Entscheidungsstichwort (Thema)
Einrede des Schiedsvertrages und Nachwirkung eines Tarifvertrages
Leitsatz (redaktionell)
Ein gekündigter Tarifvertrag über Gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (hier Bühnenschiedsgerichtsbarkeit) wirkt entgegen § 4 Abs. 5 TVG nicht nach, wenn die Tarifvertragsparteien die Nachwirkung ausschliessen. Das kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten in der Art geschehen, daß die Tarifvertragsparteien die Gemeinsame Einrichtung nicht mehr unterhalten.
Orientierungssatz
Auslegung des Tarifvertrages vom 23.1.1985 über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre.
Normenkette
TVG § 1; ZPO § 293; TVG § 4 Abs. 5; ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 2; ArbGG § 68 Fassung: 1979-07-02, § 64 Abs. 6 Fassung: 1979-07-02, § 102 Abs. 1 Fassung: 1979-07-02, § 101 Abs. 2 Fassung: 1979-07-02, § 102 Abs. 2 Nr. 4 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 18.03.1985; Aktenzeichen 5 Sa 92/84) |
ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 21.03.1984; Aktenzeichen 2 Ca 1334/83) |
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Sondervergütung für Auftritte in der Operette "Im weißen Rössel". In der Revisionsinstanz streiten die Parteien jedoch nur darüber, ob die von der Beklagten erhobene Einrede des Schiedsvertrages begründet ist.
Die Klägerin ist seit dem 1. August 1960 bei der Beklagten als Opernchorsängerin beschäftigt. Seit 1979 ist sie Mitglied der Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. in der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (im folgenden meistens kurz: VDO); vorher gehörte sie keiner Gewerkschaft an.
In § 7 des Arbeitsvertrages vom 3. Dezember 1971 ist vereinbart, daß sich das Vertragsverhältnis richten soll "nach dem Normalvertrag-Chor in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen sowie den übrigen vom Deutschen Bühnenverein über die Dienstverhältnisse der Chormitglieder abgeschlossenen Tarifverträgen". In § 9 des Arbeitsvertrages heißt es unter der Überschrift "Schiedsgericht" wie folgt:
Über alle Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis
entscheiden unter Ausschluß des ordentlichen Rechts-
weges die zwischen den Tarifvertragsparteien des
Normalvertrages-Chor vereinbarten Schiedsgerichte.
Gehört ein Mitglied bei Vertragsabschluß und bei
Klageerhebung keiner auf Arbeitnehmerseite betei-
ligten Tarifvertragspartei an, bestimmt der Kläger,
welches Schiedsgericht zuständig sein soll.
Der Normalvertrag-Chor (im folgenden: NV-Chor) vom 11. Mai 1979 ist auf Arbeitgeberseite vom Deutschen Bühnenverein-Bundesverband Deutscher Theater (im folgenden meistens kurz: DBV) und auf Arbeitnehmerseite von der VDO sowie von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (im folgenden meistens kurz: GDBA) abgeschlossen. § 26 NV-Chor lautet:
Bühnenschiedsgerichtsbarkeit
Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Sinne
des § 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes zwischen den
Arbeitsvertragsparteien sind unter Ausschluß der
Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die von den
vertragschließenden Parteien dieses Schiedsvertrages
nach Maßgabe der vereinbarten Bühnenschiedsordnungen
eingesetzten Schiedsgerichte zuständig.
Der DBV hat mit der GDBA und der VDO unterschiedliche Tarifverträge über die Errichtung von Schiedsgerichten abgeschlossen:
Zwischen dem DBV und der GDBA gilt die "Tarifvereinbarung für die Bühnenschiedsgerichte vom 1. Oktober 1948" in der (letzten) Fassung vom 30. März 1977. Nach dessen § 2 Abs. 1 sind die Schiedsgerichte gemeinsame Einrichtungen des DBV und der GDBA und werden von diesen unterhalten. Gemäß § 3 Abs. 1 werden Bezirksschiedsgerichte in fünf Städten, u.a. in Hamburg, gebildet, ferner das Oberschiedsgericht in Frankfurt.
