Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Ungewißheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit als erhebliche Beeinträchtigung betriebl. Interessen (Anschluß an BAG Urteil vom 21. Mai 1992 – 2 AZR 399/91 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt)
Normenkette
KSchG § 1; SprAuG § 31 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. August 1992 – 4 Sa 94/92 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 1. Mai 1966 bei der Beklagten beschäftigt, und zwar zuletzt als Bezirksstellenleiter der Geschäftsstelle B. Die Beklagte ist eine Versicherungsgruppe, bestehend aus acht Versicherungsgesellschaften, die auf Unternehmensebene in einer Holding zusammengefaßt sind. Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 10./14. Februar 1984 wurde der Kläger als leitender Angestellter bei der Beklagten geführt und er erhielt zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt von 11.000,– DM.
Seit dem 28. Februar 1989 ist der Kläger nach einem Herzinfarkt durchgehend arbeitsunfähig krank. In einer fachärztlichen Stellungnahme des Betriebsarztes der Beklagten vom 19. Dezember 1989, die auf einem Bericht des behandelnden Arztes des Klägers beruht, wird unter anderem festgestellt, der Kläger leide an einer schweren coronaren Herzkrankheit, in deren Folge es nicht nur zum Auftreten eines Herzhinterwandinfarktes gekommen sei, sondern diese sei auch mit schweren Rhythmusstörungen verbunden; dem liege eine diffuse Schädigung des Coronargefäßsystems zugrunde verbunden mit weiteren coronaren Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes. Angesichts dieser Krankheiten sei mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 bis 40 % zu rechnen; ebenso sicher sei, daß es nicht gelingen werde, das Leiden des Klägers so zu behandeln, daß volle Arbeitsfähigkeit eintrete; Streßsituationen, Überstunden und Leistungsdruck müßten vermieden werden. Bei einer Wiederaufnahme der Tätigkeit könne man nur hoffen, daß der Kläger nicht baldigst wieder ausfalle; die Prognose sei nicht günstig, aus ärztlicher Sicht sei der Eintritt in den Ruhestand das sinnvollste; auch bei einem anderen Einsatz als in der bisherigen Tätigkeit könnten häufigere Fehlzeiten nicht ausgeschlossen werden.
Im Juni 1990 fand eine Heilbehandlungsmaßnahme des Klägers durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte statt. Eine weitere, vom Kläger im Jahre 1991 angestrebte Heilbehandlungsmaßnahme in Form einer ganzheitsmedizinischen Behandlung in der Klinik Lahnhöhe konnte bisher nicht stattfinden, da die private Krankenversicherung des Klägers, die als Gesellschafterin der beklagten Partner-Gruppe angehört, die Kostenübernahme verweigert hat; der Kläger führt deshalb einen Deckungsprozeß beim Landgericht Dortmund (Az. 2 0 511/91).
Aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien (Anl. 7 zum Arbeitsvertrag) war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger bis zum Ablauf der 78. Woche ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine Krankenzulage zu gewähren. Nach Ablauf dieser Frist erhält der Kläger weiterhin Bezüge von monatlich 3.213,– DM, bei denen es sich um Bestandsprovisionen aufgrund der Vertragsanlage 4 handelt. Diese werden aufgrund der von der Geschäftsstelle des Klägers im Bestand geführten Versicherungsverhältnisse geleistet. Diese Provisionen (Bestandsund Superprovision sowie Erfolgsprämien) gehen im Falle des Ausscheidens des Klägers nicht auf seinen Nachfolger über, sondern erlöschen. Insgesamt hat die Beklagte während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers folgende Leistungen an ihn erbracht:
1989 |
97.426,– DM |
1990 |
72.057,17 DM |
1991 |
37.061,09 DM |
gesamt |
206.544,26 DM |
Der Betriebsarzt Dr. P bat den Kläger mit Schreiben vom 31. Januar 1991 um Mitteilung seines Gesundheitszustandes sowie um eine Selbsteinschätzung seiner vorhandenen Arbeitsleistung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. März 1991 ließ der Kläger u. a. erwidern, eine weitere Behandlung in der Klinik Lahnhöhe könne mangels Deckung durch die Krankenversicherung noch nicht durchgeführt werden; erst danach lasse sich eine auch nur einigermaßen zuverlässige Prognose stellen. Mit Schreiben vom 17. Mai 1991 bat die Beklagte den Kläger wegen seines Gesundheitszustandes um Beantwortung einiger Fragen, die der Kläger dahin beantworten ließ, er beziehe keine Rente, auch sei ein solcher Antrag nicht gestellt, da noch mit einer Besserung gerechnet werde, wozu allerdings die Behandlung in der Klinik Lahnhöhe erforderlich sei; ob er wieder berufstätig werde, hänge von der weiteren gesundheitlichen Entwicklung ab.
