Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Begriff des Betriebsteils. Fortführung des bisherigen Betriebes
Orientierungssatz
1. Der Übergang eines Betriebsteils setzt voraus, dass schon beim Betriebsveräußerer eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit besteht, die innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks einen Teilzweck verfolgt. Diese identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit muss beim Betriebserwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen. Die organisatorische Selbständigkeit braucht beim Betriebserwerber jedoch nicht vollständig bewahrt zu werden.
2. Ein Betriebsübergang iSd. § 613a BGB setzt die Wahrung der Identität einer auf gewisse Dauer angelegten, hinreichend strukturierten und selbständigen wirtschaftlichen Einheit (Betrieb oder Betriebsteil) voraus. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände an. Der Übernehmer muss zwar nicht die konkrete Organisation der verschiedenen übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten, er muss aber die funktionelle Verknüpfung der Produktionsfaktoren in ihrer Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung fortführen.
3. Eine Betriebskantine ist regelmäßig kein betriebsmittelarmer Betrieb.
4. Wird eine Betriebskantine von dem neuen Betreiber nur noch benutzt, um fertig zubereitete Speisen zu wärmen und auszugeben, so kann dies eine neue Identität des Betriebes bedeuten, wenn zuvor die Speisen vor Ort frisch gekocht wurden. Eine Betriebskantine ohne eigene Kochleistung kann eine der Annahme eines Betriebsübergangs entgegenstehende Konzeptänderung darstellen.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 27. August 2008 – 4 Sa 36/08 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen über den 31. Dezember 2006 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, oder ob dieses infolge eines Betriebsübergangs auf die Streithelferin übergegangen ist.
Rz. 2
Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerinnen bewirtschafteten auf der Grundlage mehrerer Nutzungsvereinbarungen mit der D… AG oder deren Rechtsvorgängerinnen drei dieser gehörenden Betriebskantinen im Mainfränkischen Raum. Nach § 3 Abs. 4 der ersten Nutzungsvereinbarung vom 11. November 1996 war dabei die Beklagte verpflichtet, zum Mittagessen Speisen anzubieten, die sie selbst in den Kantinen, frisch zuzubereiten hatte. Für die frische Zubereitung und Ausgabe der Speisen vor Ort setzte die Beklagte jeweils einen Koch und ein bis zwei Küchenhilfen ein.
Rz. 3
Eine dieser Küchenhilfen war ab Anfang August 2002 die Klägerin, die als Springerin eingesetzt wurde und zuletzt monatlich 1.280,00 Euro brutto verdiente. Ab 7. Dezember 2003 befand sich die Klägerin in Mutterschutz, dem sich eine Elternzeit anschloss. Nach Geburt ihres zweiten Kindes am 2. August 2006 wurde die Elternzeit bis 1. August 2009 verlängert.
Rz. 4
Die Kantinen waren von 08:45 Uhr bis 09:30 Uhr sowie von 11:30 Uhr bis 13:00 Uhr zu öffnen. Neben dem Mittagessen war ein mit D… AG abgestimmtes Grundsortiment an Speisen und Getränken zur Zwischenverpflegung anzubieten. Die Arbeit der Klägerin begann um 07:30 Uhr und endete um 14:30 Uhr. Sie kochte Kaffee, füllte die Getränkeautomaten auf, nahm Gebäck an und verteilte dieses in der Thekenauslage, bereitete belegte Brötchen zu sowie Salate und Desserts für den Mittagstisch, gab Zwischenmahlzeiten aus, kassierte, räumte ab, säuberte die Tische, spülte das Geschirr, reinigte die Küche und beseitigte Abfall. Sämtliche Kocharbeiten und die dazugehörigen Vorbereitungsarbeiten wurden durch die jeweiligen Köche in den Kantinen erledigt.
