Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch - Befristung
Leitsatz (redaktionell)
Der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz ist auf das Urlaubsjahr und bei Vorliegen der Merkmale nach § 7 Abs 3 Satz 2 BUrlG auf den Übertragungszeitraum befristet (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
Normenkette
BUrlG § 1; IAOÜbk Art. 1; BUrlG § 7 Abs. 3; IAOÜbk 132 Art. 1; IAOÜbk Art. 9 Abs. 1; IAOÜbk 132 Art. 9 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.09.1989; Aktenzeichen 12 Sa 945/89) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.06.1989; Aktenzeichen 4 Ca 1743/89) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten an zwei Tagen der Woche als Kraftfahrer beschäftigt. Im Kalenderjahr 1988 hatte er einen Urlaubsanspruch von 19 Tagen. Im Februar 1989 hat die Beklagte abgelehnt, dem Kläger diesen Urlaub zu gewähren mit dem Hinweis, daß der Urlaubsanspruch bereits mit dem 31. Dezember 1988 erloschen sei.
Der Kläger hat mit seiner am 17. April 1989 zugestellten Klage zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm 19 Tage Erholungsurlaub aus dem Jahre 1988 zu gewähren, hilfsweise festzustellen, daß ihm aus dem Urlaubsjahr 1988 19 Tage Erholungsurlaub zustehen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Urlaub aus dem Jahre 1988 nicht mehr zu. Dieser Urlaubsanspruch ist am 31. Dezember 1988 erloschen.
I. Der Kläger hatte im Urlaubsjahr 1988 einen Urlaubsanspruch von 19 Urlaubstagen. Dieser Anspruch ist nach § 1, § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG mit Ablauf des Jahres 1988 erloschen, weil der Kläger, ohne daß etwa Leistungs- oder Annahmehindernisse i.S. von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG bestanden haben, seinen Urlaubsanspruch nicht bis zum Jahresende 1988 verwirklicht hat. Auch ein Schadenersatzanspruch des Klägers kommt nicht in Betracht, weil keine Tatsachen festgestellt sind, denen zu entnehmen ist, daß die Beklagte sich etwa geweigert hätte, den Urlaubsanspruch des Klägers im Kalenderjahr 1988 zu erfüllen.
II.1. Das Landesarbeitsgericht (Urteil veröffentlicht in LAGE § 7 BUrlG Übertragung Nr. 2) hat angenommen, daß der Urlaubsanspruch des Klägers nicht am 31. Dezember 1988 erloschen sei, sondern darüber hinaus fortbestanden habe. Da die Beklagte diesen Urlaub weder im Kalenderjahr 1988 noch im Übertragungszeitraum gewährt habe, sei sie - weil in Verzug geraten - weiterhin zur Gewährung des Erholungsurlaubs aus dem Jahre 1988 verpflichtet.
2. Diese Auffassung steht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht im Einklang.
Das Bundesarbeitsgericht geht seit dem Urteil des Sechsten Senats vom 13. Mai 1982 (BAGE 39, 53 = AP Nr. 4 zu § 7 BUrlG Übertragung) uneingeschränkt davon aus, daß der Urlaubsanspruch nur im Kalenderjahr und ggf. bei Vorliegen der besonderen in § 7 Abs. 3 BUrlG genannten Merkmale darüber hinaus noch im Übertragungszeitraum besteht. Der Urlaubsanspruch erlischt daher entweder mit dem Jahresende oder dem Ende des Übergangszeitraums am 31. März des folgenden Kalenderjahres. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung in § 1 und § 7 Abs. 3 BUrlG: Danach hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub (§ 1 BUrlG). Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muß der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Der Urlaubsanspruch besteht im Urlaubsjahr, nicht für das Urlaubsjahr. Er ist auf das Kalenderjahr und ggf. auf den Übertragungszeitraum befristet. Diese zuvor auch vom Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 26. Juni 1969 (- 5 AZR 393/68 - AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG Urlaubsjahr) zugrunde gelegte Auffassung ist in der Folge vom Sechsten Senat in ständiger Rechtsprechung vertreten und gegen die Kritik des Schrifttums, die zum Teil vom Landesarbeitsgericht wiederholt wird, verteidigt worden (vgl. z.B. Urteile vom 7. November 1985 BAGE 50, 124 = AP Nr. 16 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch und BAGE 50, 112 = AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung). Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung (vgl. BAGE 53, 304 = AP Nr. 25 zu § 13 BUrlG; zuletzt Urteil vom 25. Januar 1990 - 8 AZR 12/89 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
