Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung wegen verspäteter Vergütungszahlung; Schadensersatzanspruch wegen Auflösungsverschulden. Außerordentliche Kündigung wegen verspäteter Vergütungszahlung Schadensersatzanspruch wegen Auflösungsverschulden Kündigung Schadenersatz
Orientierungssatz
- Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB durch den Arbeitnehmer kann an sich vorliegen, wenn der Arbeitgeber sich mit Vergütungszahlungen in nicht unerheblicher Höhe oder für einen längeren Zeitraum im Verzug befindet.
- Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt regelmäßig auch vom Arbeitnehmer vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, den pflichtwidrig handelnden Arbeitgeber (wegen eines Zahlungsverzugs) abzumahnen.
- Für einen Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB muß die schuldhafte Vertragspflichtverletzung des Arbeitgebers kausal für die vom Arbeitnehmer erklärte außerordentliche Kündigung sein. Ein erst später dem Arbeitnehmer bekannt gewordener – zum Kündigungszeitpunkt bereits objektiv bestehender – wichtiger Grund kann nicht ursächlich für die Kündigungserklärung sein und begründet keinen Schadensersatzanspruch wegen Auflösungsverschuldens.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1, § 628 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. Mai 2000 – 9 Sa 684/99 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 3.751,52 DM nebst Zinsen (Überstunden) abgewiesen hat.
- Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Vergütung, einer Urlaubsabgeltung und von Schadensersatz wegen einer von ihm erklärten fristlosen Kündigung.
Die Beklagten zu 1 und 2 bilden eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und betreiben unter der Bezeichnung “hs-tv 1” einen lokalen Fernsehsender in Halle (Saale). Der Kläger war bei ihnen seit dem 1. März 1997 als Chefredakteur zu einem Monatsgehalt in Höhe von 4.000,00 DM brutto beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. März 1997 enthält ua. folgende Regelungen:
“
§ 3
Arbeitszeit
- Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich und regelt sich nach der branchenüblichen Tätigkeit des Mitarbeiters.
- Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Pausen werden von der Firmenleitung festgelegt und gelten für den Mitarbeiter.
- Der Mitarbeiter ist verpflichtet, Mehr- und Überarbeit zu leisten. Im Hinblick auf die branchenüblichen Besonderheiten der Arbeitszeit werden Mehr- und Überarbeit, unabhängig von der Tageszeit in der Regel nicht gesondert vergütet, sondern im Monatsdurchschnitt mit der festzulegenden Arbeitszeit verrechnet.
§ 4
Vergütung
…
(2) Die Vergütung ist jeweils zum Beginn des nachfolgenden Monats fällig, spätestens am 3. Werktag. Die Zahlung erfolgt bargeldlos. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, ein Konto zu unterhalten und der Firmenleitung seine Kontonummer mitzuteilen.
…
§ 5
Urlaub
(1) Der Urlaubsanspruch des Mitarbeiters richtet sich nach dem Bundesurlaubsgesetz. Mit dem Mitarbeiter werden zur Zeit
30 Arbeitstage
jährlich als Urlaub vereinbart.
…
(4) Liegen nicht außergewöhnliche Gründe für das Nichtantreten des Urlaubs im Kalenderjahr vor, und tritt der Mitarbeiter diesen nicht an, so verfällt er am 1. 3. des nachfolgenden Jahres, Ausnahmen erfolgen nur mit Bestätigung der Geschäftsleitung auf begründeten Antrag des Mitarbeiters.
§ 13
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
…
(2) Nach Beendigung der Probezeit geregelt im § 1 (2) kann dem Mitarbeiter mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.”
