Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung – Unternehmerentscheidung – Tarifliche Besetzungsklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Bei den Regelungen des Anhangs C II Nr. 3 Satz 1 bis 3 des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 3. Juni 1980 handelt es sich um sog. quantitative Besetzungsregeln, die als Betriebsnormen nach § 3 Abs. 2 TVG wirken. Die Regelung, daß Fachkräften eine Hilfskraft „beizustellen” ist, bezweckt keinen unmittelbaren Arbeitsplatzschutz der betreffenden Hilfskraft. Diese kann sich jedoch anläßlich einer betriebsbedingten Kündigung, die auf die unternehmerische Maßnahme zur dauerhaften Stellenreduzierung zurückgeführt wird, im Wege der Reflexwirkung darauf berufen, die Unternehmerentscheidung sei im Sinne der bisherigen Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG (u.a. BAGE 55, 262 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich, wenn die Weiterbeschäftigung der Hilfskraft die jeweilige Fachkraft vor einer physischen oder psychischen Überlastung schützt.
2. Zur abgestuften Darlegungslast betreffend die Unternehmerentscheidung zur dauerhaften Stellenreduzierung (vgl. auch insoweit Parallelurteile vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 und 2 AZR 141/99 - jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen).
Normenkette
BetrVG § 102; KSchG § 1 Abs. 2; MTV für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West vom 3. März 1980 Anhang C II Nr. 3; TVG § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 3. April 1998 - 2 Sa 1/98 - aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung und Verhandlung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger (geboren am 11. September 1959, drei Unterhaltsverpflichtungen) trat am 21. Oktober 1991 in die Dienste der Beklagten; er wurde in deren Druckereibetrieb als Hilfskraft gegen einen Stundenlohn von zuletzt 21,14 DM brutto in der 35-Stunden-Woche u.a. in den Bereichen Offsetdruck und Weiterverarbeitung tätig. Im Offset oblag ihm die Maschinenpflege, er hatte die Druckmaschinen zu reinigen und zu waschen, die Farbe nachzufüllen, das Papier „vorzuschlagen” und Paletten zu packen. Dort wird auch die Druckmaschine „Heidelberg Speedmaster 74” mit sechs Druckwerken eingesetzt. Ob dieses Gerät völlig ohne Mitwirkung von Hilfskräften bedient werden kann, ist zwischen den Parteien umstritten. Mit der genannten Maschine werden häufig Aufträge mit hohen Auflagen von zwei bis fünf Millionen bewältigt, ihr Papiervorrat umfaßt 10.000 Bögen des Formats 52 × 74 cm, sie druckt 15.000 bis 30.000 Bögen pro Stunde. Darüber hinaus verwendet die Beklagte neben verschiedenen Buchdruckmaschinen eine weitere Druckmaschine mit der Bezeichnung „Speedmaster 74”, die nur zwei Druckwerke aufweist. Im Bereich Weiterverarbeitung wurde der Kläger aushilfsweise zu Tischarbeiten herangezogen. Ferner säuberte er Hof und Saal und arbeitete im Lager.
Die Beklagte ist Mitglied des Verbands der Druckindustrie Berlin-Brandenburg e.V., während der Kläger keiner Gewerkschaft angehört. In C II Nr. 3 des Anhangs Druck zum Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West (im folgenden: Anhang MTV) findet sich in der seit 3. März 1980 gültigen Fassung folgende Regelung:
Den Fachkräften ist ab dem Format IV mindestens eine Hilfskraft beizustellen. Dies gilt bei Maschinen mit vier Farbwerken für die Formatklassen I bis V. An Maschinen mit vier Farbwerken ab dem Format VI und an Maschinen mit sechs Farbwerken sind zwei Hilfskräfte zu beschäftigen.
Anhang C wurde zum 31. Dezember 1996 gekündigt, von den Tarifpartnern jedoch am 6. Februar 1997 rückwirkend ab 1. Januar 1997 wieder in Kraft gesetzt.
Im Januar 1997 traf die Beklagte die Entscheidung, den Arbeitsplatz einer Hilfskraft einzusparen. Nachdem der Betriebsrat unter dem 10. Januar 1997 widersprochen hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 29. Januar 1997 zum 31. März 1997. Eine weitere Hilfskraft, das Betriebsratsmitglied L, beschäftigt sie demgegenüber weiter. Herr L wurde ursprünglich überwiegend als Apparateführer eingesetzt. Ebenfalls ungekündigt blieben u.a. die Arbeitsverhältnisse von Frau B (geboren am 17. September 1940, eingestellt am 20. April 1976, eine Unterhaltsverpflichtung) und Frau D (geboren am 1. März 1963, eingetreten am 14. Mai 1990, drei Unterhaltspflichten, ihr Ehemann ist berufstätig). Frau D wird in der Weiterverarbeitung mit Lochen, Klammern und Verpacken beschäftigt, ihr obliegt die gesamte Qualitätskontrolle.
Seit der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im September 1997 wird der Kläger vorläufig weiterbeschäftigt, wobei 80 % seiner Arbeitszeit auf die Tätigkeit als Druckerhelfer entfallen.
