Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung. Gehaltsanpassung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine bestehende betriebliche Übung kommt den Arbeitnehmern zugute, mit denen unter der Geltung der Übung ein Arbeitsverhältnis begründet wird.
2. Allein daraus, daß der Arbeitgeber einmalig die durch betriebliche Übung begründeten Ansprüche nicht erfüllt, läßt sich die Aufgabe der Übung nicht herleiten.
Normenkette
BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 09.07.1987; Aktenzeichen 3 Sa 410/87) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 06.02.1987; Aktenzeichen 2 Sa 8098/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Anhebung seiner Vergütung im Umfang der Besoldungserhöhungen für Beamte zusteht.
Der Kläger war zunächst vom 1. Oktober 1982 bis zum 14. Dezember 1983 als wissenschaftliche Hilfskraft an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln teilzeitbeschäftigt. Anschließend war er vom 15. Dezember 1983 bis zum 30. September 1984 als vollzeitbeschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter mit VergGr. II a BAT am Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität angestellt.
Nach Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst ist er seit dem 1. Oktober 1984 wieder als wissenschaftliche Hilfskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 9,5 Stunden aufgrund mehrfach verlängerter Zeitverträge an der Universität Köln tätig. Im Dienstvertrag vom 24. Oktober 1984 haben die Parteien u. a. folgendes vereinbart:
"Herr ... wird entsprechend den mit Erlaß des Ministers
für Wissenschaft und Forschung vom 18.12.1975 - I B 4
3812 - getroffenen und noch ergehenden Bestimmungen
über die Beschäftigung und Vergütung wissenschaftlicher
und studentischer Hilfskräfte an den wissenschaftlichen
Hochschulen einschließlich Gesamthochschulen und den
Fachhochschulen für die Zeit vom 1.10.1984 bis 31.3.1985
als wissenschaftliche Hilfskraft beim Institut für
Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln
eingestellt."
...
§ 3
"Für die Dauer der Beschäftigung wird eine Pauschalver-
gütung nach den Bestimmungen des in § 1 Abs. 1 genannten
Erlasses in der jeweils gültigen Fassung zum Monatsende
gezahlt. Die Vergütung beträgt z.Z. monatlich ... "
Zumindest seit Februar 1976 sind die Vergütungspauschalsätze für wissenschaftliche Hilfskräfte jeweils durch Erlaß des zuständigen Ministers durchweg zum gleichen Zeitpunkt und um denselben Prozentsatz erhöht worden wie die Beamtenbesoldung. Das beruhte auf einer Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 9./10. Mai 1963 darüber, wie die Bezüge der wissenschaftlichen Hilfskräfte bemessen werden sollten.
Im Jahre 1982 sind die Bezüge für die Tarifangestellten des öffentlichen Dienstes ab 1. Mai 1982 um 3,6 % erhöht worden, die Beamtenbesoldung ab 1. Juli 1982 um den gleichen Prozentsatz. Die Vergütung der wissenschaftlichen Hilfskräfte wurde dagegen erst durch Erlaß des Ministers für Wissenschaft und Forschung vom 9. August 1982 mit Wirkung vom 1. Oktober 1982 um etwa 3,6 % erhöht. Im Jahre 1983 erhöhte das beklagte Land die Vergütung für wissenschaftliche Hilfskräfte entsprechend der Empfehlung der Kultusministerkonferenz in Angleichung an die Beamtenbesoldung.
Nach Absenkung der Eingangsbesoldung für die Beamten des höheren Dienstes im Jahre 1984 erklärte der Minister für Wissenschaft und Forschung in einem an alle Hochschulen und Fachhochschulen des beklagten Landes gerichteten Erlaß vom 14. Dezember 1984, es sei nicht möglich, "aufgrund der sogen. Tarifrunde 1984 die Vergütung der vorhandenen wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräfte anzuheben". Im Jahre 1985 erhöhte das beklagte Land die Vergütung für wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte nicht und im Jahre 1986 erst ab Oktober.