Rz. 5
Die D… AG kündigte das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zum 31. Dezember 2006. Ab dem 1. Januar 2007 übernahm die Streithelferin die Bewirtschaftung der drei Betriebsrestaurants. Diese bereitet jedoch die Speisen nicht mehr wie die Beklagte frisch vor Ort zu. Vielmehr werden in ihrer Menü-Manufaktur zentral vorgefertigte Speisen in sog. Konvektomaten aufgewärmt, die in den Kantinenküchen von der Streithelferin aufgestellt wurden, und anschließend ausgegeben. Die Kücheneinrichtungen benutzt die Streithelferin nicht mehr zur Herstellung von Speisen. Dementsprechend werden von ihr auch keine Köche mehr beschäftigt, sondern ausschließlich Küchenhilfspersonal.
Rz. 6
Am 20. November 2006 unterrichtete die Streithelferin die Beklagte darüber, dass aus ihrer Sicht ein Betriebsübergang nicht vorliege. Die Beklagte indes informierte ihre Mitarbeiter über einen nach ihrer Auffassung zum 1. Januar 2007 stattfindenden Betriebsübergang. Sie kündigte die Arbeitsverhältnisse der drei Köche und empfahl den Küchenhilfskräften, ihre Arbeitskraft ab dem 1. Januar 2007 der Streithelferin anzubieten. Unter dem 12. Dezember 2006 informierte die Beklagte die Streithelferin auch über das Arbeitsverhältnis der in Elternzeit befindlichen Klägerin.
Rz. 7
Die Streithelferin beschied eine Anfrage der Klägerin, ob sie nach dem Ende ihrer Elternzeit weiterbeschäftigt werde, abschlägig. Daraufhin hat die Klägerin am 29. Mai 2007 die vorliegende Klage erhoben und der Streithelferin mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2007 den Streit verkündet. Diese ist unter dem 24. Oktober 2007 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten.
Rz. 8
Die Klägerin hat behauptet, auch sie sei im Rahmen ihrer Tätigkeit damit befasst gewesen, Speisen vor Ort zuzubereiten. Da der neue Pächter ein völlig anderes Küchensystem anwende, liege kein Betriebsübergang vor.
Rz. 9
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Dezember 2006 hinaus unverändert fortbesteht.
Rz. 10
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat sich darauf berufen, dass die von der Klägerin verrichteten Arbeiten auch bei der Streithelferin anfielen. Die Arbeitszeiten der Küchenhilfen hätten sich in keiner Weise geändert. Die Klägerin sei lediglich mit dem Anrichten und der Ausgabe von Speisen befasst gewesen. Bis auf die Änderung, dass nunmehr von der Streithelferin nicht mehr vor Ort frische Speisen zubereitet, sondern lediglich vorgefertigte Speisen aufgewärmt würden, seien die Öffnungszeiten, Betriebsabläufe und die Angebotspalette unverändert geblieben. Die Streithelferin habe auch – zumindest zeitweise – die bisher eingesetzten Küchenhilfskräfte übernommen. In Anbetracht des unveränderten Betriebszwecks, des gleichen Kundenkreises und der zum Einsatz kommenden sächlichen Betriebsmittel sei von der Wahrung der Betriebsidentität und damit dem Vorliegen eines Betriebsübergangs auszugehen. Zumindest sei der von der Klägerin wahrgenommene Arbeitsbereich bei der neuen Betreiberin nach wie vor vorhanden.
Rz. 11
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiter das Ziel einer Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Rz. 12
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht nach wie vor ein Arbeitsverhältnis. Ein Betriebsübergang auf die Streithelferin ist nicht festzustellen, sodass infolge dessen auch nicht nach § 613a Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis auf die Streithelferin übergegangen ist.