Der Kläger hat bestritten, daß der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei. Während sich das Widerspruchsschreiben des Betriebsrats auf den Kündigungsgrund „Arbeitsmangel” beziehe, berufe sich die Beklagte nunmehr auf eine unternehmerische Entscheidung, die das Beschäftigungsbedürfnis für ihn entfallen lassen solle. Er hat die Auffassung vertreten, seine Kündigung verletze die Besetzungsregelung des Anhangs C II Nr. 3 MTV, da der Drucker der zweiten Schicht, der nicht von Herrn L unterstützt werde, ohne beigestellte Hilfskraft arbeite. Die tarifliche Bestimmung begrenze die Freiheit der Beklagten objektiv, ihre tarifwidrige und rechtsmißbräuchliche unternehmerische Entscheidung könne die Kündigung deshalb nicht stützen. Allerdings sei schon zweifelhaft, ob die behauptete Unternehmerentscheidung als organisatorische Maßnahme tatsächlich stattgefunden habe. Zumindest sei bei ihrer innerbetrieblichen Umsetzung das Bedürfnis für seine Weiterbeschäftigung nicht entfallen. Entgegen der Darstellung der Beklagten seien Hilfskräfte auch nicht entbehrlich, soweit die Druckmaschine „Heidelberg Speedmaster 74” zu bedienen sei. Vielmehr benötige der Drucker bei einer Druckunterbrechung nach wie vor Unterstützung, um die Ursache der Störung zu finden und die Maschine wieder in Gang zu setzen. Des weiteren müsse die Farbe wegen der besonders hohen Druckgeschwindigkeit ca. halbstündig nachgefüllt und kontrolliert, das Papier laufend vorgeschlagen und nachgefüllt werden. Die ausgedruckten Druckplatten müßten gesäubert, gummiert und archiviert werden. Daran zeige sich, daß der von der Beklagten vorgelegte Herstellerprospekt („Spitzentechnik für Solisten”) die Wirklichkeit nicht zutreffend wiedergebe. Die getroffene soziale Auswahl schließlich sei fehlerhaft. Er könne die Aufgaben von Frau B, Frau D und Herrn L aufgrund seines zeitweiligen Einsatzes in der Weiterverarbeitung übernehmen, lediglich die Falzmaschine könne er nicht bedienen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch die mit Schreiben vom 29. Januar 1997 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, am 6. Januar 1997 sei dem Betriebsrat neben dem Umsatzrückgang auch mitgeteilt worden, daß künftig nur noch Herr L die Hilfsarbeiten ausführen werde und die Drucker infolge der Technisierung einzelne dieser Tätigkeiten selbst übernehmen würden. Die im Januar 1997 getroffene unternehmerische Entscheidung, einen Arbeitsplatz bei den Hilfskräften einzusparen, beruhe darauf, daß sich der Warenwertumsatz von 4.160.000,00 DM im Jahre 1995 auf 3.180.000,00 DM im Jahre 1996 – somit um 24 % – verringert habe und eine Besserung nicht abzusehen sei. Aufgrund dessen sei der gesamte Aufgabenbereich des Klägers entfallen. Die neue Technik ermögliche es, auf Hilfskräfte an den Maschinen zu verzichten. Die Druckmaschine „Heidelberg Speedmaster 74” insbesondere arbeite weitgehend vollautomatisch und könne allein durch den Drucker bedient werden. Die Druckplatten würden rechnergesteuert ohne manuellen Eingriff aus- und eingespannt, Walzen, Gummituch und Druckzylinder würden automatisch gewaschen. Die Farbe werde vom Drucker selbst mit Ink-Clip in Farbkästen gefüllt, das Papier nicht während des Druckvorgangs, sondern während des Stillstands der Maschine vorgeschlagen. Überdies sei der Kläger vor Zugang der Kündigung nur in zu vernachlässigendem Umfang als Apparateführer (Hilfskraft) an den Druckmaschinen im Offset beschäftigt worden. Das lasse sich daran ersehen, daß er im Zeitraum vom 2. Dezember 1996 bis 13. Januar 1997 – also an 27 Arbeitstagen – insgesamt lediglich 3,5 Stunden oder 0,12 Stunden täglich mit Hilfstätigkeiten an der Druckmaschine beschäftigt worden sei. Diese würden künftig von den jeweils tätigen Druckern mitausgeführt. In der Weiterverarbeitung habe der Kläger nur sporadisch ausgeholfen, im genannten Zeitraum habe er dort an 27 Arbeitstagen insgesamt 14 Stunden oder 0,5 Stunden täglich mit Tischarbeiten verbracht. Falls derartige Aushilfsarbeiten auch künftig anfielen, würden sie von den Mitarbeiterinnen B, D und D übernommen. Die sonstigen Reinigungs- und Lagerarbeiten des Klägers würden von Herrn L miterledigt. Da dessen frühere Haupttätigkeit als Apparateführer gleichfalls von den Druckern versehen werde, könne er problemlos den Aufgabenbereich des Klägers übernehmen. Nach dem erstinstanzlichen Urteil sei der Kläger weiterbeschäftigt worden, obwohl er in Wahrheit nicht gebraucht werde. Die aus dem Jahre 1980 stammende Besetzungsregelung des Anhangs C II Nr. 3 MTV lasse den mittlerweile eingetretenen technischen Wandel außer acht. Der Kläger als Hilfskraft könne aus der Verletzung der Betriebsnorm keine Rechte herleiten, Sinn der Besetzungsregelung sei ein Überforderungsschutz der Drucker. Zu einer solchen Überforderung könne es aber in Anbetracht der neuen Technik nicht mehr kommen. Ein tariflicher Zwang, Arbeitnehmer zu beschäftigen, die nicht benötigt würden, sei unvereinbar mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Frau D könne der Kläger nicht ersetzen. Sie weise die für die Qualitätskontrolle nötigen umfassenden Kenntnisse der buchbinderischen Weiterverarbeitung auf, womit der Kläger nie zu tun gehabt habe. Im übrigen handele es sich bei ihr um eine besonders gute und zuverlässige Mitarbeiterin.
