Entscheidungsstichwort (Thema)
Langfristige Überstundenvereinbarung und Tarifsperre. Langfristige Betriebsvereinbarung zu Überstunden und Tarifsperre. Verzicht auf Mitbestimmungsrechte. Rechtsgrundlage für die Befugnis des Arbeitgebers zur Überstundenanordnung. Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Zulässigkeit eines Unterlassungsantrags. Betriebsverfassungsrecht. Prozeßrecht
Leitsatz (amtlich)
- Auch eine für mehrere Jahre unkündbare Betriebsvereinbarung zu Überstunden ist vom Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gedeckt und verstößt nicht gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG, wenn die in ihr vorgesehenen Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit als solche jeweils nur vorübergehend sind.
- Der Betriebsrat verzichtet mit dem Abschluß einer solchen Betriebsvereinbarung nicht in unzulässiger Weise auf sein Mitbestimmungsrecht, wenn in ihr zwar keine Voraussetzungen für die Anordnung von Überstunden im Einzelfall, aber detaillierte Regelungen zu deren Umfang und Verteilung vorgesehen sind.
- Eine Betriebsvereinbarung kann eine ausreichende Grundlage für die Anordnung von Überstunden sein.
Orientierungssatz
- Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO kann auch ein einzelner Anspruch aus einer Rechtsbeziehung sein.
- Ein Unterlassungsantrag bedarf als negativer Leistungsantrag keines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses; die Gefahr von Wiederholungen gehört zur Anspruchsbegründung. Der Antrag ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn er als Vollstreckungsgrundlage dienen kann.
- Tarifliche Bestimmungen zur Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bewirken keine Regelungssperre iSv. § 77 Abs. 3 BetrVG für Betriebsvereinbarungen über die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.
- Auch in längerfristigen Betriebsvereinbarungen zu Überstunden liegt kein Ausschluß des Mitbestimmungsrechts, wenn zwar keine besonderen Voraussetzungen für die Befugnis zur Anordnung im Einzelfall, aber ins Einzelne gehende Regelungen zum Umfang und zur Verteilung von Überarbeit getroffen worden sind.
- Die Befugnis zur Anordnung von Überstunden ist nicht selbstverständlicher Teil des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Sie bedarf einer besonderen Grundlage. Dies kann auch eine Betriebsvereinbarung sein, solange die Pflicht zur Leistung von Überarbeit nicht vertraglich ausgeschlossen ist.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 3-4, § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3; ZPO § 256 Abs. 1; Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 6. Februar 1997 §§ 3, 5
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung zur Leistung von Überstunden.
Die Beklagte betreibt eine Druckerei. Sie ist auf Grund einer Verweisung in dem für sie geltenden Firmentarifvertrag an den Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 6. Februar 1997 (MTV) gebunden. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt nach § 3 Nr. 1 MTV 35 Stunden. Der Kläger ist bei der Beklagten als Tiefdrucker in der Rotation beschäftigt. Er ist im Vier-Schicht-Rhythmus eingesetzt. Auf eine Woche Frühschicht, eine Woche Spätschicht und einer Woche Nachtschicht an jeweils allen Werktagen zu je acht Stunden folgt eine arbeitsfreie Woche.
Am 3. April 2000 schloß die Beklagte mit dem Betriebsrat eine “Rahmenbetriebsvereinbarung zum Reinvestitionsprojekt in der Druckerei I” (BV). In deren Einleitung heißt es, zwischen den Betriebsparteien bestehe Einigkeit darüber, daß zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs und zur zukünftigen Standortsicherung gemeinsame Maßnahmen erforderlich seien, die nicht nur die Modernisierung des Maschinenparks, sondern auch die Senkung von Personalkosten beträfen. Die BV enthält anschließend folgende Regelungen:
“II. Arbeitszeit und Arbeitsflexibilisierung
Für die 4-Schicht-Mitarbeiter/innen des Betriebes werden neue Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit und Arbeitszeitflexibilisierung geschlossen. Insbesondere werden dafür die folgenden Inhalte vereinbart:
1. Formherstellung, Fortdruck, T + L und Betriebstechnik
a) 3 Flexi-Schichten als Überstunden
Das Unternehmen hat das Recht, zusätzlich zur jeweils tariflich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitzeit 3 sogenannte Flexi-Schichten pro Kalenderjahr von jedem/jeder 4-schichtig arbeitenden Mitarbeiter/in zum Abruf als Überstunden in bestimmten Freiwochen (sogenannten Bereitschaftsfreiwochen) abzufordern. Diese Flexi-Schichten werden auf einem einzurichtenden Flexi-Konto des/der Mitarbeiters/in zeitlich zusammengeführt und abgerechnet.
Am Ende des Vorjahres und im Zusammenhang mit der Urlaubsplanung legt das Unternehmen für jeden/jede Mitarbeiter/in von den diesem/dieser zustehenden Freiwochen 2 Bereitschaftsfreiwochen für den Abruf der Flexi-Schichten fest. In diesen Bereitschaftswochen besteht für den/die Mitarbeiter/in Rufbereitschaft.
