Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifwidrige Unternehmerentscheidung und Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Eine Kündigung, die der Durchsetzung einer unternehmerischen Entscheidung dient, die gegen eine tarifliche Regelung (hier Besetzungsregelung im Bereich des MTV Druck) verstößt, ist sozial ungerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; TVG § 3 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 18.09.1997; Aktenzeichen 65 Ca 4521/97) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. September 1997 – 65 Ca 4521/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Bei der Beklagten handelt es sich um einen Betrieb der Druckindustrie, sie ist Mitglied des Verbandes der Druckindustrie Berlin-Brandenburg e.V., der Kläger gehört keiner Gewerkschaft an. In dem vorliegenden Verfahren streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer seitens der Beklagten mit Schreiben vom 29. Januar 1997 ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen.
Der 37 Jahre alte Kläger, der verheiratet ist und zwei unterhaltsberechtigte Kinder hat, steht seit Oktober 1991 als Hilfskraft in dem Druckereibetrieb der Beklagten. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung erhielt der Kläger einen Stundenlohn von 21,14 DM brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Arbeitsstunden. Der Kläger war in den Bereichen Offset, Weiterverarbeitung und sonstigen Bereichen tätig. In dem Betrieb der Beklagten wird im Zweischicht- teilweise auch im Dreischichtbetrieb gearbeitet. In dem Betrieb der Beklagten wird unter anderem die Druckmaschine „Heidelberg Speedmaster 74” eingesetzt Hinsichtlich der technischen Einzelheiten wird auf die Broschüre (Bl. 62 bis 69 d.A.) verwiesen.
Im Januar 1997 traf die Beklagte die Entscheidung, den Arbeitsplatz einer Hilfskraft einzusparen. Infolge dieser Entscheidung kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Januar 1997 das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß. Der Betriebsrat hat der Kündigung widersprochen (Bl. 3 d.A.).
Der Kläger hat die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht. Er bestreitet, daß ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung bestanden habe. Seine Arbeitsleistung als Druckerhelfer sei nach wie vor erforderlich. Bei der Beklagten werde in zwei Schichten gearbeitet, lediglich eine weitere Hilfskraft, der Arbeitnehmer … werde weiterbeschäftigt, in der anderen Schicht arbeite der Drucker entgegen den Bestimmungen des anwendbaren Manteltarifvertrages ohne Hilfskraft. Im übrigen sei auch die Sozialauswahl fehlerhaft vorgenommen worden. Die Arbeitnehmerin …, die 1963 geboren und seit Mai 1990 bei der Beklagten beschäftigt sei, sei zwar auch drei Personen gegenüber unterhaltspflichtig, ihr Ehemann sei jedoch berufstätig.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch die mit Schreiben vom 29. Januar 1997 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet: Der Warenwertumsatz habe sich von 4.160.000,– DM im Jahre 1995 auf 3.180.000,– DM im Jahre 1996 verringert. Im Zeitraum 1996 bis März 1997 seien bereits sieben Mitarbeiter ausgeschieden. Bei dem Kläger hätten in dem Zeitraum vom 2. Dezember 1996 bis 31. Januar 1997 die Arbeiten in anderen Bereichen weit überwogen. Er sei nur zu 2,2 % seiner Arbeitszeit im Bereich Offset und zu 9,2 % seiner Arbeitszeit in der Weiterverarbeitung eingesetzt worden. Zu 73,8 % habe er in sonstigen Bereichen gearbeitet und zu 14,8 % habe er Zeitgutschriften angesammelt. Angesichts der prekären wirtschaftlichen Situation habe sie entschieden, die zweite Hilfsarbeiterstelle wegfallen zu lassen, die dem Kläger obliegenden Arbeiten seien anders verteilt worden. Im übrigen fielen Hilfsarbeiten im Druckbereich nicht mehr an, die Druckmaschine „Heidelberg Speedmaster 74” arbeite weitgehend vollautomatisch, so daß Hilfsarbeiten gar nicht mehr anfielen. Es sei lediglich die Bedienung durch einen Drucker erforderlich. Auch eine Besetzungsregelung in einem Manteltarifvertrag könne sie nicht dazu zwingen, einen nicht notwendigen Hilfsarbeiter mit diesen Tätigkeiten weiter zu betrauen. Die meisten für einen Hilfsarbeiter anfallenden Arbeiten seien entfallen. Das Aus- und Einspannen der Druckplatten, das Waschen von Walzen, Gummituch und Druckzylinder laufe rechnergesteuert ohne manuellen Eingriff. Die Farbe werde vom Drucker selbst mit ink-clip in die Farbkästen gefüllt, das Papier würde nicht während des Druckvorganges sondern während des Stillstandes der Maschine vorgeschlagen. Mit der Arbeitnehmerin … sei der Kläger nicht vergleichbar. Diese Arbeitnehmerin arbeite in der Weiterverarbeitung und sei für die Qualitätskontrolle, die umfassende Kenntnisse der buchbinderischen Weiterverarbeitung erfordere, zuständig. Mit diesen Aufgaben habe der Kläger nie etwas zu tun gehabt. Im übrigen handele es sich bei Fr...