Der Kläger hat erwidert, der von der Beklagten gewählte Erfassungszeitraum für seine Tätigkeiten (2. Dezember 1996 bis 31. Januar 1997) sei nicht repräsentativ. Schon seit Herbst 1996 seien er und der Kollege L. gegen den Widerstand der Drucker und des Betriebsrates von Druckerhelferarbeiten abgezogen worden. Die Drucker S., W. und B. hätten sich gegen diese Maßnahme gewehrt, weil das nach wie vor erforderliche Farbnachfüllen und Papiervorschlagen während des Druckvorganges ein Sicherheitsrisiko und eine Arbeitserschwernis für die Drucker darstelle. Nur auf Druck der Geschäftsleitung führten die Drucker diese Arbeiten aus. Da der Kollege L in der ersten Schicht arbeite, bestehe zumindest ein dringendes Bedürfnis für seine – des Klägers – Weiterbeschäftigung in der zweiten Schicht. Im übrigen habe die Beklagte nicht einmal eine Personalbedarfsberechnung vorgelegt; die von ihr behaupteten Warenumsatzzahlen besagten nichts und würden mit Nichtwissen bestritten.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt, die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte nach wie vor die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet, sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), da der Senat mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend über die Betriebsbedingtheit der Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) entscheiden kann. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann indessen die Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht begründet werden.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – kurz zusammengefaßt – wie folgt begründet: Selbst wenn zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werde, daß die Beklagte die gerichtlich nicht überprüfbare unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die noch verbleibenden Tätigkeiten eines Helfers im Bereich der Druckmaschine anderweitig zu verteilen, verstoße die Durchsetzung dieses Entschlusses gegen die Besetzungsregelung des Anhangs Druck C II Nr. 3 MTV und sei daher sozialwidrig gem. § 1 Abs. 2 KSchG. Diese Bestimmung habe im Betrieb der tarifgebundenen Beklagten nach § 4 Abs. 5 TVG nachgewirkt. Hinzu komme, daß die Tarifvertragsparteien sie am 6. Februar 1997 mit Rückwirkung ab 1. Januar 1997 wieder in Kraft gesetzt hätten.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zutreffend eine unrichtige Anwendung der einschlägigen Tarifvorschrift im Anhang Druck C II Nr. 3 MTV; auf diese Norm kann sich der Kläger selbst nicht berufen, weil sein Arbeitsverhältnis vom Schutzzweck der Norm nicht unmittelbar erfaßt wird.
1. Anhang C II Nr. 3 Satz 1 bis 3 MTV beinhaltet sog. quantitative Besetzungsregelungen, die die Mindestanzahl der an bestimmten Maschinen zu beschäftigenden Hilfskräfte festlegen (vgl. Beck, ArbuR 1981, 333, 367, 371; Berg/Wendeling/Schröder/Wolter, RdA 1980, 299, 301; Bulla, DB 1980, 103, 108; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 816; ErfK-Schaub, § 1 TVG Rz 31; Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 1 Rz 238; Konertz, Tarifrechtliche Möglichkeiten der Rationalisierung, S. 153; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz 516; Säcker/Oetker, Grundlagen der Tarifautonomie, § 3 B 3, S. 76, 77; Schmidt-Eriksen, Tarifvertragliche Betriebsnormen, S. 239 f.; Wiedemann, TVG, 6. Aufl., Einleitung Rz 331). Dabei handelt es sich zumindest auch um Betriebsnormen i.S.v. § 1 Abs. 1 Alternative 4, § 3 Abs. 2 TVG (so z.B. Däubler, aaO, Rz 816; Konertz, aaO, S. 153; Reuter, ZfA 1978, 1, 4; erwogen auch von BAG Beschluß vom 17. Juni 1997 - 1 ABR 3/97 - BAGE 86, 126, 131 = AP Nr. 2 zu § 3 TVG Betriebsnormen, zu B 1 b der Gründe). Da sich beide in Frage kommenden Besetzungsklauseln auf die Anzahl der an den Maschinen zu beschäftigenden Arbeitnehmer beziehen, können sie nur einheitlich für Organisierte und Nichtorganisierte gelten, die jeweilige Regelung kann sinnvoll nur einheitlich für alle Arbeitnehmer erfolgen (BAG Beschluß vom 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - BAGE 64, 368, 373 = AP Nr. 57 zu Art. 9 GG, zu I 2 der Gründe und BAG Beschluß vom 22. Januar 1991 - 1 ABR 19/90 - AP Nr. 67 zu Art. 12 GG, zu II 3 der Gründe, wenn auch in beiden Entscheidungen für eine qualitative Besetzungsregel). Trotzdem kann sich der Kläger nicht darauf berufen, der von der Beklagten laut Annahme des Berufungsgerichts getroffene unternehmerische Entschluß, den Arbeitsplatz einer Hilfskraft einzusparen, sei tarifwidrig, die auf ihn gegründete Kündigung unwirksam. Dem steht der Normzweck sowohl von Anhang C II Nr. 3 Satz 2 MTV als auch von dessen Satz 3 entgegen.
a) Im Wortlaut der Regelungen der Nr. 3 fällt zunächst auf, daß ihr Satz 1 vorsieht, „den Fachkräften sei ab dem Format IV mindestens eine Hilfskraft beizustellen”. Diese Regelung wird über Satz 2 auf Maschinen mit vier Farbwerken für die Formatklassen I bis III erstreckt. Bezugspunkt und Normbegünstigter der Bestimmungen ist deshalb schon bei wörtlicher Auslegung nur der Drucker als Fachkraft. „Beistellen” bedeutet, wie die Revision in anderem Zusammenhang zu Recht geltend macht, „jemanden oder etwas zur Verfügung stellen”, „bereitstellen” (Brockhaus/ Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1980, Band 1, S. 583, wo das Beispiel gebildet wird „für diese Arbeit war ihm früher ein Hilfsarbeiter beigestellt worden”; Duden, Deutsches Universalwörterbuch A-Z, 2. Aufl., S. 229). Durch die in Satz 3 enthaltene Formulierung „zu beschäftigen” ändert sich daran nichts, vielmehr soll sie ersichtlich lediglich eine Wortwiederholung vermeiden.
