Verdachtskündigung eines Betriebsratsvorsitzenden scheitert

Arbeitgeber können ein Arbeitsverhältnis kündigen, wenn der dringende Verdacht besteht, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat. An eine solche Verdachtskündigung stellen Gerichte regelmäßig hohe Anforderungen. Der dringende Verdacht einer Manipulation bei der Arbeitszeiterfassung kann eine Kündigung rechtfertigen, bloße Vermutungen reichen für eine wirksame Verdachtskündigung jedoch nicht aus.
Handelt es sich um ein Betriebsratsmitglied, dass gekündigt werden soll, muss der Arbeitgeber zunächst die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Weil der Betriebsrat vorliegend keine Zustimmung erteilte, wollte der Arbeitgeber diese gerichtlich ersetzen lassen, scheiterte aber in zweiter Instanz.
Der Fall: Fristlose Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden
Der Arbeitgeber, ein Bielefelder Maschinenbau- Unternehmen, verdächtigte den Vorsitzenden des Betriebsrats einen Arbeitszeitbetrug zu seinen Lasten begangen zu haben. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Betriebsratsvorsitzende seine Arbeitszeit unzutreffend dokumentiert habe. Durch die fälschlich veranlasste Auszahlung von Vergütung für "Mehrarbeitsstunden" habe er einen Vermögensschaden beim Arbeitgeber verursacht. Der Arbeitgeber beabsichtigte daher eine außerordentliche und fristlose Verdachtskündigung auszusprechen. Der Betriebsrat erteilte die Zustimmung zum Ausspruch der beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung jedoch nicht.
Arbeitgeber beantragt Ersetzung der Zustimmung
Der Arbeitgeber beantragte daher beim Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Mit Erfolg: Das Arbeitsgericht Bielefeld ersetzte die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung des Betriebsratsvorsitzenden nach § 103 Abs. 2 BetrVG. Es nahm an, dass ein dringender Verdacht vorliege, dahingehend dass der Betriebsratsvorsitzende seine Arbeitszeit falsch erfasst habe und sich durch einen Antrag auf Auszahlung des Arbeitszeitkontos einen ihm nicht zustehenden finanziellen Vorteil verschafft habe. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts beschwerten sich der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende.
LAG Hamm: Verdachtsmomente, aber kein dringlicher Verdacht
Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm hatten sie damit Erfolg. Das Gericht wies den Antrag auf Zustimmung des Betriebsrats ab. Aus Sicht des LAG Hamm bestanden zwar Verdachtsmomente, der dringende Verdacht der Pflichtverletzung, den es für den Ausspruch einer beabsichtigten Verdachtskündigung brauche, sei jedoch nicht gegeben. Das begründete das Gericht damit, dass auch andere Geschehensabläufe denkbar seien, die den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht rechtfertigen würden. Damit lag für das LAG Hamm kein wichtiger Grund vor, der die beabsichtigte außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde.
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Hinweis: Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2024, Az. 12 TaBV 115/23; Vorinstanz: Arbeitsgericht Bielefeld, Beschluss vom 10. August 2023, Az.: 1 BV 35/23
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