Leitsatz (amtlich)
Stirbt ein Arbeitnehmer während seines Kündigungsschutzprozesses vor dem Termin, zu dem ihm gekündigt worden ist, dann wird die von den Erben weiterverfolgte Klage unschlüssig. Die Hauptsache ist dann durch den Tod des Arbeitnehmers erledigt, und zwar nicht nur der Feststellungsantrag aus § 3 KSchG, sondern auch ein Antrag aus § 7 Abs. 1 Satz 1, das Arbeitsverhältnis durch Urteil aufzulösen und den Arbeitgeber zu einer Abfindung zu verurteilen.
Normenkette
KSchG §§ 3, 7 Abs. 1 S. 1; ZPO § 91a
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.01.1959; Aktenzeichen IV Sa 123/58) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Außenkammern Stuttgart – IV. Kammer – vom 9. Januar 1959 – IV Sa 123/58 – wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Nachdem die Beklagte ihrem Hausmeister T… W… am 20. Mai 1958 zum 31. Dezember 1958 gekündigt hatte, hat dieser am 23. Mai 1958 geklagt und beantragt, die Unwirksamkeit der Kündigung festzustellen, jedoch das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1958 aufzulösen und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine angemessene Abfindung zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 16. Oktober 1958 diesen Anträgen entsprechend festgestellt, daß die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst habe, und die Beklagte unter Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1958 verurteilt, an W… 5.400 DM als Abfindung zu zahlen. W… hat sich einige Tage später, am 22. Oktober 1958, das Leben genommen.
Die Beklagte hat gegen das am 29. Oktober 1958 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil am 11. November 1958 Berufung eingelegt. Die beiden Kläger haben als Erben W… den Rechtsstreit fortgeführt und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch das Urteil des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Antrag weiter, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Mit Recht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß das Arbeitsverhältnis W… durch seinen Tod am 22. Oktober 1958 ohne weiteres beendet war. Denn es spricht nichts dafür, daß W… entgegen der Auslegungsregel des § 613 Satz 1 BGB seine Dienste anders als in seiner Person hätte leisten können. Danach war der Rechtsstreit hinsichtlich des ersten Antrags der Kläger in der Hauptsache erledigt. Für die begehrte Feststellung, die am 20. Mai 1958 zum 31. Dezember 1958 erklärte Kündigung der Beklagten sei unwirksam und habe das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst, war kein Raum mehr. Ein Arbeitsverhältnis, das während des Laufs einer Kündigungsfrist durch den Tod des Arbeitnehmers aufgelöst wird, kann durch eine zwar vorher erklärte, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt wirkende Kündigung nicht mehr berührt, d.h. nicht noch einmal aufgelöst werden (vgl. BAG AP Nr. 18 zu § 3 KSchG). Die Kündigung hat in diesem Fall durch den Tod des Erblassers ihre rechtliche Bedeutung verloren. Die Erben eines Arbeitnehmers, der nicht mehr lebt und dessen Arbeitsverhältnis durch seinen Tod das Ende gefunden hat, können nicht verlangen, daß die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses über den Tod hinaus festgestellt wird. Die von ihnen fortgeführte Klage ist durch den Tod des Arbeitnehmers unschlüssig geworden, auch wenn sie vorher begründet gewesen sein sollte. Das verkennt anscheinend auch die Revision nicht. Sie meint jedoch, das Landesarbeitsgericht habe dann eben feststellen müssen, daß das Arbeitsverhältnis am 22. Oktober 1958 geendet habe. Eine solche Feststellung haben aber die Kläger im Berufungsverfahren nicht beantragt. Mit ihrem Antrag wollten sie vielmehr die Feststellung erreichen, daß das Arbeitsverhältnis W… in seinem Bestehen durch die zum 31. Dezember 1958 ausgesprochene Kündigung unberührt geblieben war, also jedenfalls über den 22. Oktober 1958 hinaus weiterbestanden hatte. Eine Erklärung, daß die Hauptsache durch den Tod W… erledigt sei, haben die Kläger nicht abgegeben und wollten sie auch bei ihrem Begehren nicht abgeben. Im übrigen hätten sie dann den Rechtsstreit nicht wie geschehen mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten fortsetzen können, sondern sich auf einen auf § 91a ZPO gestützten Kostenantrag beschränken müssen. Ein Kläger, der einen Rechtsstreit fortsetzt, obwohl er in Wirklichkeit in der Hauptsache erledigt ist, muß mit seiner Klage abgewiesen werden (vgl. Wieczorek, ZPO, § 91a Anm. A Ia).
