Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsantrag nach Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber, der ihm gekündigt hat, eine Kündigungsschutzklage erhoben und wird nach deren Rechtshängigkeit der Betrieb veräußert, kann der Arbeitnehmer einen bisher nicht gestellten Auflösungsantrag mit Erfolg nur in einem Prozeß gegen den ihm bekannten Betriebserwerber stellen.
Normenkette
KSchG §§ 1, 4, 9; ZPO §§ 240, 265, 325; BGB § 613a; ZPO § 551 Nr. 7, § 542 Abs. 2, § 320 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.06.1995; Aktenzeichen 11 Sa 1685/94) |
ArbG Solingen (Entscheidung vom 06.09.1994; Aktenzeichen 5 Ca 100/94) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt in der Revisionsinstanz noch die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung.
Der im Jahre 1934 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 1978 als Regionalverkaufsleiter für Norddeutschland angestellt. Er erzielte zuletzt ein Jahreseinkommen von 120.000,00 DM brutto. Die Beklagte vertrieb insbesondere Auto- und Fahrradzubehör und beschäftigte etwa 200 Arbeitnehmer.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 1993, dem Kläger am 31. Dezember 1993 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgerecht zum 30. Juni 1994.
Der Kläger hat am 20. Januar 1994 Kündigungsschutzklage erhoben und vorgetragen, die Kündigung sei mangels eines rechtfertigenden Grundes unwirksam. Die Beklagte habe die Anzeigepflicht des § 17 KSchG verletzt. Die Kündigung verstoße auch gegen § 613 a Abs. 4 BGB, da die S AG den gesamten Bereich Handel mit Autopflegemitteln, Auto- und Fahrradzubehör, in dem er beschäftigt gewesen sei, am 31. Januar 1994 von der Beklagten übernommen habe. Insoweit seien das gesamte Anlagevermögen, die Vorräte und ein Lager, der Kundenstamm, die Kundenverträge, die Warenzeichen und der Vertriebsaußendienst übertragen worden.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 1994 geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis sei gemäß § 9 KSchG gegen Abfindungszahlung aufzulösen. Ihm sei die Fortsetzung der Beschäftigung bei der Beklagten nicht zuzumuten. Die S AG habe ihn im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern aufgrund einer ausdrücklichen Regelung mit der Beklagten nicht übernommen. Sie habe sich die Freistellung von allen Belastungen für den Fall zusichern lassen, daß etwa der Übergang des Arbeitsverhältnisses gerichtlich festgestellt werde, und die erneute Kündigung zum frühestmöglichen Zeitpunkt versprochen. Beklagte und Betriebserwerberin hätten seine Übernahme ganz bewußt vereitelt.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der
Parteien durch die ordentliche Kündigung der
Beklagten vom 29. Dezember 1993 nicht aufge-
löst worden sei,
2. das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zah-
lung einer Abfindung, die in das Ermessen des
Gerichts gestellt werde, jedoch 120.000,00 DM
nicht unterschreiten solle, aufzulösen.
Das Arbeitsgericht hat dem Klagantrag Ziff. 1 antragsgemäß durch Versäumnisurteil stattgegeben, da die Beklagte nicht zum Kammertermin erschienen war; einen Einspruch hat die Beklagte hiergegen nicht eingelegt. Im übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage durch sog. unechtes Versäumnisurteil abgewiesen.
