige, betroffene Arbeitnehmer stets unangemessen benachteilige (BAG v. 20.10.2022, 8 AZR 332/21).
Die im Falle einer fristgemäßen Kündigung einzuhaltende Kündigungsfrist könne ein relevanter Gesichtspunkt in der Abwägung sein, welche Höhe einer Vertragsstrafe noch angemessen sei. So spiegele die Länge der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist und die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung regelmäßig das mit der Vertragsstrafe zu sichernde wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers wider. Im Falle eines langfristigen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung könne eine Vertragsstrafe, deren Höhe der bis zum Ablauf des vereinbarten Kündigungsausschlusses ausstehenden Vergütung entspreche, allerdings unangemessen hoch sein. Andernfalls werde nicht berücksichtigt, dass gerade die Kombination eines langfristigen Kündigungsausschlusses mit einer hohen Vertragsstrafe die betroffenen Arbeitnehmer besonders stark beeinträchtige (BAG v. 20.10.2022, 8 AZR 332/21).
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