Zwischen dem DBV und der VDO, der die Klägerin angehört, galt der "Tarifvertrag vom 30. März 1977 über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre" in der (letzten) Fassung vom 20. Januar 1981. Nach dessen § 2 Abs. 1 sind die Schiedsgerichte gemeinsame Einrichtungen des DBV und der VDO und werden von diesen unterhalten. Gemäß § 3 hat das Bühnenschiedsgericht für Opernchöre seinen Sitz in Köln, das Oberschiedsgericht für Opernchöre in Düsseldorf.
Den Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre hat die VDO zum 31. Dezember 1982 gekündigt. Danach ist das Bühnenschiedsgericht für Opernchöre nicht mehr tätig geworden. Inzwischen haben der DBV und die VDO den "Tarifvertrag vom 23. Januar 1985 über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre" abgeschlossen. Danach wird der zum 31. Dezember 1982 gekündigte Tarifvertrag vom 30. März 1977 über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre "am 1. August 1985" mit einigen Änderungen "in Kraft gesetzt". Die Änderungen betreffen im wesentlichen Sitz und Zusammensetzung der Schiedsgerichte.
Die Klägerin hat wegen ihrer Forderung zunächst mit Schriftsatz vom 18. Oktober 1982 Klage beim Bühnenschiedsgericht für Opernchöre in Köln erhoben. Dessen Obmann (Vorsitzender) hat ihrem Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 20. Januar 1983 mitgeteilt, der Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre sei mit dem 31. Dezember 1982 ausgelaufen. Über eine Neufassung sei zwischen den Tarifvertragsparteien DBV und VDO keine Einigung erzielt worden. Das von der Klägerin angerufene Schiedsgericht könne in dieser Sache daher nicht weiter tätig sein.
Daraufhin hat die Klägerin beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, nach der Kündigung des Tarifvertrages über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit zum 31. Dezember 1982 sei die ursprünglich gegebene ausschließliche Zuständigkeit des Bühnenschiedsgerichts für Opernchöre weggefallen. Die vom DBV mit der GDBA errichteten Bühnenschiedsgerichte seien für sie nicht zuständig. Zuständig seien nunmehr die Gerichte für Arbeitssachen.
Die Klägerin hat daher beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie
240,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Einrede des Schiedsvertrages erhoben und geltend gemacht, die Klägerin müsse das vom DBV und der GDBA eingerichtete Schiedsgericht in Hamburg anrufen. Dies ergebe sich aus ihrem Arbeitsvertrag. Die Parteien hätten dort ausdrücklich vereinbart, daß alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 2 ArbGG unter Ausschluß der Arbeitsgerichtsbarkeit vor dem Bühnenschiedsgericht verhandelt werden sollten. An diese Vereinbarung sei die Klägerin gebunden. Der Wegfall eines von zwei Schiedsgerichten stehe dem nicht entgegen. Insbesondere aus der Formulierung, daß ein Chormitglied, welches bei Vertragsabschluß oder bei Klageerhebung keiner der auf Arbeitnehmerseite beteiligten Tarifvertragsparteien angehöre, selbst zu bestimmen habe, welches Schiedsgericht zuständig sein solle, ergebe sich, daß der übereinstimmende Parteiwille dahin gegangen sei, Rechtsstreitigkeiten nur vor einem sachbezogen besetzten Bühnenschiedsgericht auszutragen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an das Arbeitsgericht zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, welche die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat richtig entschieden.
I. Die beim Arbeitsgericht anhängig gemachte Klage war zulässig. Die von der Beklagten erhobene Einrede des Schiedsvertrages ist nicht begründet. Die von dem Deutschen Bühnenverein - Bundesverband Deutscher Theater und der Genossenschaft Deutscher Bühnen - Angehöriger gebildeten und unterhaltenen Schiedsgerichte sind für den vorliegenden Rechtsstreit nicht zuständig. Nach § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG können die Tarifvertragsparteien für Arbeitsrechtsstreitigkeiten (u.a.) von Bühnenkünstlern die Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließen und die Zuständigkeit von Schiedsgerichten vereinbaren. Diese Vereinbarung gilt für tarifgebundene Personen (Satz 2). Auf nicht tarifgebundene Parteien erstreckt sie sich nur dann, wenn die Parteien dies ausdrücklich und schriftlich vereinbart haben (Satz 3). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Zuständigkeit der Schiedsgerichte weder allein aus § 26 NV-Chor noch aus § 9 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 3. Dezember 1971.