Die Vergütungszahlungen an den Kläger erfolgten im Jahr 1998 teilweise mit Verspätung. Am 24. November 1998 erhielt der Kläger von den Beklagten einen Scheck für das am 4. November 1998 fällige Gehalt für den Monat Oktober 1998. Dieser Scheck war nicht gedeckt. Das beauftragte Bankinstitut nahm am 4. Dezember 1998 eine Rückbuchung vor. Die Einlösung eines weiteren Schecks der Beklagten lehnte das Bankinstitut am 5. Dezember 1998 ab. Am 8. Dezember 1998 vereinbarten der Kläger und der Beklagte zu 2, daß der Prokurist der Beklagten am 9. Dezember 1998 das Oktobergehalt bar auf das Konto des Klägers einzahlen und ua. eine Gehaltsnachzahlung in Höhe von etwa 600,00 DM erfolgen sollte. Der Kläger erhielt von den Beklagten am 9. Dezember 1998 das Gehalt – bis auf 100,00 DM – in bar ausgezahlt. Das am 3. Dezember 1998 fällige und für den 11. Dezember 1998 zugesagte Gehalt für den Monat November 1998 erhielt er am 15. Dezember 1998. Das am 5. Januar 1999 fällige Gehalt für den Monat Dezember 1998 erhielt der Kläger erst im Laufe des Prozesses. Mit Rundschreiben vom 4. Januar 1999 räumte der Beklagte zu 2) die Verzögerung bei den Gehaltszahlungen der letzten Monate ein und teilte mit, ab Februar 1999 die Gehälter wieder pünktlich zu überweisen. Auch boten die Beklagten ihre Unterstützung zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen an. Am 8. Januar 1999 fand ein Gespräch zwischen den Parteien statt, in dem der Kläger die Zahlung seines Gehalts für Dezember 1998 forderte und den Abschluß eines Aufhebungsvertrages zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 15. Januar 1999 anbot. Mit Schreiben vom 11. Januar 1999 lehnte der Beklagte zu 2) das Angebot des Klägers ab, verwies ihn auf die ordentliche Kündigungsmöglichkeit und eine Beendigung zum 31. Januar 1999 aus Kulanzgründen.
Mit Schreiben vom 8. Januar 1999, dem Beklagten zu 2) am 11. Januar 1999 übergeben, kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis fristlos zum 15. Januar 1999 und forderte die Zahlung des ausstehenden Gehalts für Dezember 1998 bis 14. Januar 1999 und der Überstundenvergütung bis zum 22. Januar 1999. Er bot ferner für den 11. und 12. Januar 1999 die Übergabe seines Bereichs an und forderte Urlaub für die Zeit vom 13. bis zum 15. Januar 1999.
Mit Schreiben vom 11. Januar 1999 forderte der Beklagten zu 2) den Kläger auf, seine Tätigkeit mit sofortiger Wirkung wieder aufzunehmen und sich an die im Arbeitsvertrag vereinbarten Fristen zu halten. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach.
Mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 12. Januar 1999 kündigte er sein Arbeitsverhältnis erneut fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin und machte ein Zurückbehaltungsrecht wegen der ausstehenden Vergütungszahlungen ab dem 15. Januar 1999 geltend. Mit dem weiteren Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 18. Januar 1999 berief er sich erneut auf sein Zurückbehaltungsrecht wegen der noch ausstehenden Lohnzahlungen und forderte die Abgeltung noch offener Überstunden und des Resturlaubs sowie Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB. Am 15. Januar 1999 hatte der Kläger insgesamt 243 Überstunden für die Beklagten erbracht. Für das Jahr 1999 bestand noch ein Resturlaubsanspruch von neun Arbeitstagen.
Spätestens am 1. Februar 1998 trat der Kläger eine neue Stelle an.
Mit Schreiben vom 6. März 1999 teilte die Aachen-Münchener Lebensversicherung dem Kläger mit, unter dem Datum des 11. März 1998 sei durch den Beklagten zu 1) ein Antrag auf eine kapitalbildende Lebensversicherung bei ihr für den Kläger gestellt worden. Das Antragsformular enthält eine Unterschrift des Beklagten zu 1) und eine auf den Namen des Klägers lautende Unterschrift. Die Lebensversicherung wurde zum 1. Mai 1999 gekündigt.
