Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung des Direktionsrechts nach § 9 Ziff. 4 TV AL II. Stationierungsstreitkräfte
Orientierungssatz
- Der Arbeitgeber ist nach § 9 Ziff. 4 TV AL II in der Fassung des Anhangs H zum TV AL II für Arbeitnehmer in Beherberungs- und Gaststättenbetrieben berechtigt, die regelmäßige Arbeitszeit der Arbeitnehmer unter Wahrung einer Ankündigungsfrist von einer Woche stufenweise auf 39 Stunden pro Woche zu reduzieren.
- Die Ankündigung zur Herabsetzung der betrieblichen Wochenarbeitszeit auf das tarifvertragliche Normalmaß kann auch mündlich erfolgen. § 9 Ziff. 4 TV AL II in der Fassung des Anhangs H zum TV AL II regelt kein Schriftformgebot für diese Ankündigung.
Normenkette
Tarifvertrag vom 16. Dezember 1966 für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) § 9, Anhang H zum TV AL II für Arbeitnehmer in Beherberungs- und Gaststättenbetrieben
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Befugnis der britischen Streitkräfte, die Arbeitszeit der Klägerin von ursprünglich 47 Stunden in der Woche schrittweise auf 39 Stunden pro Woche zurückzuführen.
Die tarifgebundene Klägerin ist seit November 1991 bei den britischen Streitkräften in der Dienststelle R.… in M.… als Zivilbeschäftigte in einer der dortigen Messen als Restaurantfachfrau tätig.
Im Formulararbeitsvertrag der Klägerin vom 23. Januar 1991 ist unter anderem jeweils auf englisch und deutsch bestimmt:
“…
16. Vollzeit: 5 Tage 47 Stunden pro Woche
…
41. Die Beschäftigungsbedingungen richten sich nach den Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) in der jeweils gültigen Fassung.”
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt nach dem TV AL II eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden mit einer Ausdehnungsmöglichkeit auf bis zu 48 Stunden. Nach § 1 Ziff. 1 der Änderungsvereinbarung Nr. 33 vom 27. Januar 1999 zum Anhang H des TV AL II (Sonderbestimmungen für Arbeitnehmer in Beherbergungs- und Gaststättenbetrieben) beträgt die regelmäßige Arbeitszeit ab dem 1. Juli 1999 39,5 Stunden und 39 Stunden pro Woche ab dem 1. Januar 2000. Die regelmäßige Arbeitszeit kann, wenn es die Betriebsverhältnisse erfordern, ab dem 1. Juli 1999 auf bis zu 47 Stunden und ab dem 1. Januar 2000 auf bis zu 46 Stunden ausgedehnt werden.
Mit Schreiben vom 18. August 1999, dessen Zugang zwischen den Parteien streitig ist, teilte die Dienststelle allen betroffenen Arbeitnehmern mit, sie werde die wöchentliche Arbeitszeit stufenweise auf die tarifvertragliche Wochenarbeitszeit von 39 Stunden zurückführen. Aus diesem Anlaß schloß die Dienststelle R.… mit der örtlichen Betriebsvertretung mehrere Dienstvereinbarungen. Danach beträgt die Wochenarbeitszeit 44 Stunden ab dem 1. Oktober 1999, 42 Stunden ab dem 1. Februar 2000, 40 Stunden ab dem 1. August 2000 und 39 Stunden und ab dem 1. August 2001.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Vergütungsdifferenz aus der reduzierten Arbeitszeit für den Zeitraum vom 1. Oktober 1999 bis einschließlich Dezember 2001. Die Herabsetzung ihrer Arbeitszeit sei unwirksam. Im Arbeitsvertrag vom 23. Januar 1991 sei eine feste Arbeitszeit von 47 Stunden vereinbart. Diese könne nicht einseitig herabgesetzt werden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.952,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 3.707,38 Euro brutto seit dem 13. Juli 2001 sowie aus 885,56 Euro brutto seit dem 1. August 2001 sowie aus weiteren 1.360,04 Euro seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die britischen Streitkräfte seien tarifrechtlich berechtigt gewesen, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit durch einseitige Anordnung zu verlängern und in derselben Weise auch wieder auf die tariflich vorgesehene Wochenarbeitszeit mit entsprechender Lohnanpassung zu verkürzen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Beibehaltung einer Wochenarbeitszeit von 47 Stunden. Die Beklagte war nach § 9 Ziff 4 TV AL II idF des Anhangs H dazu berechtigt, die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin stufenweise auf 39 Stunden pro Woche herabzusetzen.
