Urlaubsabgeltung unterliegt der üblichen Verjährung
Urlaub verfällt seit der EuGH-Gerichtsentscheidung von 2018 nur, wenn der Arbeitgeber Beschäftigte zuvor darauf hingewiesen hat und in die Lage versetzt hat, den Urlaub auch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund hat auch das BAG seine Urlaubsrechtsprechung angepasst. In mehreren Entscheidungen stellte es klar: Gesetzlicher Urlaub, der im laufenden Arbeitsverhältnis - auch über mehrere Jahre hinweg - nicht genommen wurde, darf ohne vorherigen Hinweis des Arbeitgebers nicht verfallen und kann auch nicht einfach verjähren.
Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist der Urlaub abzugelten. Vorliegend hatte das BAG über die Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen zu entscheiden. Es ging um Ansprüche aus den Jahren 2010 bis 2015. Die dreijährige Verjährungsfrist gilt auch hier, entschied das BAG. Die Frist beginne in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet - unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seine Mitwirkungsplicht erfüllt hat. Für frühere Fälle dürfe die Verjährungsfrist allerdings erst ab 2018 - also mit Änderung der Rechtsprechung - beginnen, urteilte das BAG und sprach einem Fluglehrer rund 40.000 Euro für nicht genommenen Urlaub zu.
Der Fall: Abgeltung von Urlaub aus früherer Beschäftigung
Der Fluglehrer war von 2010 bis 2015 als Ausbildungsleiter in einer Flugschule beschäftigt. In einem schriftlichen Anstellungsvertrag waren 30 Tage Jahresurlaub vereinbart. Der Arbeitgeber gewährte ihm bis 2015 keinen Jahresurlaub. Im Jahr 2015 vereinbarten die Parteien, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit künftig als Selbstständiger ausübt.
Nach einem Flugunfall im Jahr 2019 kündigte der Arbeitgeber dem langjährigen Mitarbeiter. Dieser verlangte daraufhin vor Gericht die Feststellung, dass er sich durchgehend in einem Angestelltenverhältnis befunden habe, wehrte sich gegen die Kündigung und machte unter anderem Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2010 bis 2015 geltend. Der Arbeitgeber meinte, die Ansprüche seien verjährt.
BAG: Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist teilweise verjährt
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte der Fluglehrer dagegen größtenteils Erfolg. Das Gericht sprach ihm rund 40.000 Euro als Abgeltung für Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 zu. Ohne Erfolg blieb die Forderung in Bezug auf eine Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015. Der Urlaubsabgeltungsanspruch aus dem Jahr 2015 sei verjährt, stellte das BAG fest. Die Verjährungsfrist beginne in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmende das Unternehmen verlässt.
Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung hätte der Fluglehrer erkennen müssen, dass ihm der Arbeitgeber Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist habe also Ende des Jahres 2015 begonnen. Da der Fluglehrer erst 2019 klagte, konnte er den Anspruch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geltend machen.
Keine Klage nötig vor Änderung der Urlaubsrechtsprechung
Anderes galt aus Sicht der BAG-Richter für die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2010 bis 2014. Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen könne die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine "Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar sei".
Nach damaliger Rechtsprechung waren diese Urlaubsansprüche nach Ablauf des Jahres oder Übertragungszeitraums automatisch verfallen. Erst mit der EuGH-Entscheidung vom 6. November 2018 änderte sich die Rechtslage. Zu diesem Zeitpunkt habe der EuGH neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben. Erst danach sei der Fluglehrer gehalten gewesen, die Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen.
Urlaubsabgeltungsanspruch verjährt unabhängig von Mitwirkung
Das BAG stellte in seinem Urteil zudem klar, dass die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch ansonsten in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, beginnt - ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Dies begründete das Gericht mit der Unterschiedlichkeit der Ansprüche: Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei insofern eine Zäsur.
Geld vs. Erholung: Keine Schutzbedürftigkeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses
Anders als der Urlaubsanspruch sei der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht auf eine Freistellung von der Arbeit zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Januar 2023, Az: 9 AZR 456/20; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 20. August 2020, Az: 5 Sa 614/20
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