Kein Wiedereinstellungsanspruch bei Insolvenz
Bei einer wirksamen Kündigung endet das Arbeitsverhältnis. Beschäftigte können ausnahmsweise einen Anspruch auf Wiedereinstellung haben: Beispielsweise, wenn sie betriebsbedingt gekündigt wurden und sich die Prognose des Arbeitgebers über den Wegfall des Beschäftigungsbedarfes nachträglich als unzutreffend erweist, weil es zu einem Betriebsübergang kommt.
Für solche Fälle haben Gerichte den Wiedereinstellungsanspruch entwickelt, denn an der Wirksamkeit der Kündigung ändert sich damit nichts. Wird gegen den Betriebsnachfolger das Insolvenzverfahren eröffnet, erlischt ein solcher Anspruch, hat das BAG nun klargestellt.
Arbeitnehmer fordert Wiedereinstellung wegen Betriebsübergang
Der Arbeitnehmer war seit 1986 als Versandleiter bei einem Betten- und Matratzenhersteller mit rund 300 Beschäftigten tätig. 2018 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wirksam zu Ende Juli 2019 aus betriebsbedingten Gründen wegen der geplanten Stilllegung des Betriebs.
Noch während der Kündigungsfrist kam es nach Ansicht des Arbeitnehmers zu einem Betriebsübergang. Entgegen den ursprünglichen Planungen sei der Betrieb nicht stillgelegt, sondern die Produktion der Matratzen und Betten mit den vorhandenen Maschinen und Produktionsstraßen ab August 2019 von einem neuen Arbeitgeber ausgeführt worden.
Prozess unterbrochen: Insolvenz des neuen Arbeitgebers
Der Arbeitnehmer verlangte daher von dem neuen Arbeitgeber, der etwa 20 Arbeitnehmer beschäftigte, seine Wiedereinstellung. Gegen eine von diesem vorsorglich erklärte Kündigung erhob er fristgerecht Kündigungsschutzklage. Während des Berufungsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des neuen Arbeitgebers eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Das Verfahren wurde dadurch unterbrochen. Der Arbeitnehmer erklärte mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 die Aufnahme des Verfahrens. Der Insolvenzverwalter widersprach der Aufnahme. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Zwischenurteil festgestellt, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist.
Wiedereinstellungsanspruch besteht nicht gegenüber Insolvenzverwalter
Das BAG hat in seinem aktuellen Urteil nun klargestellt, dass in der Insolvenz des Arbeitgebers kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers besteht. Wenn ein solcher Anspruch vor Insolvenzeröffnung bereits gegenüber dem insolventen Arbeitgeber entstanden sei, erlösche er mit Insolvenzeröffnung. In der Begründung verwies das Gericht darauf, dass die Insolvenzordnung den Insolvenzverwalter gemäß § 108 Abs. 1 InsO nur an bereits vom insolventen Arbeitgeber begründete Arbeitsverhältnisse bindet. Es gebe für den Insolvenzverwalter keinen Zwang zum Abschluss eines Arbeitsvertrags. Einen solchen Zwang könne nur der Gesetzgeber anordnen.
BAG: Kündigungsrechtsstreit und Streit über Wiedereinstellung bedingen sich
Die Revision des Arbeitnehmers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts aus prozessualen Gründen Erfolg. Der richterrechtlich entwickelte Wiedereinstellungsanspruch komme zum Tragen, erläuterte das Gericht, wenn sich die bei Zugang der Kündigung noch zutreffende Prognose des Arbeitgebers, dass der Beschäftigungsbedarf bei Ablauf der Kündigungsfrist entfällt, etwa wegen eines Betriebsübergangs, als fehlerhaft erweise. Zwar bestehe ein solcher Anspruch in der Insolvenz nicht, so dass der Rechtsstreit an sich nicht nach § 240 ZPO unterbrochen werde.
Aufnahme des Kündigungsverfahrens genügt für Aufnahme des Wiedereinstellungsverfahrens
Da im vorliegenden Fall jedoch mit dem Wiedereinstellungsanspruch zugleich die Wirksamkeit der Kündigung angegriffen würde, führe das auch zur Unterbrechung des Rechtstreits über die Wiedereinstellung. Umgekehrt habe die Aufnahme des Kündigungsrechtsstreits, für die es nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO genügt, dass bei Obsiegen des Arbeitnehmers Masseverbindlichkeiten entstehen können, auch die Aufnahme des Streits über die Wiedereinstellung zur Folge.
Hinweis: BAG, Urteil vom 25. Mai 2022, Az: 6 AZR 224/21; Vorinstanz: LAG Hamm, Zwischenurteil vom 5. März 2021, Az: 16 Sa 100/20
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