Mit Schreiben vom 17. Juni 1991 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Sprecherausschuß zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Mit Schreiben vom 25. Juli 1991, das nach dem Eingangsvermerk der Beklagten tatsächlich vom 25. Juni 1991 stammt, widersprach der Sprecherausschuß der beabsichtigten Kündigung. Die Beklagte kündigte alsdann mit Schreiben vom 26. Juni 1991, dem Kläger am 28. Juni 1991 zugegangen, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Jahresende auf. Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung.
Er rügt zunächst die ordnungsgemäße Anhörung des Sprecherausschusses; das Anhörungsschreiben vom 17. Juni 1991 sei in mehreren Punkten objektiv irreführend. Im übrigen sei die Kündigung sozial ungerechtfertigt, weil keine dauernde Arbeitsunfähigkeit vorliege. Nach einer Heilbehandlung in der Klinik Lahnhöhe sei mit einer Besserung des Gesundheitszustandes zu rechnen (Beweis: Sachverständigengutachten). Das Zusammenwirken von Herzinfarkt, Zuckerkrankheit und Bluthochdruck bewirke die derzeitige Arbeitsunfähigkeit; bei einer ganzheitsmedizinischen Behandlung sei jedoch mit einem Erfolg zu rechnen (Beweis: Dr. B). Er bestreite, sich selbst als dauerhaft arbeitsunfähig eingeschätzt zu haben.
Auch bei einer Arbeitsunfähigkeit von unbestimmter Dauer liege jedenfalls keine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung für die Beklagte vor, zumal die Geschäftsstelle in B seit 1. Oktober 1990 endgültig neu besetzt sei. Die Provisionszahlungen seien vergangenheitsbezogen und könnten deshalb nicht als erhebliche wirtschaftliche Belastung gewertet werden. Bei der Beklagten sei auch noch eine Vielzahl von Stellen im Innendienst offen, die er nach Genesung besetzen könne. Schließlich werfe die Beklagte ihm im Kündigungsschreiben zu Unrecht vor, bisher keinen Rentenantrag gestellt zu haben: Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mehr als 50 % liege nämlich nicht vor.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Juni 1991 nicht aufgelöst worden sei, sondern über den 31. Dezember 1991 hinaus unverändert weiterbestehe.
Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Anhörung des Sprecherausschusses sei wirksam, da diesem nur die Gründe mitgeteilt worden seien, die aus der Sicht des Arbeitgebers die Kündigung rechtfertigten. Die durch die Arbeitsunfähigkeit des Klägers entstandenen Kosten seien ihr nicht weiter zumutbar. Jedenfalls sei auch im Falle einer Wiederherstellung der Gesundheit des Klägers mit hohen Ausfallzeiten zu rechnen, die weiterhin kostenmäßig zu betrieblichen Belastungen führten. Nach der fehlgeschlagenen Heilbehandlung im Juni 1990 sei in Übereinstimmung mit der eigenen Einschätzung des Klägers von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen. Es sei als sicher anzusehen, daß eine volle Erwerbsfähigkeit des Klägers nie wieder eintreten werde. Wenn der Kläger eine ganzheitlich-medizinische
Behandlung anstrebe, so werde dadurch die negative Prognose, wie sie zur Zeit der Kündigung bestanden habe, nicht entkräftet, zumal der Kläger nichts dazu vorgetragen habe, weshalb nunmehr mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei. Inzwischen sei der Kläger seit mehr als drei Jahren arbeitsunfähig erkrankt. Von einer erheblichen betrieblichen Beeinträchtigung sei – unabhängig von den unstreitig von ihr geleisteten Bezügen – schon deshalb auszugehen, weil eine dauernde Unfähigkeit vorliege, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Weitere Überbrückungsmaßnahmen seien ihr nicht zumutbar. Die Geschäftsstelle in B sei zunächst nur vorübergehend ersatzweise besetzt worden; dabei sei es zu einem erheblichen Rückgang der Vertragsabschlüsse 1990 (1,32 Millionen) im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1987 bis 1989 (1,74 Millionen) gekommen. Erst 1991 sei es zu einer Steigerung der Beträge auf ca. 1,46 Millionen gekommen.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt, während auf die Berufung der Beklagten das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, § 565 ZPO.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung zusammengefaßt wie folgt begründet: Zwar sei eine Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht zu rechtfertigen, sie sei jedoch vorliegend aus betrieblichen Gründen unumgänglich, weil der Arbeitnehmer für den Arbeitsplatz nicht geeignet sei. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Kündigung fast 2 1/2 Jahre auf unabsehbare Zeit weiterhin arbeitsunfähig krank, so daß von einer Unmöglichkeit der Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auf unabsehbare, unbestimmte Zeit auszugehen sei, was einer dauernden Unfähigkeit gleichzusetzen sei. Die krankheitsbedingte Unfähigkeit des Klägers, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit überhaupt noch einmal erbringen zu können, stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des bisherigen kausalen Krankheitsverlaufes, der ärztlichen Aussagen zum Krankheitsbild, des fehlgeschlagenen Heilverfahrens sowie der vorprozessualen und prozessualen Einlassungen des Klägers fest. Eine negative Prognose hinsichtlich der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ergebe sich zunächst aus der fachärztlichen Stellungnahme des Betriebsarztes Dr. P vom 19. Dezember 1989. Ferner habe die Beklagte das Heilverfahren im Juni 1990 abgewartet; auch hierbei sei die Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht wiederhergestellt worden. Auch die Selbsteinschätzung des Klägers laut Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 31. Mai 1991 lasse nicht erkennen, daß in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen sei. Soweit der Kläger eine ganzheitsmedizinische Behandlung in der Klinik Lahnhöhe anstrebe, habe der Kläger nicht im einzelnen dargestellt, inwiefern mit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes zu rechnen sei; konkrete Tatsachen, die den Schluß auf eine Genesung zuließen, habe der Kläger nicht vorgetragen. Wenn sich erst nach Durchführung der ganzheitsmedizinischen Behandlung feststellen lasse, ob die Heilbehandlungsmaßnahme Erfolg gehabt habe oder nicht, so sei das zuwenig, um die negative Indizwirkung zu erschüttern.
