Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristete Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit. Sachgrunderfordernis
Orientierungssatz
1. Die Vereinbarung einer befristeten Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG.
2. Die befristete Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten ist sachlich gerechtfertigt, wenn die Erhöhung nur mit Haushaltsmitteln möglich ist, die durch die teilweise Beurlaubung eines anderen Mitarbeiters vorübergehend frei werden.
3. Es bleibt unentschieden, ob die Kontrolle befristeter Änderung von Arbeitsbedingungen nach dem In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes weiterhin nach den zur Kontrolle von befristeten Verträgen entwickelten Maßstäben vorzunehmen ist oder andere Regeln zu entwickeln und anzuwenden sind.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nrn. 3, 6-7, Abs. 4; BGB §§ 126, 307, 310
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 1. April 2003 – 3 Sa 51/03 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung.
Die Klägerin ist seit 1977 bei dem beklagten Land als Erzieherin unbefristet beschäftigt, ab 1. Dezember 1990 mit 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigten. Am 19. Februar 2002 beantragte sie schriftlich eine bis zum 30. Juni 2002 befristete Arbeitszeiterhöhung auf 38,5 Wochenstunden „aus der Stelle der Kollegin K”. Diese Kollegin hatte am 12. November 2001 eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit um 1/4 bis zum 30. Juni 2002 beantragt. Das beklagte Land entsprach dem Antrag der Klägerin für den Zeitraum vom 1. März 2002 bis zum 30. Juni 2002 mit schriftlichem Antwortschreiben vom 1. März 2002. Mit der am 17. Juli 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Befristung der Arbeitszeiterhöhung gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung der Arbeitszeiterhöhung sei mangels ausreichender Schriftform unwirksam und nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt.
Die Klägerin hat nach eigener Säumnis im Gütetermin zuletzt beantragt,
- unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 9. August 2002 festzustellen, dass das Vollzeitarbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund der Befristung gemäß Schreiben vom 1. März 2002 zum 30. Juni 2002 beendet worden ist, sondern unbefristet fortbesteht,
- hilfsweise für den Fall der Klagestattgabe das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin vollzeitig zu bisherigen Vertragsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, das Schriftformerfordernis in § 14 Abs. 4 TzBfG sei auf die befristete Arbeitszeiterhöhung der Klägerin nicht anwendbar. Der sachliche Grund für die Befristung liege in den nur vorübergehend freigewordenen Stunden der Kollegin K. In der Kindertageseinrichtung der Klägerin sei es üblich gewesen, frei werdende Wochenstunden befristet teilzeitbeschäftigter Erzieherinnen, die ansonsten vollzeitbeschäftigt seien, an unbefristet teilzeitbeschäftigte Erzieherinnen auf deren Wunsch befristet zu vergeben.
Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil vom 9. August 2002 aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und das Versäumnisurteil vom 9. August 2002 aufrechterhalten. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Die nach § 256 ZPO zulässige Feststellungsklage ist unbegründet. Die Vereinbarung der Parteien über die befristete Aufstockung der Arbeitszeit der Klägerin ist nach Form und Inhalt nicht zu beanstanden.
I. Die durch den Austausch schriftlicher Willenserklärungen vom 19. Februar 2002 und vom 1. März 2002 zu Stande gekommene Vereinbarung der Parteien über die befristete Arbeitszeiterhöhung verletzte keine Schriftformbestimmung. Zwar bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 4 TzBfG zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform des § 126 BGB. Diese Vorschrift erfasst aber nicht die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen. Das ergibt eine Auslegung der Vorschrift, wie der Senat bereits durch Urteil vom 3. September 2003 (– 7 AZR 106/03 – zur Veröffentlichung vorgesehen ≪zVv.≫) entschieden hat. Das folgt aus dem Wortlaut der Regelung in § 14 Abs. 4 TzBfG, wonach lediglich die Befristung eines Arbeitsvertrags der Schriftform bedarf. Die Beschränkung der Schriftform auf die Befristung des Arbeitsvertrags entspricht ferner Sinn und Zweck der Regelung. Die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 über befristete Arbeitsverträge (ABl. EG 1999 L 175/43) steht dem nicht entgegen (dazu ausführlich BAG 3. September 2003 – 7 AZR 106/03 – aaO).
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Befristung der Arbeitszeiterhöhung im Vertrag vom 19. Februar/1. März 2002 sei wirksam.
1. Bei dieser Würdigung lässt der Senat für den Streitfall dahingestellt, ob seine Rechtsprechung zur Kontrolle befristeter Arbeitsverträge aus der Zeit vor dem In-Kraft-Treten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) nach den bisherigen Maßstäben fortgesetzt werden kann oder ob seit dem In-Kraft-Treten des TzBfG eine Kontrolle nach abgeschwächten Maßstäben geboten ist (im Schrifttum äußerst umstritten; für die Erforderlichkeit eines Sachgrundes zB ErfK/Müller-Glöge 4. Aufl. § 3 TzBfG Rn. 23; für eine Angemessenheitskontrolle zB KR-Lipke 6. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 12 ff.). Dazu hat sich der Senat in einem Urteil vom selben Tag (BAG 14. Januar 2004 – 7 AZR 213/03 zVv.) ausführlich geäußert, was hier nicht geboten ist.