Flexi-Schichten werden spätestens am Donnerstag vor der Bereitschaftsfreiwoche abgerufen. Das Unternehmen darf nur volle Schichten abrufen. Nachtschichten werden zusammenhängend abgerufen. Nur in einer der 2 Bereitschaftswochen darf ein Abruf auch für den Freitag und/oder den Samstag erfolgen.
Der/die Mitarbeiter/in hat als Gegenleistung für geleistete Flexi-Schichten die Wahl,
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entweder Freizeitausgleichstage im Verlauf des Jahres zu verlangen; diese werden mit dem Faktor 1,5 berechnet (z.B. 3 geleistete Flexi-Schichten bringen dem/der Mitarbeiter/in 4 freie Arbeitstage, der Rest geht als Zeitgutschrift auf das Freizeitkonto); zusätzlich werden die anfallenden Überstundenzuschläge für die gewerblichen Arbeitnehmer/für Angestellte der Druckindustrie laut Manteltarifvertrag gezahlt. Wenn der Freizeitausgleich im Verlauf des Jahres zu den/der vom/von der Mitarbeiter/in gewünschten Zeiten unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange nicht möglich war, besteht für den/die Mitarbeiter/in die Möglichkeit, diese Freizeitausgleichstage an den Urlaub des folgenden Kalenderjahres anzuhängen; |
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oder dem Unternehmen zu erklären, daß er/sie die Flexi-Schichten als Überstunden bezahlt bekommen möchte. |
Bezahlt bzw. in Freizeit abgegolten werden nur tatsächlich geleistete Flexi-Schichten.
b) 6 Sonntagsschichten als Überstunden
Am Ende des Vorjahres und im Zusammenhang mit der Urlaubsplanung trägt jeder/jede 4-schichtig arbeitende Mitarbeiter/in in Abstimmung mit der Abteilungsleitung mindestens 4, höchstens 10 Sonntage für das Kalenderjahr in einen vom Unternehmen den Produktionsabforderungen entsprechend vorgefertigten Arbeitszeitverteilungsplan ein, aus dem hervorgehen muß, an welchen Sonntagen wie viele Mitarbeiter/innen voraussichtlich benötigt werden. Die Eintragung gilt als Einverständniserklärung des/der Mitarbeiters/in zur Ableistung der eingetragenen Sonntagsschicht. Die Abforderung erfolgt durch das Unternehmen.
Bis zu 3 Sonntagsschichten kann das Unternehmen als Frühschichten einteilen, die übrigen als Nachtschichten. Für diese Frühschichten wird ein übertariflicher Zuschlag von 45 % brutto eines Stundenlohns pro Stunde zusätzlich gezahlt.
Das Unternehmen ist berechtigt, dem/der Mitarbeiter/in bis zu 2 Sonntagsschichten mit einer Frist von 16 Kalendertagen vor dem eingeplanten Sonntag abzusagen. Hinsichtlich der abgesagten Schichten kann der/die Mitarbeiter/in wählen, ob er/sie den Zeitwert der abgesagten Schichten dem Unternehmen zum Abruf als Flexi-Schichten erneut zur Verfügung stellen will oder nicht. Will er/sie diese Flexi-Schichten erneut zur Verfügung stellen, werden diese auf dem Flexi-Konto des/der Mitarbeiters/in zeitlich geführt und abgerechnet. Will der/die Mitarbeiter/in die abgesagten Schichten hingegen nicht erneut zur Verfügung stellen, so erlischt die Verpflichtung des/der Mitarbeiter/in hinsichtlich der betreffenden Sonntage. Die abgesagten Sonntagsschichten werden nicht bezahlt.
…
Der/die Mitarbeiter/in ist berechtigt, Sonntagsschichten mit anderen fachlich geeigneten Mitarbeitern/innen zu tauschen oder an diese zu übertragen. In jedem Fall muß die Ersatzbeschaffung durch die Mitarbeiter/innen erfolgen und muß ein Tausch bzw. eine Übertragung vorher mit dem Schichtführer/Teamleiter abgesprochen sein.
