Schwerbehinderter Mann in Probezeit gekündigt

Arbeitgeber müssen Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer auch schon in der Probezeit mit einem Präventionsverfahren entgegentreten. Das hat das LAG Köln festgestellt. Die Kündigungsschutzklage hatte dennoch keinen Erfolg.

Arbeitgeber sind nach der Vorschrift des § 167 Abs. 1 SGB IX schwerbehinderten Menschen gegenüber zur Prävention verpflichtet: Wenn personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Schwierigkeiten auftreten, müssen sie Maßnahmen ergreifen, um einer möglichen Gefährdung des Arbeitsverhältnisses rechtzeitig entgegenzuwirken. Dazu gehört, frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebsrat sowie das Integrationsamt zu kontaktieren, um Möglichkeiten zu erörtern, besagte Schwierigkeiten zu beseitigen. Unterlässt der Arbeitgeber dieses Präventionsverfahren, kann das zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, da in diesem Fall eine Diskriminierung des Arbeitnehmers vermutet wird.

Entgegen der bisherigen BAG-Rechtsprechung hat das LAG Köln entschieden, dass dies auch innerhalb der sogenannten Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG, §§ 173 Abs. 1, 168 SGB IX gilt, in der ein schwerbehinderter Mensch noch keinen Kündigungsschutz genießt.

Der Fall: Probezeitkündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer, der einen Grad der Behinderung von 80 hat, wurde zum 1. Januar 2023 bei einer Kommune als "Beschäftigter im Bauhof" angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Vorschriften des TVöD-VKA mit dem besonderen Teil Verwaltung Anwendung. Zunächst war er in einigen Baukolonnen eingesetzt, dann verletzte er sich und war krankgeschrieben.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis noch in der Probezeit am 22. Juni 2023 ordentlich und fristgerecht zum 31. Juli 2023. Zuvor hatte der Arbeitgeber den Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung sowie die Gleichstellungsbeauftragte zur beabsichtigten "Kündigung in der Probezeit" angehört. Alle drei Stellen teilten mit, keine Einwände gegen die beabsichtigte Kündigung zu haben. Der Arbeitnehmer ging gerichtlich gegen diese Kündigung vor.

Kündigungsschutzklage gegen Kündigung in der Probezeit

Er behauptete, für seine Arbeit und sein Engagement immer ein hervorragendes Feedback erhalten zu haben. Behinderungsbedingt habe er allerdings während der Einarbeitungsphase nicht so konstant und konzentriert arbeiten können wie jemand ohne Behinderung. Auch sei er nicht so lernfähig wie ein regulärer Arbeitnehmer, sondern benötige Routinen. Je häufiger er Tätigkeiten ausführe, desto sicherer werde er. Er brachte vor, dass die infolge seiner Arbeitsunfähigkeit erklärte Kündigung treuwidrig sei. Im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Februar 2022, Az. C-485/20, hätte der Arbeitgeber ihm vor einer Kündigung eine "leidensgerechte Beschäftigung" anbieten müssen.

LAG: Präventionsverfahren auch in der Probezeit

Bereits das Arbeitsgericht Köln hatte zuvor - entgegen der BAG-Rechtsprechung zur Vorgängernorm des § 84 SGB IX (BAG, Urteil vom 21. April 2016, Az. 8 AZR 402/14) - entschieden, dass der Arbeitgeber auch während der gesetzlichen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG verpflichtet sei, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Dies ergebe die unionsrechtskonforme Auslegung der Norm.

Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte im Berufungsverfahren die Verpflichtung des Arbeitgebers, bei auftretenden Schwierigkeiten auch bereits in den ersten 6 Monaten ein Präventionsverfahren durchzuführen. Die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene zeitliche Beschränkung ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch stütze die Auslegung des Gesetzeszweckes das Ergebnis.

Wirksame Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers

Vorliegend hätte der Arbeitgeber also, als er bemerkte, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer sich während der Probezeit nicht bewährte und seinen Erwartungen nicht entsprach, vor der Kündigung Präventionsmaßnahmen ergreifen und notfalls die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt präventiv einschalten müssen. Da er gegen diese Verpflichtung verstoßen habe, indiziere dies grundsätzlich eine verbotene Diskriminierung wegen Behinderung. Die Kündigung in der Probezeit war nach Auffassung des Arbeitsgerichts Köln unwirksam, da der Arbeitgeber die Diskriminierung nicht widerlegen konnte. Das sah das LAG Köln anders. Es kam zu dem Schluss, dass die Probezeitkündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers wirksam war, da die beklagte Kommune in diesem Fall widerlegen konnte, dass die Kündigung wegen der Schwerbehinderung erfolgte.

Beweiserleichterung für Arbeitgeber

Wegen der - auch vom Bundesarbeitsgericht angenommenen - strukturellen Probleme innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses (Probezeit) ein Präventionsverfahren durchzuführen, hat das Landesarbeitsgericht Köln für diese Sonderkonstellation aber eine Beweiserleichterung für Arbeitgeber vorgenommen, um die Wartezeitkündigung gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht vollständig auszuschließen.

Im konkreten Fall war das LAG Köln aufgrund der unstreitigen Tatsachen davon überzeugt, dass der Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitnehmers nicht wegen seiner Schwerbehinderung ausgesprochen hatte. Es bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung und wies die Kündigungsschutzklage ab.

Gegen das Urteil kann Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.

Hinweis: LAG Köln, Urteil vom 12. September 2024, Az. 6 SLa 76/24; Vorinstanz: Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 20.Dezember 2023, Az. 18 Ca 3954/23


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