Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluß von Sozialplanansprüchen bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Betriebspartner bei der Zuerkennung von Ansprüchen auf eine Abfindung in einem Sozialplan unterscheiden zwischen Arbeitnehmern, denen infolge der Betriebsänderung gekündigt worden ist und solchen, die ihr Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet haben.
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn die Eigenkündigung oder der Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber veranlaßt worden ist. In einem solchen Fall sind gekündigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmer, die aufgrund einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages ausgeschieden sind, gleich zu behandeln (Senatsurteil vom 20. April 1994 - 10 AZR 323/93 - AP Nr. 77 zu § 112 BetrVG 1972).
3. Eine Veranlassung in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügt nicht.
4. Auch die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen, und solchen, die aufgrund eines von ihnen gewünschten Aufhebungsvertrages ausscheiden, ist in der Regel sachlich gerechtfertigt. Der Arbeitgeber kann so entscheiden, ob er den Arbeitnehmer für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsänderung oder noch darüber hinaus benötigt oder ob ihm das freiwillige Ausscheiden des Arbeitnehmers nur eine ohnehin notwendig werdende Kündigung erspart.
Orientierungssatz
Zusammenfassung der Rechtsprechung des Senats zum Ausschluß von Sozialplanansprüchen bei Eigenkündigung.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 31.05.1994; Aktenzeichen 13 (6) Sa 230/94) |
ArbG Siegen (Entscheidung vom 17.01.1992; Aktenzeichen 2 Ca 1087/91) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
Der Kläger war seit dem 1. Juli 1985 bei der Beklagten in deren Werk E als technischer Angestellter beschäftigt. Am 8. Oktober 1990 teilte die Beklagte mit, sie beabsichtige, von den etwa 1.100 Arbeitsplätzen des Betriebes im Jahre 1990 300 und im Jahre 1991 200 Arbeitsplätze abzubauen.
Am 20. Dezember 1990 gab die Beklagte dann bekannt, daß das Werk E zum 31. Dezember 1992 geschlossen werde. Sie sei aber bestrebt, das Werk ganz oder teilweise zu verkaufen oder in einen Industriepark umzuwandeln.
Am 31. Januar 1991 vereinbarten die Beklagte und der bei ihr gewählte Betriebsrat einen Interessenausgleich, der - soweit vorliegend von Interesse - folgende Regelungen enthält:
" ...
1. Der Betriebsrat nimmt die unternehmensseitige
Absicht zur Kenntnis, das Werk S -E
zum 31/12/1992 zu schließen.
2. Der Betriebsrat nimmt weiter die Absicht der
PKI zur Kenntnis, sich parallel weiter um
Käufer für das gesamte Werk oder Teile des-
selben zu bemühen.
3. Von der Betriebsschließung des Werkes ausge-
hend, wird zugleich mit dieser Vereinbarung
der anliegende Sozialplan abgeschlossen.
4. Im übrigen bleibt es das Ziel der Vertrags-
schließenden, soweit möglich und dem Unter-
nehmen zumutbar, im oben angesprochenen Zeit-
raum solange als möglich Arbeitsplätze zu
halten. Sollten sich in entsprechendem Umfang
Versetzungsmöglichkeiten ergeben, wird eine
noch zu findende Regelung für Versetzungen
vereinbart.
..."
Am 30. Januar 1991 schlossen die Betriebspartner einen Sozialplan, der - soweit hier von Bedeutung - wie folgt lautet:
" ...
1. Betreff:
Der Sozialplan betrifft sämtliche Arbeitneh-
mer* im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG, deren
Arbeitsplätze infolge der seit Ende 1990 be-
absichtigten Einschränkung und Stillegung des
Werkes PKI S -E wegfallen.
(nter "Arbeitnehmer" sind sowohl Arbeit-
nehmerinnen als auch Arbeitnehmer zu verste-
hen).
2. Personenkreis:
Betroffen und berechtigt sind damit sämtliche
Arbeitnehmer des Werkes E im Sinne
des § 5 Abs. 1 BetrVG, die sich am 08/10/1990
in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis be-
fanden.
