Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsausbildungsverhältnis - Klagefrist nach § 4 KSchG
Leitsatz (redaktionell)
Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über die fristgebundene Klageerhebung (§ 4, § 13 Abs 1 Satz 2 KSchG) sind auch auf außerordentliche Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen anzuwenden, sofern nicht gemäß § 111 Abs 2 Satz 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuß stattfinden muß (im Anschluß an BAG Urteil vom 13.4.1989, 2 AZR 441/88 = BAGE 61, 258 = AP Nr 21 zu § 4 KSchG 1969).
Verfahrensgang
Tatbestand
Der am 6. März 1969 geborene Kläger stand seit dem 1. September 1986 bei der Beklagten, die mehr als fünf Arbeitnehmer, ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, in einem Berufsausbildungsverhältnis als Werkzeugmacher. Im Zeitpunkt der Kündigung befand er sich im dritten Ausbildungsjahr; die Ausbildungsvergütung betrug zuletzt 860,-- DM brutto.
Die schulischen Leistungen des Klägers entsprachen nicht den Erwartungen; er erreichte mehrfach das Klassenziel nicht. Deshalb wurde auf seinen Antrag hin das ursprünglich bis zum 28. Februar 1989 befristete Berufsausbildungsverhältnis um ein Jahr verlängert.
Der Kläger war vom 2. bis 5. Mai 1989 krank geschrieben. Am darauffolgenden Arbeitstag, dem 8. Mai 1989, meldete er sich erneut telefonisch krank. Mit Schreiben vom 10. Mai 1989 wies die Beklagte darauf hin, daß die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch nicht eingegangen sei. Sie erbat seine Stellungnahme bis 12. Mai 1989 und drohte mit der vorzeitigen Auflösung des Ausbildungsverhältnisses, wenn in Zukunft auch nur die geringste Nachlässigkeit vorkommen sollte.
Der Kläger übersandte die erbetene Bescheinigung vor Ablauf der ihm gesetzten Frist. Am ersten Arbeitstag nach der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, dem 16. Mai 1989, meldete er sich wieder telefonisch krank. Mit Schreiben vom 22. Mai 1989, das dem Kläger am 24. Mai 1989 zuging, kündigte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis "vorzeitig" zum 30. Mai 1989.
Mit Schreiben vom 29. Mai 1989 rief der Kläger den Schlichtungsausschuß für Lehrlingsstreitigkeiten der IHK M an. Am 16. Juni 1989 teilte die IHK dem Kläger mit, die Angelegenheit sei zuständigkeitshalber an die Handwerkskammer S abgegeben worden. Mit Schreiben vom 20. Juli 1989 erinnerte der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers bei der Kreishandwerkerschaft S an das Verfahren, nachdem sich herausgestellt hatte, daß der Vorgang bei der Handwerkskammer S irrtümlich abgelegt worden war. Mit Schreiben vom 26. Juli 1989 teilte die Kreishandwerkerschaft mit, ein Schlichtungsausschuß gem. § 111 ArbGG bestehe in E nicht, so daß der Kläger direkt Klage erheben könne.
Mit seiner am 2. August 1989 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat geltend gemacht, er habe unverzüglich Klage erhoben, nachdem sich herausgestellt habe, daß in E kein Schlichtungsausschuß bestehe. Die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG gelte bei der Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen nicht. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des Berufsausbildungsgesetzes, wenn über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG die Regelung über die fristgebundene Anrufung des Arbeitsgerichts entsprechend angewandt würde. Es liege aber auch kein die außerordentliche Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses rechtfertigender wichtiger Grund vor.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Ausbildungsver-
hältnis zwischen den Parteien durch die
von der Beklagten am 22. Mai 1989 aus-
gesprochene fristlose Kündigung zum
30. Mai 1989 nicht aufgelöst worden ist,
sondern darüber hinaus fortbesteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger
als Werkzeugmacher-Auszubildenden bis
zum rechtskräftigen Abschluß des Arbeits-
gerichtsprozesses bzw. gegebenenfalls bis
zum Ende der Ausbildung (voraussichtlich
zum 28. Februar 1990) weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Auffassung, die Klage sei verspätet, weil sie nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG erhoben worden sei. Diese Vorschrift finde gemäß § 3 Abs. 2 BBiG Anwendung. Der Zweck der Klagefrist, eine rasche Klärung der Rechtslage herbeizuführen, gelte gleichermaßen für Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnisse. Die außerordentliche Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses sei auch berechtigt gewesen, weil der Kläger mehrfach gefehlt habe, ohne eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen.