Nachdem über das Vermögen der Beklagten der Konkurs eröffnet worden war, hat der Kläger das Verfahren aufgenommen und erklärt, er verzichte auf die Teilnahme am Konkurs. Mit seiner Berufung hat er den Auflösungsantrag weiterverfolgt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung durch sog. unechtes Versäumnisurteil zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger verfolgt seinen Auflösungsantrag auch in der Revisionsinstanz unverändert weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
A. Die Rüge der Verletzung des § 551 Nr. 7 ZPO ist unbegründet. Ein Urteil gilt entsprechend § 551 Nr. 7 ZPO dann als nicht mit Gründen versehen, wenn es nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung schriftlich niedergelegt und von allen Richtern unterschrieben der Geschäftsstelle zugegangen ist (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - AP Nr. 21 zu § 551 ZPO; seitdem ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt BAG Urteil vom 23. Oktober 1996 - 4 AZR 270/95 - zur Veröffentlichung vorgesehen, zu I der Gründe, m.w.N.). Das am 14. Juni 1995 verkündete Berufungsurteil ist dem Kläger in vollständiger Form am 11. Oktober 1995, also vor Ablauf von fünf Monaten, zugestellt worden. Dessen Auffassung, wegen § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO greife die Rechtsfolge des § 551 Nr. 7 ZPO bereits nach drei Monaten ein, trifft nicht zu. Insoweit hat der Gemeinsame Senat auf den unterschiedlichen Regelungsgehalt beider Vorschriften hingewiesen (aaO, zu II 4 der Gründe). Neue Gesichtspunkte hierzu hat der Kläger nicht vorgebracht.
B. Die Vorinstanzen haben den Auflösungsantrag des Klägers im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, der Kläger habe den durch § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit wirksam aufgenommen. Wenn bei Konkurseröffnung ein Rechtsstreit über eine Konkursforderung gegen den Gemeinschuldner anhängig ist, kann die klagende Partei den Rechtsstreit gegenüber dem Gemeinschuldner aufnehmen, wenn sie darauf verzichtet, mit dem streitbefangenen Anspruch am Konkurs teilzunehmen (BGH Urteil vom 24. Oktober 1978 - BGHZ 72, 234 = NJW 1979, 162; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 240 Rz 11; Zöller, ZPO, 20. Aufl., § 240 Rz 8, 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 53. Aufl., § 240 Rz 6; vgl. auch BAG Urteil vom 12. April 1983 - 3 AZR 73/82 - AP Nr. 3 zu § 240 ZPO, zu I 1 a der Gründe). Eine solche Erklärung hat der Kläger im Schriftsatz vom 3. April 1995 abgegeben.
Der Kläger mußte den Rechtsstreit nicht insgesamt und einheitlich aufnehmen. Vielmehr konnte er von der für ihn günstigen Feststellung im Versäumnisurteil ausgehen, auch wenn dieses noch nicht rechtskräftig war.
II. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn es feststellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfalle nicht vollständig vor. Nach dem Betriebsübergang konnte der Kläger die Beklagte nicht mehr materiell-rechtlich als "Arbeitgeber" in Anspruch nehmen. Die Beklagte hatte auch nicht den Prozeß in Prozeßstandschaft zu führen.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitnehmers eine sozial ungerechtfertigte Kündigung (§ 1 KSchG) voraussetzt, dabei aber das zusätzliche Vorliegen anderer Unwirksamkeitsgründe (§ 13 Abs. 3 KSchG) nicht schadet (BAG Urteil vom 29. Januar 1981 - 2 AZR 1055/78 - BAGE 35, 30 = AP Nr. 6 zu § 9 KSchG 1969; KR-Spilger, 4. Aufl., § 9 KSchG Rz 27; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 9 Rz 14; Löwisch, KSchG, 7. Aufl., § 9 Rz 17; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, 1993, Rz 793). Der Kläger hat bereits in der Klagschrift ausdrücklich geltend gemacht, es bestünden keine Kündigungsgründe. Das stellt eine Berufung auf § 1 KSchG dar. Der Begründung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe sich deswegen auf § 1 KSchG gestützt, weil er später "auch" andere Unwirksamkeitsgründe herangezogen habe, bedarf es nicht. Das (Teil-)Versäumnisurteil vom 6. September 1994 ist entsprechend § 4 Satz 1 KSchG gefaßt. Es kann Grundlage einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses sein.