3. Die Angriffe des Landesarbeitsgerichts geben keine Veranlassung, diese Rechtsprechung zu ändern.
a) Zu Unrecht meint das Landesarbeitsgericht, aus § 7 Abs. 3 BUrlG lasse sich nicht rechtfertigen, daß der Urlaubsanspruch zeitlich befristet sei. Damit übergeht es, daß die Befristung des Urlaubsanspruchs bereits § 1 BUrlG zu entnehmen ist. Das bedeutet, daß der Urlaubsanspruch mit Beginn des Urlaubsjahres entsteht und mit ihm endet. Der Urlaubsanspruch ist jeweils zeitlich auf das Kalenderjahr, in dem er entstanden ist, beschränkt, also befristet. In Übereinstimmung damit ist in § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG klargestellt, daß der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muß. Damit steht zugleich fest, daß der Urlaubsanspruch nur im Kalenderjahr besteht, eine Erfüllung des Anspruchs damit außerhalb des Kalenderjahres ausgeschlossen ist. Nur bei Vorliegen weiterer in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG genannter Merkmale ist der Urlaub auf weitere drei Monate befristet. Er unterliegt dann besonderen Erfüllungsvoraussetzungen.
Ist der Urlaubsanspruch befristet, bedarf es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keiner Regelung über die Nichterfüllung des Urlaubsanspruchs im BUrlG, weil mit dem Fristende zugleich der Anspruch entfällt.
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht das Übereinkommen Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahr 1970, BGBl. II 1975, 746) der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht entgegen: Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 1 und § 7 Abs. 3 BUrlG widerspricht nicht Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132.
Diese Bestimmung lautet in deutscher Übersetzung:
"Der in Artikel 8 Absatz 2 dieses Übereinkommens
er-wähnte ununterbrochene Teil des bezahlten Jah-
resurlaubs" (mindestens zwei ununterbrochene Ar-
beitswochen von mindestens drei Arbeitswochen,
Art. 3 Abs. 3 des Übereinkommens Nr. 132) "ist
spätestens ein Jahr und der übrige Teil des be-
zahlten Jahresurlaubs spätestens achtzehn Monate
nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsan-
spruch erworben wurde, zu gewähren und zu neh-
men."
Der vom Landesarbeitsgericht hieraus gezogene Schluß, Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 erlaube keine innerstaatlichen abweichenden Regelungen, die zu einem vorzeitigen Anspruchsverlust des Arbeitnehmers führen, geht fehl. Damit übersieht das Landesarbeitsgericht, daß Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 nicht etwa Mindestfristen für den Bestand des Urlaubsanspruchs enthält, sondern einen Zeitrahmen, innerhalb dessen der Urlaubsanspruch längstens verwirklicht sein muß. In diesem Rahmen halten sich § 1 und § 7 Abs. 3 BUrlG. Der Gesetzgeber hat damit von der ihm nach Art. 1 des Übereinkommens Nr. 132 übertragenen Befugnis, die Bestimmungen des Übereinkommens durchzuführen, Gebrauch gemacht. Das Unterschreiten der nach dem Übereinkommen zulässigen zeitlichen Obergrenze für den Bestand des Anspruchs kann keinen Rechtsverstoß gegen Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 begründen. Im übrigen enthält auch Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 eine Befristung des Urlaubsanspruchs, weil der Urlaub spätestens mit Ablauf der dort genannten Fristen zu gewähren und zu nehmen ist, also danach erlischt.
c) Unzutreffend ist weiter die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weise "dem Urlaub wegen seiner befristeten Erfüllbarkeit den Rechtscharakter einer absoluten Fixschuld zu". Vielmehr sei die "Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung eine relative Fixschuld". Dem Arbeitnehmer sei nämlich daran gelegen, den Urlaub lieber verspätet als überhaupt nicht zu erhalten. Ebensowenig rechtfertige die Interessenlage des Arbeitgebers das ersatzlose Erlöschen seiner Verpflichtung zur Urlaubsgewährung.