Hierzu zählen hinsichtlich der Abfindungsre-
gelungen auch diejenigen Arbeitnehmer, die
nach dem 08/10/1990 durch Beendigungsverein-
barung aus dem Unternehmen ausgeschieden sind
oder noch ausscheiden.
Ausgenommen sind Arbeitnehmer, deren Arbeits-
verhältnis rechtskräftig verhaltens- oder
personenbedingt gekündigt worden ist. Von den
kündigungsrechtlichen - und Abfindungsrege-
lungen ausgenommen sind ferner die Auszubil-
denden.
...
5. Abfindungen:
Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch
betriebsbedingte Kündigung oder durch nach
dem 20/12/1990 abgeschlossene Beendigungsver-
einbarung endet bzw. geendet hat, erhalten
eine volle Abfindung.
Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch
eine nach dem 08/10/1990, aber vor dem
20/12/1990 geschlossene Beendigungsvereinba-
rung endet bzw. geendet hat, erhalten 50 %
der im folgenden angesetzten Abfindung.
Auf diese Abfindungen werden bereits in den
Aufhebungsverträgen vereinbarte Abfindungen
angerechnet.
..."
Außerdem wurde folgende Protokollnotiz zum Sozialplan vereinbart:
"1. Wird auf Wunsch eines Arbeitnehmers dessen
Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungs-
frist beendet, so erhält er einen Zuschlag
zur Abfindung in Höhe von 50 % des Bruttomo-
natsverdienstes für die nicht verbrauchte
Zeit der Kündigungsfrist. Für Schwerbehinder-
te beträgt der Zuschlag 80 % des Bruttomo-
natsverdienstes.
2. Dem Wunsch des Arbeitnehmers auf vorzeitige
Beendigung ist stattzugeben, sofern dem nicht
erhebliche betriebliche Belange entgegenste-
hen. Erhebliche betriebliche Belange sind um-
gehend schriftlich darzulegen und gegebenen-
falls unter Beweis zu stellen. Dem Wunsch
eines Schwerbehinderten ist in jedem Fall
stattzugeben.
...
5. Diese Protokollnotiz ist Bestandteil des So-
zialplans."
Mit Schreiben vom 16. August 1991 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30. September 1991, weil er ab 1. Oktober 1991 einen neuen Arbeitsplatz gefunden hatte.
Der Kläger meint, trotz seiner Eigenkündigung stehe ihm ein Abfindungsanspruch in Höhe von 32.128,00 DM aus dem Sozialplan zu. Er behauptet, er sei bis Ende 1990 in der Entwicklungsabteilung für Kommunikations-Software tätig gewesen. Nachdem die Auftragslage zurückgegangen sei, sei er auf eigenen Wunsch ab 1. Dezember 1990 in die sogenannte Netzwerksupport-Gruppe versetzt worden. Im Januar 1991 sei diese Abteilung wegen fehlender Investitionen und fehlender Aufträge aufgelöst worden. Zum 1. Juni 1991 sei er in die Abteilung Peripherals versetzt worden. Auch hier habe er praktisch nichts zu tun gehabt. Weiter behauptet der Kläger, in einem Gespräch am 10. September 1991 hätten ihm sein Vorgesetzter T und der Vertriebsleiter Dr. K bestätigt, daß es nicht möglich sei, ihn über den 31. Dezember 1992 hinaus weiterzubeschäftigen. Daher habe er die Möglichkeit wahrnehmen müssen, am 1. Oktober 1991 ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen und sein Arbeitsverhältnis zu kündigen. Die Beklagte habe sich geweigert, mit ihm einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Dies verstoße gegen Nr. 2 der Protokollnotiz des Sozialplans.
Außerdem ist der Kläger der Ansicht, der Ausschluß aller Arbeitnehmer, welche ihr Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit der Betriebsschließung des Werkes E selbst gekündigt hätten, von einem Abfindungsanspruch verstoße gegen die in § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG normierte Verpflichtung, alle Arbeitnehmer nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln.