Beide Vorinstanzen haben nach den Klageanträgen erkannt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage. Die Kündigung gilt gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, weil der Kläger die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt hat.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Vorschrift des § 4 Satz 1 KSchG sei generell auf die außerordentliche Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen nicht anwendbar, und die Kündigung wegen Fehlens eines wichtigen Grundes für unwirksam erachtet. Dieser Ansicht ist der Senat nicht gefolgt.
I.1. Wie der Senat bereits in den Urteilen vom 29. November 1984 - 2 AZR 354/83 - (AP Nr. 6 zu § 13 KSchG 1969, zu II 2 a der Gründe) und vom 13. April 1989 - 2 AZR 441/88 - (BAGE 61, 258, 267 = AP Nr. 21 zu § 4 KSchG 1969 = EzA § 13 n.F. KSchG Nr. 4, zu III 1 a der Gründe, m. zust. Anm. v. Brehm) ausgeführt hat, regelt das Kündigungsschutzgesetz nicht ausdrücklich die Frage, ob Auszubildende als Arbeitnehmer und Berufsausbildungsverhältnisse als Arbeitsverhältnisse anzusehen sind und das Gesetz deshalb grundsätzlich auch auf Ausbildungsverhältnisse anzuwenden ist. Andererseits bestimmt § 3 Abs. 2 BBiG, auf den Berufsausbildungsvertrag seien, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck und aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden. Im schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit zum BBiG vom 4. Juni 1969 ( BT-Drucks . V/4260, S. 5 f.) heißt es zu dieser Vorschrift, soweit arbeitsrechtliche Rechtsvorschriften beständen, die das Berufsausbildungsverhältnis nicht ausdrücklich einbezögen, z.B. das Kündigungsschutzgesetz, solle deren Anwendung sichergestellt sein. Ob das Kündigungsschutzgesetz danach allgemein auf Berufsausbildungsverhältnisse anzuwenden ist, mit der im Streitfall maßgeblichen Rechtsfolge, daß die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden muß, ist umstritten.
2. Das Bundesarbeitsgericht hatte die Frage, ob der Auszubildende gegenüber einer fristlosen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses durch den Ausbildenden gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG einzuhalten hat, zunächst offen gelassen (vgl. die Nachweise in dem Senatsurteil vom 13. April 1989, aaO, zu III 2 der Gründe). In dem vorbezeichneten Urteil (aaO, zu III 2 der Gründe) hat der Senat entschieden, die Fristenregelung sei jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn ein Schlichtungsverfahren nach § 111 Abs. 2 ArbGG durchzuführen sei. Er hat offen gelassen, ob die kündigungsschutzrechtliche Fristenregelung generell mit Entstehungsgeschichte sowie Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrages vereinbar sei, und ihre Anwendung jedenfalls deshalb für ausgeschlossen angesehen, weil § 111 Abs. 2 ArbGG eine in sich abgeschlossene Verfahrensregelung enthalte, die die allgemeine kündigungsschutzrechtliche Regelung verdränge.
Im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Instanzgerichte ist die Frage umstritten. Befürwortet wird die generelle Geltung des § 4 Satz 1 KSchG, der gänzliche Ausschluß dieser Vorschrift wie auch ihre Unanwendbarkeit im Falle des Bestehens eines Schlichtungsausschusses nach § 111 Abs. 2 ArbGG (vgl. die Nachweise in dem Senatsurteil vom 13. April 1989, aaO, zu III 1 b und c der Gründe).
II. Nach Ansicht des Senats ist die in dem Urteil vom 13. April 1989 nicht abschließend geklärte, nunmehr aber erhebliche Frage dahin zu beantworten, daß die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über die fristgebundene Klageerhebung (§ 4, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG) auch auf die außerordentlichen Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen anzuwenden sind, sofern nicht gemäß § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem Schlichtungsausschuß stattfinden muß.
