BAG urteilt zur Urlaubsabgeltung nach Elternzeit

Der Arbeitgeber kann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr durch Kürzung des Urlaubsanspruchs Abgeltungsansprüche vermeiden. Lediglich der "Erholungsurlaub" kann nach § 17 Abs. 1 BEEG vom Arbeitgeber gekürzt werden. Sobald der Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch übergegangen ist, ist eine Kürzung nicht mehr möglich. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht.

Eine Arbeitnehmerin verlangte nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Ende 2020 Urlaubsabgeltung aus den Jahren 2015 bis 2020 in Höhe von fast 25.000 Euro von ihrem Arbeitgeber. Dieser verweigerte die Zahlung und war der Ansicht, der Arbeitnehmerin stehe kein Urlaub mehr zu und damit auch kein Abgeltungsanspruch.

Nahtloses Aufeinanderfolgen von Mutterschutz und Elternzeit

Die Arbeitnehmerin war von Februar 2009 bis November 2020 als Therapeutin mit einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 3.700 Euro bei ihrem Arbeitgeber angestellt. Ihr arbeitsvertraglicher Jahresurlaub betrug 29 Arbeitstage.

Ab August 2015 befand sich die damals mit ihrem ersten Kind schwangere Arbeitnehmerin im Mutterschutz. Zu diesem Zeitpunkt stand ihr noch ein Arbeitstag Urlaub aus dem laufenden Jahr zu. Im unmittelbaren Anschluss an die Mutterschutzfrist nahm sie Elternzeit in Anspruch. Daran schloss sich nahtlos die Mutterschutzfrist anlässlich der Geburt eines weiteren Kindes an, nach deren Ablauf die Therapeutin wieder Elternzeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im November 2020 nahm. Mit Schreiben vom 8. Juli 2020 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der zweiten Elternzeit.

Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, ihr stünde der volle, nicht genommene Urlaub aus den Jahren 2015 bis 2020 zu. Sie forderte den Arbeitgeber auf, diesen Resturlaub abzugelten.

Kürzungsbefugnis und Verdienst im Referenzzeitraum

Ihre Forderung von insgesamt 24.932,42 Euro brutto begründete sie damit, dass die Urlaubsansprüche während der Mutterschutzfristen und der Elternzeit in voller Höhe entstanden seien und der Arbeitgeber diese nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr kürzen könne. Da ihre Urlaubsansprüche weder verfallen noch verjährt seien, habe der Arbeitgeber sie mit der gewöhnlichen Vergütung abzugelten.

Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass der jeweilige Jahresurlaub nach § 17 Abs. 1 BEEG auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt werden könne. Und selbst wenn der Arbeitnehmerin dem Grunde nach noch Urlaubsansprüche zustünden, errechne sich der Urlaubsabgeltungsanspruch auf null Euro, weil die Therapeutin im Referenzzeitraum nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG keinerlei Verdienst erzielt habe und ihr elternzeitbedingter Arbeitsausfall auch nicht im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unverschuldet sei.

Arbeitgeber in den beiden ersten Instanzen zur Zahlung verurteilt

Das zuständige Arbeitsgericht gab der Klage der Arbeitnehmerin in erster Instanz statt und sprach ihr die knapp 25.000 Euro Urlaubsabgeltung zu. Das Landesarbeitsgericht wies in der Berufungsinstanz die Berufung des Arbeitgebers ab. Nun hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der Revisionsinstanz über den Antrag des Arbeitgebers auf Klageabweisung zu entscheiden.

Revision vor dem BAG erfolglos

Die BAG-Richter des zuständigen Neunten Senats wiesen die Revision des Arbeitgebers als unbegründet ab. Der Arbeitnehmerin stehe gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG, § 17 Abs. 3 BEEG ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung von 146 Arbeitstagen zu.

Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG sei der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden könne. Dies gelte nach § 17 Abs. 3 BEEG auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt werde. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung setze voraus, dass zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offene Urlaubsansprüche bestehen, die nicht mehr erfüllt werden können, weil das Arbeitsverhältnis beendet ist. So verhalte sich das in diesem Fall.

Zu Beginn der Mutterschutzfristen hatte die Arbeitnehmerin noch einen Tag Resturlaub aus dem Jahr 2015. In den Jahren 2016 bis 2020 erwarb sie jeweils zu Beginn des Jahres einen vollen Urlaubsanspruch im Umfang von 29 Arbeitstagen. Weder der zweimalige Mutterschutz noch die beiden Elternzeiten, die die Therapeutin in diesen Jahren in Anspruch nahm, hätten das Entstehen von Urlaubsansprüchen im Umfang von insgesamt 145 Arbeitstagen gehindert.

Die entstandenen Ansprüche seien auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG zwischenzeitlich verfallen. Die Fristen des § 7 Abs. 3 BUrlG finden während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und der Elternzeit keine Anwendung, weil § 24 Satz 2 MuSchG, demzufolge die Arbeitnehmerin den vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach Ablauf der Verbote im laufenden Jahr oder im Folgejahr nehmen kann, einem Verfall von Urlaub während der Mutterschutzfristen entgegensteht. Während der Elternzeit gehen die gesetzlichen Sonderregelungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BEEG den allgemeinen Befristungsregelungen in § 7 Abs. 3 BUrlG vor. Der Urlaub muss also weder nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG im laufenden Kalenderjahr noch nach § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.

Kürzung des Urlaubs nach Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich

Nach § 17 Abs. 1 BEEG hätte der Arbeitgeber den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen können. Eine solche Kürzungserklärung gab es aber nicht. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber keine Möglichkeit mehr, die auf die Elternzeit entfallenden Urlaubsansprüche zu kürzen. Die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin aus den Jahren 2015 bis 2020 waren daher auch nicht aufgrund einer Kürzungserklärung des Arbeitgebers gemäß § 17 Abs. 1 BEEG untergegangen. Demnach standen der Arbeitnehmerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die nicht erfüllten Urlaubsansprüche zu.

Gewöhnlicher Verdienst für Höhe der Abgeltung maßgeblich

Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers reduziert sich der Abgeltungsanspruch auch nicht dadurch auf Null, dass sich die Arbeitnehmerin in den letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Elternzeit befunden und deshalb kein Entgelt erhalten hat.

Wie die infolge eines Urlaubs ausfallende Arbeitszeit zu vergüten ist, bestimmt sich nach dem in § 11 Abs. 1 BUrlG geregelten Referenzprinzip. Für die Ermittlung der Höhe des nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründeten Urlaubsabgeltungsanspruchs ist auf den durchschnittlichen Arbeitsverdienst in den letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin im Referenzzeitraum die Arbeit unverschuldet versäumt, ist sein/ihr gewöhnlicher Arbeitsverdienst für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete regelmäßige Arbeitszeit zugrunde zu legen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge eines unverschuldeten Arbeitsversäumnisses eintreten, führen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht zu einer Minderung des Abgeltungsanspruchs. Zu den Zeiten eines unverschuldeten Arbeitsversäumnisses zählen auch Abwesenheitszeiten infolge von Elternzeit.

Hinweis: BAG, Urteil vom 16. April 2024, Az. 9 AZR 165/23


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