Auch eine anderweitige Beschäftigung des Klägers – eventuell zu geänderten Arbeitsbedingungen – sei nicht möglich. Das Vorbringen des Klägers lasse nicht erkennen, daß und wann er gegebenenfalls wieder arbeiten könne, ohne daß es zu einer gesundheitlichen Schädigung komme. Der Kläger habe darlegen müssen, wie er sich eine weitere Beschäftigung vorstelle. Welche Innendienst-Positionen er einnehmen könnte, habe er nicht dargestellt. Andererseits könne von der Beklagten nicht verlangt werden, daß sie für den Kläger einen Arbeitsplatz offenhalte, sobald er wieder zur Verfügung stehe.
Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege darin, daß – neben der fehlenden Möglichkeit einer Umsetzung – praktisch eine dauernde Unfähigkeit des Arbeitnehmers vorliege, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In einem solchen Fall bestehe kein schützenswertes Interesse, den Arbeitgeber daran zu hindern, mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers auf Dauer einen anderen Arbeitnehmer zu beauftragen, wie dies ab Oktober 1990 mit der Besetzung der Filiale B der Fall sei. Demnach seien weitergehende betriebliche Beeinträchtigungen nicht erforderlich. Dies gelte auch bei einer fast 30jährigen Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten, zumal vom Fehlen einer betrieblichen Beeinträchtigung nur ausgegangen werden könne, wenn die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers überhaupt keinen Wert hätte, ein Ausnahmetatbestand, der voraussetzen würde, der Arbeitgeber beschäftige überflüssige Arbeitnehmer. Bei dauernder Unfähigkeit des Arbeitnehmers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, liege die erhebliche betriebliche Beeinträchtigung auf der Hand. Deshalb sei die Kündigung des Klägers sozial gerechtfertigt.
Eine Unwirksamkeit der Kündigung sei auch nicht aus §§ 31 Abs. 2 SprAuG, 134 BGB zu entnehmen. Die Beklagte habe aus ihrer Sicht den Sprecherausschuß vollständig über den Kündigungssachverhalt unterrichtet, zumal dem Sprecherausschuß auch das Antwortschreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 4. März 1991 vorgelegt worden sei.
II. Dieser Würdigung kann nicht in allen Punkten gefolgt werden. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts (§ 1 Abs. 2 KSchG) ist insoweit erfolgreich, als das Landesarbeitsgericht bei seinen Ausgangsüberlegungen rechtlich unzutreffende Obersätze verwendet und schließlich eine umfassende Interessenabwägung nicht angestellt hat, während die sonstigen Revisionsangriffe nicht durchgreifen.
1. Das Landesarbeitsgericht geht in seinen abstrakten, nicht auf den konkreten Fall bezogenen Vorüberlegungen einerseits davon aus, eine Kündigung wegen Krankheit sei zunächst einmal grundsätzlich nicht zu rechtfertigen, andererseits sei sie jedoch dann nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer für seine bisherige Arbeit gesundheitlich nicht geeignet sei, so daß deshalb eine Kündigung aus betrieblichen Gründen unumgänglich notwendig werde. Die Revision rügt zu Recht, damit habe das Berufungsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff der sozialen Rechtfertigung personenbedingter Gründe für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG unzutreffend angewandt. Außerdem sind die Gründe insoweit auch in sich widersprüchlich.
