Präventionsverfahren vor Kündigung muss auch in der Probezeit durchgeführt werden
Der 1984 geborene Kläger verfügt über einen Grad der Behinderung von 80 und war bei der beklagten Kommune seit dem 1. Januar 2023 im Bauhof beschäftigt. Am 22. Juni 2023 kündigte die Beklagte dem Kläger innerhalb der Probezeit, ohne zuvor ein Präventionsverfahren durchgeführt zu haben. Das Präventionsverfahren nach §167 SGB IX stellt ein kooperatives Klärungsverfahren dar, das Arbeitgeber unter Beteiligung internen und externen Sachverstandes (insb. Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt, Rehabilitationsträger) durchführen müssen, wenn der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gefährdet ist. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des Präventionsverfahrens, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Denn in einem solchen Fall wird vermutet, dass der Arbeitgeber den schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen des nicht durchgeführten Präventionsverfahrens diskriminiert hat.
Präventionsverfahren muss auch in der Probezeit durchgeführt werden
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 21.4.2016, 8 AZR 402/14) hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, bei auftretenden Schwierigkeiten bereits innerhalb der ersten 6 Monate eines Arbeitsverhältnisses ein Präventionsverfahren durchzuführen.
Nach Auffassung des LAG ergibt sich die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene zeitliche Begrenzung weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch stützt eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen dieses Ergebnis. Wegen der auch vom Bundesarbeitsgericht angenommenen strukturellen Probleme, ein Präventionsverfahren vor Ablauf der ersten 6 Monate („Probezeit“) zum Abschluss zu bringen, hat das Landesarbeitsgericht für diese Sonderkonstellation aber eine Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers vorgenommen, um die Wartezeitkündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht faktisch vollständig auszuschließen.
Im konkreten Einzelfall ist das Landesarbeitsgericht Köln aufgrund der unstreitigen
Tatsachen zu dem Ergebnis gekommen, dass die streitgegenständliche Probezeitkündigung nicht wegen der Schwerbehinderung des Klägers ausgesprochen worden war und hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen.
(LAG Köln, Urteil v. 12.9.2024, 6 SLa 76/24)
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