Der Kläger ist der Auffassung, es habe in der Vergangenheit eine betriebliche Übung bestanden, wonach das beklagte Land verpflichtet sei, die Vergütung der wissenschaftlichen Hilfskräfte an die Besoldungserhöhungen der Beamten anzugleichen. Der Kläger errechnet hieraus eine Vergütungsdifferenz für die Jahre 1985, 1986 und das erste Vierteljahr 1987 von 952,78 DM. Allerdings könne er die Vergütungsdifferenz für das erste Vierteljahr 1987 noch nicht endgültig berechnen, weil die Neufassung des Bundesbesoldungsgesetzes im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht verabschiedet sei und bis dahin die Besoldungserhöhung nur unter Vorbehalt gezahlt werde. Er hat zuletzt beantragt,
1. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger
952,78 DM nebst 4 % Zinsen aus folgenden sich je-
weils ergebenden Nettobeträgen zu zahlen:
499,81 DM ab 5.9.1986,
34,07 DM ab 1.10.1986,
17,81 DM ab 1.11.1986,
35,62 DM ab 1.12.1986,
10,09 DM ab 1.1.1987,
17,49 DM ab 1.2.1987,
17,49 DM ab 1.3.1987,
17,49 DM ab 1.4.1987,
2. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist,
die Gehälter für Januar bis März 1987 entsprechend der
etwaigen Erhöhung der Beamtenbesoldung anzupassen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und hierzu ausgeführt, es habe keine betriebliche Übung auf Anhebung der Vergütung der wissenschaftlichen Hilfskräfte im Umfang der Beamtenbesoldung bestanden. Selbst wenn sich aber in der Vergangenheit eine solche betriebliche Übung gebildet haben sollte, sei der Beklagte davon bereits im Jahre 1982 abgewichen und habe sie durch den Erlaß vom 14. Dezember 1984 beendet. Als der Kläger am 24. Oktober 1984 als wissenschaftliche Hilfskraft bei dem beklagten Land eingestellt worden sei, habe die von ihm behauptete betriebliche Übung nicht bestanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klagziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und mußte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und der Klage stattzugeben.
I. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Anhebung der Vergütung im Umfang der Besoldungserhöhungen für Beamte für die Jahre 1985 und 1986 sowie für das erste Vierteljahr 1987.
1. Es ist davon auszugehen, daß das beklagte Land in der Vergangenheit die Vergütungspauschalsätze für wissenschaftliche Hilfskräfte jeweils durch Erlaß des zuständigen Ministers um denselben Prozentsatz erhöht hat wie die Beamtenbesoldung. Das beruhte auf einer Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 9./10. Mai 1963 darüber, wie die Bezüge der wissenschaftlichen Hilfskräfte bemessen werden sollten. Im Jahre 1982 hat das beklagte Land die Vergütung nicht mehr zum gleichen Zeitpunkt, aber um den gleichen Prozentsatz der Besoldungserhöhungen für Beamte angehoben. Diese Anhebungspraxis hat es aber erst ab 1985 nicht fortgesetzt. Bis zum Jahre 1983 hat es damit eine entsprechende betriebliche Übung geschaffen, wie der Senat mit Urteil vom 5. Februar 1986 - 5 AZR 632/84 - (BAGE 51, 113 = AP Nr. 21 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu 3 b der Gründe) bereits entschieden hat.
2. Der Kläger war derzeit bereits bei dem beklagten Land angestellt und nahm folglich an dieser betrieblichen Übung teil. Der Kläger fordert in diesem Rechtsstreit allerdings nicht schon für diesen Zeitraum eine Vergütungsanpassung, sondern erst beginnend mit dem Jahre 1985.