1. a) Der Normalvertrag-Chor vom 11. Mai 1979 ist auf Arbeitnehmerseite von zwei Gewerkschaften abgeschlossen worden, von der GDBA und von der VDO, deren Mitglied die Klägerin ist. § 26 NV--Chor verweist auf die von den Parteien dieses Tarifvertrages nach Maßgabe der vereinbarten Bühnenschiedsgerichtsordnungen eingesetzten Schiedsgerichte. Für die Mitglieder der VDO sind nach dieser Vorschrift die von der VDO mit errichteten und mitunterhaltenen Schiedsgerichte, für Mitglieder der GDBA die von diesem Verband mitgebildeten Schiedsgerichte zuständig. Damit hat § 26 NV-Chor für die Mitglieder der beiden Arbeitnehmerorganisationen einen unterschiedlichen Inhalt. Hätte der DBV mit der GDBA und der VDO getrennte, wenn auch übereinstimmende Tarifverträge abgeschlossen, wäre dies noch klarer zum Ausdruck gekommen.
§ 26 NV-Chor enthält keine Regelung für den Fall, daß die jeweilige Bühnenschiedsgerichtsordnung, die der DBV mit einer der beiden Arbeitnehmerorganisationen abgeschlossen hat, nicht mehr gilt. Die Vorschrift kann, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht dahin ausgelegt werden, daß dann die vom DBV mit der anderen - konkurrierenden - Arbeitnehmerorganisation vereinbarte Bühnenschiedsgerichtsordnung eintritt. Für eine solche Auslegung fehlt, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht hervorgehoben hat, jeder Anhaltspunkt. Es ist in der Tat kaum vorstellbar, daß eine Arbeitnehmerorganisation für den Fall, daß die von ihr selbst abgeschlossene Schiedsgerichtsordnung gekündigt ist, die Zuständigkeit der von der konkurrierenden Arbeitnehmerorganisation mitunterhaltenen Schiedsgerichte vereinbaren will. Wäre dies die Folge, würde die Kündigung eines solchen Tarifvertrages durch die jeweils beteiligte Gewerkschaft kaum noch in Betracht kommen. Wie sich aus § 102 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ergibt, geht der Gesetzgeber davon aus, daß entweder die Arbeitsvertrags- oder aber die Tarifvertragsparteien die Mitglieder des Schiedsgerichts ernennen. GDBA und DBV sind zwar Parteien eines Schiedsvertrages, aber nicht eines solchen, der auf die Klägerin anwendbar wäre. Für die Klägerin als Mitglied der VDO ist die GDBA nicht Tarifvertragspartei, sondern Dritter. Im Sinne von § 26 NV-Chor sind für Mitglieder der VDO nur die von dieser errichteten und mitunterhaltenen Schiedsgerichte von den Parteien dieses Tarifvertrages eingesetzt.
§ 26 NV-Chor hat mithin entgegen der Auffassung der Revision keine selbständige Bedeutung. Er ist vielmehr nur mit der jeweiligen Bühnenschiedsgerichtsordnung zusammen wirksam. Allein auf § 26 NV-Chor kann die Einrede des Schiedsvertrages nicht gestützt werden.
b) Die VDO hat den Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre vom 30. März 1977 zum 31. Dezember 1982 gekündigt. Entgegen § 4 Abs. 5 TVG hat dieser Tarifvertrag keine Nachwirkung, obwohl er normative Bestimmungen enthält (vgl. dazu BAG 15, 87, 92 = AP Nr. 11 zu § 101 ArbGG 1953, zu I 1 der Gründe; BAG 21, 273, 276 = AP Nr. 16 zu § 101 ArbGG 1953, zu 1 b der Gründe; RGZ 114, 194, 195).