2. Das Versäumnisurteil dürfte entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts bisher nicht rechtskräftig geworden sein. Nach seiner Verkündung am 6. September 1994 ist noch vor Zustellung (30. September 1994) am 22. September 1994 Konkurs über das Vermögen der Beklagten eröffnet worden. Eine Aufnahme des Rechtsstreits ist nicht erfolgt, über eine Beendigung des Konkursverfahrens ist nichts bekannt. Der Zurückweisung des Auflösungsantrags steht das freilich nicht entgegen.
Allerdings kommt eine rechtskräftige Auflösung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht in Betracht, solange über die Sozialwidrigkeit der Kündigung noch gestritten wird. Bedingung für die gerichtliche Auflösung ist gerade, daß das Arbeitsverhältnis nicht schon durch die Kündigung aufgelöst ist. Soweit eine Trennung von Feststellungsantrag und Gestaltungsantrag trotz an sich gebotener Einheitlichkeit des Verfahrens aus prozessualen Gründen unumgänglich und deswegen anerkannt ist (Teilanfechtung, Teilanerkenntnis), handelt es sich um Fälle "vorzeitiger" Entscheidung über den Feststellungsantrag. Ob aus diesen Gründen eine positive Entscheidung über den Auflösungsantrag hier überhaupt ausgeschlossen oder - wofür einiges spricht - nur der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung gehindert wäre, solange noch der Streit über die Sozialwidrigkeit der Kündigung anhängig bleibt, bedarf keiner Entscheidung. Denn das Landesarbeitsgericht hat den Auflösungsantrag zurückgewiesen. Diese Entscheidung konnte in jedem Falle ergehen.
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis vor einem Betriebsübergang gekündigt hat, für die gerichtliche Klärung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung auch nach dem Betriebsübergang passiv legitimiert (BAG Urteil vom 14. Februar 1978 - 1 AZR 154/76 - BAGE 30, 86, 99 f. = AP Nr. 60 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG Urteil vom 26. Mai 1983 - 2 AZR 477/81 - BAGE 43, 13, 16 = AP Nr. 34 zu § 613 a BGB; BAG Urteil vom 27. September 1984 - 2 AZR 309/83 - BAGE 47, 13, 19 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB; Erman/Hanau, BGB, 9. Aufl., § 613 a Rz 133; Kittner/Trittin, KSchR, 2. Aufl., § 613 a BGB Rz 299 ff.; Löwisch/Neumann, DB 1996, 474 ff.; weitere Nachweise bei RGRK-Ascheid, 12. Aufl., § 613 a Rz 292 Fn. 480). Auf den Betriebsübergang während des Prozesses finden (ergänzend) die §§ 265, 325 ZPO entsprechende Anwendung (BAG Urteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 507/92 - AP Nr. 101 zu § 613 a BGB, zu A 1 b aa der Gründe, m.w.N. = NZA 1994, 260 ff.; KR-Pfeiffer, 4. Aufl., § 613 a BGB Rz 117 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl., S. 1037; Kittner/Trittin, aaO, § 613 a BGB Rz 303 ff.; kritisch RGRK-Ascheid, aaO, Rz 301 ff.).
4. Der Auflösungsantrag des Arbeitnehmers richtet sich ebenfalls grundsätzlich gegen den Arbeitgeber, der die Kündigung ausgesprochen hat. Im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang können sich freilich Besonderheiten ergeben.
a) Stellt der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozeß einen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG, so folgt die Passivlegitimation hierfür nicht automatisch dem bereits erhobenen Kündigungsschutzantrag. Vielmehr stellt der Auflösungsantrag einen selbständigen Antrag und ein eigenständiges prozessuales Institut des Kündigungsschutzrechts dar (BAG Urteil vom 26. Oktober 1979 - 7 AZR 752/77 - AP Nr. 5 zu § 9 KSchG 1969, zu B II 2 a der Gründe; vgl. auch GK-ArbGG-Ascheid, Stand 1996, § 72 Rz 44, wonach der Auflösungsantrag einen eigenen Streitgegenstand bildet). Ein Bedürfnis, in jedem Falle noch den kündigenden Arbeitgeber in Anspruch nehmen zu können, besteht nicht, denn maßgeblicher Grund für gerichtliche Auflösung und Verurteilung zur Abfindungszahlung ist nicht die Sozialwidrigkeit der Kündigung, sondern die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Diese ergibt sich vielfach erst im Laufe des Prozesses. Abzustellen ist nicht auf den Kündigungszeitpunkt, sondern auf einen späteren Zeitpunkt im Anschluß an den Ablauf der Kündigungsfrist. Die Anspruchsvoraussetzungen sind mit der Kündigung nur zum Teil angelegt.