b) Auch die Geschichte der Tarifnormen spricht gegen einen unmittelbar für Hilfskräfte bezweckten Arbeitsplatzschutz. Die konkreten Besetzungsklauseln sind ein Ergebnis des Tarifkonflikts in der Druckindustrie des Frühjahrs 1978. Die Auseinandersetzung war vor allem von der mit dem Vordringen des Fotosatzes einhergehenden Bedrohung von Facharbeiterstellen durch ihre Umwandlung in Angelerntentätigkeiten geprägt. Schon seit Mitte des letzten Jahrhunderts hatte die Entwicklung neuer Maschinen und Technologien tiefgreifende Veränderungen des Produktionsprozesses in der Druckindustrie bewirkt, im Jahre 1848 durch die Einführung der Schnellpresse, Ende letzten Jahrhunderts durch die rasche Verbreitung der Setzmaschine und innerhalb dieses Jahrhunderts durch die Anwendung der Linotype- und der TTS-Maschine (vgl. zur der historischen Entwicklung Berg/Wendeling-Schröder/Wolter, RdA 1980, 299, 300 f.; Konertz, aaO, S. 151 f.). Anläßlich der genannten Innovationen versuchte schon die erste nationale Versammlung der deutschen Buchdrucker 1848, einen Tarifvertragsentwurf durchzusetzen, der u.a. erste (quantitative und qualitative) Besetzungsregelungen sowie Beschäftigungsgarantien vorsah. Danach sollten als Maschinenmeister nur gelernte Drucker zulässig sein, an jeder Maschine sollte ein Drucker eingesetzt werden. Zugleich wurde gefordert, die „Herren Prinzipale seien gehalten, darauf zu achten, daß die in ihren Geschäften stehenden Drucker nicht brotlos würden”. Allerdings trat erst am 1. Januar 1900 mit dem Setzmaschinentarif die erste (qualitative) Besetzungsklausel in Kraft, die festlegte, daß an Setzmaschinen nur gelernte Handsetzer beschäftigt werden durften (Berg/Wendeling-Schröder/Wolter, aaO, m.w.N.). Daran zeigt sich zwar, daß sich die Besetzungsregeln der Druckindustrie nicht erst 1978 von einem Mittel des Arbeitsschutzes in ein Instrument der Arbeitsmarktpolitik wandelten (entsprechend aber Reuter, ZfA 1978, 1, 44; vgl. auch Bulla, DB 1980, 103, 108; a.A. z.B. Schmidt-Eriksen, aaO, S. 243 f.). Vielmehr kamen ihnen, seit sie erstmals auftraten, zwei Funktionen zu: Einerseits sollten sie die Arbeitnehmer vor physischen und psychischen Belastungen durch Unterbesetzung oder fachliche Überforderung (quantitative Besetzungsklauseln) schützen. Andererseits sollten sie die ausgebildeten Arbeitnehmer vor der Konkurrenz billiger, ungelernter Arbeitnehmer bewahren und zugleich die sachgerechte Ausbildung des Facharbeiternachwuchses fördern (qualifizierte Besetzungsregeln; Berg/Wendeling-Schröder/Wolter, aaO; Konertz, aaO, S. 150 bis 152). Die arbeitsplatzschützende Komponente betraf jedoch allein die Fachkräfte, während die Hilfskräfte, die die Positionen der Facharbeiter gerade nicht bedrohen sollten, individuell ausschließlich vor Gesundheitsgefahren oder Überforderung bewahrt werden sollten (weniger differenziert dagegen Weyand, Die Tarifvertragliche Mitbestimmung unternehmerischer Personal- und Sachentscheidungen, S. 53).
c) An dem Befund, daß der Kläger als Hilfskraft durch die Besetzungsklauseln nicht vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes geschützt werden soll, ändert sich selbst dann nichts, wenn den Besetzungsregelungen nicht nur der Charakter von Betriebsnormen, sondern zusätzlich der von Inhaltsnormen zuerkannt wird, auf die sich auch nichtorganisierte Arbeitnehmer ausnahmsweise berufen können (vgl. dazu auch Wiedemann, aaO, § 1 Rz 585 f.; Löwisch/Rieble, aaO, § 1 Rz 517 und Schmidt-Eriksen, aaO, S. 239 f.). Diese Interpretation widerspricht nicht dem Umstand, daß quantitative Besetzungsregelungen ihrer Natur nach gegenüber allen Belegschaftsmitgliedern oder bestimmten Belegschaftsgruppen anzuwenden sind und für den Arbeitgeber ausschließlich einheitliche Verhaltensanforderungen denkbar sind. Ihre individualschützende Funktion bezieht sich allenfalls auf den Grad der individuellen Arbeitsbelastung (Schmidt-Eriksen, aaO, S. 242), nicht aber auf den Schutz der Hilfskräfte vor Arbeitslosigkeit (vgl. dazu aber auch Reuter, ZfA 1978, 1, 34).
