Urlaubsübertragung und Urlaubsverfall im öffentlichen Dienst
Beschäftigte im öffentlichen Dienst müssen ihren Urlaub grundsätzlich in dem Kalenderjahr nehmen, in dem er entstanden ist. Nur ausnahmsweise darf der Resturlaub ins Folgejahr übertragen werden. Die Frist zur Übertragung läuft am 31. März bzw. am 31. Mai ab. Die Übertragung des Urlaubs erfolgt dann, wenn die Voraussetzungen für eine Übertragung vorliegen. Ein eigener Antrag auf Übertragung ist daher nicht notwendig.
Bis wann kann Urlaub im öffentlichen Dienst in das nächste Kalenderjahr übertragen werden?
Der Jahresurlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden (§ 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz). Eine Übertragung von am Jahresende nicht genommenen Urlaubstagen in das Folgejahr kommt nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht und auch nur für einen befristeten Zeitraum.
Urlaubsübertragung bis zum 31. März
Im Fall einer Übertragung muss der Urlaub nach § 26 Absatz 2 TVöD bzw. TV-L bis zum 31. März des Folgejahres angetreten werden. Hier ist es ausreichend, wenn der Resturlaub am 31. März beginnt, er kann also in den April hineinreichen.
Urlaubsübertragung bis zum 31. Mai in besonderen Fällen
In besonderen Fällen ist nach § 26 Absatz 2 TVöD bzw. TV-L auch eine Übertragung des Urlaubsanspruchs bis zum 31. Mai möglich. Die in der Regelung genannten Gründe sind abschließend. Danach ist eine weitere Übertragung möglich, wenn der Urlaub aus dienstlichen bzw. betrieblichen Gründen oder wegen Arbeitsunfähigkeit im Übertragungszeitraum bis zum 31. März nicht angetreten werden kann.
Dringende betriebliche Gründe können sein:
- termin- oder saisongebundene Aufträge,
- technische oder verwaltungsmäßige Probleme im Betriebsablauf
- krankheitsbedingte Ausfallzeiten anderer Beschäftigter
Ausnahmen von diesem Grundsatz finden sich in den besonderen Regelungen von § 24 Satz 2 MuSchG für Beschäftigte in Mutterschutz (Übertragung auf die Zeit nach den Schutzfristen bis zum Ende des nächsten Urlaubsjahres) und § 17 Abs. 2 BEEG für Beschäftigte in Elternzeit (Übertragung auf die Zeit nach der Elternzeit bis zum Ende des nächsten Urlaubsjahres).
Urlaubsverfall zum Jahresende oder zum 31. März bzw. 31. Mai
Grundsätzlich verfällt Urlaub, der bis zum Jahresende oder bei möglicher Übertragung bis zum 31. März bzw. 31. Mai des darauffolgenden Jahres nicht genommen wird. Die Verfallsregelung des § 7 Abs. 3 BUrlG und des § 26 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L hat den Zweck, Druck auf beide Arbeitsvertragsparteien auszuüben, den Erholungsurlaub rechtzeitig durchzuführen. Die Beschäftigten sollen angehalten werden, beim Arbeitgeber den Urlaubsanspruch einzufordern und diesen nicht zu „horten“. Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs geht dieser endgültig unter und wandelt sich auch nicht in einen Abgeltungsanspruch um.
Hinweispflicht des Arbeitgebers hinsichtlich Urlaubsverfall
Der Urlaub verfällt allerdings nicht automatisch. Nach der Rechtsprechung des EuGH und das BAG müssen Arbeitgeber ihre Beschäftigten rechtzeitig schriftlich darauf hinweisen, dass der Urlaub bis zum 31. Dezember oder bis zum Ende des Übertragungszeitraums, also spätestens zum 31. Mai des Folgejahres, in vollem Umfang genommen werden muss und dass der Urlaub ansonsten mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums erlischt. Die Beweislast für die Erfüllung dieser Hinweispflicht trägt der Arbeitgeber.
Der Arbeitgeber muss
- zu Beginn des Kalenderjahres in Textform
- dem jeweiligen Arbeitnehmer individualisiert
- die Anzahl der ihm zustehenden Urlaubstage in diesem Kalenderjahr mitteilen und
- ihn auffordern, den Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann und
- ihn darauf hinweisen, dass der Urlaub bei nicht rechtzeitiger Beantragung am Ende des Urlaubsjahres verfällt, wenn er in der Lage war, den Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen.