b) Nach § 9 Abs. 2 KSchG ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Daraus folgt, daß ein Antrag auf Auflösung nicht mehr gestellt werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits aus anderen Gründen beendet war. Eine gerichtliche Auflösung kommt nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis zu dem gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Auflösungszeitpunkt noch Bestand hatte (BAG Urteil vom 15. Dezember 1960 - 2 AZR 79/59 - BAGE 10, 244 = AP Nr. 21 zu § 3 KSchG; KR-Spilger, 4. Aufl., § 9 KSchG Rz 32; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 9 Rz 31; Löwisch, KSchG, 7. Aufl., § 9 Rz 26; Ascheid, KSchR, 1993, Rz 797; Kittner/Trittin, aaO, § 9 KSchG Rz 9; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 1196; Auffarth, DB 1969, 528 ff.). Anderenfalls kann durch das Urteil nichts mehr gestaltet werden. Allerdings wird von der Literatur im Anschluß an die zitierte Rechtsprechung überwiegend nur auf die Fälle Tod des Arbeitnehmers und Eintritt einer auflösenden Bedingung abgestellt. Der Betriebsübergang bedarf, wie der Revision zuzugeben ist, einer gesonderten Betrachtung.
c) Durch den Betriebsübergang während des Laufs der Kündigungsfrist geht das Arbeitsverhältnis noch vor dem Zeitpunkt des § 9 Abs. 2 KSchG auf den neuen Inhaber des Betriebs über (§ 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Der bisherige Arbeitgeber scheidet aus dem Arbeitsverhältnis aus, Arbeitgeberpflichten entstehen künftig für ihn nicht mehr. Der Übernehmer wird neuer Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis (BAG Urteil vom 10. August 1994 - 10 AZR 937/93 - AP Nr. 126 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II 1 c der Gründe, m.w.N.). Es handelt sich um eine gesetzlich vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses, verbunden mit dessen gesetzlichem Übergang auf den neuen Betriebsinhaber (Staudinger/Richardi, 12. Aufl., § 613 a BGB Rz 104; KR-Pfeiffer, 4. Aufl., § 613 a BGB Rz 56; Schaub, aaO, S. 1035; MünchKomm-Schaub, 2. Aufl., § 613 a BGB Rz 39 ff., jeweils m.w.N.).
d) Hat der Arbeitnehmer rechtzeitig eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung erhoben und findet anschließend noch während des Laufs der Kündigungsfrist ein Betriebsübergang statt, so kann der Prozeß zwar gegen den bisherigen Beklagten fortgesetzt werden. Ein Auflösungsantrag gegen den früheren Arbeitgeber kommt danach jedoch nicht mehr infrage.
aa) Der frühere Arbeitgeber ist für den Auflösungsantrag nicht passiv legitimiert. Es soll das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zu dem neuen Arbeitgeber aufgelöst werden. Für diesen Streit besteht keine Sachbefugnis des früheren Arbeitgebers. Daran ändert die Tatsache nichts, daß das Arbeitsverhältnis so auf den Erwerber übergeht, wie es beim Betriebsübergang bestanden hat. Die Fortsetzung des (alten) Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Arbeitgeber kann deshalb nicht genügen. Die Kündigung durch den früheren Arbeitgeber bietet, wie oben a) aufgezeigt, für den Auflösungsantrag keine ausreichende Grundlage. Der Arbeitnehmer kann nun nicht mehr geltend machen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Prozeßgegner sei ihm nicht zumutbar. Auch der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber bewirkt nichts zugunsten einer Auflösungsmöglichkeit; denn der neue Arbeitgeber ist am Prozeß nicht beteiligt.