Der Kläger behauptet weiter, eine Vielzahl von Mitarbeitern sei bei der Beklagten auf eigenen Wunsch ausgeschieden und habe trotzdem eine volle Abfindung nach dem Sozialplan erhalten. 130 Arbeitnehmer des Werkes E seien von der neu gegründeten Firma P GmbH übernommen worden und hätten ebenfalls eine volle Abfindung erhalten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 32.128,00 DM
nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1991 zu zah-
len.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie trägt vor, der Kläger sei im Bereich "Drucker" tätig gewesen. Für ihn habe keine Notwendigkeit bestanden, sein Arbeitsverhältnis schon im Jahre 1991 zu kündigen. Er hätte seine Arbeit bis zur beabsichtigten Werkschließung am 31. Dezember 1992 weiter verrichten können und wäre dann gegebenenfalls von der Firma P GmbH übernommen worden.
Auch sei das Know-how des Klägers für die Fortführung der Aktivitäten und einen Verkauf des Betriebes dringend erforderlich gewesen.
Weiter meint die Beklagte, sie sei zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages mit dem Kläger nicht verpflichtet gewesen. Nr. 2 der Protokollnotiz gelte nur für den Fall, daß bereits eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden sei und die Kündigungsfrist abgekürzt werden solle.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Abfindungsanspruch nicht zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf die begehrte Abfindung nach dem Sozialplan verneint, weil nach dessen Wortlaut bei Eigenkündigungen der Arbeitnehmer kein Abfindungsanspruch bestehe.
Der Ausschluß von Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, von Sozialplanleistungen verstoße nicht gegen § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
Die Regelung, daß Arbeitnehmer, welche auf Grund eigener Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden, keine Abfindung erhalten, sei sachlich gerechtfertigt.
Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, andere Arbeitnehmer hätten trotz Eigenkündigung eine Sozialplanabfindung erhalten. Aus der Vielzahl der bei dem Arbeitsgericht Siegen und dem Landesarbeitsgericht Hamm anhängigen Rechtsstreitigkeiten ergebe sich, daß die Beklagte auch anderen Arbeitnehmern, die eine Eigenkündigung ausgesprochen hätten, keine Sozialplanabfindung gewähren wolle. Eine Ungleichbehandlung des Klägers liege daher nicht vor.
Die Beklagte sei auch nicht nach Ziff. 2 der Protokollnotiz zum Sozialplan verpflichtet gewesen, mit dem Kläger einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Diese Bestimmung beziehe sich nur auf den in Ziff. 1 der Protokollnotiz geregelten Fall, daß ein bereits gekündigter Arbeitnehmer den Wunsch äußere, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist zu beenden.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stimmt der Senat im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zu.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Abfindung aus dem Sozialplan vom 30. Januar 1991.
Nach Ziff. 5 dieses Sozialplans steht Arbeitnehmern, die auf Grund einer Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, keine Abfindung zu, weil Ansprüche auf eine solche nur diejenigen Arbeitnehmer haben, denen betriebsbedingt gekündigt worden ist oder die eine Beendigungsvereinbarung abgeschlossen haben.
III. Die Bestimmung im Sozialplan, wonach Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, keine Abfindung erhalten, ist wirksam.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Senats sind die Betriebspartner bei der Vereinbarung eines Sozialplans grundsätzlich frei in der Entscheidung, welche wirtschaftlichen Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer durch welche Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden sollen (BAG Urteile vom 15. Januar 1991, BAGE 67, 29 = AP Nr. 57 zu § 112 BetrVG 1972; vom 28. April 1993 - 10 AZR 222/92 - AP Nr. 67 zu § 112 BetrVG 1972; vom 11. August 1993 - 10 AZR 558/92 - AP Nr. 71 zu § 112 BetrVG 1972). Sie können bei ihrer Regelung von einem Nachteilsausgleich auch gänzlich absehen (BAG Urteile vom 25. Oktober 1983 - 1 AZR 260/82 - AP Nr. 18 zu § 112 BetrVG 1972; vom 20. April 1994 - 10 AZR 232/93 - AP Nr. 77 zu § 112 BetrVG 1972) und bei ihrer Regelung nach der Vermeidbarkeit von Nachteilen unterscheiden.