Die in Rede stehenden Besetzungsklauseln „laufen” auch nicht „leer”, wenn ihnen keine individuelle Schutzwirkung zugunsten des Klägers gegenüber einer (unterstellt) tarifwidrigen Unternehmerentscheidung beigemessen wird, die hier notwendig dazu führt, daß während einer Schicht keine Hilfskraft für die „Heidelberg Speedmaster 74” zur Verfügung steht. Um die Zwecke der Besetzungsnorm – Schutz der Facharbeiter vor Überforderung und Dequalifikation sowie Förderung der Arbeitsqualität (Schmidt-Eriksen, aaO, S. 240) – und ihre zwingende Wirkung durchzusetzen, können sowohl die tarifschließende Gewerkschaft als auch der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gegen die Beklagte vorgehen (Wiedemann, aaO, § 1 Rz 585; die bisher höchstrichterlich entschiedenen Streitigkeiten um – qualitative – Besetzungsregeln traten im Rahmen von Zustimmungsersetzungsverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG auf, vgl. BAG Beschlüsse vom 13. September 1983 - 1 ABR 69/81 - BAGE 44, 141 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; vom 26. April 1990 und 22. Januar 1991, jeweils aaO).
d) Diese Auffassung steht schließlich nicht in Widerspruch zu der Senatsentscheidung vom 18. Dezember 1997 (- 2 AZR 709/96 - BAGE 87, 327, 335 f. = AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969, zu II 2 der Gründe), wo die Durchsetzung der einer Änderungskündigung zugrunde liegenden unternehmerischen Entscheidung, Samstagsarbeit einzuführen, gegen eine betriebsverfassungsrechtliche Norm verstieß. Wie die Revision zutreffend ausführt, kam der betreffenden Tarifnorm gerade die Schutzrichtung zu, die Änderungsmöglichkeiten der Einzelarbeitsverträge zu beschränken, indem die Verteilung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit an die Mitbestimmung des Betriebsrats durch Betriebsvereinbarung geknüpft wurde. Der betriebsverfassungsrechtlichen Norm war demzufolge auch individualschützende Wirkung verliehen.
2. Auf die weiteren von den Parteien aufgeworfenen Fragen, u.a. die der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für quantitative Besetzungsklauseln nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG (dazu Beck, ArbuR 1981, 333, 336 ff.; Bulla, DB 1980, 103, 105; Ingelfinger, Arbeitsplatzgestaltung durch Betriebsnormen, S. 246 f.; Säcker/Oetker, aaO, S. 76 - 78, 82 f. und 274 f.; Wend, Die Zulässigkeit tarifvertraglicher Arbeitsplatzbesetzungsregelungen am Beispiel neuerer Tarifvereinbarungen in der Druckindustrie, S. 7 ff.) und die der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Tarifnorm braucht daher nicht eingegangen zu werden.
III. Da das Landesarbeitsgericht – von seinem Standpunkt aus konsequent – zur Wirksamkeit der Kündigung unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten keine Ausführungen gemacht hat, beschränkt sich der Senat, für den in Anwendung des § 563 ZPO die Sache nicht entscheidungsreif ist, insoweit auf folgende Hinweise:
1. Die Kündigung könnte gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam sein. Das Berufungsgericht hat zum Inhalt der Unterrichtung des Betriebsrats keine Feststellungen getroffen. Das entsprechende erstinstanzliche Bestreiten des Klägers hat er im zweiten Rechtszug nicht fallen gelassen. Er hat sich vielmehr darauf beschränkt, sich mit der Argumentation des Arbeitsgerichts auseinanderzusetzen, das die Sozialwidrigkeit der Kündigung ebenso wie das Berufungsgericht mit einer tarifwidrigen Unternehmerentscheidung begründete. Aufgrund des dem Senat zugänglichen Akteninhalts kann nicht davon ausgegangen werden, der Kläger habe sein Bestreiten in der Berufungsinstanz nicht länger aufrechterhalten. Allerdings ist der Kläger auf den ergänzenden Sachvortrag der Beklagten bisher nicht weiter eingegangen.
2. Die Kündigung könnte gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt sein.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 7. Dezember 1978 - 2 AZR 155/77 - BAGE 31, 157 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vom 20. Februar 1986 - 2 AZR 212/85 - AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 und vom 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen „dringend” sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muß wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein (BAGE 16, 134, 136 = AP Nr. 14 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung und BAGE 21, 248, 255 = AP Nr. 20 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Wenn sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Umstände beruft, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken; er muß seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im einzelnen darlegen (substantiieren), daß sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muß der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken (BAG Urteil vom 24. Oktober 1979 - 2 AZR 940/77 - BAGE 32, 150 = AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Der Vortrag des Arbeitgebers muß erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen außerbetrieblichen Anlaß das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt (BAGE 31, 157 = AP Nr. 6, aaO sowie Senatsurteil vom 30. Mai 1985 - 2 AZR 321/84 - AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt; eine solche unternehmerische Entscheidung ist selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAGE 55, 262 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung und BAGE 65, 61 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung).
b) Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht bisher getroffenen Feststellungen (§ 561 ZPO) kann der Senat nicht befinden, daß die Voraussetzungen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses vorliegen.