Zur Klarstellung: Für geleistete Sonntagsschichten und für Flexi-Schichten aus abgesagten Sonntagsschichten besteht das Wahlrecht des/der Mitarbeiters/in gemäß 1. a) nicht (kein Faktor 1,5!). Hinsichtlich dieser Schichten bleibt es bei der tariflichen Möglichkeit der Freizeitabgeltung für Überstunden (§ 5 Nr. 3 bzw. § 7 Nr. 8 Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/für Angestellte der Druckindustrie).
c) Freiwilligkeitsprinzip
Finden sich nicht genügend geeignete Mitarbeiter/innen auf freiwilliger Basis, teilt das Unternehmen die Mitarbeiter/innen zur Überstundenableistung ein. Diese Einteilung ist für die Mitarbeiter/innen verpflichtend. Bei der Einteilung zu Sonntagsschichten werden vorzugsweise Mitarbeiter/innen herangezogen, die weniger als 6 Sonntage im Arbeitszeitverteilungsplan eingetragen hatten. Für die 4-Schicht-Mitarbeiter besteht über die Flexi-Schichten und die Sonntagsschichten hinaus eine Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden nur noch, soweit ihr Arbeitsvertrag dies ausdrücklich vorsieht oder soweit die Treuepflicht des Arbeitnehmers dies verlangt. Die Betriebsfibel (S. 17) kann insoweit zur Begründung einer weitergehenden Verpflichtung nicht angerührt werden.
d) Zustimmung und Mitwirkung des Betriebsrats
Der Betriebsrat stimmt hiermit den gemäß dieser Rahmenbetriebsvereinbarung geregelten Überstunden für die 3 Flexi-Schichten, einschließlich der Festlegung der 2 Bereitschaftsfreiwochen und der Festlegung der einzelnen Flexi-Schichten durch das Unternehmen (siehe oben a) ), und den jeweils eingetragenen Sonntagsschichten (siehe oben b) ), und der Auswahl der Mitarbeiter gemäß § 87 I BetrVG zu. Das Unternehmen darf mit dieser Zustimmung bezogen auf jede Funktionsgruppe einer Abteilung insgesamt so viele Sonntagsschichten einteilen, wie sich rechnerisch ergeben würden, wenn jeder zugehörige 4-Schicht-Arbeiter 6 Sonntagsschichten leisten würde (Durchschnittsbetrachtung; Beispiel: 100 beschäftigte Drucker in der Abteilung Fortdruck × 6 Sonntagsschichten: Das Unternehmen darf dann 600 Mann-Schichten innerhalb der Funktionsgruppe Drucker in der Abteilung Fortdruck abrufen). Über die Lage der Bereitschaftsfreiwochen, die Lage der einzelnen Flexi-Schichten und der Sonntagsschichten sowie den Abruf dieser Schichten wird der Betriebsrat nach der Festlegung bzw. Einplanung informiert. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist damit für die vorgenannten Fälle verbraucht; dieses bleibt ausdrücklich vorbehalten für Überstunden, die über die geregelten Flexi-Schichten und Sonntagsschichten hinausgehen.
Weiter wird der Betriebsrat den Anträgen des Unternehmens zur Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Sonntagsarbeit entsprechend dieser Vereinbarung nach dem ArbZG, soweit erforderlich, zustimmen und verpflichtet sich im Rahmen seiner Zuständigkeit, das Unternehmen bei dessen Anträgen in geeigneter Weise zu unterstützen.
…
VIII. Laufzeit, Kündigung, Inkrafttreten, Teilkündigung, Anpassungsregeln
1. Diese Rahmenbetriebsvereinbarung gilt ab Unterzeichnung auf unbestimmte Zeit. Sie ist erstmals mit einer Frist von 24 Monaten zum 31.12.2004 kündbar. Sollte eine Kündigung nicht erfolgt sein und die 2. Rotationsmaschine … bis zum 31.12.2004 bestellt sein, verlängert sich die Laufzeit der Rahmenbetriebsvereinbarung bis zum 31.12.2009 mit einer Kündigungsfrist von 24 Monaten. Im Anschluß ist die Rahmenbetriebsvereinbarung mit einer Frist von 6 Monaten zum 31.12. eines jeden Jahres kündbar. Die jährliche Kündigungsmöglichkeit gilt auch, wenn die Rahmenbetriebsvereinbarung nicht zum 31.12.2004 gekündigt worden ist und die 2. Rotationsmaschine gemäß Satz 2 gleichwohl nicht rechtzeitig bestellt worden ist; der nächste Endtermin ist dann der 31.12.2005.