Der Kläger hat mit seiner den Beklagten zu 1) und 2) am 11. bzw. am 13. März 1999 zugestellten Klage vorgetragen, ihm stehe ein Anspruch auf Zahlung der Januarvergütung bis 15. Januar 1999 in Höhe von 2.000,00 DM zu, da er bis dahin seine Arbeitsleistung erbracht habe. Für die Zeit ab dem 15. Januar 1999 macht er ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Nichtauszahlung des Dezembergehalts, des fehlenden Ausgleichs der Gehaltsdifferenzen, der fehlenden Zahlung des Urlaubsgeldes und der Überstundenvergütung geltend. Auf der Basis einer Stundenvergütung von 23,07 DM habe er einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 5.606,01 DM für die noch offenen 243 Überstunden. Zur Abgeltung von insgesamt 10 Arbeitstagen Urlaub (9 Arbeitstage für 1998 und 1 Arbeitstag für 1999) schuldeten die Beklagten ihm auf der Basis von 8 Stunden a 23,07 DM weitere 1.845,60 DM. Sie seien ferner verpflichtet, ihm für die Zeit vom 16. Januar bis zum 31. Januar 1999 den entgangenen Lohn in Höhe von 2.000,00 DM als Schadensersatz zu leisten. Er habe sein Arbeitsverhältnis berechtigterweise aus wichtigem Grund gekündigt, da die Beklagten mehrfach ihre vertraglichen Pflichten verletzt hätten. Insbesondere hätten sie sein Gehalt mehrere Monate lang nicht pünktlich gezahlt und ihm zwei nicht gedeckte Schecks übersandt. Auch sei der in der Vereinbarung vom 18. Dezember 1998 zugesagte Restbetrag nicht gezahlt worden. Die außerordentliche Kündigung sei außerdem gerechtfertigt, weil die Beklagten auf dem Antrag zum Abschluß der kapitalbildenden Lebensversicherung seine Unterschrift gefälscht hätten. Er habe von diesen Vorgängen erstmals durch das Schreiben der Aachen-Münchener Lebensversicherung im März 1999 erfahren. Ihm stünde schließlich als Schadensersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB eine Abfindung in Höhe eines Monatsgehalts in Höhe von 4.000,00 DM zu.
Der Kläger hat – soweit für die Revision noch von Interesse – zuletzt beantragt
die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 15.451,61 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 14. März 1999 zu zahlen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Der Kläger habe keinen wichtigen Grund zur fristlosen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gehabt. Er habe die aufgetretenen, nicht erheblichen und hinnehmbaren Zahlungsverzögerungen dazu benutzt, um aus dem Arbeitsverhältnis vorzeitig ausscheiden und seine neue Arbeitsstelle bei der Stadt Halle zum 16. Januar 1999 antreten zu können. Der Kläger habe sie vor Ausspruch der Kündigung nicht abgemahnt. Er habe sie erstmals mit Schreiben vom 18. Januar 1999 zur Zahlung des Dezemberlohns aufgefordert und zugleich die Kündigung ausgesprochen. Ein Schadensersatzanspruch stehe ihm nicht zu. Sie hätten nicht im Namen des Klägers einen Antrag auf Abschluß einer Lebensversicherung bei der Aachen-Münchener Versicherung gestellt und seine Unterschrift gefälscht. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Da der Kläger seiner Arbeitspflicht im Januar und Februar nicht nachgekommen sei, habe er keinen Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Vergütung und der begehrten Überstunden- und Urlaubsabgeltung. Durch seine unberechtigte außerordentliche Kündigung habe er ein Abbummeln der Überstunden und die Gewährung seines Resturlaubs verhindert.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagten – soweit für die Revision noch von Interesse – als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2.000,00 DM für den Zeitraum 1. bis 15. Januar 1999, von 2.000,00 DM als Schadensersatz für den Zeitraum 15. Januar bis 31. Januar 1999, von 1.845,60 DM brutto Urlaubsabgeltung und 5.606,01 DM brutto Überstundenvergütung nebst anteiliger Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Beklagten zur Zahlung von mehr als 4.807,45 DM brutto nebst anteiliger Zinsen verurteilt worden sind. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger zum einen die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und zum anderen dessen Abänderung, soweit er mit seiner Klage abgewiesen worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nur teilweise begründet.