bb) Ob die §§ 265, 325 ZPO auf den vor Betriebsübergang gestellten Auflösungsantrag entsprechend anwendbar sind (verneinend Löwisch, KSchG, 7. Aufl., § 4 Rz 33; Löwisch/Neumann, DB 1996, 474 ff.) bedarf bei der infrage stehenden Fallkonstellation keiner Entscheidung. Da der Auflösungsantrag gegenüber dem Kündigungsschutzantrag ein selbständiger Antrag ist, kommt es nicht auf die Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern auf die Rechtshängigkeit des Auflösungsantrags an; daß dieser ohne Beschränkungen bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden kann (§ 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG), ist hierbei ohne Bedeutung. Der Streitfall betrifft nur den nach dem Betriebsübergang gestellten Auflösungsantrag. Selbst bei entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 ZPO ist dafür keine Prozeßführungsbefugnis gegeben. Eine allgemeine Prozeßstandschaft des bisherigen Arbeitgebers für mit der Kündigung zusammenhängende Ansprüche kann nicht anerkannt werden.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision gebietet der Schutzzweck des § 613 a BGB nicht, den Auflösungsantrag nach dem Betriebsübergang mit Wirkung gegenüber dem Erwerber zuzulassen. § 613 a BGB dient dem Bestandsschutz. Der Arbeitnehmer kann den Übergang seines Arbeitsverhältnisses hinnehmen und abwarten, ob der neue Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht; ggf. kann er dann die Auflösung beantragen. Will er die Auflösung sogleich betreiben, muß er den neuen Arbeitgeber in den Prozeß einbeziehen oder dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen (dazu unten 5 c). Ein weitergehender Schutz ist nicht erforderlich.
Entgegen der Auffassung der Revision liegt keine willkürliche Ungleichbehandlung von im wesentlichen gleichen Sachverhalten vor. Ob der Betriebsübergang vor oder nach dem Ablauf der Kündigungsfrist liegt, macht nach der Konzeption des § 613 a BGB zu Recht einen wesentlichen Unterschied aus. Der Zeitpunkt des Auflösungsantrags vor oder nach dem Betriebsübergang kann gerade für den Betriebserwerber von maßgeblicher Bedeutung sein. Im übrigen wird nach dem Sinn und Zweck des § 9 KSchG sogar die Auffassung vertreten, die gerichtliche Auflösung scheide selbst dann aus, wenn das Arbeitsverhältnis inzwischen nach Ablauf der Kündigungsfrist anderweitig beendet worden sei (vgl. Löwisch, aaO, § 9 Rz 27; Ascheid, aaO, Rz 798, jeweils m.w.N., auch für die herrschende Gegenmeinung, vgl. insoweit BAG Urteil vom 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - AP Nr. 21 zu § 7 KSchG, zu II 1 der Gründe). Wenn die Revision nunmehr vorträgt, die tatsächlichen Umstände eines Betriebsübergangs seien oftmals unklar, so greift auch dies nach Auffassung des Senats nicht durch. Der Betriebsübergang stellt im Streitfalle eine rechtsvernichtende Einwendung dar. Steht er nicht abschließend fest, so kann der Arbeitnehmer gegen den bisherigen Arbeitgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG vorgehen.