2. Die Regelungen treten am 01.01.2001 in Kraft. …”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die BV stelle keine rechtliche Grundlage dafür dar, ihn gegen seinen Willen zur Leistung von Überstunden heranzuziehen. Die BV sei unwirksam. Ihre Regelungen seien nicht durch § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gedeckt. Sie sähen nicht die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit aus einem konkreten Anlaß vor, sondern die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Möglichkeit, die tarifliche Arbeitszeit Jahr für Jahr um 1,38 Stunden wöchentlich oder 72 Stunden jährlich zu verlängern. Darin liege zugleich ein unzulässiger Verzicht des Betriebsrats auf seine Mitbestimmungsrechte im Einzelfall. Im übrigen hat der Kläger gemeint, er sei auch individualrechtlich zur Leistung von Überstunden gegen seinen Willen nicht verpflichtet; das Direktionsrecht des Arbeitgebers reiche dafür nicht hin.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß er ohne seine ausdrückliche Zustimmung nicht verpflichtet ist, Überstunden im Rahmen sog. Flexi- bzw. Sonntagsschichten auf der Grundlage der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 3. April 2000 abzuleisten;
- der Beklagten aufzugeben es zu unterlassen, ihn ohne seine ausdrückliche Zustimmung in eine/n Arbeitszeitverteilungsplan/Überstundenliste für die Ableistung von Flexi- bzw. Sonntagsschichten aufzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Antrag zu 2. sei unzulässig. Der Streit der Parteien werde schon durch eine Entscheidung über den Antrag zu 1. vollständig geklärt. Zumindest sei die Klage unbegründet. Die Regelungen der BV seien durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gedeckt. Sie sähen lediglich die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit vor. Dies zeige sich schon daran, daß nur die Möglichkeit eines Abrufs von Zusatzschichten eröffnet, und nicht eine unbedingte Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit vereinbart worden sei. Zudem würden die Überarbeitszeiten mit dem Faktor 1,5 gewertet und grundsätzlich in Freizeit ausgeglichen. Es komme deshalb im Jahresdurchschnitt nicht einmal zu einer Erhöhung der tariflichen Arbeitszeit.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der Kläger ist auch ohne seine ausdrückliche Zustimmung zur Arbeitsleistung im Rahmen der “Flexi”- und Sonntagsschichten verpflichtet. Die BV vom 3. April 2000, die dem zugrunde liegt, ist wirksam.
Die Klage ist zulässig.
1. Der Feststellungsantrag ist auf das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Rechtsverhältnis ist eine aus dem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung von Personen untereinander oder zu einem Gegenstand (BGH 15. Oktober 1956 – III ZR 226/55 – BGHZ 22, 44, 47). Darunter fallen auch einzelne Folgen solcher Rechtsbeziehungen, etwa ein einzelner Anspruch oder dessen Negation (BAG 12. Dezember 1984 – 7 AZR 509/83 – BAGE 47, 314, 318; 28. November 1984 – 5 AZR 123/83 – BAGE 47, 238, 245 mwN; Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 256 Rn. 7). Ausgeschlossen ist nur, einzelne Vorfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder abstrakte Rechtsfragen zum Gegenstand einer Feststellungsklage zu machen (BAG 20. Februar 1959 – 1 AZR 472/56 – AP ZPO § 256 Nr. 19; BGH 3. Mai 1977 – VI ZR 36/74 – BGHZ 68, 331). Der Kläger begehrt die Feststellung, daß er ohne seine Zustimmung nicht verpflichtet ist, Überstunden auf der Grundlage der BV zu leisten. Damit stellt er das Bestehen bestimmter Ansprüche der Beklagten in Abrede, die sich aus dieser Betriebsvereinbarung ergeben könnten. Dies ist zulässiger Inhalt einer negativen Feststellungsklage.
Der Kläger besitzt auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung. Die Beklagte hält ihn auch in Zukunft zur Arbeitsleistung nach Maßgabe der BV für verpflichtet. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, die entsprechende Leistung bei ihrer Abforderung zu verweigern und die rechtliche Klärung des Umfangs seiner Arbeitspflicht dem Verfahren über die Wirksamkeit möglicher Sanktionen seitens der Beklagten zu überlassen. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich den damit verbundenen Risiken auszusetzen.
2. Der Unterlassungsantrag bedarf als negativer Leistungsantrag keines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses. Die Frage, ob durch die betreffende Handlung der Beklagten Rechtspositionen des Klägers tatsächlich verletzt sein können, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags. Auch die für Unterlassungsansprüche vorausgesetzte Wiederholungsgefahr ist keine prozeßrechtliche Frage des Rechtsschutzinteresses; die Gefahr von Wiederholungen gehört zur Anspruchsbegründung (BAG 12. September 1984 – 1 AZR 342/83 – BAGE 46, 322, 329).
Der Antrag ist hinreichend bestimmt. Der Inhalt eines Unterlassungsantrags muß dem Umstand Rechnung tragen, daß die begehrte Entscheidung als Vollstreckungstitel dienen soll. Danach richten sich die Anforderungen an seine Bestimmtheit (BAG 17. November 1998 – 1 ABR 12/98 – BAGE 90, 194, 198). Die Tätigkeit, die die Beklagte unterlassen soll, ist genau bezeichnet. Es ist objektiv hinreichend deutlich und auch zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, was unter einem “Arbeitszeitverteilungsplan” und einer “Überstundenliste” zu verstehen ist.
Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist nach Maßgabe der BV vom 3. April 2000 verpflichtet, bei Anforderung durch die Beklagte “Flexi”- und Sonntagsschichten zu leisten. Mit Recht ist das Landesarbeitsgericht von der Wirksamkeit der BV ausgegangen.