Rz. 13
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 14
Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung habe die Beklagte den Nachweis nicht erbracht, dass die Streithelferin unter Wahrung der betrieblichen Identität die bisher von ihr bewirtschafteten Kantinen weitergeführt habe und das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf diese übergegangen sei. Für einen Betriebsübergang spreche, dass der Zweck der betrieblichen Tätigkeit, die Mitarbeiter der örtlichen Niederlassung von D… AG in den Betriebskantinen kostengünstig zu verpflegen, derselbe geblieben sei. Ebenso habe sich am Kundenstamm nichts geändert, dieselben Räumlichkeiten würden genutzt und eine Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit habe nicht stattgefunden. Dagegen könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass die sächlichen Betriebsmittel (insbesondere Kühlräume, Kücheneinrichtung, Küchengeräte, Geschirr) dieselben wie bei der Beklagten geblieben seien. Die Klägerin habe in Abrede gestellt, dass die Streithelferin einen Großteil der Betriebsmittel, insbesondere eine Vielzahl von Küchengeräten übernommen habe. Demgegenüber habe die Beklagte auf die identischen Vertragsbedingungen abgestellt und darauf, dass die Streithelferin in den bisherigen Räumlichkeiten auch die Betriebsmittel (Installationen, Gerätschaften und Einrichtungsgegenstände) weiter eigenwirtschaftlich nutze. Die Beklagte habe jedoch keine Inventarliste – auch nicht zu ihrem bisherigen Vertrag – vorgelegt und die behaupteten identischen Vertragsinhalte nicht unter Beweis gestellt. Es könne jedoch dahingestellt bleiben, ob Teile der Kücheneinrichtung und der Gerätschaften, die die Beklagte noch benötigt habe, aus dem Inhalt des Bewirtschaftungsvertrages der Streithelferin herausgenommen worden seien, da diesem Umstand im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht das entscheidende Gewicht zukomme. Wegen des Wegfalls der zentralen Tätigkeit einer Küche hätten sich wesentliche Arbeitsinhalte geändert und damit auch wichtige Aspekte der Arbeitsorganisation und der Betriebsmethoden. Das Arbeitsvolumen sei um die Hälfte reduziert, das Anforderungsprofil des eingesetzten Personals drastisch verändert worden. Infolgedessen könne nicht von einer Wahrung der bisherigen betrieblichen Identität und einer Beibehaltung der wirtschaftlichen Einheit gesprochen werden. Von der auch insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten seien auch keine konkreten Tatsachen dafür vorgetragen worden, dass innerhalb der von ihr bewirtschafteten Kantinen abtrennbare organisatorische Einheiten bestanden hätten. Sie habe im Gegenteil eingeräumt, dass das Hilfspersonal auch in der Küche eingesetzt worden sei, um dort Nebentätigkeiten (Aufräum-, Reinigungs- und Spültätigkeiten) auszuüben. Insofern seien Koch- und Hilfspersonal ohne organisatorische Trennung in einer betrieblichen Einheit eingesetzt worden, weswegen die von den Küchenhilfen verrichteten Tätigkeiten nicht als Betriebsteil anzusehen seien, die auf die Streithelferin hätten übergehen können.
Rz. 15
B. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu folgen.
Rz. 16
I. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht den Übergang eines Betriebsteils verneint.
Rz. 17
1. Auch für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist eine Gesamtbetrachtung maßgeblich, bei der die wirtschaftliche Einheit und ihre Identität im Mittelpunkt steht (BAG 16. Mai 2002 – 8 AZR 319/01 – AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210; ErfK/Preis 9. Aufl. § 613a BGB Rn. 7; HWK/Willemsen 3. Aufl. § 613a BGB Rn. 32). Damit verliert die eigenständige Interpretation des Begriffs “Betriebsteil” grundsätzlich an Bedeutung. Denn auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Daher muss eine Teileinheit des Betriebes auch bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils gehabt haben (BAG 16. Februar 2006 – 8 AZR 204/05 – AP BGB § 613a Nr. 300 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 46; 16. Februar 2006 – 8 AZR 211/05 – AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47). Schon beim bisherigen Betriebsinhaber muss also – in Anlehnung an § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG – eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit gegeben sein, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wurde (BAG 26. August 1999 – 8 AZR 718/98 – AP BGB § 613a Nr. 196 = EzA BGB § 613a Nr. 185). Das Merkmal des Teilzwecks dient zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit; im Teilbetrieb müssen aber nicht andersartige Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, so muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen (BAG 24. August 2006 – 8 AZR 556/05 – AP BGB § 613a Nr. 315 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 59). Im Rahmen der Gesamtbetrachtung können wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur und im Konzept einer Identitätswahrung entgegenstehen (BAG 4. Mai 2006 – 8 AZR 299/05 – BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51; 6. April 2006 – 8 AZR 249/04 – BAGE 117, 361 = AP BGB § 613a Nr. 303 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 52). Allerdings muss der übertragene Unternehmens- oder Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren, es genügt, dass dieser die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es ihm derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (EuGH 12. Februar 2009 – C-466/07 – [Klarenberg] AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 4 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 2).