Nach § 75 BetrVG haben sie bei ihrer Regelung die betroffenen Arbeitnehmer jedoch nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln, sie müssen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Dieser verbietet eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder einzelner Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in vergleichbarer Lage. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für sie keine sachlichen und billigenswerten Gründe gibt, die unterschiedliche Behandlung sich vielmehr als sachwidrig und willkürlich erweist (BAG Urteil vom 9. November 1994 - 10 AZR 281/94 - AP Nr. 85 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.).
Die Prüfung einer unterschiedlichen Behandlung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen hat sich am Zweck der Sozialplanleistungen zu orientieren, mit denen wirtschaftliche Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ausgeglichen oder gemildert, nicht aber erbrachte Leistungen für den Betrieb oder eine Betriebszugehörigkeit nachträglich vergütet werden sollen (BAG Urteil vom 9. November 1994 - 10 AZR 281/94 - AP Nr. 85 zu § 112 BetrVG 1972).
2. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat der Senat es stets als mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar angesehen, wenn die Betriebspartner bei der Zuerkennung von Ansprüchen auf eine Abfindung unterschieden haben zwischen Arbeitnehmern, denen infolge der Betriebsänderung gekündigt worden ist und solchen, die ihr Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet haben.
a) Die Betriebspartner können davon ausgehen, daß Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst beenden, schon einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, der Verlust des Arbeitsplatzes im Betrieb sie also nicht so schwer trifft wie gekündigte Arbeitnehmer. Allerdings können auch diese Arbeitnehmer noch einen - wenn auch geringeren - wirtschaftlichen Nachteil erleiden. Die Betriebspartner sind dann frei in ihrer Entscheidung, ob diese Arbeitnehmer dafür einen geringeren (BAG Urteil vom 11. August 1993 - 10 AZR 558/92 - AP Nr. 71 zu § 112 BetrVG 1972) - oder auch gar keinen (BAG Urteil vom 20. April 1994 - 10 AZR 323/93 - AP Nr. 77 zu § 112 BetrVG 1972) - Ausgleich erhalten sollen.
Das gilt selbst dann, wenn gekündigte Arbeitnehmer eine Abfindung auch dann bekommen oder behalten dürfen, wenn auch sie alsbald eine neue Arbeit finden (BAG Urteil vom 9. November 1994 - 10 AZR 281/94 - AP Nr. 85 zu § 112 BetrVG 1972).
b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt allerdings dann, wenn die Eigenkündigung oder der Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber veranlaßt worden ist. § 75 i.V.m. § 112 a Abs. 1 BetrVG gebietet in einem solchen Falle den Betriebspartnern, gekündigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmer, die auf Grund einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages ausgeschieden sind, gleich zu behandeln (BAG Urteil vom 20. April 1994 - 10 AZR 323/93 - AP Nr. 77 zu § 112 BetrVG 1972). Eine Veranlassung in diesem Sinne liegt aber nur vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden. Ob das geschehen ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügt nicht, um eine Veranlassung in diesem Sinne anzunehmen.
c) Die Eigenkündigung des Klägers ist nicht in diesem Sinne von der Beklagten veranlaßt worden. Der Kläger hat dies weder konkret behauptet noch ist dies aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erkennbar. Die Tatsache, daß die Beklagte es abgelehnt hat, mit dem Kläger einen Aufhebungsvertrag zu schließen, belegt vielmehr das Gegenteil. Das vom Kläger behauptete Gespräch mit seinen Vorgesetzten, in dem ihm mitgeteilt worden sei, er könne über den 31. Dezember hinaus nicht weiterbeschäftigt werden, hat erst am 10. September, also nach seiner Eigenkündigung stattgefunden, kann also dafür nicht bestimmend gewesen sein.
3.a) Im vorliegenden Fall sieht der Sozialplan zwar Abfindungen für Arbeitnehmer vor, die im Hinblick auf die geplante Betriebsänderung einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, nimmt aber Arbeitnehmer aus, die aus dem gleichen Grund ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben. Eine solche Unterscheidung erscheint im Hinblick auf die für beide Gruppen zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile auf den ersten Blick nicht gerechtfertigt, da für beide Gruppen davon auszugehen ist, daß die Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, und daher in etwa gleiche, wenn auch geringere wirtschaftliche Nachteile erleiden als gekündigte Arbeitnehmer.