1. Die BV verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG. Zwar unterfällt der Betrieb der Beklagten dem räumlichen, betrieblichen und fachlichen, der Kläger dem persönlichen Geltungsbereich des MTV. Die BV beschränkt sich jedoch auf Regelungen zur vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit, die dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterliegen. Insoweit besteht die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht (vgl. BAG GS 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134; BAG 24. Januar 1996 – 1 AZR 597/95 – BAGE 82, 89).
a) Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden ist für die im Vier-Schicht-Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer – wie den Kläger – auf drei Wochen zu je 48 Arbeitsstunden bei einer anschließenden Freiwoche verteilt. Dieses Schichtsystem stellt die betriebsübliche Arbeitszeit des Klägers iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG dar. Betriebsübliche Arbeitszeit ist die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit (BAG 21. November 1978 – 1 ABR 67/76 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 7). Sie wird bestimmt durch den regelmäßig geschuldeten zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung und die für ihn erfolgte Verteilung auf einzelne Zeitabschnitte (BAG 11. Dezember 2001 – 1 ABR 3/01 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 93 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 64 mwN). Dabei muß die betriebsübliche Arbeitszeit nicht einheitlich sein oder zumindest für die Mehrzahl der im Betrieb Beschäftigten zutreffen, sondern kann für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedlich sein (BAG 23. Juli 1996 – 1 ABR 13/96 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 56).
b) Die betriebsübliche Arbeitszeit des Klägers wird durch Nr. II 1a und b BV nicht dauerhaft, sondern allenfalls vorübergehend verlängert.
aa) Eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit liegt vor, wenn es sich um eine Abweichung von dem allgemein geltenden Zeitvolumen mit anschließender Rückkehr zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit handelt (BAG 27. Januar 1998 – 1 ABR 35/97 – AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 58); die Verlängerung darf nur für einen überschaubaren Zeitraum und nicht auf Dauer erfolgen (Fitting BetrVG 21. Aufl. § 87 Rn. 133 mwN; GK-BetrVG/Wiese 7. Aufl. § 87 Rn. 384 mwN; ErfK/Hanau/Kania 3. Aufl. § 87 BetrVG Rn. 33). Ob eine Verlängerung der Arbeitszeit nur vorübergehend oder dauerhaft erfolgt, hängt davon ab, ob sie die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit in ihrer Regelhaftigkeit und als die “normale” betriebliche Arbeitszeit der betreffenden Arbeitnehmer unverändert läßt oder gerade diese Norm ändert und zu einer neuen regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit führt. Maßgeblich ist damit, ob die bisherige betriebsübliche Arbeitszeit die “übliche” bleibt und die Arbeitszeitverteilung bezüglich der einzelnen Arbeitnehmer weiterhin prägt.
bb) Das ist hier der Fall. Die betriebsübliche Arbeitszeit des Klägers hat sich nicht dauerhaft verlängert. Nach Nr. II 1a BV hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, “zusätzlich zur jeweils tariflich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit” drei sog. Flexi-Schichten pro Kalenderjahr “als Überstunden” abzurufen. Nach Nr. II 1b BV sind die Beschäftigten im Fortdruck ferner verpflichtet, ihre Arbeitskraft für mindestens vier, höchstens zehn von ihnen selbst zu bestimmende Sonntagsschichten im Kalenderjahr anzubieten, die der Arbeitgeber unter möglichst weitgehender Wahrung des Freiwilligkeitsprinzips ebenfalls abrufen darf. Nach II 1d BV darf dabei innerhalb der Abteilung Fortdruck pro Funktionsgruppe derjenige Gesamtumfang an Schichten nicht überschritten werden, der sich rechnerisch ergibt, wenn jedes Mitglied der Funktionsgruppe sechs Sonntagsschichten leisten würde.
(1) Anders als die Beklagte gemeint hat, fehlt es allerdings bei der Durchführung dieser Regelungen nicht generell an einer Verlängerung der Arbeitszeit. Zwar ist der Abruf der Flexi-Schichten gemäß Nr. I 1a BV nach Wahl des Arbeitnehmers mit der Möglichkeit des Freizeitausgleichs – sogar berechnet mit dem Faktor 1,5 – verbunden. Kommt es zum Freizeitausgleich, stellt sich deshalb die Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit im Ergebnis als eine – von § 3 Nr. 1 Abs. 9 MTV grundsätzlich gedeckte – andere, flexible Verteilung der Arbeitszeit dar, ohne deren (jährliches) Gesamtvolumen zu erhöhen. Selbst als dauerhafte Regelung verstieße eine solche Handhabung nicht gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG iVm. § 3 MTV (vgl. GK-BetrVG/Wiese 7. Aufl. § 87 Rn. 384). Möglich ist jedoch, daß die Arbeitnehmer nicht den Freizeitausgleich, sondern die Bezahlung der Überstunden bevorzugen. Dann wäre nicht nur die betriebsübliche Arbeitszeit, sondern auch das Gesamtvolumen der tariflichen Arbeitszeit erweitert.