Rz. 18
2. Nach diesen Grundsätzen ergibt eine wertende Gesamtbetrachtung, dass bereits bei der Beklagten als früherer Betriebsinhaberin keine selbständig abtrennbare organisatorische Teileinheit “Hilfsdienste/Reinigungsarbeiten” bestand. Betrieblicher Gesamtzweck der Beklagten war die Bewirtschaftung der drei gepachteten Betriebskantinen mit der vertraglichen Verpflichtung, die Speisen für das Mittagessen jeweils vor Ort frisch zuzubereiten. Diesem betrieblichen Gesamtzweck ordneten sich alle Aufgabenstellungen unter. Zwar können auch untergeordnete Hilfsfunktionen, wenn sie organisatorisch eine Teileinheit im Sinne einer Untergliederung des Gesamtbetriebes darstellen, einen Betriebsteil ausmachen (BAG 9. Februar 1994 – 2 AZR 666/93 – zu II 3a der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 105 = EzA BGB § 613a Nr. 116; 22. Mai 1985 – 5 AZR 30/84 – zu II 1 der Gründe, BAGE 48, 365, 371 f. = AP BGB § 613a Nr. 42 = EzA BGB § 613a Nr. 45), es ist aber nicht erkennbar, dass die Beklagte einen besonders abgrenzbaren Teilzweck durch die Küchenhilfskräfte verfolgen ließ. Dem stand schon die Kleinheit der vor Ort arbeitenden Teams entgegen. Die Besetzung mit einem Koch/einer Köchin und ein bis zwei Küchenhilfen verbietet die Annahme funktionell getrennter Arbeitsbereiche, wie sie etwa für klassische Restaurants anzunehmen sein könnte (Küche/Servierpersonal/kaufmännische Verwaltung). Selbst bei der mit der Revisionsbegründung wiederholten Darstellung der Tätigkeiten der Klägerin muss die Beklagte einräumen, dass die Klägerin in allen Bereichen der Kantine Arbeiten erledigt hat und keineswegs nur mit der Essensausgabe oder dem Kassieren oder der Reinigung der Speisesäle und des Geschirrs beschäftigt war. Die Klägerin hat zB nach eigener Darstellung der Beklagten belegte Brötchen und Salate zubereitet (“Kaltmamsell”) und Desserts für den Mittagstisch angerichtet. Ebenso hat sie die Küche aufgeräumt, den Abfall entsorgt und die Küche gereinigt. Die Klägerin war daher durchaus auch mit der Zubereitung von Speisen befasst, nur hat sie unstreitig nicht selbst “gekocht”. Dafür gab es eine Fachkraft, deren Tätigkeit aber genauso dem Gesamtzweck des Betriebes der Beklagten untergeordnet war wie die Arbeit der Klägerin und der anderen Küchenhilfen. Eine organisatorische Selbständigkeit, gar eine eigenständige, von dem Bereich der Küche getrennte innerbetriebliche Weisungslinie ist nicht zu erkennen. Die Annahme eines selbständigen Betriebsteils scheidet daher aus.