1. Entgegen der Ansicht von Wenzel (BB 1969, 1402, 1404) und des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAGE § 5 KSchG Nr. 24) können aus der Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzgesetzes keine überzeugenden Argumente gegen die Anwendung der Regelungen über die Klagefrist hergeleitet werden. Es mag zutreffen, daß im Hinblick auf die ursprünglich geltende und durch das Gesetz vom 5. Juli 1976 (BGBl. I S. 1769) aufgehobene Mindestaltersgrenze von zunächst 20 und später 18 Lebensjahren das Kündigungsschutzgesetz für die überwiegende Zahl der Auszubildenden (Lehrlinge) von vornherein nicht in Betracht kam. Seine Anwendung auf diesen Personenkreis war aber andererseits auch nicht völlig ausgeschlossen, weil es auch damals ältere Lehrlinge gab. Auch mag für die Herabsetzung der Altersgrenze auf 18 Jahre durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106) und ihre Abschaffung durch das Gesetz vom 5. Juli 1976 (aaO) der Schutz der nicht oder nicht mehr in einem Berufsausbildungsverhältnis stehenden jugendlichen Arbeitnehmer im Vordergrund gestanden haben. Wie sich aus dem bereits vorstehend zitierten Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit zu § 3 des am 14. August 1969 erlassenen Berufsbildungsgesetzes (aaO) ergibt, hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich auch das Kündigungsschutzgesetz zu den arbeitsrechtlichen Vorschriften gezählt, die das Berufsausbildungsverhältnis nicht ausdrücklich in ihren Geltungsbereich einbeziehen und deren grundsätzliche Anwendung durch § 3 Abs. 2 BBiG sichergestellt werden sollte.
2. Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrages und das Berufsbildungsgesetz stehen der Anwendung der Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über die Klagefrist ebenfalls nicht entgegen.
Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 29. November 1984 (aaO, zu II 2 b der Gründe) näher dargelegt hat, ist es Zweck des Berufsausbildungsverhältnisses, dem Auszubildenden eine breit angelegte Grundausbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln. Auf dieses Ziel und damit auf einen länger dauernden Bestand sind die dem Auszubildenden im Rahmen seiner Berufsausbildung aufgetragenen Verrichtungen und erteilten Weisungen ausgerichtet. Aus den in dem vorbezeichneten Urteil im einzelnen erörterten Regelungen des Berufsbildungsgesetzes, insbesondere aus dem Ausschluß der ordentlichen Kündigung, aber auch aus der in § 102 BBiG eingeführten Ausdehnung des Schlichtungsverfahrens des § 111 Abs. 2 ArbGG über den Bereich des Handwerks hinaus kommt das Interesse des Gesetzgebers an dem Fortbestand des Berufsausbildungsverhältnisses zum Ausdruck. Der Senat hat es deshalb mit dieser Zielsetzung für unvereinbar angesehen, dem Auszubildenden bei unwirksamer Kündigung des Ausbildenden die erleichterte Auflösungsmöglichkeit nach § 13 Abs. 1 Satz 3, §§ 9, 10 KSchG zu eröffnen.
Mit der Fristenregelung des § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG verfolgt der Gesetzgeber einen von den materiell-rechtlichen Kündigungsschutzvorschriften verschiedenen Regelungszweck. Es soll eine schnelle und endgültige Klärung der Wirksamkeit nicht nur der dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegenden ordentlichen, sondern auch der außerordentlichen Arbeitgeberkündigung herbeigeführt werden, sofern nur die formellen Voraussetzungen für die Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzes (Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit, Mindestgröße des Betriebes, § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG) erfüllt sind. Dies gilt selbst dann, wenn das Arbeitsverhältnis befristet und nicht ordentlich kündbar ist (BAGE 24, 292 = AP Nr. 1 zu § 13 KSchG 1969). In dem durch dieses Urteil bestätigten Urteil vom 13. April 1967 - 2 AZR 180/66 - (AP Nr. 10 zu § 11 KSchG) hat der Senat ausgeführt, der Zwang zur fristgebundenen Klageerhebung möge zwar im Einzelfall für den Betroffenen eine Härte sein, liege aber im ganzen gesehen auch im wohlverstandenen Interesse der Arbeitnehmer, indem er eine schnellere und bessere Klärung ermögliche, ob es bei der Kündigung bleibe oder nicht. Dieses Interesse an der raschen und endgültigen Klärung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer einmal ausgesprochenen Kündigung besteht grundsätzlich auch bei der außerordentlichen Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses (so zutreffend Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 13 Rz 23).