a) Bei der Frage, ob eine ordentliche Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist, weil personenbedingte Gründe vorliegen, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorms des § 1 KSchG Denkgesetz oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II 1 b aa der Gründe). Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Beurteilungsspielraums kann das Urteil keinen Bestand haben.
b) Das Urteil leidet zunächst an dem Mangel, personenbedingte und betriebsbedingte Kündigung nicht klar voneinander zu trennen, wie dies in § 1 Abs. 2 KSchG angelegt ist. Mit gleichlautenden Darlegungen der Vierten Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm hat sich der Senat bereits im Urteil vom 23. September 1992 (– 2 AZR 63/92 – EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 37) auseinandergesetzt und deshalb auch das damalige Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben. Auch vorliegend ist es naheliegend, daß unabhängig von den zutreffenden Ausführungen zur negativen Prognose und zum Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (vgl. unten zu II 1 d und e) die abschließende Würdigung des Berufungsgerichts durch den fehlerhaften Ausgangspunkt beeinflußt wird.
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. für die langanhaltende Krankheit BAGE 40, 361, 367 f. = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu B I der Gründe; für häufige Kurzerkrankungen Senatsurteil vom 5. Juli 1990 – 2 AZR 154/90 – AP Nr. 26, aaO, zu II der Gründe; für dauernde Leistungsunfähigkeit Senatsurteil vom 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP Nr. 25, aaO) ist die Sozialwidrigkeit einer wegen Krankheit ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich. Die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist dann zu prüfen, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vom Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen ist.
d) Das Landesarbeitsgericht hat hinsichtlich der ersten Stufe festgestellt (Berufungsurteil ab S. 30 f.), zum Zeitpunkt der Kündigung sei der Kläger fast 2 1/2 Jahre arbeitsunfähig gewesen; die Beklagte habe auch den betriebsärztlichen Ratschlag befolgt, zunächst die Heilbehandlungsmaßnahme im Juni 1990 durch die BfA abzuwarten, durch die aber die Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht wiederhergestellt worden sei. Das wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Das Landesarbeitsgericht hat dann weiter angenommen, auch die nachfolgende ärztliche Behandlung – bis zur Kündigung stand der Kläger seit 28 Monaten unter ärztlicher Aufsicht – habe, wie auch die anwaltlichen Mitteilungen vom 4. März und 31. Mai 1991 zeigten, keine Besserung der gesundheitlichen Entwicklung ergeben. Die krankheitsbedingte Unfähigkeit des Klägers, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit überhaupt oder in absehbarer Zeit erbringen zu können, stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des bisherigen kausalen Krankheitsverlaufs, der ärztlichen Aussagen zum Krankheitsbild, des fehlgeschlagenen Heilverfahrens sowie seiner Einlassungen fest. Es sei demnach von einer Unmöglichkeit der Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung für unbestimmte Zeit auszugehen, die einer dauernden Unfähigkeit gleichzusetzen sei.
aa) Dies will die Revision nicht gelten lassen; in der vom Berufungsgericht zitierten Korrespondenz sei auch zum Ausdruck gebracht, daß eine konkrete Heilungschance nach einer Behandlung in der Klinik Lahnhöhe gesehen werde. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausführe, daß also nach dem eigenen Vorbringen des Klägers eine auch nur einigermaßen zuverlässige Gesundheitsprognose erst nach Durchführung dieser Behandlung möglich sei und deshalb sei eine Gleichsetzung des Klägers mit einer definitiv dauerhaften Erkrankung begründet, so verstoße dies gegen die Denkgesetze: Hinsichtlich der Sicherheit der Prognose sei es unvertretbar, das bestehende Maß an Ungewißheit mit einer feststehenden dauernden Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen.
bb) Der Revision ist zuzugeben, daß bei der Feststellung der negativen Gesundheitsprognose – hinsichtlich der erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen geht übrigens auch der Senat von der in Rede stehenden Gleichsetzung aus (so BAG Urteil vom 21. Mai 1992 – 2 AZR 399/91 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt), vgl. dazu noch unten zu II 1 e – diese Gleichsetzung den Eindruck einer Denkfehlerhaftigkeit erwecken kann. Einer Prognose haftet immer ein Moment der Unsicherheit an, weil sie von einer hypothetischen Annahme ausgeht, während bei feststehender Unfähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, eine Prognose überflüssig ist. Ersichtlich bezieht das Landesarbeitsgericht seine Gleichsetzung aber nicht nur auf die Gesundheitsprognose, wofür allerdings der Nachsatz (… in absehbarer Zeit … vertragliche Tätigkeit überhaupt noch einmal zu erbringen …) und vor allem das Eingehen auf die Prognose des Betriebsarztes spricht; sondern es redet im vorhergehenden Satz allgemein vom Vorliegen eines Kündigungsgrundes, so daß insofern seine Gleichsetzung denkgesetzmäßig vertretbar ist. Was aber die eigentliche Begründung einer negativen Gesundheitsprognose wegen der Krankheit des Klägers angeht, beanstandet die Revision die Schlußfolgerungen des Landesarbeitsgerichts nicht.