Soweit der Kläger Vergütung bzw. Schadensersatz für den Zeitraum ab 11. Januar 1999 (insgesamt 2.892,64 DM brutto) sowie eine Abfindung in Höhe von 4.000,00 DM begehrt, war der Rechtsstreit durch Endurteil (sog. unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden und die Revision des Klägers zurückzuweisen (Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPO 15. Aufl. § 146 IV 1; BGH 10. Februar 1993 – XII ZR 239/91 – NJW 1993, 1788). Die Klage erweist sich auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts insoweit als unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung (§§ 9, 10 KSchG analog) als Schadensersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB. Er hatte keinen wichtigen Grund, sein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden.
Nach § 628 Abs. 2 BGB ist derjenige, der durch sein schuldhaftes vertragswidriges Verhalten die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB durch den Vertragspartner veranlaßt hat, diesem zum Ersatz des durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.
Die Regelung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, daß derjenige, der durch sein vertragswidriges Verhalten den anderen Teil zur Kündigung des Vertragsverhältnisses herausfordert, auch den in der Vertragsauflösung liegenden Schaden ersetzen muß (BAG 23. August 1988 – 1 AZR 276/87 – BAGE 59, 242). Der Vertragsteil, der die Auflösung des Vertrages verschuldet hat, muß gemäß § 249 Satz 1 BGB den anderen so stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß durch fristgemäße Kündigung beendet worden (BAG 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – zVv., mwN). Dabei umfaßt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – aaO; s. auch ErfK/Müller-Glöge 2. Aufl. § 628 BGB Rn. 73) der Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB nicht nur den Verdienst, den der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist verlangen kann, sondern auch einen angemessenen Ausgleich für den Verlust des durch das KSchG vermittelten Bestandsschutzes. Die Bemessung des Ausgleichs orientiert sich dabei an der Abfindungsregelung der §§ 9, 10 KSchG. Dieser Anspruch tritt kumulativ zum Anspruch auf Ersatz des Vergütungsausfalls hinzu (BAG 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – aaO).
- Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist ein “Auflösungsverschulden” des Vertragspartners. Dieses muß das Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB haben. Nur derjenige kann Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB fordern, der auch wirksam sein Arbeitsverhältnis hätte fristlos kündigen können. Aus dem Zusammenhang der Absätze 1 und 2 der Norm folgt, daß nicht jede geringfügige schuldhafte Vertragsverletzung, die Anlaß für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen ist, die schwerwiegenden Folgen des § 628 Abs. 2 BGB nach sich zieht (BAG 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – aaO).
Entgegen der Auffassung der Revision stellt der am 11. Januar 1999 bestehende Zahlungsverzug der Beklagten für den Kläger keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses dar. Das hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zutreffend erkannt.
- Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht allein darauf überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Tatsachen, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (st. Rspr. des Senats vgl. zB 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – BAGE 81, 27, 32; 12. August 1999 – 2 AZR 923/98 – BAGE 92, 184). Auch die erforderliche Interessenabwägung ist vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls daraufhin gewürdigt hat, ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung fortzusetzen. Die Bewertung der für und gegen die Zumutbarkeit der Fortsetzung sprechenden Umstände liegt hingegen weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Hält sich die Interessenabwägung im Rahmen des Beurteilungsspielraums, kann das Revisionsgericht die angegriffene Würdigung nicht durch seine eigene ersetzen (BAG 20. Januar 1994 – 2 AZR 521/93 – AP BGB § 626 Nr. 115 = EzA BGB § 626 nF Nr. 153; 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10, 16). Schließlich kann das Revisionsgericht auch hinsichtlich des Erfordernisses einer Abmahnung nur prüfen, ob das Berufungsgericht den ultima-ratio-Grundsatz berücksichtigt, ob es diesem Prinzip den rechtlich zutreffenden Inhalt beigemessen und ob es bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes alle wesentlichen Umstände des Falles beachtet hat (BAG 8. Juni 1995 – 2 AZR 1037/94 – nv.; 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – BAGE 81, 27; 12. August 1999 – 2 AZR 923/98 – aaO).
Diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann der wichtige Grund zur außerordentlichen Kündigung zwar noch nicht allein deshalb verneint werden, weil zum Kündigungszeitpunkt kein erheblicher Verzug der Beklagten mit der Gehaltszahlung an den Kläger vorgelegen hat. Es fehlt aber – worauf das Landesarbeitsgericht auch abgestellt hat – an einer vergeblichen Abmahnung vor dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung.
- Es kann für den Arbeitnehmer einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses an sich darstellen, wenn der Arbeitgeber mit seiner Lohnzahlung in Verzug ist (BAG 25. Juli 1963 – 2 AZR 510/62 – BAGE 14, 266 270; 25. September 1980 – 3 AZR 119/78 – nv.; 25. Oktober 1984 – 2 AZR 417/83 – AP BGB § 273 Nr. 3 = EzA BGB § 273 Nr. 3; 9. Mai 1996 – 2 AZR 387/95 – AP BGB § 273 Nr. 5 = EzA BGB § 626 nF Nr. 161). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Lohnzahlung in nicht unerheblicher Höhe unterblieben ist oder sich der Verzug des Arbeitgebers mit der Vergütungszahlung über einen erheblichen Zeitraum erstreckt und der Arbeitnehmer diesen Fehler abgemahnt hat (BAG 25. September 1980 – 3 AZR 119/78 – aaO; 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – aaO; KR-Fischermeier 6. Aufl. § 626 BGB Rn. 467; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz 7. Aufl. Rn. 589). Daraus folgt, daß nicht schon jeder kurzfristige oder geringfügige Zahlungsverzug ausreichen kann, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Neben dem Umfang des Lohn- oder Gehaltsrückstandes kann von Bedeutung sein, ob es sich um eine einmalige oder dauernde Unpünktlichkeit bei der Vergütungszahlung handelt. Auch bei geringeren Beträgen kann es dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbar sein, sein Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzuführen, wenn der Arbeitgeber zum wiederholten Male mit den Vergütungsleistungen in Verzug kommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitgeber leistungsunwillig oder nur leistungsunfähig ist (BAG 25. Juli 1963 – 2 AZR 510/62 – aaO; 25. Oktober 1984 – 2 AZR 417/83 – aaO).
- Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt hat, die Beklagten seien zum Kündigungszeitpunkt nur mit der Gehaltszahlung von Dezember 1998 kurzfristig (sechs Tage) und deshalb insgesamt nicht erheblich in Verzug gewesen, greift die Begründung zu kurz. Sie berücksichtigt weder die bisher eingetretenen – und später ausgeglichenen – Zahlungsrückstände noch die weitere Vergütungsdifferenz in Höhe von 600,00 DM aus der Vereinbarung vom 8. Dezember 1998. Auch die Mitteilung des Beklagten zu 2) mit Rundschreiben vom 4. Januar 1999, erst ab Februar 1999 die Vergütung wieder pünktlich zu zahlen, würdigt das Berufungsgericht nicht hinreichend.
Die weitere Argumentation des Landesarbeitsgerichts trägt aber die Klageabweisung und hält sich im Rahmen des dem Berufungsgerichts einzuräumenden Beurteilungsspielraums. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung deshalb als rechtlich unwirksam angesehen, weil der Kläger die Beklagten vor dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nicht abgemahnt hat.
- Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt in der Regel auch von einem Arbeitnehmer, vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung den pflichtwidrig handelnden Arbeitgeber abzumahnen (BAG 22. August 1963 – 2 AZR 114/63 – AP BGB § 626 Nr. 51; 19. Juni 1967 – 2 AZR 287/66 – BAGE 19, 351; 28. Oktober 1971 – 2 AZR 15/71 – AP BGB § 626 Nr. 62; 2. Februar 1983 – 7 AZR 732/79 – nv.; 8. Juni 1995 – 2 AZR 1037/94 – nv.; KR-Fischermeier 6. Aufl. § 626 BGB Rn. 463). Der Arbeitnehmer muß die vom Arbeitgeber begangene Pflichtverletzung konkret beanstanden und deutlich machen, der Bestand des Arbeitsverhältnisses sei gefährdet, wenn der Arbeitgeber nicht zu einem vertragskonformen Verhalten zurückkehre. Solange erwartet werden kann, daß der Vertragspartner in Zukunft sein Verhalten abstellt, ist eine Kündigung regelmäßig nicht erforderlich (BAG 17. Januar 1991 – 2 AZR 375/90 – BAGE 67, 75, 81). Eine Abmahnung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn es sich um besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt, deren Rechtswidrigkeit dem pflichtwidrig Handelnden ohne weiteres erkennbar und bei denen es ausgeschlossen ist, daß der Vertragspartner ein solches Verhalten hinnimmt (BAG 12. August 1999 – 2 AZR 923/98 -aaO), bzw. wenn sie zu einer irreparablen Störung der Vertragsbeziehungen führen, so daß aus objektiver Sicht das Interesse an einer weiteren Vertragsdurchführung entfällt oder wenn – auch im Falle einer Abmahnung – keine Aussicht auf eine Rückkehr des Vertragspartners zum vertragskonformen Verhalten mehr besteht.
- Der Kläger hat die Beklagten nicht abgemahnt. Die Vereinbarung vom 8. Dezember 1998 ist keine Abmahnung. Es fehlt insbesondere schon an der erforderlichen Androhung von Konsequenzen für den Inhalt oder den Bestand des Arbeitsverhältnisses (Senat 17. Februar 1994 – 2 AZR 616/93 – BAGE 76, 35, 38; 26. Januar 1995 – 2 AZR 649/94 – BAGE 79, 176). Das Gleiche gilt für die am 8. Januar 1999 durchgeführte Besprechung. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, daß er in dem Gespräch die noch ausstehenden Forderungen verlangt und für den Fall einer Nichtleistung der Beklagten mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt gedroht hat.
- Eine Abmahnung war auch nicht entbehrlich. Daß die Beklagten, die im übrigen die Vergütung des Klägers immer sukzessive geleistet haben, sich trotz einer entsprechenden Abmahnung geweigert hätten, zukünftig die Vergütung pünktlich zu zahlen, läßt sich aus dem Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen nicht feststellen. Hinzu kommt, daß der Beklagte zu 2) mit Rundschreiben vom 4. Januar 1999 die Zahlungsschwierigkeiten eingeräumt und für Februar eine pünktliche Zahlung verbindlich in Aussicht gestellt hatte.
Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, der Kläger habe sein Arbeitsverhältnis auch wegen des Verdachts der Urkundenfälschung wirksam außerordentlich gekündigt, weshalb der Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB gegeben sei.
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher möglicher wichtiger Kündigungsgrund vorliegt und der Kläger ihn materiell-rechtlich wirksam nachschieben konnte. Der ihm erst im März 1999 bekannt gewordene Sachverhalt kann ihn schon auf Grund des zeitlichen Ablaufs nicht zur fristlosen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses am 11. bzw. 12. Januar 1999 veranlaßt haben.
Der Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB setzt aber voraus, daß die Kündigung durch das vertragswidrige Verhalten des anderen Teils veranlaßt wird. Das vertragswidrige Verhalten des anderen Vertragsteils begründet im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung nur dann einen Schadensersatzanspruch, wenn es ursächlich für die Kündigung, also das Motiv für die Kündigungserklärung, war. Das Arbeitsverhältnis muß gerade “wegen” der Vertragswidrigkeit des Partners beendet worden sein. Zwischen der schuldhaften Vertragspflichtverletzung und der Veranlassung zur Auflösung des Arbeitsvertrages durch den Vertragspartner muß deshalb eine Kausalität bestehen (Erman/Belling BGB 10. Aufl. § 628 Rn. 22; ErfK/Müller-Glöge 2. Aufl. § 628 BGB Rn. 79; Staudinger/Ulrich Preis BGB 13. Aufl. § 628 Rn. 43).