Rz. 19
II. Das im Rahmen einer auf den Betrieb der Beklagten bezogenen Gesamtbetrachtung vom Landesarbeitsgericht gefundene Ergebnis, ein Betriebsübergang sei zu verneinen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 20
1. Ein Betriebsübergang iSd. § 613a BGB setzt die Wahrung der Identität einer auf gewisse Dauer angelegten, hinreichend strukturierten und selbständigen wirtschaftlichen Einheit voraus. Die Wahrung der Identität kann sich aus dem Übergang sachlicher und immaterieller Betriebsmittel, aber auch aus dem Übergang von Personal, Führungskräften, der Übernahme von Arbeitsorganisation und Betriebsmethoden herleiten (BAG 26. Juni 1997 – 8 AZR 426/95 – BAGE 86, 148 = AP BGB § 613a Nr. 165 = EzA BGB § 613a Nr. 151; 12. November 1998 – 8 AZR 282/97 – BAGE 90, 163 = AP BGB § 613a Nr. 186 = EzA BGB § 613a Nr. 170; 22. Januar 1998 – 8 AZR 775/96 – AP BGB § 613a Nr. 174 = EzA BGB § 613a Nr. 162). Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände an (BAG 2. Dezember 1999 – 8 AZR 796/98 – AP BGB § 613a Nr. 188 = EzA BGB § 613a Nr. 188). Es muss eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung der bisher in dieser abgrenzbaren Einheit geleisteten Tätigkeit möglich sein (BAG 27. April 1995 – 8 AZR 197/94 – BAGE 80, 74 = AP BGB § 613a Nr. 128 = EzA BGB § 613a Nr. 126). Die bloße Möglichkeit allein, den Betrieb selbst unverändert fortführen zu können, reicht nicht für die Annahme eines Betriebsübergangs, vielmehr muss der Betrieb auch tatsächlich weitergeführt werden (BAG 13. Juli 2006 – 8 AZR 331/05 – AP BGB § 613a Nr. 313). Keine unveränderte Fortführung liegt vor, wenn der neue Betreiber eine andere Leistung erbringt, den Betriebszweck ändert oder ein anderes Konzept verfolgt (BAG 4. Mai 2006 – 8 AZR 299/05 – BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51). Ebenso reicht eine bloße Funktionsnachfolge nicht aus, bei der nur die Tätigkeit ausgeübt oder die Funktion am Markt übernommen wird, ohne Übernahme der Betriebsmittel oder der Belegschaft (BAG 24. August 2006 – 8 AZR 317/05 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 152 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 60; EuGH 11. März 1997 – C-13/95 – [Ayse Süzen] Slg. 1997, I-1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145).
Rz. 21
2. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, bei der je nach Einzelfall folgende relevante Umstände in Betracht zu ziehen sind: die Art des Betriebes oder Unternehmens; der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude, Maschinen und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung; der Wert der übernommenen immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation; die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, also des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals; der etwaige Übergang der Kundschaft und der Lieferantenbeziehungen; der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten; die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit (24. Januar 2002 – C-51/00 – Rn. 24, Slg. 2002, I-969 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 32 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 77/187 Nr. 1; Senat 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96 – BAGE 86, 20 = AP BGB § 613a Nr. 154 = EzA BGB § 613a Nr. 149; 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 – BAGE 87, 115 = AP BGB § 613a Nr. 169 = EzA BGB § 613a Nr. 154; 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – BAGE 87, 120 = AP BGB § 613a Nr. 170 = EzA BGB § 613a Nr. 156; 25. Mai 2000 – 8 AZR 416/99 – BAGE 95, 1 = AP BGB § 613a Nr. 209 = EzA BGB § 613a Nr. 190). In der Entscheidung vom 12. Februar 2009 (– C-466/07 – [Klarenberg] AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 4 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 2) hat der Europäische Gerichtshof bestätigt, dass grundsätzlich die Organisation zu den Kriterien für die Bestimmung der Identität einer wirtschaftlichen Einheit gehört (aaO Rn. 44). Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. b RL 2001/23/EG wird die Identität einer wirtschaftlichen Einheit einerseits über das Merkmal der Organisation der übertragenen Einheit, andererseits über das Merkmal der Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit definiert (aaO Rn. 45). Es sei für einen Betriebsübergang nicht erforderlich, dass der Übernehmer die konkrete Organisation der verschiedenen übertragenen Produktionsfaktoren beibehalte, sondern, dass die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung der Produktionsfaktoren beibehalten werde. Diese erlaube nämlich bereits dem Erwerber, die Produktionsfaktoren in ihrer Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zu nutzen, selbst wenn sie nach der Übertragung in eine neue, andere Organisationsstruktur eingegliedert werden, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (aaO Rn. 48; EuGH 14. April 1994 – C-392/92 – Slg. 1994, I-1311 = AP BGB § 613a Nr. 106 = EzA BGB § 613a Nr. 114). Dies sieht der Senat nicht anders (22. Januar 2009 – 8 AZR 158/07 – AP BGB § 613a Nr. 367 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 107).