Die Parteien haben in Nr. 41 ihres Formulararbeitsvertrags die Geltung des TV AL II in der jeweils gültigen Fassung ausdrücklich vereinbart. Entsprechend der Beschäftigung der Klägerin als Restaurantfachfrau in einer Messe, gelten für sie die Sonderbestimmungen des Anhangs H zum TV AL II für Arbeitnehmer in Beherbergungs- und Gaststättenbetrieben. In Ziff. 3 der Anlage 1 der Änderungsvereinbarung Nr. 33 vom 27. Januar 1999 zum Anhang H heißt es:
“Zu § 9 (TV AL II) Regelmäßige Arbeitszeit
a) Ziffer 1 entfällt. Statt dessen ist vereinbart:
(1) (a) Die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich Pausen beträgt
– ab 1. Juli 1999 |
39,5 Stunden |
– ab 1. Januar 2000 |
39 Stunden |
in der Arbeitswoche.
(b) Die regelmäßige Arbeitszeit kann, wenn es die Betriebsverhältnisse erfordern, ausgedehnt werden auf bis zu
– ab 1. Juli 1999 |
47 Stunden |
– ab 1. Januar 2000 |
46 Stunden |
in der Arbeitswoche.
…
d) Ziffer 4 wird wie folgt ergänzt:
Eine Änderung der für den Betrieb festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit kann nur monatlich für den ganzen Betrieb oder für einzelne Betriebsabteilungen vorgenommen werden.
…”
In § 9 Ziff. 4 TV AL II heißt es:
“Änderungen der im Betrieb nach den Bestimmungen der Ziffern 1, 2, 3 getroffenen Arbeitszeitregelung werden mit einer Frist von einer Woche angekündigt.”
Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, daß die britischen Streitkräfte nach dieser tariflichen Regelung berechtigt sind, die wöchentliche Arbeitszeit durch einseitige Anordnung zu verlängern und in derselben Weise wieder auf die tarifliche Normalarbeitszeit zurückzuführen.
a) Das Recht der britischen Streitkräfte zur einseitigen Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit ihrer Zivilbeschäftigten folgt aus dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang der maßgeblichen Tarifbestimmungen. Die Tarifvertragsparteien haben in § 9 Ziff. 4 TV AL II den Begriff “Änderungen” der Arbeitszeit nach den Nummern 1, 2 und 3 der Tarifnorm verwendet und zugleich dem Arbeitgeber die Pflicht auferlegt, solche Veränderungen der Arbeitszeit mit einer Frist von einer Woche “anzukündigen”. Damit bringen sie hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß eine Veränderung der Arbeitszeit durch einseitige Anordnung des Arbeitgebers gestattet ist. Anderenfalls hätte es keinen Sinn, den Arbeitgeber nach § 9 Ziff. 4 TV AL II dazu anzuhalten, eine solche Maßnahme unter Fristeinhaltung den betroffenen Arbeitnehmern gegenüber anzukündigen.
b) Das in § 9 Ziff. 4 TV AL II dem Arbeitgeber eingeräumte Leistungsbestimmungsrecht zum Umfang der Wochenarbeitszeit ist rechtlich unbedenklich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Erweiterung des Leistungsbestimmungsrechts des Arbeitgebers durch Tarifvertrag statthaft. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber innerhalb eines tarifvertraglich festgelegten Rahmens unter den im Tarifvertrag zu regelnden Voraussetzungen eine feststehende tarifliche Wochenarbeitszeit verlängern oder zu ihr zurückkehren kann (BAG 26. Juni 1985 – 4 AZR 585/83 – BAGE 49, 125, 131; 29. Januar 1986 – 4 AZR 531/84 –; 26. November 1986 – 4 AZR 653/85 –).
