Für Beschäftigte in der Gastronomie eines kommunalen Eissportzentrums gilt der TVöD
Die Parteien des Rechtsstreits vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) streiten über die Geltung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) für ihr Arbeitsverhältnis und über sich daraus ergebende Vergütungsansprüche des Klägers.
Die Beklagte ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e.V. Sie betreibt ein Eissportzentrum mit einer Eissporthalle und einer Eisschnelllaufbahn, das Golfbad „Gesundheitspark“ und verwaltet ein Naherholungsgebiet an einem Stausee. Für alle drei Liegenschaften hat sie den Betrieb eines Gaststättengewerbes der zuständigen Behörde angezeigt.
Der Kläger ist ver.di-Mitglied und war als „Mitarbeiter Service“ bei der Beklagten beschäftigt. Er wurde seit September 2020 in den Wintermonaten überwiegend in den gastronomischen Einrichtungen im Bereich des Eissportzentrums und in den Sommermonaten überwiegend in denen des Stausees eingesetzt. Dabei hatte er unter anderem das Grillgut zuzubereiten, Speisen und Getränke zu verkaufen sowie diese jeweils zu kassieren. Zu seinen Aufgaben gehörten auch die Vorbereitung der Kasse und deren Abrechnung, die Annahme von Warenlieferungen, das Auffüllen von Beständen und Reinigungsarbeiten. In geringem Umfang war er auch als Ordner und Kassierer sowie bei der Schlittschuhausleihe tätig.
Arbeitnehmer forderte Bezahlung nach TVöD/VKA als „Fachangestellter für Bäderbetriebe“
Der Kläger forderte die Beklagte unter Berufung auf die Geltung des TVöD/VKA und das Tätigkeitsmerkmal „Fachangestellte für Bäderbetriebe mit Abschlussprüfung und entsprechender Tätigkeit“ auf, ihn nach Entgeltgruppe 5, Stufe 2, TVöD/VKA zu vergüten. Dabei stellte der Kläger auf die eingehende fachliche Einarbeitung ab, welche die Vergütung rechtfertige.
Arbeitnehmer ist kein „Beschäftigter in einer Gaststätte“ im Sinne der Bereichsausnahme nach § 1 Abs. 2 TVöD
Das BAG gab der Revision des Klägers statt und hat die Sache an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen.
Nach Ansicht des BAG hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, dass der TVöD/VKA für das Arbeitsverhältnis der Parteien trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht gegolten habe, da der Kläger vom Geltungsbereich des TVöD/VKA nicht erfasst sei. Der Kläger ist kein Beschäftigter in einer Gaststätte im Sinne der im TVöD geregelten Bereichsausnahme.
Nach § 1 Abs. 2 Buchstabe r TVöD/VKA gilt der TVöD/VKA unter anderem nicht für „Beschäftigte in Gaststätten“. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist dies nur, wer in einem Betrieb tätig wird, bei dem es sich seinem arbeitstechnischen Zweck nach um eine Gaststätte handelt. Nach dem BAG betrifft die Herausnahme aus dem tariflichen Geltungsbereich nicht die Tätigkeit des Beschäftigten, sondern dessen Einsatzort und damit den fachlich-betrieblichen Geltungsbereich. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sollen Beschäftigte „in“ Gaststätten vom Geltungsbereich ausgenommen sein, nicht aber solche mit einer bestimmten Tätigkeit. Es sind also nicht alle Beschäftigten mit „gaststättentypischer Tätigkeit“ unabhängig von ihrem Arbeitsort vom Geltungsbereich ausgenommen, sondern alle „in einer Gaststätte“ tätigen Beschäftigten unabhängig von ihrer Tätigkeit.
Zweck der „Organisationseinheit Gastronomie/Service“ der Beklagten ist nur die Aufwertung des eigentlichen Angebots
Eine Gaststätte im Sinne von § 1 Abs. 2 TVöD ist ein Betrieb, dessen arbeitstechnischer Zweck darauf gerichtet ist, Gästen Speisen und Getränke zum Verzehr vor Ort gegen Entgelt anzubieten. Ob ein Betrieb eine „Gaststätte“ ist, bestimmt sich nach dem in dieser organisatorischen Einheit verfolgten arbeitstechnischen Zweck und dessen Zuordnung zur Gaststättenbranche. Die Erteilung einer Erlaubnis nach dem Gaststättengesetz dient lediglich Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Gaststätte.
Die von der Beklagten so bezeichnete „Organisationseinheit Gastronomie/Service“ ist kein eigenständiger Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA. Die Einheit ist zwar nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts räumlich abgrenzbar. Mit ihr wird aber, auch wenn sie organisatorisch einheitlich geleitet wird und ihr gesondert Betriebsmittel zugewiesen sind, kein eigener arbeitstechnischer Zweck verfolgt. Vielmehr sind die gastronomischen Einrichtungen darauf ausgerichtet, das Angebot des Eissportzentrums, des Naherholungsgebiets und des Gesundheitsparks abzurunden und aufzuwerten.
Zurückverweisung an das LAG zur Überprüfung der richtigen Eingruppierung
Da die Klageabweisung des LAG nicht rechtmäßig war, wurde die Sache vom BAG an das LAG zurückverwiesen.
Die Eingruppierung des Klägers richtet sich nach §§ 12, 13 TVöD/VKA. Das LAG muss nun feststellen, welche Tätigkeiten dem Kläger mit welchen Zeitanteilen übertragen waren und ob diese den Anforderungen der Entgeltgruppe 2 oder Entgeltgruppe 3 erfüllen. Dabei wird es um die Frage gehen, ob es sich bei der Tätigkeit um eine solche handelt, die eine eingehende fachliche Einarbeitung erfordert und damit in Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA fällt.
(BAG, Urteil vom 24.4.2024, 4 AZR 195/23)
Hinweis:
§ 1 TVöD/VKA lautet:
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – nachfolgend Beschäftigte genannt –, die in einem Arbeitsverhältnis zum Bund oder zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied eines Mitgliedverbandes der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ist.
(2) Dieser Tarifvertrag gilt nicht für
(…)
r) Beschäftigte in Bergbaubetrieben, Brauereien, Formsteinwerken, Gaststätten, Hotels, Porzellanmanufakturen, Salinen, Steinbrüchen, Steinbruchbetrieben und Ziegeleien
(...)
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