3. Entgegen der von Weigand (KR, 3. Aufl., §§ 14, 15 BBiG Rz 123) vertretenen und vom Berufungsgericht geteilten Ansicht bestehen gegen die grundsätzliche Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes auch im Hinblick auf den Einfluß der Mindestdauer des Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnisses und der Betriebsgröße keine durchgreifenden Bedenken.
Weigand (aaO) führt aus, die Differenzierung zwischen Betrieben mit fünf oder weniger Arbeitnehmern mit Ausschluß der Auszubildenden (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG) und den übrigen Betrieben sei für die Anwendbarkeit auf Berufsausbildungsverhältnisse nicht sachgerecht, weil dann lediglich die Auszubildenden der Kleinbetriebe der Fristenregelung nicht unterfielen. Ferner bestände nach Beendigung der Probezeit, die nach § 13 BBiG höchstens drei Monate betragen kann, bis zum Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG wegen der Unanwendbarkeit der Fristenregelung ein höherer Bestandsschutz, als wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung fände. Dies widerspreche dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, daß sich bei Fortschreiten der Berufsausbildung auch der Bestandsschutz verstärke.
Diese Erwägungen tragen nach der Würdigung des Senats nicht. Von der Anbindung des allgemeinen Kündigungsschutzes an die Betriebsgröße sind alle Arten von Arbeitsverhältnissen betroffen. Entsprechendes gilt für die zeitliche Komponente des Kündigungsschutzes. Auch auf befristete Arbeitsverhältnisse, die kraft Vereinbarung von Anfang an nur aus wichtigem Grund kündbar sind und deshalb noch einen stärkeren materiellen Bestandsschutz genießen als das Berufsausbildungsverhältnis, bei dem dieser erst nach Ablauf von drei Monaten einsetzt, ist die kündigungsschutzrechtliche Fristenregelung in den ersten sechs Monaten nicht anwendbar. Nach dem System des Kündigungsschutzgesetzes sind somit nicht nur diejenigen Arbeitnehmer der Fristenregelung unterworfen, die auch durch dieses Gesetz einen materiellen Bestandsschutz erwerben. Insoweit weisen die Berufsausbildungsverhältnisse keine Besonderheiten auf, so daß aus diesen Differenzierungen keine Abweichung von der allgemeinen Regelung hergeleitet werden kann (zutreffend Hueck, aaO).
4. Nicht gefolgt werden kann ferner der Ansicht des Berufungsgerichts, es verstoße gegen die Grundsätze der Rechtsklarheit und der Gleichbehandlung, die Anwendung der kündigungsschutzrechtlichen Fristenregelung davon abhängig zu machen, ob ein Schlichtungsverfahren nach § 111 Abs. 2 ArbGG durchzuführen sei, nachdem der Senat (Urteil vom 13. April 1989, aaO) für diesen Fall die Bindung an die Klagefrist verneint habe.
Wie der Senat in dem vorbezeichneten Urteil näher begründet hat, enthält § 111 Abs. 2 ArbGG, der durch § 102 BBiG über den bisher erfaßten Bereich des Handwerks hinaus auf alle Berufsausbildungsverhältnisse ausgedehnt worden ist, eine in sich abgeschlossene besondere Verfahrensregelung. Insoweit wird die kündigungsschutzrechtliche Verfahrensregelung verdrängt und ist deshalb gem. § 3 Abs. 2 BBiG nicht anzuwenden. Ihre Anwendung würde eine Umgestaltung der einen oder anderen Verfahrensregelung erforderlich machen und deshalb dem Gebot der Rechtsklarheit nicht mehr gerecht werden, dem Frist- und Formvorschriften über den Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz in besonderem Maße unterliegen.