Urlaubsübertragung und Urlaubsverfall bei Krankheit
Probleme hinsichtlich der Übertragung von Urlaub und dem Urlaubsverfall ergeben sich insbesondere dann, wenn Beschäftigte dauerhaft erkranken. Grundsätzlich bleibt ihnen der Urlaubsanspruch zunächst erhalten, wenn sie ihren Urlaub aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht nehmen konnten.
Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs nach 15 Monaten bei Langzeiterkrankung
Weil sich die jährlich erworbenen Urlaubsansprüche von Beschäftigten, die über mehrere Jahre arbeitsunfähig erkrankt sind, immer weiter addieren würden, legte der EuGH und im Anschluss auch das BAG eine Grenze fest. Danach verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch spätestens 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahrs.
Hinweispflicht des Arbeitgebers bei Langzeiterkrankung des Beschäftigten
Nach neuer Rechtsprechung des EuGH und des BAG gilt die Hinweispflicht des Arbeitgebers auch bei der 15-Monatsfrist bei Langzeiterkrankung. Der EuGH hat die 15-Monatsfrist bei Langzeiterkrankung zwar grundsätzlich bestätigt. Wenn der Arbeitgeber aber seine Mitwirkungsobliegenheit versäumt, dürfen Urlaubstage in dem Urlaubsjahr, in dem der Beschäftigte auch tatsächlich gearbeitet hat und dann erkrankt, nicht verfallen.
In einem besonders gelagerten Fall hat das BAG entschieden, dass die 15-monatige Verfallfrist bei Langzeiterkrankten ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers beginnt, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, seiner Hinweisobliegenheit nachzukommen (BAG, Urteil vom 31.1.2023, 9 AZR 107/20).
Verfall des tariflichen Mehrurlaubs nach TVöD bzw. TV-L
Das Fortbestehen des Urlaubsanspruchs betrifft aber nur den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Werktagen (bei einer 5-Tage-Woche). Nach der Rechtsprechung des BAG können die Voraussetzungen für zusätzlichen Urlaub, einschließlich des Verfalls, durch Tarifvertrag abweichend geregelt werden. Im TVöD und im TV-L haben zwar die Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich zwischen dem gesetzlichen, unionsrechtlich verbürgten Mindesturlaub von 4 Wochen und dem tariflichen Mehrurlaub differenziert. Sie haben sich jedoch mit der Regelung in § 26 Abs. 2 TVöD/TV-L deutlich vom gesetzlichen Fristenregime in § 7 Abs. 3 BUrlG gelöst, indem sie die Übertragung und den Verfall des Urlaubsanspruchs eigenständig geregelt haben. Dies bewirkt, dass der tarifliche Mehrurlaub von 30 Tagen der Verfallregelung des § 26 Absatz 2 TVöD / TV-L unterliegt.
Wenn also TVöD- bzw. TV-L-Beschäftigte ihren Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen können, verfällt der tarifliche Mehrurlaub nach Ablauf der Übertragungsfrist (spätestens am 31. Mai des Folgejahres). Der 21. bis 30. Urlaubstag verfällt also mit Ablauf des 31. Mai des folgenden Kalenderjahres, wenn er wegen Erkrankung nicht genommen werden konnte.
Dieser Verfall des tariflichen Urlaubsanspruchs gilt jedoch nur, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachgekommen ist. Die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers gelten auch für den Mehrurlaub nach TVöD / TV-L, da die Tarifvertragsparteien keine abweichende Regelung getroffen haben.
Verjährung des Urlaubs und Hinweispflicht des Arbeitgebers
Die Hinweispflicht des Arbeitgebers umfasst auch Urlaub aus vergangenen Jahren. Der EuGH hat klargestellt, dass Urlaubsansprüche nicht verjähren, wenn der Arbeitgeber zuvor nicht auf den Resturlaub und den möglichen Verfall der Urlaubstage hingewiesen hat (EuGH, Urteil v. 22.9.2022, C-120/21). In unionskonformer Auslegung entschied das BAG, dass die Verjährungsfrist für Urlaubsansprüche erst nach Erfüllung der Hinweispflicht beginnt (BAG, Urteil v. 20.12.2022, 9 AZR 266/20).
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