Betriebsrat wegen Drogenkonsums gekündigt
Harte Drogen im Betriebsratsbüro? Oder doch Schnupftabak? In manchen Fällen reicht auch der dringende Verdacht einer schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Pflichtverletzung für eine fristlose Kündigung aus. Das gilt auch dann, wenn der Mitarbeitende, dem die Pflichtverletzung vorgeworfen wird, ein freigestelltes Betriebsratsmitglied ist.
Nach § 15 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen und die Zustimmung des Gremiums vorliegt. Im konkreten Fall bestritt der Betriebsrat, Kokain im Betrieb konsumiert zu haben. Das LAG Niedersachsen hielt die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung jedenfalls für erfüllt.
Der Fall: Kündigung eines Betriebsrats wegen Kokainkonsum
Der Arbeitnehmer war als Kommissionierer in einem Logistikunternehmen eingestellt, aber für die Tätigkeit als Betriebsrat freigestellt. 2022 wurde er von einem anderen Betriebsratsmitglied beobachtet, wie er im Betriebsratsbüro weißes Pulver durch ein Röhrchen in die Nase zog. Auf seinen vermutlichen Drogenkonsum angesprochen, teilte der ehemalige Kommissionierer mit, dass es sich um "nichts illegales" gehandelt habe. Später befragt, gab er an, es habe sich nicht um Kokain, sondern um Schnupftabak mit Traubenzucker gehandelt. Nachdem der Arbeitgeber vom vermeintlichen Drogenkonsum erfahren hatte, forderte er den Betriebsrat auf, einen Drogentest zu machen. Als der dieser Aufforderung nicht nachkam, kündigte der Arbeitgeber ihm mit Zustimmung der restlichen Betriebsratsmitglieder fristlos.
Betriebsrat legt Kündigungsschutzklage ein
Das Betriebsratsmitglied wehrte sich gegen die fristlose Kündigung. Es bestritt, illegale Suchtmittel konsumiert zu haben. Der Arbeitgeber hätte berücksichtigen müssen, dass auch Schnupftabak durch Röhrchen konsumiert werden könne. Er machte geltend, dass er zu einem Drogentest nicht verpflichtet gewesen sei und zudem an dem fraglichen Tag nicht in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt war. Der Arbeitgeber hätte außerdem zunächst die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehenen Interventionsstufen, nach der Fürsorgegespräche zu führen sind, einhalten müssen.
Nach der Gesamtbetriebsvereinbarung im Logistikunternehmen zum Umgang mit Suchtmitteln ist sämtlicher Konsum bewusstseinsverändernder Substanzen während der Arbeitszeit einschließlich der Pausen untersagt. Darin vorgesehen sind verschiedene Interventionsstufen im Umgang mit Drogenkonsum der Mitarbeitenden.
LAG: Rechtmäßige Verdachtskündigung wegen Drogenkonsum
Das LAG Niedersachsen stellte fest, dass die fristlose Kündigung des Betriebsrats rechtmäßig war. Bei dem Konsum von Kokain während der Arbeitszeit, zudem in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers, handele es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten. Dies stelle einen wichtigen Grund gemäß § 626 BGB für eine fristlose Kündigung dar.
Damit lagen nach Auffassung des Gerichts auch die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds vor, die nach § 15 KSchG nur ausnahmsweise möglich ist.
Dringender Verdacht für schwere Pflichtverletzung
Auch wenn die Voraussetzungen für eine Tatsachenkündigung nicht ausreichten, da zweifelhaft blieb, ob der Betriebsrat tatsächlich Drogen genommen hat, reichten nach Meinung des Gerichts die dringenden Verdachtsmomente für eine Verdachtskündigung aus.
Hier verwies das Gericht darauf, dass die Aussagen des Betriebsrates widersprüchlich gewesen seien: Mal habe er gesagt, er habe nichts Illegales konsumiert, mal erklärt er, es habe sich um Schnupftabak mit Traubenzucker gehandelt. Insgesamt hätten die Umstände dafür gesprochen, dass es sich bei der Substanz um Kokain handelte. Es wäre ein Leichtes gewesen, einen Drogentest zu machen, um jeglichen Verdacht auszuräumen, was der Arbeitnehmer jedoch nicht getan habe. Der dringende Verdacht einer schweren Pflichtverletzung war daher für das Gericht aufgrund dieser Indizien hinreichend begründet.
Eine erforderliche Anhörung des Betriebsrats sei rechtmäßig erfolgt, zudem sei die Kündigung auch nicht unverhältnismäßig gewesen, stellte das LAG Niedersachsen fest. Insbesondere habe der Arbeitgeber nicht vor der fristlosen Kündigung erst die nach der Betriebsvereinbarung möglichen Maßnahmen wie Fürsorgegespräche ergreifen müssen.
Hinweis: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 6. Mai 2024, Az. 4 Sa 446/23
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