Ob die Normen eines Tarifvertrages für Gemeinsame Einrichtungen überhaupt nachwirken können, ist umstritten (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 193 m.w.N.). Dieser Frage braucht hier jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Es ist nämlich anerkannt, daß die Tarifvertragsparteien die Nachwirkung ausschließen können (vgl. BAG Urteil vom 8. Mai 1974 - 4 AZR 288/73 - AP Nr. 1 zu §§ 22, 23 BAT Zulagen, Blatt 2; BAG Urteil vom 18. September 1974 - 4 AZR 536/73 - AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Zulagen, Blatt 2 R). Das kann ausdrücklich oder - wie hier - durch schlüssiges Verhalten der Tarifvertragsparteien geschehen. Der gekündigte Tarifvertrag betraf im Streitfall ausschließlich die Errichtung und Unterhaltung einer Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre.
Bei der Kündigung eines solchen Tarifvertrages geht der Wille der Parteien regelmäßig dahin, daß die gemeinsamen Einrichtungen der Schiedsgerichte nach dem Zeitpunkt, zu dem gekündigt wird, wegfallen (vgl. RGZ 114, 194, 195; Dersch/Volkmar, ArbGG, 6. Aufl., § 101 Rz 9 b; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 20. Aufl., § 1025 Rz 55, a.E.). Dieser Wille ist auch im vorliegenden Fall deutlich geworden. In seinem Schreiben vom 20. Januar 1983 hat der ehemalige Vorsitzende des Bühnenschiedsgerichts Köln die Auffassung vertreten, der Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre sei ausgelaufen. Das Schiedsgericht könne nicht mehr tätig werden. Auf entsprechende Anfrage des Landesarbeitsgerichts haben der DBV mit Schreiben vom 10. Dezember 1984 und die VDO mit Schreiben vom 15. Dezember 1984 den Wegfall der von ihnen bisher unterhaltenen Schiedsgerichte bestätigt.
Danach galt für die Zeit nach dem 31. Dezember 1982 kein Tarifvertrag mehr, der für Arbeitsrechtsstreitigkeiten zwischen Mitgliedern der VDO und Mitgliedern des DBV die Arbeitsgerichtsbarkeit ausschloß und die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts begründete.
2. Die Zuständigkeit des von der GDBA und dem DBV unterhaltenen Schiedsgerichts in Hamburg ergibt sich weiter nicht aus dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 3. Dezember 1971. Nach § 101 Abs. 2 Satz 3 ArbGG erstreckt sich eine tarifvertragliche Schiedsgerichtsvereinbarung auf nicht tarifgebundene Personen, wenn die Parteien des Einzelarbeitsvertrages dies ausdrücklich und schriftlich vereinbart haben. Das ist hier nicht der Fall.
a) § 9 des Arbeitsvertrages geht erkennbar vom Bestehen zweier Schiedsgerichtsbarkeiten aus. Sein Regelungsinhalt besteht darin, die Zuständigkeit der von den Tarifvertragsparteien unterhaltenen Schiedsgerichte auch auf Außenseiter zu erstrecken. Dabei war zugleich eine Bestimmung darüber erforderlich, welches der verschiedenen Schiedsgerichte zuständig sein sollte. Dies geschah dadurch, daß der klagenden Partei ein Wahlrecht eingeräumt wurde. Für Mitglieder der VDO und der GDBA hat § 9 des Arbeitsvertrages dagegen keine Bedeutung, weil sie nicht zu dem in Satz 2 genannten Personenkreis gehören. Für sie kann ein Bühnenschiedsgericht nur nach § 101 Abs. 2 Satz 2 ArbGG zuständig sein.
