Urlaubsabgeltung  bei fortdauernden Beschäftigungsverboten

Eine Arbeitnehmerin durfte wegen mehrerer unmittelbar aufeinanderfolgender mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote praktisch bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses nicht arbeiten. Den angesammelten Urlaub muss der Arbeitgeber abgelten, entschied das Bundesarbeitsgericht. 

§ 24 Satz 2 MuSchG regelt, dass Mütter den vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht erhaltenen Urlaub nach Ende des Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr nehmen dürfen. Im vorliegenden Fall stritten die Parteien um die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren, in denen eine Arbeitnehmerin aufgrund zweier Schwangerschaften und den damit verbundenen Beschäftigungsverboten bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht arbeiten konnte. Der Arbeitgeber war überzeugt, dass während der Dauer nahtlos aneinander gereihter Beschäftigungsverbote keine Urlaubsansprüche entstehen konnten, da keine Arbeitspflicht bestand, die ein Erholungsbedürfnis begründe. Das BAG sah das anders.

Der Fall: Urlaubsabgeltung für Zeit der Beschäftigungsverbote

Die Arbeitnehmerin war als angestellte Zahnärztin von 2017 bis Ende März 2020 beschäftigt. Vertraglich vereinbart waren 28 Tage Urlaub im Kalenderjahr. Zum 1. Dezember 2017 stellte der Arbeitgeber die zu diesem Zeitpunkt schwangere Arbeitnehmerin aufgrund eines betrieblichen Beschäftigungsverbots von der Arbeit frei. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch 5 Tage Resturlaub, den sie bis dahin nicht genommen hatte. Kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes 2018 wurde sie erneut schwanger, das zweite Kind bekam sie 2019. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2020 konnte die Arbeitnehmerin wegen fortdauernder mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote aufgrund der gesetzlichen Mutterschutzfristen sowie Stillzeiten nicht arbeiten.

Urlaubsabgeltung für 68 Tage?

Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses forderte die Zahnärztin vom Arbeitgeber die Abgeltung von insgesamt 68 Urlaubstagen - fünf Tage Resturlaub aus dem Jahr 2017, 28 Tage aus dem Jahr 2018, 28 Tage aus dem Jahr 2019, sieben Tage aus dem Jahr 2020. Sie war der Ansicht, dass ihr zusätzlich zu dem Resturlaub aus 2017 in den weiteren Jahren der volle Urlaubsanspruch sowie 2020 anteiliger Urlaub entstanden sei. Dieser sei auch nicht verfallen und müsse daher vom Arbeitgeber ausgezahlt werden. Der Arbeitgeber weigerte sich, da nach seiner Meinung während der Dauer von nahtlos aneinander gereihten Beschäftigungsverboten keine Urlaubsansprüche entstanden seien.

BAG: Arbeitgeber muss Urlaubsansprüche abgelten

Das BAG bestätigte, dass der Arbeitgeber gemäß § 7 Abs.4 BurlG, § 24 MuSchG verpflichtet sei, die geforderten 68 Urlaubstage abzugelten. Arbeitgeber müssen Urlaub abgelten, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Der Anspruch setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses offene Urlaubsansprüche bestehen, die nicht mehr erfüllt werden können, weil das Arbeitsverhältnis beendet ist. Das BAG stellte zunächst fest, dass der Arbeitnehmerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im März 2020 noch 68 Urlaubstage zustanden.

Urlaub auch während Beschäftigungsverbotszeiten

Zwar habe sie in der Zeit von 2017 bis 2020 wegen der Beschäftigungsverbote nicht gearbeitet, dennoch seien ihr in dieser Zeit Urlaubsansprüche aufgrund der Beschäftigungsfiktion nach § 24 S.1 MuSchG in voller Höhe entstanden. Danach sind Ausfallzeiten wegen eines Beschäftigungsverbotes wie Arbeitszeiten zu behandeln. Dabei komme es nicht darauf an, aufgrund welcher Beschäftigungsverbote die Arbeitnehmerin ihrer Arbeit nicht nachgehen konnte. Die Beschäftigungsfiktion erfasst nach Ansicht des BAG unterschiedslos Ausfallzeiten, die auf generellen oder individuellen Beschäftigungsverboten beruhen.

Kein Verfall der Urlaubsansprüche 

Des weiteren stellte das BAG fest, dass die in den Jahren 2017 bis 2020 erworbenen Urlaubsansprüche nicht verfallen waren. Dies folgte für das Gericht aus § 24 S. 2 MuSchG, als Ausnahmevorschrift zum Grundsatz des § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, wonach Erholungsurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss.

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 24 S.2 MuSchG verfällt Erholungsurlaub aus der Zeit vor einem Beschäftigungsverbot nicht. Arbeitnehmerinnen dürfen die Urlaubstage nach dem Ende des Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr nehmen.

Das oberste Arbeitsgericht machte deutlich, dass die Rechtsfolge der Vorschrift fortlaufend an das Ende eines jeden einzelnen Beschäftigungsverbots anknüpfe. Die Auslegung der Vorschrift ergebe, dass eine Arbeitnehmerin bei mehreren Beschäftigungsverboten hintereinander diesen Urlaub ansammeln und erst am Ende dieser Folge von Beschäftigungsverboten nehmen könne. Maßgeblich sei allein, dass der Urlaub vor Beginn des (jeweils neuen) Beschäftigungsverbots nicht genommen werden konnte. 


Hinweis: BAG, Urteil vom 20. August 2024, Az.9 AZR 226/23; Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2023, Az. 9 Sa 157/21 


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