Bezüglich der Sonntagsschichten besteht außerdem schon das Wahlrecht der Arbeitnehmer gemäß Nr. II 1b BV iVm. § 5 Nr. 3 MTV nicht in gleicher Weise. In der tariflichen Bestimmung heißt es, Überstunden könnten in Geld oder Freizeit abgegolten werden. Es spricht einiges dafür, daß es sich dabei um eine Wahlmöglichkeit für den Arbeitgeber und nicht um ein Wahlrecht der Arbeitnehmer handelt. In jedem Fall ist für die Sonntagsschichten noch weniger sichergestellt, daß sich durch ihren Abruf das Gesamtvolumen der tariflichen Arbeitszeit nicht doch erhöht. Damit ist nicht gewährleistet, daß die Regelungen der BV zu einer bloßen Arbeitszeitflexibilisierung führen.
(2) Auch wenn die Inanspruchnahme der zusätzlichen Schichten dazu führen sollte, daß sich, bezogen etwa auf ein Jahr, bei den betroffenen Arbeitnehmern das Gesamtvolumen der Arbeitszeit ausweitet, führt dies nicht zu einer Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit. Diese Folge ist vielmehr von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gedeckt. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, daß von einem Arbeitnehmer Jahr für Jahr alle drei zusätzlichen Flexi-Schichten und alle von ihm eingetragenen – bis zu zehn – Sonntagsschichten abgefordert werden, stellt sich Nr. II 1 BV als Regelung zur nur vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit dar. Den zusätzlichen Schichten fehlt sowohl nach Häufigkeit als auch nach Lage die Regelhaftigkeit, die für die betriebsübliche Arbeitszeit kennzeichnend ist.
Zum einen ist der Eintritt einer Arbeitszeitverlängerung gar nicht gewiß. Zur Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit durch die Flexi-Schichten kommt es nur, falls diese – spätestens am Donnerstag der jeweiligen Vorwoche – von der Beklagten tatsächlich abgerufen werden. Ist die Verlängerung der Arbeitszeit ungewiß und vom Abruf durch den Arbeitgeber abhängig, kann sie schon aus diesem Grunde nur vorübergehend sein (zutreffend Gutzeit BB 1996, 106, 111). Die Leistung von Sonntagsschichten steht zwar nicht vollständig unter Abrufvorbehalt. Die Möglichkeit zur Absage besteht nach Nr. II 1b Abs. 3 BV nur für zwei eingetragene Sonntagsschichten; bezüglich der übrigen Schichten bleibt die Beklagte – auch wenn sie sie nicht abrufen sollte – zur Lohnzahlung verpflichtet. Auch hier steht aber nicht fest, daß die Schichten, auch soweit sie nicht abgesagt worden sind, tatsächlich abgerufen werden.
Zum anderen ist die Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer auf insgesamt höchstens drei Werktags- und zehn Sonntagsschichten begrenzt. In den dreizehn Freiwochen des Jahres mit ihren insgesamt 78 Freischichten sind folglich höchstens drei Schichten zusätzlich abrufbar; von den 52 arbeitsfreien Sonntagen sind es höchstens zehn. Auch wenn die jährlichen Urlaubswochen zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, kann unter diesen Umständen nicht davon gesprochen werden, daß die übliche betriebliche Arbeitszeit in ihrer Regelhaftigkeit durch die von der BV eröffneten Möglichkeiten eine andere geworden wäre. Die Leistung von Zusatzschichten hat vielmehr weiterhin Ausnahmecharakter.
(3) Der Umstand, daß durch die BV auf lange Zeit die Pflicht der Arbeitnehmer begründet wird, sich jährlich – nach einem von der Beklagten aufgestellten Plan über das Jahr verteilt – an zwei Freiwochen für den Abruf von Arbeit bereit zu halten und für mindestens vier Sonntagsschichten die Arbeitskraft anzubieten, steht der Einordnung der Zusatzschichten als nur vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht entgegen. Allerdings ist die BV ein Regelungswerk von längerer Dauer. Sie ist nach dann vierjähriger Geltung erstmals zum 31. Dezember 2004 kündbar und verlängert sich im Fall der Nichtausübung des Kündigungsrechts und der bis dahin erfolgten Anschaffung einer zweiten Rotationsmaschine mindestens bis zum 31. Dezember 2009. Auch verpflichten sich die Arbeitnehmer mit großem zeitlichen Vorlauf zur Leistung der zusätzlichen Schichten. Prägend für die mitbestimmungsrechtliche Einordnung ist aber nicht die Laufzeit der Regelung und der aus ihr resultierenden Pflichten, sondern der Charakter der nach ihr zu leistenden Arbeit während der Bereitschaftszeiten und an den betreffenden Sonntagen, durch die es zu einer Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit kommt. Diese ist jeweils nur vorübergehend (so bezüglich der Einrichtung von Rufbereitschaft BAG 21. Dezember 1982 – 1 ABR 14/81 – BAGE 41, 200, 202 f.; bezüglich der Einrichtung von Bereitschaftsdienst BAG 29. Februar 2000 – 1 ABR 15/99 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 81 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 61; Schlegel Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Überstunden nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG S. 68 f.). Hier kommt hinzu, daß die vorläufige Rufbereitschaft zur Leistung der Flexi-Schichten spätestens am Donnerstag der Vorwoche entweder in konkrete Zusatzschichten überführt oder ganz aufgehoben wird.