Die Beklagte beruft sich auf ihren Entschluß, den Arbeitsplatz einer Hilfskraft abzubauen. Damit macht sie die Entscheidung zu einer innerbetrieblichen Organisationsmaßnahme geltend. Den Rückgang des Warenwertumsatzes um 24 % im Jahre 1996 gegenüber 1995 führt sie dagegen nicht selbst als (außerbetrieblichen) Kündigungsgrund im vorstehend (zu III 2 a) gekennzeichneten Sinne an, sondern nahm diesen allenfalls zum Zwecke der Kostenersparnis oder Verbesserung des Betriebsergebnisses zum Anlaß für ihren Organisationsentschluß. Dadurch verändert sich der für innerbetriebliche Umstände anzuwendende Prüfungsmaßstab nicht. Grundsätzlich ist nicht nachzuprüfen, ob der für den Arbeitgeber maßgebende Anlaß die getroffene organisatorische Maßnahme erforderlich gemacht hat und ob sie geeignet ist, den mit ihr verfolgten (wirtschaftlichen) Zweck zu erreichen (Senatsurteil vom 30. April 1987 - 2 AZR 184/86 - BAGE 55, 262, 270 f. = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu III 2 a und b der Gründe). Die Beklagte hat sich nach ihrem Vortrag nicht in der Weise selbst gebunden, daß sie die Personaleinschränkung nicht einschneidender als nach dem Umsatzrückgang (proportional) erforderlich hätte durchführen wollen (Senatsurteil vom 30. April 1987, aaO).
c) Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer – schon in dieser Hinsicht hat die Beklagte sich nicht festgelegt – zu reduzieren, ist eine Organisationsmaßnahme, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen kann. Diese Unternehmerentscheidung ist hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs „Dauer” zu verdeutlichen, damit das Gericht überhaupt prüfen kann, ob sie – im Sinne der oben gekennzeichneten Rechtsprechung – nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - auch zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies wäre z.B. der Fall, wenn von vornherein nur eine vorübergehende Personalmaßnahme geplant ist, die an sich eine Überbrückung des Zustandes unter Beibehaltung der Beschäftigungssituation zuläßt.
Reduziert sich die Organisationsentscheidung zur Personalreduzierung praktisch auf die Kündigung als solche, kommt also die Organisationsentscheidung – wie vorliegend – dem Entschluß zur Kündigung selbst nahe, sind diese beiden Unternehmerentscheidungen ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden. Deshalb sind wegen der Nähe zum bloßen Kündigungsentschluß, dessen Durchsetzung wegen § 1 Abs. 2 KSchG nicht bloß auf Unsachlichkeit oder Willkür zu überprüfen ist, die Anforderungen an den gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG vom Arbeitgeber zu erbringenden Tatsachenvortrag, der die Kündigung bedingen soll, nicht zu niedrig anzusetzen, wie der Senat in dem bereits erwähnten, parallel gelagerten Rechtsstreit vom selben Tag entschieden hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Vielmehr kann dann, wenn die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluß ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander getrennt werden können, die vom Senat bisher angenommene Vermutung (vgl. u.a. Senatsurteile vom 30. April 1987 - 2 AZR 184/86 -, aaO, zu III 2 c der Gründe und vom 24. Oktober 1979 - 2 AZR 940/77 -, aaO, zu II 2 a der Gründe), die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen. In diesen Fällen muß der Arbeitgeber vielmehr darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten – hier die bisher vom Kläger ausgeübten Hilfstätigkeiten – zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, d.h. es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung aufgrund außerbetrieblicher Faktoren oder unternehmerischer Vorgaben, z.B. nur noch eine geringere Zahl von Aufträgen anzunehmen – die Beklagte spricht recht pauschal von einem Rückgang im Warenwertumsatz und einer Umverteilung der bisher vom Kläger erbrachten Tätigkeiten – und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können. Der Arbeitgeber muß im Kündigungsschutzprozeß konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Verringerung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht (vgl. Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 1 Rz 376 a; Dorndorf/Weller/Hauck, KSchG, § 1 Rz 883). Im Wege einer abgestuften Darlegungslast wäre es dann Sache des Arbeitnehmers, hierauf – soweit ihm dies z.B. aus seiner bisherigen Arbeit möglich ist – zu erwidern. Dann wäre es wiederum Sache des Arbeitgebers, sich darauf weiter einzulassen (ähnlich KR-Etzel, 5. Aufl., § 1 KSchG Rz 573; Bitter, DB 1999, 1214, 1217). Der Arbeitgeber muß substantiiert dartun, wie sich die Umsetzung seiner unternehmerischen Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten ausgewirkt hat (so Ascheid, KSchR, Rz 240 f., 290). Nicht nur die durch äußere Anlässe bedingte, sondern auch die autonome, gestaltende Unternehmerentscheidung muß sich in greifbaren betrieblichen und damit objektivierbaren Formen niederschlagen (Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 627). Zusammenfassend ist zu sagen: Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluß rückt, umso mehr muß der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, daß ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist.
d) Die bisherigen Darlegungen der Parteien reichen noch nicht aus, um abschließend über die soziale Rechtfertigung der Kündigung entscheiden zu können. Da beide Vorinstanzen übereinstimmend die Kündigung wegen der tariflichen Besetzungsregel für unwirksam angesehen und die Problematik der betriebsbedingten Kündigung nicht unter ihren anderen Aspekten behandelt haben, muß beiden Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag gegeben werden.