Gleichwohl ist die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen, und solchen, die auf Grund eines von ihnen gewünschten Aufhebungsvertrages ausscheiden, in der Regel sachlich gerechtfertigt. Arbeitnehmer, die aufgrund eines von ihnen erbetenen Aufhebungsvertrages aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, verlassen den Betrieb mit Zustimmung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kann entscheiden, ob er den Arbeitnehmer noch für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsänderung oder noch darüber hinaus benötigt oder ob ihm das freiwillige Ausscheiden des Arbeitnehmers nur eine ohnehin notwendig werdende Kündigung erspart.
Kündigt der Arbeitnehmer selbst, so verliert der Arbeitgeber unter Umständen Arbeitnehmer, die er überhaupt oder noch eine gewisse Zeit benötigt und daher behalten möchte. Auch das Interesse des Arbeitgebers an einer geordneten Durchführung der Betriebsänderung und damit auch an der Weiterbeschäftigung bestimmter Arbeitnehmer können die Betriebspartner bei ihrer Regelung über Leistungen aus einem Sozialplan berücksichtigen. So hat der Senat es für zulässig gehalten, daß Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis vorzeitig, das heißt vor der geplanten Stillegung des (Hotel-)Betriebes selbst kündigen, von Leistungen aus dem Sozialplan ausgeschlossen wurden (BAG Urteil vom 9. November 1994 - 10 AZR 281/94 - AP Nr. 85 zu § 112 BetrVG 1972).
b) Auch im vorliegenden Fall hatte die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran, daß in ihrem Werk E bis zum 31. Dezember 1992 ein ordnungsgemäßer Betriebsablauf gewährleistet war und daher Arbeitnehmer nicht auf Grund eigener Entscheidung vorzeitig, sondern nur auf ihre Veranlassung oder mit ihrer Zustimmung aus dem Betrieb ausscheiden.
Die Betriebspartner haben im Interessenausgleich die Absicht der Beklagten festgehalten, sich parallel zur geplanten Betriebsstillegung weiter um einen Verkauf des gesamten Werkes oder von Teilen desselben zu bemühen, was ihr hinsichtlich der Abteilung "Drucker" dann auch gelungen ist. Solche Bemühungen wären aber zumindest wesentlich erschwert worden, wenn die für eine Weiterführung des Betriebes oder von Betriebsteilen durch einen Erwerber benötigten Arbeitnehmer nicht mehr vorhanden gewesen wären. Von daher lag es nicht nur im Interesse der Beklagten, sondern auch der übrigen Arbeitnehmer, wenn die Verkaufschancen für den Betrieb oder einzelne Teile nicht durch das vorzeitige Ausscheiden der für eine Weiterführung benötigten Arbeitnehmer geschmälert wurden. Für den Fall, daß das gesamte Werk doch zum 31. Dezember 1992 geschlossen und daher auch diesen Arbeitnehmern gekündigt werden mußte, sah der Sozialplan die Zahlung von Abfindungen auch für diese Arbeitnehmer vor.
Die Regelung im Sozialplan, wonach Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen, keine Abfindung erhalten, während Arbeitnehmer, die auf Grund eines Aufhebungsvertrages ausscheiden, Abfindungen bekommen, ist daher sachlich gerechtfertigt und verstößt damit nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Kläger kann daher keine Abfindung verlangen.
IV. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, mit dem Kläger - wie von ihm gewünscht - einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um ihm so einen Abfindungsanspruch nach Ziff. 5 des Sozialplans zu verschaffen. Ihre Berufung darauf, daß es zu einem Aufhebungsvertrag nicht gekommen ist, verstößt daher auch nicht gegen Treu und Glauben.
1. Zu Recht geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, daß sich aus Nr. 2 der Protokollnotiz zum Sozialplan kein Anspruch des Klägers auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages ergibt. Diese Vorschrift regelt nur den Fall, daß ein bereits betriebsbedingt gekündigter Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfrist ausscheiden will.