2. Eine Unwirksamkeit der für den Kläger einschlägigen Regelungen in Nr. II 1a bis d BV ergibt sich auch nicht daraus, daß der Betriebsrat auf sein insoweit bestehendes Mitbestimmungsrecht in unzulässiger Weise verzichtet hätte. Das wäre etwa dann der Fall, wenn der Betriebsrat der Beklagten pauschal und ohne Beschränkung die Befugnis eingeräumt hätte, Überstunden anzuordnen, wann immer sie dies für erforderlich erachte. Eine solche Handhabung wäre gesetzeswidrig. Der Betriebsrat kann sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben, daß er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet (BAG 23. März 1999 – 1 ABR 33/98 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 80 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 60; 18. November 1998 – 1 ABR 12/98 – BAGE 90, 194, 202; Fitting BetrVG 21. Aufl. § 87 Rn. 25).
Ein solcher Ausschluß des Mitbestimmungsrechts liegt hier nicht vor. Vielmehr hat der Betriebsrat die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit wesentlich mitgestaltet. So sind durch die BV das zur Abforderung von Überstunden einzuhaltende Verfahren, der insgesamt und bezogen auf die einzelnen Arbeitnehmer zulässige Höchstumfang einer Heranziehung, die Verteilung des benötigten Zeitvolumens auf die einzelnen Arbeitnehmer, die Pflicht zur Beachtung des Freiwilligkeitsgrundsatzes und der zu gewährende Ausgleich für abgerufene Überstunden im einzelnen vorgegeben. Hierin liegt der vom Kläger zu Unrecht vermißte Schutz vor Ungleichbehandlungen durch die Beklagte. Diese ist gehalten, ausschließlich die getroffenen Vereinbarungen anzuwenden und diese korrekt einzuhalten. Soweit sie davon abweichen sollte, stehen dem Kläger individuelle Rechtsschutzmöglichkeiten offen.
Der Betriebsrat hat der Beklagten allerdings gestattet, nach diesen Maßgaben bei Bedarf Zusatzschichten anzuordnen, ohne dafür in jedem Einzelfall die genauen Gründe darlegen, mit ihm über mögliche andere Wege beraten und erneut seine Zustimmung einholen zu müssen. Auf diese Weise hat die BV der Beklagten pauschal die Möglichkeit eröffnet, erhöhten Produktionsbedarf oder Personalengpässe durch die Anordnung von Überstunden zu bewältigen. Das steht der Wirksamkeit der BV nicht entgegen. Zwar kann auch durch Betriebsvereinbarung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht aufgehoben oder eingeschränkt werden. Wird es durch den Abschluß einer Betriebsvereinbarung ausgeübt, kann diese aber vorsehen, daß der Arbeitgeber berechtigt ist, unter bestimmten – in der Vereinbarung geregelten – Voraussetzungen eine Maßnahme allein zu treffen (BAG 26. Juli 1988 – 1 AZR 54/87 – AP BetrVG 1972 § 87 Provision Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 87 Leistungslohn Nr. 16). Das Gesetz fordert nicht, daß zu jeder einzelnen mitbestimmungspflichtigen Anordnung jeweils die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt wird, wenn dieser seine Zustimmung – etwa für immer wieder auftretende Eilfälle – im Voraus erteilt hat (BAG 2. März 1982 – 1 ABR 74/79 – BAGE 38, 96, 104). Dadurch darf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur nicht in seiner Substanz verletzt werden (BAG 17. November 1998 – 1 ABR 12/98 – BAGE 90, 194, 200; 26. Juli 1988 – 1 AZR 54/87 – aaO mwN). Die bloße Möglichkeit einer Alleinentscheidung durch den Arbeitgeber reicht aber zu einer solchen Substanzbeeinträchtigung nicht hin.
Hier enthält die BV detaillierte Regelungen über die mit der einseitigen Anordnungsbefugnis der Beklagten verbundenen Verfahrens- und Verteilungsmodalitäten. Auf diese Weise hat der Betriebsrat den mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verbundenen Auftrag, über den Umfang und die Verteilung der zu leistenden Überarbeit zu wachen, wahrgenommen. Er hat lediglich die Regelungsfrage, ob erhöhtem Arbeitskräftebedarf überhaupt durch die Ableistung von Überstunden oder auf andere Weise begegnet werden soll, pauschal zugunsten der ersten Alternative beantwortet. In dieser Vorabzustimmung liegt keine substantielle Einschränkung seines Mitbestimmungsrechts, sondern für die Laufzeit der BV dessen Ausübung.