Rz. 22
3. Nach der demgemäß vorzunehmenden Gesamtbetrachtung hat es das Landesarbeitsgericht zu Recht abgelehnt, in der Übernahme der Bewirtschaftung der drei Betriebskantinen durch die Streithelferin einen Betriebsübergang zu sehen.
Rz. 23
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Zweckrichtung der betrieblichen Tätigkeit, nämlich die Mitarbeiter der D… AG kostengünstig zu verpflegen, sei dieselbe geblieben. Diese Würdigung entspricht nicht ganz den von dem Berufungsgericht festgestellten Tatsachen. Nach der vorliegenden Nutzungsvereinbarung vom 11. November 1996 war die Beklagte verpflichtet, ein Grundsortiment an Waren zu den üblichen Handelspreisen anzubieten, dass darüber hinausgehende Waren- und Speisensortiment “preislich attraktiv” zu gestalten, was nicht denknotwendig mit “kostengünstig” gleichzusetzen ist. Vor allem aber war es der vertraglich abgesicherte Betriebszweck bei der Beklagten, in den Kantinenbetrieben selbst und frisch vor Ort zubereitete Speisen als Mittagsmahlzeiten anzubieten. Nach den Vereinbarungen mit der D… AG sollte und durfte der Betrieb der Beklagten gerade nicht in der Art eines Cateringunternehmens geführt werden. Dieser, gegenüber der Preisgestaltung vorrangige Betriebszweck wird von der Streithelferin unstreitig nicht mehr verfolgt.
Rz. 24
b) Unstreitig stehen der Streithelferin Räumlichkeiten zur Verfügung, die auch die Beklagte genutzt hat. Die Streithelferin nutzt diese jedoch nicht mehr im vollen Umfang und teilweise auf eine andere Art und Weise. In den Küchen wird nicht mehr gekocht, sondern die fertig zubereiteten, angelieferten Speisen werden dort mit Hilfe eines von der Streithelferin aufgestellten “Konvektomaten” erwärmt oder fertig gegart.
Rz. 25
c) Es kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Streithelferin im Wege einer neuen Nutzungsvereinbarung mit der D… AG diejenigen sächlichen Betriebsmittel übernommen hat, die auch der Beklagten zur Verfügung gestellt wurden. Dabei ist eine Betriebskantine grundsätzlich nicht als betriebsmittelarmer Betrieb anzusehen. Unstreitig nutzt die Streithelferin Speisesaal, die Essensausgabe, die Einrichtungen zum Kassieren, Geschirr und Besteck sowie die Spülküche so, wie dies auch die Beklagte getan hat. Hinweise darauf, dass der Streithelferin im Rahmen der neuen Nutzungsvereinbarung der Zugang zu einzelnen Räumlichkeiten der Betriebskantine versperrt wäre, sind dem beiderseitigen Vorbringen und dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nutzt die Streithelferin aber die Kantinenküchen nicht mehr als solche, sondern nur noch als Raum, in dem sie die Konvektomaten aufgestellt hat. Die Streithelferin mag also die sächlichen Betriebsmittel, die auch der Beklagten zur Verfügung standen, mehr oder weniger zur Gänze übernommen haben, unstreitig nutzt sie aber den Teil der Betriebsmittel, der zur Verwirklichung des besonderen Betriebszwecks der Beklagten diente, nicht mehr. Indem sie selbst keine Speisen mehr frisch vor Ort zubereiten lässt, führt sie den Betrieb der Beklagten nicht in der Art und Weise fort, wie dies die Beklagte tat.