2. Ziff. 6 des Interessenausgleichs verpflichtet die Beklagte zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages nur mit Arbeitnehmern, die sich selbständig machen wollen.
3. Die Beklagte war auch nicht auf Grund ihrer Fürsorgepflicht gehalten, mit dem Kläger einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Daß sie den Kläger, wie dieser vorgetragen hat, während langer Zeiträume nicht mehr sinnvoll beschäftigen konnte, steht dem nicht entgegen.
Es steht in der gerichtlich nicht nachprüfbaren unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, darüber zu befinden, welche und wieviele Arbeitnehmer sie unter Fortzahlung der Vergütung am Arbeitsverhältnis festhalten will, um sich deren berufliche Fähigkeiten und betrieblichen Erfahrungen sozusagen "vorzuhalten", auch wenn es zur Zeit für diese keine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit gibt. Die Beklagte kann auch auf eine solche Weise Vorsorge dafür treffen, daß ihr bei einer künftigen Verbesserung der Beschäftigungslage auch sofort geeignete Arbeitnehmer in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, oder daß sie einem interessierten Betriebserwerber einen mit ausreichender Belegschaft ausgestatteten Betrieb anbieten kann.
Für die Annahme, die Beklagte habe den Abschluß eines Aufhebungsvertrages mit dem Kläger willkürlich und damit rechtsmißbräuchlich abgelehnt, ist aus dem Vorbringen des Klägers nichts ersichtlich.
V. Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht über seine Behauptung Beweis erhoben, die Beklagte habe auch anderen Arbeitnehmern, die selbst gekündigt hätten, eine Abfindung gezahlt, geht diese Rüge fehl. Der Kläger hat in der Revisionsbegründung klargestellt, sein Vortrag sei dahin zu verstehen, daß sich viele Arbeitnehmer mit der Bitte an die Beklagte gewandt hätten, sie wollten unter Zahlung einer Abfindung ausscheiden. Dieser Bitte habe die Beklagte entsprochen.
Damit beruft sich der Kläger aber im Ergebnis darauf, daß die Beklagte mit diesen Arbeitnehmern Aufhebungsverträge geschlossen habe, mit ihm aber nicht. Zu einer solchen Entscheidung war die Beklagte jedoch aber nach dem Gesagten berechtigt. Es war gerade Sinn der im Sozialplan getroffenen Regelung, der Beklagten die Entscheidung darüber zu belassen, ob sie einen Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung gehen lassen oder den Abschluß eines Aufhebungsvertrages verweigern will, weil sie den Arbeitnehmer noch benötigt.
VI. Daß diejenigen Arbeitnehmer, die von der Firma P GmbH übernommen wurden, eine Abfindung erhalten haben, stellt keine sachwidrige Schlechterstellung des Klägers dar. Diese Arbeitnehmer standen der Beklagten bis zum Zeitpunkt der geplanten Betriebsschließung bzw. Veräußerung zur Verfügung und ermöglichten damit die geordnete Durchführung der geplanten Betriebsänderung. Der Kläger, der selbst vorher sein Arbeitsverhältnis gekündigt hat, ist mit diesen Arbeitnehmern nicht vergleichbar.
VII. Auf den weiteren Rügen der Revision beruht das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht. Sie sind damit unbegründet. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 565 a ZPO ab.
VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Matthes Dr. Freitag Richter Böck ist durch
Urlaub an der Unter-
schrift verhindert.
Matthes
Brose Walther
Fundstellen
Haufe-Index 436675 |
BAGE 00, 00 |
BAGE, 286 |
BB 1995, 2534 |
BB 1995, 2534-2535 (LT1-4) |
DB 1995, 2531-2532 (LT1-4) |
DStR 1996, 155 (K) |
BuW 1996, 71-74 (KT) |
JR 1996, 264 |
NZA 1996, 271 |
ZIP 1995, 1915 |
ZIP 1995, 1915-1919 (LT) |
AP 00, Nr 00 |