Insbesondere ergibt sich aus § 9 des Arbeitsvertrages ebensowenig wie aus § 26 NV-Chor, daß im Fall der Kündigung einer der beiden Bühnenschiedsgerichtsordnungen nunmehr die andere maßgebend sein soll. Die vom Landesarbeitsgericht verneinte Frage, ob eine einzelvertragliche Vereinbarung zulässig ist, mit der sich Mitglieder einer Gewerkschaft der Zuständigkeit von Schiedsgerichten unterwerfen, die die Arbeitgeberseite gemeinsam mit einer konkurrierenden Gewerkschaft unterhält, kann hier dahinstehen. Denn § 9 des Arbeitsvertrages enthält - wie auch die Revision nicht verkennt - keine solche Vereinbarung.
b) Mit Ablauf des 31. Dezember 1982 ist die ursprünglich ausschließliche Zuständigkeit des Bühnenschiedsgerichts für Opernchöre in Köln entfallen. Als die Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben wurde, bestand für die Klägerin keine Schiedsvereinbarung mehr. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Es konnte über seine sich nunmehr ergebende Zuständigkeit auch selbst entscheiden. Entgegen der Auffassung der Revision besteht kein Rechtssatz, wonach in Fällen wie dem vorliegenden erst die Schiedsgerichte über ihre Zuständigkeit zu befinden haben und dann die Arbeitsgerichte tätig werden können. Vielmehr gilt auch hier der Grundsatz, daß das angegangene Gericht über seine Zuständigkeit selbst entscheidet.
II. Die Klage ist durch den Tarifvertrag vom 23. Januar 1985 über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre nicht nachträglich unzulässig geworden.
Die Einrede des Schiedsvertrages gehört zu den verzichtbaren Rügen (BGHZ 24, 15, 19). Ob die Einrede aber stets in der ersten Instanz erhoben werden muß oder ob dies - und unter welchen Voraussetzungen - auch noch in den Rechtsmittelinstanzen zulässig ist, braucht vorliegend nicht erörtert zu werden. Diese Frage würde sich nur stellen, wenn der Tarifvertrag vom 23. Januar 1985, der eine Schiedsklausel enthält, sich rückwirkende Kraft beigelegt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.
Der Wille der Tarifvertragsparteien, daß ein von ihnen geschlossener Tarifvertrag rückwirkende Kraft haben soll, muß im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit deutlich und unmißverständlich zum Ausdruck kommen (BAG Urteil vom 5. März 1957 - 1 AZR 420/56 - sowie Urteil vom 20. Juni 1958 - 1 AZR 245/57 - AP Nr. 1 und Nr. 2 zu § 1 TVG Rückwirkung; BAG 7, 81 = AP Nr. 69 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 1. Dezember 1977 - 2 AZR 429/76 - BB 1978, 358; Wiedemann/Stumpf, aa0, § 4 Rz 134). Daran fehlt es hier. Im Tarifvertrag vom 23. Januar 1985 über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre heißt es nur, daß der zum 31. Dezember 1982 gekündigte Tarifvertrag vom 30. März 1977 über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre am 1. August 1985 mit bestimmten Änderungen in Kraft gesetzt werde. Bereits anhängige Verfahren sind nicht erwähnt. Daraus kann entgegen der Auffassung der Revision der Wille der Tarifvertragsparteien, auch die bereits anhängigen Verfahren den staatlichen Gerichten zu entziehen und der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterstellen, nicht hergeleitet werden.
III. Das Landesarbeitsgericht hat danach das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht aufgehoben und die Sache nach § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, der nach § 64 Abs. 6, § 68 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwendbar ist, an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Die Beklagte hat gemäß § 97 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen. Diese Vorschrift, die einen Fall der Kostentrennung enthält, ist auch dann anwendbar, wenn die Sache trotz Bestätigung des angefochtenen Urteils zugleich in die untere Instanz zurückverwiesen wird (BAG 21, 273, 276 f. = AP Nr. 16 zu § 101 ArbGG 1953, zu 2 der Gründe; Stein/Jonas/Leipold, aa0, § 97 Rz 3).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Halberstadt Dr. Frey
Fundstellen
Haufe-Index 440009 |
BAGE 53, 1-8 (LT1) |
BAGE, 1 |
DB 1987, 391-391 (LT1) |
NZA 1987, 178-179 (LT) |
RdA 1986, 408 |
AP § 4 TVG Nachwirkung (LT), Nr 12 |
AR-Blattei, ES 1550.6 Nr 27 (LT1) |
AR-Blattei, Tarifvertrag VI Entsch 27 (LT1) |
EzA § 4 TVG Nachwirkung, Nr 6 (LT) |