Der Minister für Wissenschaft und Forschung hat mit Runderlaß vom 14. Dezember 1984 allen Hochschulen und Fachhochschulen des Landes mitgeteilt, daß ihm eine Anhebung der Vergütung der wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräfte mit Rücksicht auf die Tarifrunde 1984 nicht möglich sei. Gleichzeitig hat er in diesem Erlaß erklärt, daß in Dienstverträgen mit studentischen Hilfskräften, die nach dem 1. April 1985 abgeschlossen werden, hinsichtlich der Vergütung ein fester Stundensatz nach Maßgabe dieses Erlasses zu vereinbaren sei. Damit allein kann das beklagte Land allerdings eine betriebliche Übung mit den bereits beschäftigten Arbeitnehmern nicht einseitig beseitigen, weil sie Vertragsbestandteil geworden ist (BAGE 53, 42, 56 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972). Allerdings kann es mit neueingestellten Arbeitnehmern die bisher noch bestehende betriebliche Übung vertraglich ausschließen (BAG Urteil vom 13. Oktober 1960 - 5 AZR 284/59 - AP Nr. 30 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Das ist allenfalls für den nicht streitbefangenen Zeitraum vom 15. Dezember 1983 bis zum 30. September 1984 geschehen, als der Kläger vollzeitbeschäftigter Angestellter in VergGr. II a BAT war und damit aus dem zuvor bestehenden Arbeitsverhältnis als teilzeitbeschäftigte wissenschaftliche Hilfskraft ausschied. Das angefochtene Urteil geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, daß sich diese betriebliche Übung nicht auf das Arbeitsverhältnis als vollzeitbeschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter bezog. Damit schließt es die Anwendung der bis zum Jahre 1982 bestehenden betrieblichen Übung aus, denn es stellt auf den Zeitpunkt ab, in dem der Kläger mit Dienstvertrag vom 24. Oktober 1984 danach wieder als wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt wurde. Zwar hat das beklagte Land im Jahre 1984 erstmals die Vergütung nicht angehoben. Daraus ergibt sich jedoch nicht - im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz - daß der Kläger bei seiner Wiedereinstellung als wissenschaftliche Hilfskraft vom 24. Oktober 1984 nicht mehr in eine bestehende betriebliche Übung eingetreten ist. Das Berufungsgericht hat hierbei nicht berücksichtigt, daß bei Abschluß des neuen Arbeitsvertrages, am 1. Oktober 1984, das beklagte Land noch gar nicht erklärt hatte, daß es eine Vergütungsanpassung nicht mehr vornehmen wird. Das ist erst später mit dem Erlaß des Ministers für Wissenschaft und Forschung vom 14. Dezember 1984 geschehen, als der Kläger bereits wieder als wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt war und die zuvor begründete betriebliche Übung noch bestanden hat. Im übrigen sieht der vorgenannte Erlaß eine Änderung der Vergütungsvereinbarungen nur für die nach dem 1. April 1985 neu abgeschlossenen Arbeitsverträge mit wissenschaftlichen Hilfskräften vor. Insoweit hat das beklagte Land mit dem Kläger aber auch in den nach dem 24. Oktober 1984 abgeschlossenen Folgeverträgen keine diesem Erlaß entsprechende Vergütungsneuregelung getroffen.
II. Der mit der Klage begehrte Zahlungsanspruch ist der Höhe nach unstreitig. Die darüber hinausgehende Feststellungsklage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat ein Rechtsschutzinteresse daran festzustellen, daß er Anspruch auf die Anpassung seiner Vergütung für Januar bis März 1987 entsprechend der Erhöhung der Beamtenbesoldung hat. Zwar ist grundsätzlich für eine Feststellungsklage kein Raum, wenn das Klagebegehren mit einer Leistungsklage verfolgt werden kann (vgl. BAGE 4, 149, 151 = AP Nr. 6 zu § 256 ZPO; BGHZ 5, 314). Der Kläger konnte aber die Vergütungsdifferenz noch nicht endgültig berechnen, weil das Gesetzgebungsverfahren zur Anhebung der Beamtenbesoldung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht abgeschlossen war. Darüber hinaus ist das Feststellungsinteresse gegeben, weil die Parteien nur über die Rechtsgrundlage des Anspruchs streiten und das beklagte Land erwarten läßt, daß es einem nichtvollstreckbaren Feststellungsurteil nachkommen wird (BAGE 6, 140, 141, 142 = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Geltungsbereich; BAGE 12, 290,
292 = AP Nr. 40 zu § 256 ZPO).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
ist durch Urlaub an der
Unterschrift verhindert
Dr. Thomas
Prof. Dr. Krems Schleinkofer
Fundstellen
Haufe-Index 440298 |
BB 1989, 356-357 (LT1-2) |
DB 1989, 281-281 (L1-2) |
SteuerBriefe 1989, 45-45 (K) |
JR 1989, 308 |
JR 1989, 308 (ST) |
NZA 1989, 57-58 (LT1-2) |
RdA 1989, 69 |
AP § 242 BGB Betriebliche Übung (LT1-2), Nr 32 |
EzA § 242 BGB Betriebliche Übung, Nr 25 (LT1-2) |
EzBAT § 4 Betriebliche Übung, Nr 8 (LT1-2) |