Die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien schließen die Geltung dieser Tarifbestimmungen nicht aus. Die Regelung in Nr. 16 des Arbeitsvertrags, wonach die Arbeitszeit 47 Stunden bei einer 5-Tage-Woche beträgt, enthält keine einzelvertragliche Festschreibung der Arbeitszeit auf dieses Stundenmaß. Sie schränkt das dem Arbeitgeber nach § 9 Ziff. 4 TV AL II zustehende Bestimmungsrecht nicht ein.
a) Nach Nr. 41 des Arbeitsvertrags soll der gesamte TV AL II auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen. Davon sind die tariflichen Bestimmungen zur einseitigen Änderung der Arbeitszeit nicht ausgenommen worden. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um von einem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien bezüglich einer auf Dauer beiderseits verbindlichen Arbeitszeit von 47 Stunden ausgehen zu können.
b) Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich daraus, daß die Parteien im Vertrag nicht die damals tariflich maximal zulässige Arbeitszeit von 48 Stunden zugrunde legten, nicht folgern, daß eine über den Tarifvertrag hinausgehende individuelle Absprache mit der Klägerin getroffen wurde, von der sich der Arbeitgeber nur noch mittels Änderungsvereinbarung oder Änderungskündigung hätte lösen können. Die Arbeitsvertragsparteien haben eine Beschäftigung der Klägerin in Vollzeit vereinbart. Nach der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Tariflage betrug die wöchentliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten 40 Stunden. Mit einer eigenständigen Arbeitszeitbestimmung von 47 Stunden hätten die Parteien dann eine in sich widersprüchliche Regelung getroffen. Für einen darauf gerichteten Parteiwillen fehlt es an Anhaltspunkten. Vielmehr spricht der Wortlaut der Vereinbarung dafür, daß die tarifliche Arbeitszeit gelten soll, die zum damaligen Zeitpunkt eine Ausweitungsmöglichkeit auf bis zu 48 Stunden vorsah. Davon hatten die britischen Streitkräfte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht in vollem Umfang Gebrauch gemacht. Damit soll die Vereinbarung nur die damalige, für den Betrieb geltende, Tariflage wiedergeben.
c) Auch auf Grund der Tatsache, daß die Klägerin jahrelang 47 Stunden in der Woche arbeitete, wird diese Arbeitszeit nicht zum Vertragsinhalt. Eine Konkretisierung auf bestimmte Arbeitsbedingungen tritt nicht auf Grund bloßen Zeitablaufs ein. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, die den Arbeitnehmer zu dem Vertrauen berechtigen, daß gerade und nur die bisherige Arbeitszeitdauer auch künftig verbindlich sein soll (vgl. BAG 23. Juni 1992 – 1 AZR 57/92 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 1 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 12). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Die britischen Streitkräfte haben auch die Voraussetzungen beachtet, nach denen der Arbeitgeber nach dem maßgeblichen Tarifvertrag zur normalen tariflichen Wochenarbeitszeit zurückkehren kann.
a) Nach § 9 Ziff. 4 TV AL II kann eine Änderung der für den Betrieb festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit nur monatlich für den ganzen Betrieb oder für einzelne Betriebsabteilungen vorgenommen werden. Unerheblich ist, daß die nicht dem deutschen Arbeitsrecht unterliegenden Arbeitnehmer von der Herabsetzung der Arbeitszeit ausgenommen waren. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine ganze Betriebsabteilung bereits dann erfaßt, wenn die Änderung der Wochenarbeitszeit für alle Abteilungsangehörigen gilt, auf deren Arbeitsverhältnis der TV AL II zur Anwendung kommt. Einen weitergehenden Geltungsanspruch hat der Tarifvertrag nicht. Die Tarifvertragsparteien können nach § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG nur für die Arbeitnehmer Rechtsnormen schaffen, die unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Der Wirksamkeit der arbeitgeberseitigen Anweisung steht deshalb nicht entgegen, daß sie die dem britischen Arbeitsrecht unterliegenden Arbeitnehmer nicht betrifft.
b) Die einwöchige Ankündigungsfrist für die Vornahme einer Arbeitszeitänderung nach § 9 Ziff. 4 TV AL II wurde auch in Bezug auf die Änderung zum 1. Oktober 1999 gewahrt. Die tarifliche Vorschrift regelt schon ihrem Wortlaut nach kein Schriftformgebot für die Zurückführung der Arbeitszeit und verlangt demnach auch nicht den Zugang einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers bei den hiervon betroffenen Arbeitnehmern. Die Tarifnorm läßt eine mündliche Ankündigung genügen. Die Revision hat nicht in Abrede gestellt, daß die Änderung der Arbeitszeit rechtzeitig im Betrieb allgemein zur Kenntnis gebracht wurde und auch die Klägerin hiervon innerhalb der Ankündigungsfrist erfahren hatte. Damit war der Ankündigungsfunktion genügt.
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, D. Knauß, Beus
Fundstellen
Haufe-Index 1084290 |
ZTR 2004, 251 |
AP, 0 |