3. Der Klageantrag zu 1. ist auch nicht etwa deshalb begründet, weil der Kläger trotz Wirksamkeit der BV nicht verpflichtet wäre, nach Maßgabe ihrer Regelungen bei Anforderung durch die Beklagte Überstunden zu leisten. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, selbst eine wirksame Regelung in einer Betriebsvereinbarung komme ohne entsprechende individualrechtliche Abrede als Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Leistung von Überarbeit nicht in Frage. Das trifft nicht zu. Zwar bedarf die unfreiwillige Heranziehung zu Überstunden im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien einer besonderen Rechtsgrundlage. Eine entsprechende Befugnis ist nicht selbstverständlicher Bestandteil des Direktionsrechts des Arbeitgebers (BAG 25. März 1987 – 5 AZR 691/85 – zu III der Gründe; ErfK-Preis 3. Aufl. BGB § 611 Rn. 825; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 10. Aufl. § 45 Rn. 68; Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 87 Rn. 184 mwN). Eine solche Rechtsgrundlage liegt hier aber vor.
Neben der arbeitsvertraglich – ausdrücklich oder konkludent – erklärten Bereitschaft zur Ableistung von Überstunden, einer entsprechenden tarifvertraglichen Verpflichtung und einer sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergebenden Nebenpflicht des Arbeitnehmers kann auch eine Betriebsvereinbarung rechtliche Grundlage für die Verpflichtung zur Leistung von Überstunden sein. Gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG sind Betriebsvereinbarungen in der Lage, unmittelbar gegenseitige Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien zu begründen, soweit auf diese Weise nicht zu Lasten der Arbeitnehmer in hiergegen gesicherte individualrechtliche Positionen und Ansprüche eingegriffen wird. In diesen Grenzen vermag eine Betriebsvereinbarung deshalb die individuellen Arbeitsverträge auch hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit ohne Rücksicht auf den Willen der Arbeitnehmer vorübergehend zu ändern. Die erforderliche rechtliche Ermächtigung folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG selbst (vgl. BAG 14. Februar 1991 – 2 AZR 415/90 – AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kurzarbeit Nr. 1 – bezüglich der Einführung von Kurzarbeit; ErfK/Hanau/Kania 3. Aufl. § 77 BetrVG Rn. 100, § 87 BetrVG Rn. 31; GK-BetrVG/Wiese 7. Aufl. § 87 Rn. 363, 365; Richardi BetrVG 8. Aufl. § 87 Rn. 335, 360; Schoof in Kittner/Zwanziger Arbeitsrecht 2. Aufl. § 43 Rn. 19; aA offenbar Fitting BetrVG 21. Aufl. § 87 Rn. 141).
Im Streitfall greifen die Regelungen der BV nicht in Rechtspositionen des Klägers ein. Ist zwischen den Arbeitsvertragsparteien – wie hier – eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Überstunden nicht ausgeschlossen, ist der Arbeitsvertrag in diesem Punkt für Betriebsvereinbarungen offen. Unter dieser Voraussetzung ist eine individualrechtliche Wirkungsgrenze für die Regelung von Überstunden durch eine BV nicht feststellbar. Solange die Überstunden nicht unentgeltlich erbracht werden sollen, bleibt das Synallagma der vertraglichen Beziehung im Sinne der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung schon deshalb unberührt. Weil die Verlängerung der Arbeitszeit nur vorübergehend erfolgt, wird von den Betriebsparteien in das Synallagma auch im Sinne einer zeitlichen Begrenzung der vom Arbeitnehmer übernommenen Arbeitspflichten nicht in unzulässiger Weise eingegriffen.
4. Der Klageantrag zu 2. Ist gleichfalls unbegründet. Die Befugnis der Beklagten zur Vornahme der vom Antrag erfaßten Handlungen ergibt sich aus den Regelungen der BV. Der Antrag wäre im übrigen selbst dann unbegründet, wenn sich die BV als unwirksam erwiesen hätte. Allein durch die Aufnahme in einen Arbeitszeitverteilungsplan oder eine Überstundenliste werden Rechtspflichten des Klägers nicht begründet. Es handelt sich um einen rechtlich bedeutungslosen Vorgang ohne Außenwirkung. Damit besteht für einen möglichen Unterlassungsanspruch keine rechtliche Grundlage.
Unterschriften
Wißmann, Linsenmaier, Kreft, Rösch, Blank
Fundstellen
Haufe-Index 969644 |
BAGE 2004, 204 |
BB 2003, 2132 |
DB 2004, 385 |
BuW 2003, 836 |
AiB 2012, 51 |
ARST 2004, 116 |
EWiR 2004, 631 |
FA 2003, 278 |
JR 2005, 307 |
NZA 2003, 1155 |
SAE 2004, 80 |
AP, 0 |
AuA 2004, 47 |
EzA-SD 2003, 9 |
EzA |
MDR 2003, 1422 |
ArbRB 2003, 297 |
BAGReport 2003, 303 |
SPA 2003, 6 |