Eine solche Kollision verschiedenartiger verfahrensrechtlicher Vorschriften besteht jedoch nicht, wenn kein Schlichtungsverfahren nach § 111 Abs. 2 ArbGG durchzuführen ist. Die kündigungsschutzrechtlichen Verfahrensvorschriften sind deshalb nach § 3 Abs. 2 BBiG auf das Berufsausbildungsverhältnis anzuwenden, weil sich insoweit aus dem Berufsbildungsgesetz (§ 102 BBiG in Verb. mit § 111 Abs. 2 ArbGG) nichts anderes ergibt.
Das Gebot der Rechtsklarheit steht aus den dargelegten Gründen der Anwendung der kündigungsschutzrechtlichen Verfahrensvorschriften nur dann entgegen, wenn ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Unklarheiten, die sich aus fehlender Kenntnis über das Bestehen eines Schlichtungsausschusses bei der Handwerksinnung bzw. der nach § 75 BBiG zuständigen Stelle ergeben, können normalerweise durch Anfrage bei der zuständigen Handwerksinnung, in jedem Falle aber bei der Handwerkskammer oder der Industrie- und Handelskammer, bei der der Berufsausbildungsvertrag eingetragen ist, innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist beseitigt werden. Wird die Frist, wie im vorliegenden Fall, wegen verzögerlicher oder fehlerhafter Sachbehandlung der zunächst angerufenen und später mit der Angelegenheit befaßten Stelle versäumt, so wird in der Regel eine nachträgliche Zulassung der Klage nach § 5 KSchG in Betracht kommen.
Die Abhängigkeit der Anwendung der kündigungsschutzrechtlichen Verfahrensvorschriften von dem Bestehen eines Schlichtungsausschusses als Voraussetzung für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens stellt auch keine willkürliche Differenzierung oder einen Verstoß gegen § 18 BBiG dar, nach dem ein Teil des Berufsbildungsgesetzes unabdingbar ist (so Sarge, DB 1989, 879, 882). Es erscheint jedenfalls sachlich vertretbar, den Fortbestand des Berufsausbildungsverhältnisses einer raschen Klärung zuzuführen, wenn in jedem Fall eine gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, die Parteien des Berufsausbildungsverhältnisses dagegen nicht an eine starre Fristenregelung zu binden, wenn ein Schlichtungsversuch unter Mitwirkung eines bei den zuständigen berufsständischen Selbstverwaltungsorganen gebildeten und mit Sachkompetenz ausgestatteten Gremiums durchgeführt werden muß.
III. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß die außerordentliche Kündigung der Beklagten gemäß § 7, § 13 Abs. 2 Satz 2 KSchG als rechtswirksam gilt, weil der Kläger die Klagefrist des § 4 Satz 1 versäumt hat. Ein, zumindest vorsorglicher, Zulassungsantrag nach § 5 Abs. 1 KSchG ist nicht gestellt worden und kann im Hinblick auf den Ablauf der Sechs-Monats-Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch nicht mehr gestellt werden. Die Klage war deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts abzuweisen.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Ascheid
Dr. Roeckl Rupprecht
Fundstellen
Haufe-Index 438040 |
DB 1991, 2679-2680 (LT1) |
NJW 1991, 2101 |
NJW 1991, 2101 (L) |
BuW 1991, 292 (K) |
BetrVG, (2) (LT1) |
EzB KSchG § 4, Nr 15 (LT1) |
Stbg 1992, 143-143 (K) |
ARST 1991, 121-123 (LT1) |
NZA 1991, 671-673 (LT1) |
RdA 1991, 380 |
RzK, IV 3a 20 (LT1) |
AP § 4 KSchG 1969 (LT1), Nr 23 |
AR-Blattei, ES 1020 Nr 315 (LT1) |
AR-Blattei, Kündigungsschutz Entsch 315 (LT1) |
ArbuR 1991, 250 (T) |
EzA § 4 nF KSchG, Nr 39 (LT1) |
PersF 1991, 955 (T) |