Rz. 26
d) Das Landesarbeitsgericht hat weiter festgestellt, dass wegen des Wegfalls der Zubereitung von Speisen sich wesentliche Arbeitsinhalte geändert hatten; dass damit wichtige Aspekte der Arbeitsorganisation und der Betriebsmethoden andere als bei der Beklagten geworden seien; dass das Arbeitsvolumen sich ganz erheblich reduziert habe, da die Belegschaft wegen des Wegfalls der Arbeitsplätze für Köche nur noch halb so groß sei und dass das Anforderungsprofil des eingesetzten Personals sich dadurch ebenfalls geändert habe. Da in Anbetracht dessen auch ein Betriebsübergang in der Gesamtschau zu verneinen ist, kann dies als rechtliche Würdigung des Tatsachengerichts nicht revisionsrechtlich beanstandet werden. Insbesondere greift die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge nicht durch. Diese greift nicht die Feststellungen als solche an, sondern beanstandet eine unterbliebene Beweisaufnahme zu der Frage, ob die Arbeitseinheiten “Kochen” und “sonstige Tätigkeiten” getrennt werden können. Diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Die Beklagte jedenfalls hatte keine zwei organisatorisch selbständigen Betriebsteile in den jeweiligen Kantinen unterhalten, das ist unstreitig. Geht es aber um einen einheitlichen Betrieb, so ist entscheidend, ob dessen Identität von der Betriebserwerberin gewahrt wird.
Rz. 27
4. In der anzustellenden Gesamtbetrachtung sprechen zwar eine Reihe von Kriterien für sich genommen für einen Betriebsübergang: Übernahme der materiellen Betriebsmittel und Räumlichkeiten, teilweise Fortführung organisatorischer Elemente, Übernahme der Kundschaft und keine Unterbrechung des betrieblichen Geschehens. Außerhalb des Küchenbereichs und der Fertigung von Mittagsmahlzeiten sind die von der Streithelferin fortgesetzten Tätigkeiten denjenigen, die die Beklagte verrichten ließ, ähnlich. Dagegen hat sich die Art des Betriebes bei der Streithelferin geändert: Der frühere Betriebszweck, Mittagessen mit frisch gekochten Speisen anzubieten, ist weggefallen. Damit sind zwangsläufig auch erhebliche organisatorische Veränderungen in einem zentralen Bereich einhergegangen. Es wird nicht mehr gekocht, nur noch gewärmt. Mit dem Wegfall der Köche ist ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil des Personals der Beklagten bei der Streithelferin nicht mehr vorhanden, was die Beklagte durch die von ihr selbst ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen gegenüber den Köchen akzeptiert und nie in Frage gestellt hat. Zwar ist eine Betriebskantine nicht betriebsmittelarm, die Bedeutung der menschlichen Arbeitskraft bei der Herstellung von Mahlzeiten ist aber (noch) vergleichsweise hoch. Wird dieser Produktionsfaktor dem bisherigen Betrieb entzogen und nach außen verlagert, so stellt dies eine Konzeptänderung dar, die der Annahme eines Betriebsübergangs entgegensteht. Der Betrieb einer Werkskantine im Cateringsystem ist etwas anderes als die frische Essenszubereitung vor Ort. Die Streithelferin hat den Betrieb der Beklagten nicht fortgeführt, weshalb das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat, dass ein Betriebsübergang nicht vorliegt.
Rz. 28
C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Hauck, Schmidt, Breinlinger, Morsch, N. Schuster
Fundstellen
Haufe-Index 2311423 |
BB 2010, 1282 |
BB 2010, 51 |
BB 2010, 954 |
NJW 2010, 1689 |
EWiR 2010, 241 |
FA 2010, 186 |
FA 2010, 58 |
NZA 2010, 499 |
ZIP 2010, 694 |
ZTR 2010, 386 |
AP 2010 |
AuA 2010, 114 |
AuA 2011, 52 |
DZWir 2010, 282 |
EzA-SD 2010, 10 |
EzA-SD 2010, 8 |
EzA 2010 |
NZI 2010, 56 |
ZInsO 2010, 1103 |
ZMV 2010, 103 |
AUR 2010, 223 |
AUR 2010, 88 |
ArbRB 2010, 136 |
ArbR 2010, 12 |
GWR 2010, 174 |
NJW-Spezial 2010, 212 |
SPA 2010, 7 |