Der Senat lässt ferner dahingestellt, ob für die Befristungskontrolle der Arbeitszeiterhöhung nach dem In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 weiterhin die von ihm entwickelten Regeln gelten oder ob die Inhaltskontrolle nach den Bestimmungen der §§ 307 ff. BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung vorzunehmen ist. Deshalb unterbleibt auch eine Stellungnahme, wie § 307 Abs. 1 bis 3 BGB, § 310 Abs. 3 und Abs. 4 BGB im Arbeitsrecht allgemein und bei der Befristungskontrolle im Besonderen anzuwenden sind.
Denn auch bei Anlegung des bisherigen strengen Prüfungsmaßstabs (Vorliegen eines Sachgrunds nach den Regeln der Kontrolle befristeter Arbeitsverträge) erweist sich die Befristung als rechtens.
2. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich zu Recht angenommen, die befristete Arbeitszeiterhöhung sei im Streitfall sachlich gerechtfertigt.
a) Entgegen der Auffassung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend festgestellt, dass die Befristung nicht mit dem Wunsch der Klägerin gerechtfertigt werden kann. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, von einem Wunsch des Arbeitnehmers als Sachgrund nur dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer ein Angebot auf dauerhafte Beschäftigung oder dauernde Gewährung der neuen Arbeitsbedingungen abgelehnt hätte (5. Juni 2002 – 7 AZR 241/01 – BAGE 101, 262 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 13 = EzA BGB § 620 Nr. 193, zu I 3 c der Gründe mwN). So verhält es sich im Streitfall nicht.
b) Da die Klägerin weder unmittelbar noch mittelbar (nach entsprechender Umorganisation der Arbeit in der Kindertagesstätte) die Aufgaben der beurlaubten Mitarbeiterin K übernommen hatte, scheidet auch der Sachgrund der Vertretung aus.
c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Befristung sei angesichts der zeitlich begrenzten Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln gerechtfertigt. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats ua. in dem vom Landesarbeitsgericht angezogenen Urteil vom 15. August 2001 (– 7 AZR 263/00 – BAGE 98, 337 = AP BErzGG § 21 Nr. 5 = EzA BErzGG § 21 Nr. 4, zu B II 1 der Gründe mwN). Danach liegt ein sachlicher Grund sogar für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn die befristete Einstellung nur auf Grund von Haushaltsmitteln möglich ist, die durch die zeitweise Beurlaubung von anderen Arbeitskräften vorübergehend frei sind. In diesen Fällen geht es zwar nicht um die Unsicherheit, ob der kommende Haushaltsplan noch Mittel für die Vergütung des Arbeitnehmers bereitstellen wird, sondern darum, ob die frei gewordenen, für die Vergütung von Mitarbeitern bestimmten Haushaltsmittel nach Ablauf des Befristungszeitraums noch zur Verfügung stehen werden. Dieser Sachverhalt kann die Befristung rechtfertigen, wenn zu prognostizieren ist, dass der (teil)beurlaubte Mitarbeiter zurückkehren wird. Denn maßgeblich ist, dass der Haushaltsgesetzgeber für die Einstellung zusätzlicher Kräfte keine neuen Stellen mit entsprechenden zusätzlichen Mitteln bewilligt, sondern den öffentlichen Arbeitgeber auf die vorhandenen Stellen mit den hierfür aufgebrachten Mitteln verwiesen hat. Wenn der Haushaltsgesetzgeber die Einstellung von Arbeitnehmern nur insoweit ermöglicht, als Haushaltsmittel durch Sonderurlaub vorübergehend frei werden, so steht dies einer Entscheidung gleich, durch die eine bestimmte Personalstelle gestrichen oder nur für eine gewisse Zeit bewilligt wird und anschließend entfallen soll. Ein derartiger Fall liegt auch dann vor, wenn die Einstellung eines Arbeitnehmers nur deshalb möglich wird, weil die für den Stelleninhaber vorgesehenen Haushaltsmittel durch dessen zeitweise Beurlaubung oder Teilzeitbeschäftigung vorübergehend frei werden. Der Arbeitgeber kann dann nämlich regelmäßig davon ausgehen, dass durch die Rückkehr der Stammkraft die – haushaltsrechtliche – Möglichkeit zur Beschäftigung des aus den Mitteln der Stelle der Stammkraft finanzierten Arbeitnehmers entfallen wird.
Das trifft auch bei der befristeten Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit einer Mitarbeiterin zu, wenn die zusätzliche Arbeitsleistung mit der durch die Beurlaubung der anderen Mitarbeiter frei gewordenen Haushaltsmitteln vergütet wird. Der für den Arbeitgeber handelnde Leiter der Kindertagesstätte hätte angesichts dieser haushaltsrechtlichen Vorgaben keine unbefristete Aufstockung der Arbeitszeit der Klägerin vornehmen dürfen.
III. Die die vorinstanzlichen Aussprüche klarstellende Kostenentscheidung des Senats beruht auf § 97 Abs. 1 und § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Laux, Günther, Metzinger, Dr. Koch
Fundstellen
Haufe-Index 1125176 |
NWB 2004, 1577 |
SAE 2004, 313 |
ZAP 2004, 697 |
ZTR 2005, 53 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 6 |
EzA |
PERSONAL 2004, 61 |
BAGReport 2004, 208 |
Tarif aktuell 2004, 2 |