Soweit sie geltend macht, der Kläger habe in der Berufungsinstanz vorgetragen, nach einer Behandlung in der Klinik Lahnhöhe bestehe eine konkrete Heilungschance, hat das Landesarbeitsgericht dieses Vorbringen gewürdigt. Es hat es mangels Vortrag konkreter Tatsachen, wieso der Kläger aufgrund der ganzheitsmedizinischen Behandlung in dieser Klinik mit einem Heilerfolg rechnen könne, als unschlüssig zurückgewiesen. Das steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 6. September 1989 – 2 AZR 19/89 – AP Nr. 21, aaO), wonach für den Arbeitnehmer die Berufung auf Vernehmung der Ärzte nur ausreiche, wenn darin zugleich die Darstellung liege, die Ärzte hätten die künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber bereits tatsächlich positiv beurteilt. Der Senat hat dies zwar im Zusammenhang mit einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, deren Ursache einschließlich der künftigen Entwicklung der Arbeitnehmer nicht hinreichend kenne, ausgeführt. Der dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Gedanke, daß nämlich eine nach dem Vortrag des Arbeitgebers bestehende Indizwirkung für eine negative Zukunftsprognose vom Arbeitnehmer zu erschüttern sei, ohne daß er den Gegenbeweis zu führen habe (BAGE 43, 129, 139 = AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, zu B III 2 c der Gründe), gilt indessen auch hier. Angesichts des vorliegenden, fachärztlich und betriebsärztlich bestätigten Krankheitsbefundes „schwere coronare Herzkrankheit nach Herzhinterwandinfarkt, verbunden mit schweren Rhythmusstörungen; diffuse Schädigung des Coronargefäßsystems, coronare Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus” und der – was die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit angeht – erfolglosen Kurmaßnahme der BfA im Juni 1990 wäre es in der Tat Sache des Klägers gewesen, konkreten Sachvortrag dazu zu bringen, inwiefern aufgrund der – noch dazu unstreitig nicht schulmedizinischen – Behandlungsweise nicht nur eine allgemeine Besserung des Krankheitszustandes, sondern darüberhinaus eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, und zwar für die vertragsmäßig geschuldete Arbeit, zu erwarten sei. Was der Arzt Dr. B dem Kläger konkret in Aussicht gestellt habe, wurde in den Tatsacheninstanzen nicht substantiiert vorgetragen. Irgendwelche Bezüge zu dem festgestellten Krankheitsbild werden nicht hergestellt. Dazu werden auch mit der Revision keine konkreten Behauptungen aufgestellt. Auch wenn das Landesarbeitsgericht bei der Begründung der Prognose etwas unglücklich formuliert (was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist), erst nach Durchführung der Behandlung lasse sich erkennen, ob sie Erfolg hatte oder nicht, ist die Schlußfolgerung nicht zu beanstanden, der bisherige Sachvortrag des Klägers zur angestrebten Behandlung in der Klinik Lahnhöhe ergebe zuwenig, um die festgestellte negative Indizwirkung zu erschüttern. Das Urteil beruht also nicht auf dem gerügten Verstoß gegen Denkgesetze.
Aus dem gleichen Grund kann insoweit auch die formelle Rüge keinen Erfolg haben, das Berufungsgericht habe den Beweis angeboten zur gesundheitlichen Lage des Klägers im Kündigungszeitpunkt und zu den Aussichten einer Heilbehandlung in der Klinik Lahnhöhe nachgehen müssen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, schon der Sachvortrag des Klägers reiche nicht aus, das zur Zeit der Kündigung bestehende Bild einer negativen Gesundheitsprognose zu erschüttern. Dies ist im übrigen durch die nachfolgende Entwicklung eher noch bestätigt worden, denn der Kläger war noch zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht weiter arbeitsunfähig krank.
Deshalb ist es auch unerheblich, ob die Beklagte die bisher fehlende Kostenübernahme für die vom Kläger angestrebte Behandlung – die Beklagte läßt im übrigen mit einigem Recht darauf hinweisen, wenn diese Behandlung wirklich erfolgversprechend und notwendig sei, hätte der Kläger sie auch unabhängig von der Dek,c-kungszusage der Partner-Gruppe-Krankenversicherungs AG durchführen können – neben dieser Versicherungsgesellschaft mit zu vertreten hat. Selbst wenn dies der Fall wäre, ändert dies nichts an der vom Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellten negativen Prognose.
e) Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen als zweites Erfordernis für die soziale Rechtfertigung der Kündigung sieht das Landesarbeitsgericht (Berufungsurteil S. 43) darin, daß – neben der fehlenden Möglichkeit der Umsetzung des Klägers auf einen geeigneten (streßarmen) Arbeitsplatz – praktisch eine dauernde Unfähigkeit des Arbeitnehmers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, vorliege. In einem solchen Fall bestehe kein schützenswertes Interesse, den Arbeitgeber daran zu hindern, mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers auf Dauer einen anderen Arbeitnehmer zu beauftragen, wie dies ab Oktober 1990 mit der Besetzung der Filialdirektion B der Fall sei.
aa) Die Revision rügt zu Recht, daß diese Beeinträchtigung betrieblicher Interessen jedenfalls zur Zeit der Kündigung im Juni 1991 nicht (mehr) vorlag. Weitere tatsächliche Feststellungen zu betrieblichen Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf die von der Beklagten aufgewandten und eventuell noch aufzuwendenden Kosten hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt.
bb) Dies erweist sich vorliegend aber als unschädlich, so daß der Senat unter Berücksichtigung des unstreitigen Sachverhalts auch in dieser Frage abschließend befinden kann. Der Senat hat nämlich im Urteil vom 21. Mai 1992 (– 2 AZR 399/91 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) entschieden, sei der Arbeitnehmer bereits längere Zeit arbeitsunfähig krank und sei im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiß, so könne diese Ungewißheit wie eine feststehende dauernde Arbeitsunfähigkeit zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Der Senat hat dazu (unter III 3 a und b der Gründe) zur Begründung ausgeführt, stehe fest, daß der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen könne, so sei schon aus diesem Grund das Arbeitsverhältnis auf Dauer ganz erheblich gestört. Die auf das jeweilige Arbeitsverhältnis bezogene, betriebliche Beeinträchtigung bestehe darin, daß der Arbeitgeber damit rechnen müsse, der Arbeitnehmer sei auf Dauer außerstande, die von ihm geschuldete Leistung zu erbringen. In diesem Fall liege die erhebliche betriebliche Beeinträchtigung darin, daß der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert werde, sein Direktionsrecht auszuüben; er könne den Arbeitnehmer schon allein hinsichtlich der Bestimmung von Zeit und Reihenfolge der Arbeit nicht mehr frei einsetzen; eine irgendwie geartete Planung seines Einsatzes sei ebensowenig möglich wie der von Vertretungskräften. Auch das Arbeitsverhältnis sei ein, wenn auch durch einen besonderen Arbeitnehmerschutz geprägtes, Austauschverhältnis. Deshalb sei bei der Prüfung der möglichen nachteiligen Folgen krankheitsbedingter Fehlzeiten auch die erhebliche Störung des Äquivalenzverhältnisses zu berücksichtigen. Es genüge allerdings nicht bereits ein nur unausgewogenes Verhältnis zwischen Erfüllung der Arbeits- und Lohnfortzahlungspflicht, um unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Belastung mit Lohnfortzahlungskosten eine Kündigung wegen häufiger Erkrankungen sozial zu rechtfertigen (BAGE 61, 131, 144 f. = AP Nr. 20 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu B III 1 c bb der Gründe). Bei langanhaltender Krankheit, bei der die wirtschaftlichen Auswirkungen in den Hintergrund träten, werde dieses Äquivalenzverhältnis deshalb besonders gestört, wenn eine Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers überhaupt nicht mehr absehbar sei. Deshalb könne der Beeinträchtigung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung durch eine feststehende Leistungsunfähigkeit die Beeinträchtigung durch eine langandauernde gleichgestellt werden, wenn die Dauer der Leistungsunfähigkeit zumindest völlig ungewiß, oder sogar nicht abzusehen sei, ob die Leistungsfähigkeit überhaupt wiederhergestellt werden könne.
Genau so liegen die Dinge auch hier. Unabhängig davon, daß die Beklagte aufgrund der vertraglichen Abmachungen (in Anl. 4 und 7 zum Arbeitsvertrag) gehalten ist, dem Kläger auch nach Ablauf der Gehaltsfortzahlungszeit im Krankheitsfalle Provisionen (Bestands-, Superprovision und Erfolgsprämien) aus dem fortlaufenden Geschäftsbestand der Filiale B weiter zu zahlen, worauf vorliegend aber nicht tragend abgestellt zu werden braucht, liegt die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen bereits darin, daß die Beklagte auf unbestimmte Zeit gehindert ist, ihr Direktionsrecht gegenüber dem Kläger hinsichtlich der Bestimmung von Art, Ort, Zeit und Reihenfolge der Arbeit auszuüben; eine irgenwie geartete Einsatzplanung für den Kläger ist nicht möglich. Die Revision meint dazu, nach der Neubesetzung der Filialdirektion B im Oktober 1990 könne sich eine Berührung betrieblicher Interessen erst dann ergeben, wenn der Kläger nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit bei der Beklagten einen Beschäftigungs- und Lohnanspruch geltend machen würde; erst dann könne sich die Situation ergeben, daß die Beklagte zum Angebot eines (leidensgerechten) Arbeitsplatzes außerstande sei.