Hiernach hat das Landesarbeitsgericht die Klage mit Recht zunächst insoweit abgewiesen, als mit ihr die Feststellung begehrt worden ist, die Kündigung zum 31. Dezember 1958 sei unwirksam und habe das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Dasselbe gilt aber auch für die weiteren Klageanträge aus § 7 Abs. 1 Satz 1 KSchG, das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1958 aufzulösen und die Beklagte zumverurteilen, eine Abfindung zu zahlen. Diese Anträge sind ebenfalls durch den Tod W… in der Hauptsache erledigt. Auch dazu ist zunächst zu sagen, daß ein durch Tod des Arbeitnehmers bereits aufgelöstes Arbeitsverhältnis nicht nochmals aufgelöst werden kann, auch nicht durch ein gerichtliches Gestaltungsurteil, wie es in § 7 Abs. 1 Satz 1 KSchG vorgesehen ist. Damit ist aber auch dem Abfindungsbegehren die Grundlage entzogen. Denn dieses Begehren setzt, wie das angefochtene Urteil zutreffend ausführt, die Begründetheit der Kündigungsschutzklage und die darauf beruhende begründete Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Gestaltungsurteil voraus. Die Abfindung soll ein Ersatz dafür sein, daß der Arbeitnehmer sein Recht auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufgibt (Auffarth-Müller, KSchG, § 8 Anm. 5; Herschel-Steinmann, KSchG, 4. Aufl., § 8 Anm. 5; Hueck, KSchG, 3. Aufl., § 8 Anm. 7). Ist der Arbeitnehmer wie hier schon vor Wirksamwerden der Kündigung gestorben und somit gar nicht in der Lage, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, dann können auch seine Erben keine Abfindung verlangen; es ist überhaupt kein Anspruch auf Abfindung zur Entstehung gekommen. Der Abfindungsanspruch kann nicht für sich allein bestehen. Er ist vom Gesetzgeber an eine begründete Feststellungsklage aus § 3 KSchG geknüpft und mit einem begründeten Anspruch auf Auflösung des für den Arbeitnehmer unzumutbar gewordenen Arbeitsverhältnisses verbunden worden. Seinem Wesen nach ist er eben Entschädigung dafür, daß der Arbeitnehmer wegen für ihn gegebener Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses seine Stelle aufgibt, obwohl ein sozial zu billigender Kündigungsgrund für die arbeitgeberseitige Kündigung nicht vorliegt (Hueck, KSchG, § 8 Anm. 7). Da es zur Zeit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts wie dargelegt an beiden Voraussetzungen für die Abfindung fehlte, kann den Klägern auch keine Abfindung zugesprochen werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Arbeitsgericht dem Verstorbenen, als er noch lebte, bereits eine Abfindung zugesprochen hat. Denn dieses Urteil ist nicht rechtskräftig geworden.
An dieser zur Klageabweisung zwingenden Rechtslage geht die Revision vorbei. Dasuvon ihr herangezogene Schrifttum bezieht sich, soweit es scheinbar anderer Auffassung ist, nicht auf den vorliegenden Fall, dessen Besonderheit darin besteht, daß der Arbeitnehmer nicht nur vor rechtskräftiger Beendigung seines Kündigungsschutzprozesses, sondern auch vor dem Wirksamwerden der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung gestorben ist.
Ob die Kläger aus eigenem Recht unabhängig von der nach alledem unbegründeten Kündigungsschutzklage ein rechtliches Interesse an der Feststellung haben konnten, daß die Beklagte keine triftigen Gründe zur Kündigung gegenüber dem Erblasser hatte, etwa um das Andenken des Verstorbenen in Ehren zu halten; braucht nicht geprüft zu werden. Denn die Kläger haben in dieser Richtung weder Tatsachen behauptet noch besondere Anträge gestellt. Auch würden sie damit keine Abfindung erreichen können.
Unterschriften
gez. Dr. Müller, Schilgen, Dr. Meier-Scherling, Paul Bresch, Riedel
Fundstellen
Haufe-Index 1492465 |
BAGE, 244 |
NJW 1961, 623 |
MDR 1961, 356 |