Für die Annahme, daß das Bundesarbeitsgericht die Verpflichtung zur Urlaubsgewährung als Fixschuld behandele, fehlt jeder Anhaltspunkt. Das Landesarbeitsgericht verkennt mit seiner Auffassung der Pflicht zur Urlaubsgewährung als relativer Fixschuld grundlegende rechtliche Zusammenhänge und verwechselt Haupt- und Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis miteinander. Die Pflicht zur Urlaubsgewährung ist eine Nebenpflicht im Arbeitsverhältnis, Fixschuld kann aber nur eine Hauptpflicht in einem Arbeitsverhältnis sein. Schon aus diesem Grunde sind die Folgerungen des Landesarbeitsgerichts gegenstandslos.
Auch die Darlegungen des Landesarbeitsgerichts zur Leistungszeit für den Urlaubsanspruch sind nicht zutreffend. Für den Urlaubsanspruch ist § 271 Abs. 1 BGB maßgebend. Das bedeutet, daß nach dem Bundesurlaubsgesetz der Urlaubsanspruch mit Beginn der Arbeitspflicht eines Arbeitnehmers im Kalenderjahr fällig ist und daher seine Erfüllung jederzeit mit den sich aus § 7 Abs. 1 und § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG ergebenden Einschränkungen vom Arbeitnehmer gefordert werden kann. Geschieht dies nicht, erlischt der Anspruch am Ende des Kalenderjahres, es sei denn, es liegen die Übertragungsgründe nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vor.
Soweit das Landesarbeitsgericht schließlich auf die Interessen der Arbeitsvertragsparteien an einer wenn auch verspäteten Erfüllung des Urlaubsanspruchs hinweist, übersieht es, daß solche Interessen nur dann rechtlich bedeutsam sein können, wenn der Anspruch noch besteht. Das trifft aber jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall auf die Zeit nach Ablauf des 31. Dezember 1988 nicht zu.
4. Gibt es damit keine Veranlassung anzunehmen, daß der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht befristet ist, hätte es jedenfalls einer Handlung des Klägers im Urlaubsjahr bedurft, um die Beklagte zur Erfüllung seines Urlaubsanspruchs zu veranlassen. An einem solchen Leistungsverlangen des Klägers fehlt es. Daher ist mit Ablauf des Jahres 1988 der mit der Klage begehrte Urlaubsanspruch erloschen. Eine Übertragung auf das folgende Kalenderjahr scheidet aus, weil für das Vorliegen der in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG genannten Voraussetzungen Tatsachen weder vorgetragen noch vom Landesarbeitsgericht Feststellungen dazu getroffen worden sind, so daß es auf die Darlegungen des Landesarbeitsgerichts zum Fortbestand des Anspruchs des Klägers im Jahre 1989 nicht ankommen kann. Sie sind ebenso gegenstandslos wie die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu einem Schadenersatzanspruch des Klägers.
5. Einer Entscheidung über den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag des Klägers bedarf es nicht, weil dieser Antrag den gleichen Streitgegenstand betrifft wie der Leistungsantrag.
Dr. Leinemann Dr. Peifer Dr. Olderog
Dr. Meyer Brückmann
Fundstellen
Haufe-Index 441677 |
BAGE 66, 288-292 (LT1) |
BAGE, 288 |
BB 1991, 764 |
BB 1991, 764-765 (LT1) |
EBE/BAG 1991, 50-51 (LT1) |
AuB 1991, 186 (KT) |
Stbg 1992, 143-143 (K) |
ARST 1991, 95-96 (LT1) |
NZA 1991, 423-424 (LT1) |
RdA 1991, 126 |
ZTR 1991, 300-301 (LT1) |
AP § 7 BUrlG Übertragung (LT1), Nr 18 |
EzA § 7 BUrlG, Nr 79 (LT1) |
MDR 1991, 776 (LT1) |
SuP 1991, 372-373 (ST) |