Diese Auffassung verkennt die vom Senat in dem erwähnten Urteil herausgestellte Bedeutung des Arbeitsverhältnisses als Austauschverhältnis. Es liegt dann eine erhebliche Störung des Äquivalenzverhältnisses vor, wenn ein möglicher Einsatz des erkrankten Arbeitnehmers bei einer zur Zeit der Kündigung schon 28 Monate andauernden Erkrankung völlig ungewiß ist. Das Arbeitsverhältnis lebt vom Austausch der Leistungen; wenn eine Seite auf unbestimmte Zeit gehindert ist, ihrer Leistungspflicht nachzukommen, wird es obsolet. Die Folgen eines persönlichen Schicksalsschlages des Arbeitnehmers sind – abgesehen vom Fall einer durch den Arbeitgeber (mit-)verschuldeten Gesundheitsbeeinträchtigung – nicht vom Arbeitgeber zu vertreten. Der Arbeitgeber braucht, auch wenn wie hier der akute Notstand auf Dauer überbrückt ist, nicht zu gewärtigen, daß der auf unbestimmte Zeit schwer und jahrelang erkrankte Arbeitnehmer eines Tages auf einer Vertragsrealisierung besteht, die auch noch auf zusätzliche Schwierigkeiten stößt, wenn der vom Arbeitnehmer bisher eingenommene Arbeitsplatz aufgrund betrieblicher Umstände endgültig anderweit besetzt werden mußte. Dies alles indiziert eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen.
f) Auch ein anderweitiger Einsatz des Klägers im Innendienst war zur Zeit der Kündigung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht möglich. Zu den entsprechenden, den Senat nach § 561 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gehört auch, daß der Kläger keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bei der Beklagten konkret aufgezeigt habe, die er im Falle der Genesung wahrnehmen könnte, ohne daß darauf abgestellt zu werden braucht, ob dies überhaupt ohne eine gesundheitliche Gefährdung möglich wäre (Berufungsurteil S. 39 unten). Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zum Nachweis einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit im Zusammenhang mit Erkrankungen (Senatsurteil vom 7. Februar 1991 – 2 AZR 205/90 – AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Umschulung, zu II 1 a der Gründe, m.w.N., auch zum Abdruck in der amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Aus den zuvor unter II 1 e genannten Gründen ist die Beklagte auch nicht gehalten, dem Kläger gegebenenfalls im Wege der Versetzung oder Änderungskündigung die bloße Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung zu eröffnen und offen zu halten, ohne daß bisher überhaupt die begründete Aussicht besteht, der Kläger könne in absehbarer Zeit wenigstens eine Teilarbeitsfähigkeit wiedererlangen.
Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob eine solche nur möglicherweise später in Frage kommende anderweitige Beschäftigung vollständige Streßfreiheit voraussetzt, was der Kläger als unzutreffende Annahme des Berufungsgerichts unter formellen Gesichtspunkten rügt. Ob das Berufungsgericht die betriebsärztliche Stellungnahme insoweit richtig ausgewertet hat, braucht deshalb nicht geprüft zu werden.
g) Das Berufungsgericht hat schließlich angenommen, angesichts der fehlenden Umsetzungsmöglichkeit auf einen für den Kläger geeigneten Arbeitsplatz seien weitergehende betriebliche Beeinträchtigungen auch im Hinblick auf eine fast 30jährige Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten nicht erforderlich (Berufungsurteil S. 43 unter Ziff. 4). Die weiteren Ausführungen zu diesem Punkt enthalten eine nahezu wörtliche Wiedergabe von Zitaten aus dem Senatsurteil vom 28. Februar 1990 (– 2 AZR 401/89 – AP Nr. 25, aaO) zum Vorliegen einer betrieblichen Beeinträchtigung bei dauernder Unfähigkeit des Arbeitnehmers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Eine allgemeine abschließende Interessenabwägung, die in jedem Einzelfall (so Senatsurteil vom 25. November 1982 – 2 AZR 240/81 – BAGE 40, 361 = AP Nr. 7, aaO) als dritte Voraussetzung für eine Kündigung wegen Langzeiterkrankung zu erfolgen hat, kann darin nicht gesehen werden. Einen konkreten Fallbezug – mit Ausnahme des Hinweises auf eine nahezu 30jährige Betriebszugehörigkeit, wobei die Beklagte ausdrücklich bestritten hat, vor dem 1. Mai 1966 habe zwischen den Parteien schon ein Arbeitsverhältnis bestanden – enthalten diese Ausführungen nicht. Es wird weder auf das Alter, noch den Familienstand, noch auf sonstige Umstände, die unter anderem auch die Beklagte im Rahmen einer notwendigen Interessenabwägung zum Versorgungsstand des Klägers vorgetragen hatte, abgestellt. Die Entscheidung enthält daher insoweit einen materiell-rechtlichen Fehler, der zu ihrer Aufhebung nötigt. Der Senat kann nicht als Revisionsgericht die fehlende Interessenabwägung nachholen; dies zu würdigen, ist Sache der Tatsacheninstanz.