aa) Es ist bisher durch die Beklagte wenig konkret vorgetragen worden, durch wen genau und wann die unternehmerische Entscheidung zur Einsparung einer Hilfskraft getroffen worden sein soll. Die Beklagte hat bisher auch nicht dargelegt, wann es aufgrund der technischen Entwicklung zur Reduzierung der Tätigkeiten des Klägers an den Druckmaschinen gekommen ist. Während der Kläger vorgetragen hat, ganz überwiegend als Helfer an Druckmaschinen gearbeitet zu haben, teilt die Beklagte hierzu nur – gleichsam in einer Momentaufnahme – mit, in der Zeit vom 2. Dezember 1996 bis 31. Januar 1997 habe diese Tätigkeit des Klägers 2,2 % seiner Arbeitszeit umfaßt, wobei der Kläger schon den Erfassungszeitraum nicht als repräsentativ bezeichnet. Sollte sich in der Tat herausstellen, daß der Kläger über einen längeren Zeitraum nur noch in einem derart geringen Umfang an den Druckmaschinen tätig war, könnte dies nach Auffassung des Senats vernachlässigt werden, weil dann ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, der Mitarbeiter L. habe diese Tätigkeiten entsprechend der Weisung der Beklagten grundsätzlich mit übernehmen können (siehe aber auch nachfolgend zu bb). Das würde allerdings – auch bei geringfügigem Umfang – dann nicht gelten, wenn der Kläger z.B. in bestimmten Abwesenheitszeiten der Drucker als Helfer unabkömmlich wäre. Der Kläger hat ausdrücklich geltend gemacht, es bestehe sogar ein dringendes Bedürfnis pro Schicht für die Tätigkeit eines Druckerhelfers, ohne daß der Kläger andererseits nähere Angaben zum Umfang seiner diesbezüglichen Arbeit gemacht hat.
bb) Wenn auch die Beklagte grundsätzlich ihr unternehmerisches Vorhaben, die bisher vom Kläger ausgeübten drei Tätigkeitsbereiche anderen Mitarbeitern zu übertragen, näher erläutert hat, so hat sie zumindest bezüglich des Mitarbeiters L. bisher nicht vorgetragen, wie dieser 73,8 % der vom Kläger seinerzeit betreuten Arbeiten im Lager, Hof und Saal übernehmen kann, ohne dadurch überobligationsmäßig in Anspruch genommen zu sein, d.h. es ist bisher nicht näher verdeutlicht, daß etwa eine Unterbeschäftigung des L. vorlag; allerdings hat die Beklagte vorgetragen, auch für L. sei die bisherige Tätigkeit als Apparateführer entfallen, was dessen Minderauslastung indizieren würde, und L. erledige die Säuberungsarbeiten in kürzerer Zeit als der Kläger. Traf es schließlich zu, daß die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten der Weiterverarbeitung (u.a. Tischarbeiten) ohne weiteres von den erwähnten Mitarbeiterinnen zusätzlich erledigt werden konnten, was der Kläger bisher nicht angezweifelt hat, lag ein nachvollziehbares Konzept vor.
cc) Es wäre nunmehr Sache des Klägers gewesen (vgl. oben zu III 2 b), sich darauf näher einzulassen. Dies ist bisher nur insoweit geschehen, als der Kläger geltend gemacht hat, die Drucker seien durch die Übertragung der Hilfstätigkeiten (Störungsfeststellung bei Druckunterbrechung, Papier vorstapeln und vorschlagen, Farbvorrat überwachen, Farbe nachfüllen und deren Eintrocknen verhindern, Archivierung von Druckplatten) überfordert, hätten sich dagegen (erfolglos) gewehrt und auch der Betriebsrat sei damit nicht einverstanden gewesen. Wenn insoweit eine Überforderung der Drucker vorläge, die durch den bisherigen Einsatz des Klägers als Druckerhelfer vermieden wurde, und/oder wenn das Farbnachfüllen und das Papiervorschlagen durch die Drucker, wie der Kläger weiter geltend macht, ein Sicherheitsrisiko darstellen würde, könnte insoweit eine offensichtlich unsachliche, unvernünftige und willkürliche Maßnahme in dem zu III 1 durch Rechtsprechung belegten Sinne vorliegen. Dies gilt nach Auffassung des Senats ganz unabhängig von der tariflichen Besetzungsklausel, die allerdings nach den Ausführungen zu II 3 b im Verhältnis zu den Facharbeitern eine arbeitsplatzschützende Komponente enthält, deren Berücksichtigung die Argumentation des Klägers noch unterstützen würde: Dem durch die Besetzungsklausel bezweckten Überforderungsschutz würde jedenfalls durch die (Teil-)Beschäftigung von Hilfskräften Rechnung getragen. Hierauf könnte sich der Kläger nach Ansicht des Senats im Wege einer Reflexwirkung berufen, wenn seine Tätigkeit als Druckerhelfer umfangmäßig oder wegen ihrer Notwendigkeit im Einzelfall (siehe vorstehend zu aa) nicht nur marginale, zu vernachlässigende Bedeutung hätte.
Angesichts der bisher unaufgeklärten Sachumstände hält der Senat weitere Hinweise hierzu nicht für sinnvoll.
dd) Daß der Kläger nach Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils vorläufig weiterbeschäftigt wurde und unstreitig 80 % seiner Tätigkeit auf die Arbeiten als Druckerhelfer entfielen, spricht nicht – auch nicht indiziell – für eine schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv gegebene offensichtliche Unsachlichkeit der getroffenen Entscheidung. Um das weitere Annahmeverzugsrisiko abzuwenden und wenigstens einen gewissen Gegenwert für das möglicherweise zu entrichtende Entgelt zu erhalten, mußte die Beklagte den Kläger in irgendeiner Form einsetzen. Die Art der versehenen Aufgaben war insoweit von untergeordneter Bedeutung, zumal die Beklagte die Kündigung nicht mit Arbeitsmangel, sondern mit ihrem Organisationsentschluß zur Stellenreduzierung begründet hat.
3. Die Kündigung ist auch nicht – bei unterstellter Betriebsbedingtheit – deshalb sozialwidrig, weil die Beklagte etwa, wie der Kläger weiter geltend macht, eine nicht ausreichende soziale Auswahl getroffen hat, § 1 Abs. 3 KSchG.
a) Der Senat kann hierzu abschließend Stellung nehmen, obwohl das Landesarbeitsgericht die Frage der Sozialauswahl – aus seiner Sicht konsequent – ungeprüft gelassen hat und ihm als Tatsachengericht ein revisionsrechtlich nur beschränkt zu kontrollierender Beurteilungsspielraum zukommt bei der Überprüfung des dem Arbeitgeber seinerseits zuzubilligenden Wertungsspielraums innerhalb des Vergleichs der sozialen Gesichtspunkte nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG a.F.