5. Danach erweist sich die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger könne die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht (mehr) gegenüber der Beklagten geltend machen, als im Ergebnis richtig; denn der Kläger hat den Auflösungsantrag erst nach dem Betriebsübergang gestellt.
a) Der Betriebsübergang von der Beklagten auf die S AG fand am 31. Januar 1994 statt. Das hat das Landesarbeitsgericht festgestellt. Die Rüge der Revision hiergegen greift nicht durch. Die Revision macht an sich zutreffend geltend, das Landesarbeitsgericht hätte angesichts der Säumnis der Beklagten auf den "übrigen Akteninhalt" und damit auch auf den Beklagtenvortrag nicht Bezug nehmen dürfen (§ 64 Abs. 6 ArbGG, § 542 Abs. 2 ZPO). Sie legt aber nicht dar, welchen Vortrag der Beklagten das Landesarbeitsgericht verwertet hat. Vielmehr hat der Kläger bereits im Schriftsatz vom 3. Mai 1994 selbst vorgetragen, am 31. Januar 1994 sei eine Betriebsübernahme erfolgt, die Kündigung sei auch nach § 613 a BGB unwirksam. Dem entspricht der gesamte weitere Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen ebenso wie die vom Kläger nicht beanstandeten Feststellungen im Urteil des Arbeitsgerichts. Da die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gerade auf dem eigenen Vortrag des Klägers beruhen, greift auch dessen Argument nicht, bei einer Urteilszustellung innerhalb der Dreimonatsfrist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO wäre ein Tatbestandsberichtigungsantrag möglich gewesen.
b) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wurde erst mit dem im Termin vom 24. Mai 1994 übergebenen Schriftsatz vom 20. Mai 1994 beantragt.
c) Der Kläger hätte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zum 31. Januar 1994 durch einen Widerspruch gegen den Betriebsübergang verhindern können. Der Widerspruch hätte den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten und den Erhalt der Rechte aus § 9 KSchG bewirkt. Er konnte auch konkludent (Senatsurteile vom 27. April 1995 - 8 AZR 197/94 - AP Nr. 128 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 4 der Gründe; vom 21. November 1996 - 8 AZR 265/95 - n.v., zu I 1 der Gründe, jeweils m.w.N.) und noch nach dem Betriebsübergang ausgeübt werden, wenn der Arbeitnehmer über den bevorstehenden Betriebsübergang nicht rechtzeitig unterrichtet worden war (BAG Urteil vom 22. April 1993 - 2 AZR 50/92 - AP Nr. 103 zu § 613 a BGB, zu II 7 der Gründe).
Der Kläger hat dem Betriebsübergang nicht widersprochen. Stellt der Arbeitnehmer im Hinblick auf den Betriebsübergang einen Auflösungsantrag gegen den bisherigen Arbeitgeber, so kann darin unter Umständen durchaus ein Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Betriebsübergangs gesehen werden. Voraussetzung ist, daß für den Arbeitgeber erkennbar wird, der Arbeitnehmer wolle von einem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebsinhaber nichts wissen, sondern sich allein an den bisherigen Arbeitgeber halten. Davon kann nach dem Vortrag des Klägers keine Rede sein. Der Kläger hat sich trotz der Hinweise des Arbeitsgerichts und der Beklagten, es fehle an einem Widerspruch, zu keiner Zeit auf einen Widerspruch berufen. Er begehrt vielmehr die Auflösung des übergegangenen Arbeitsverhältnisses.
C. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Ascheid Müller-Glöge Mikosch
Scholz Hickler
Fundstellen
Haufe-Index 441729 |
BAGE 00, 00 |
BAGE, 330 |
BB 1997, 1745-1748 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DB 1997, 1823-1825 (Leitsatz 1 und Gründe) |
NJW 1998, 331 |
BuW 1997, 799-800 (Kurzwiedergabe) |
EBE/BAG Beilage 1997, Ls 204/97 (Leitsatz 1) |
KTS 1998, 137 |
NZA 1997, 937 |
NZA 1997, 937-940 (Leitsatz 1 und Gründe) |
SAE 1998, 189 |
ZIP 1997, 1760-1763 (Leitsatz und Gründe) |
AP 00, Nr 00 |
AP, 0 |
EzA-SD 1997, Nr 16, 5 (Leitsatz 1) |