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Vergütung ab dem 15. Januar 2001 zu.
Ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB ist aus den genannten Gründen nicht gegeben (s. A I 3 und 4 der Gründe). Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB. Zwar gerät der Arbeitgeber bei einer berechtigten Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers gemäß § 273 BGB in Annahmeverzug mit der Folge der Pflicht zur Vergütung (ErfK/Preis 2. Aufl. § 611 BGB Rn. 974 mwN). Der Annahmeverzugsanspruch setzt jedoch voraus, daß das Angebot der Arbeitskraft in einem bestehenden Arbeitsverhältnis erfolgt. Der Kläger hat aber sein Arbeitsverhältnis selbst zum 15. Januar 1999 gekündigt und seine Arbeitskraft nach dem Zeitpunkt konsequent nicht mehr angeboten. Er hat sich auch im Prozeß weiterhin ausdrücklich auf die Wirksamkeit seiner außerordentlichen Kündigung berufen. Deshalb ist ihm insoweit verwehrt, sich – ggf. hilfsweise – auf eine eventuelle Unwirksamkeit seiner außerordentlichen Eigenkündigung zu berufen (§ 242 BGB; vgl. Senat 4. Dezember 1997 – 2 AZR 799/96 – BAGE 87, 200, 204 f.). Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich
- Dem Kläger steht auch kein Vergütungsanspruch für den Zeitraum vom 11. Januar bis 15. Januar 1999 zu. Der Kläger hat ab dem 11. Januar 1999 in dem noch bis zum 15. Januar 1999 bestehenden Arbeitsverhältnis keine Arbeitsleistung mehr erbracht. Urlaub ist ihm für den Zeitraum nicht gewährt worden. Ein Zurückbehaltungsrecht wurde von ihm erst für den Zeitraum danach geltend gemacht.
Über die weitere Revision des Klägers war gegen die im Verhandlungstermin vom 17. Januar 2002 säumigen Beklagten durch (Schluß-) Versäumnisurteil zu entscheiden. Insoweit war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Ob dem Kläger noch eine Restforderung in Höhe von 3.751,52 DM brutto (Klageforderung abzüglich des unter A abgewiesenen Betrags und des vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig zuerkannten Betrags [also 15.451,61 DM abzüglich 6.892,64 DM und 4.807,45 DM]) zusteht, kann nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung seiner Arbeitsvergütung für den Zeitraum 1. bis 10. Januar 1999 auf Grund seiner erbrachten Arbeitsleistungen gemäß § 611 Abs. 1, § 2 Abs. 1 EFZG iVm. dem Arbeitsvertrag in Höhe von 1.107,36 DM brutto (6 Arbeitstage à 184,53 DM) zu. Er hat auch einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.845,60 DM brutto gemäß §7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 5 Abs. 4 seines Arbeitsvertrages, weil er seinen Resturlaub infolge der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr realisieren konnte. Diese beiden Forderungsbeträge sind durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts dem Kläger rechtskräftig zuerkannt worden.
Ob und in welchem Umfang der Kläger darüber hinaus noch einen Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung in Höhe von 5.606,01 DM brutto hat, wovon ihm allerdings bereits ein Betrag von 1.854,49 DM mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts zuerkannt wäre, bedarf insbesondere in Anbetracht der vertraglichen Absprache zu § 3 Abs. 3 einer näheren Aufklärung, die das Landesarbeitsgericht noch nachzuholen haben wird.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Bühler, Thelen
Fundstellen
Haufe-Index 788766 |
AuA 2002, 574 |
AuA 2003, 51 |
EzA-SD 2002, 6 |
EzA |
ArbRB 2002, 295 |
BAGReport 2002, 375 |