Die durch die drei Arbeitnehmer B, D und L, auf die sich der Kläger berufen hat, ausgeführten Tätigkeiten und ihre Sozialdaten sind wie die Sozialdaten des an sich vergleichbaren Arbeitnehmers L. unstreitig, neuer Vortrag ist nicht zu erwarten.
b) Der dem Betriebsrat angehörende Arbeitnehmer L. scheidet bereits auf der ersten Stufe der Prüfung aus dem auswahlrelevanten Personenkreis aus (vgl. Senatsurteil vom 8. August 1985 - 2 AZR 464/84 - AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu A III 2 c cc der Gründe). Der Kläger kann ihn ausgehend von dem Zweck der sozialen Auswahl, das dringende betriebliche Erfordernis personell zu konkretisieren, nicht ersetzen. Die ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Herrn L ist gesetzlich durch § 15 Abs. 1 KSchG ausgeschlossen, wobei die Besonderheiten der Stillegung des Betriebs oder der Beschäftigungsabteilung nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG nicht vorliegen (vgl. die Nachweise bei KR-Etzel, § 1 KSchG Rz 673 und Oetker, Der auswahlrelevante Personenkreis im Rahmen von § 1 Abs. 3 KSchG, in Festschrift für Wiese, S. 333, 338).
c) Bei Frau B ist schon fraglich, ob der Kläger deren Vergleichbarkeit im Rahmen seiner aus der Beweislastverteilung des § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG folgenden abgestuften Vortragslast ausreichend behauptet hat. Denn er beschreibt ihr Einsatzgebiet nicht näher. Wenn ihre Vergleichbarkeit unterstellt wird, weil die Beklagte sie in die Vergleichsgruppe einbezogen hat, hat sie jedenfalls den ihr zukommenden Beurteilungsspielraum auf der dritten Ebene der Sozialauswahl – dem Vergleich der drei Pflichtkriterien des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG a.F. – nicht überschnitten. Für eine gegenüber Frau B höhere soziale Schutzwürdigkeit des Klägers spricht nur der Indikator der Unterhaltspflichten. Während er drei Personen zum Unterhalt verpflichtet ist, ist sie nur einer Unterhaltsverpflichtung ausgesetzt. Die am 17. September 1940 geborene Frau B ist aber zum einen fast 19 Jahre älter als der am 11. September 1959 geborene Kläger, zum anderen weist sie eine erheblich längere Betriebszugehörigkeit seit dem 20. April 1976 als der am 21. Oktober 1991 eingestellte Kläger auf.
d) Hinsichtlich von Frau D ist gleichfalls bereits zweifelhaft, ob der von ihr eingenommene Arbeitsplatz mit dem des Klägers vergleichbar ist, da ersterer Kenntnisse der buchbinderischen Weiterverarbeitung voraussetzt. Das kann indessen unterstellt und weiter angenommen werden, daß der Vortrag der Beklagten, bei ihr handele es sich um eine besonders gute und zuverlässige Mitarbeiterin, zu pauschal ist, um im zweiten Schritt der Sozialauswahl ein berechtigtes betriebliches Interesse im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG a.F. zu begründen. Auch insoweit ist zumindest der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers innerhalb des Vergleichs der Pflichtdaten eingehalten. Die am 1. März 1963 geborene, mithin ungefähr dreieinhalb Jahre jüngere Frau D ist zwar bezüglich ihres Lebensalters weniger schutzwürdig als der Kläger, gehört demgegenüber knapp anderthalb Jahre länger dem Betrieb an. Wenn zu ihren Ungunsten berücksichtigt wird, daß sie, weil ihr Ehemann berufstätig ist, nur zwei Unterhaltslasten, der Kläger dagegen drei aufweist (zu diesem kontrovers diskutierten Problem KR-Etzel, aaO, § 1 KSchG Rz 689 und 690, m.w.N.), führt das dennoch nicht zu einer Fehlgewichtung, die einer ausreichenden Berücksichtigung der drei Pflichtgesichtspunkte zuwiderliefe (so schon Senatsurteil vom 8. August 1985, aaO, zu III 2 c cc der Gründe).
e) Entsprechendes ist für Frau D anzunehmen. Selbst wenn insoweit Vergleichbarkeit unterstellt wird, obwohl sie im Unterschied zum Kläger die Falzmaschine bedienen kann, ist sie mit zwei ihrer Sozialdaten – einem Geburtsdatum vom 12. April 1958 und einer Betriebszugehörigkeit seit dem 16. Mai 1989 – schutzwürdiger als der Kläger. Soweit die Beklagte ihr soziales Schutzbedürfnis trotz der drei Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber nur einer in ihrem Falle höher bewertet hat, bedingt das keine fehlerhafte Gewichtung.
4. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr unter Beachtung dieser Hinweise erneut in der Sache zu entscheiden haben.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Fischermeier, Strümper, Lenz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.06.1999 durch Anderl, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436252 |
BAGE, 79 |
BB 1999, 2090 |
BB 2000, 413 |
DB 1999, 2117 |
EWiR 2000, 135 |
FA 1999, 338 |
NZA 1999, 1157 |
SAE 2000, 125 |
SAE 2000, 84 |
ZIP 1999, 1724 |
AP, 0 |
EzA 2011 |
MDR 1999, 1390 |