2. Andererseits kann nicht, wie die Revision erstrebt, bereits abschließend zu Gunsten des Klägers entschieden werden (§ 563 ZPO), weil der Sprecherausschuß zu der in Rede stehenden Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden wäre. Die diesbezügliche Rüge des Klägers, § 31 Abs. 2 SprAuG sei verletzt, greift nicht durch.
a) Die Revision macht zunächst geltend, der Sprecheraussschuß sei insofern bewußt falsch informiert worden, als die Beklagte im Anhörungsschreiben die unberechtigte Verschleppungstaktik des Klägers hinsichtlich der Behandlung in der Klinik Lahnhöhe ohne weitere Informationen hinsichtlich der Prognose über die weitere Entwicklung in den Mittelpunkt ihrer Kündigungsbegründung gerückt habe; es sei der Eindruck erweckt worden, der Kläger setze alles daran, seine Arbeitsunfähigkeit so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.
b) Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, es liege keine bewußte Fehlinformation des Sprecherausschusses vor, weil dieser hinsichtlich des Wortes „Kur” statt „Heilbehandlungsmaßnahme” nicht fehlgeleitet worden sei, da ihm unter anderem auch das anwaltliche Antwortschreiben vom 4. März 1991 vorgelegt worden sei, aus dem sich nicht nur die Art der Heilbehandlungsmaßnahme mit Klinikaufenthalt entnehmen ließ, sondern auch die Tatsache, daß der Kläger diese wegen der Schwierigkeiten mit der Krankenversicherung noch nicht habe antreten können.
Angesichts dieses vom Landesarbeitsgericht festgestellten und nicht mit einer formellen Revisionsrüge angegriffenen Sachverhalts (§ 561 ZPO) liegt auch nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. Senatsurteile vom 18. September 1986 – 2 AZR 68/85 – unveröffentlicht, zu II 4 der Gründe; vom 31. August 1989 – 2 AZR 453/88 – AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein, zu II 1 der Gründe sowie vom 31. Mai 1990 – 2 AZR 78/89 – unveröffentlicht, zu II 1 a der Gründe) keine bewußte Falschinformation des Sprecherausschusses vor. Die Beklagte hat vielmehr dem Sprecherausschuß – und insofern gilt für § 31 Abs. 2 Satz 2 SprAuG das Gleiche wie zur Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG – die aus ihrer subjektiven Sicht maßgebenden Kündigungsgründe dargestellt, ohne die Gegendarstellung des Klägers zu verschweigen. Das entspricht ebenfalls der Rechtsprechung des Senats (siehe u. a. Urteil vom 11. Juli 1991 – 2 AZR 119/91 – AP Nr. 57 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 1, 2 der Gründe und vom 31. August 1989 – 2 AZR 453/88 – AP, aaO). Die Revision übergeht geflissentlich, daß das einschlägige Schreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 4. März 1991 dem Sprecherausschuß ausgehändigt war, so daß dieser sich ein Bild über die Sachlage auch aus der Sicht des Klägers machen konnte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die angebliche Fehlinformation in diesem Punkt überhaupt rechtlich von Bedeutung wäre, weil nach dem oben zu II 1 d Gesagten das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der geplanten Heilbehandlungsmaßnahme in der Klinik Lahnhöhe für die Ermittlung der Negativprognose als erste Voraussetzung der krankheitsbedingten Kündigung unerheblich ist, ebenso übrigens wie die Frage der Kostenübernahme dieser Behandlung. Im übrigen entspricht auch die auch die Information gegenüber dem Sprecherausschuß der Sachlage, nämlich daß der Kläger seinerzeit die Behandlungmaßnahme in der Lahnklinik – unabhängig von der vorherigen Regelung der Kostenübernahme – nicht angetreten hatte. Wenn die Beklagte unter anderem daraus subjektiv den Eindruck gewann, es fehle beim Kläger an einer aktiven Mitwirkung bei der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit, so erscheint das vertretbar, wenn nicht sogar verständlich, rechtfertigt aber keinesfalls den Vorwurf einer bewußten Falschinformation des Sprecherausschusses.
Unterschriften
Hillebrecht, Bitter, Kremhelmer, Gnade, Wisskirchen
Fundstellen