Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzurlaub für Schwerbehinderte. Zusätzliches Urlaubsgeld
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch auf Urlaubsgeld für den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte besteht nur, wenn dies vereinbart ist.
2. Nimmt eine tarifliche Regelung für die Urlaubsdauer auf das Schwerbehindertengesetz Bezug und sieht sie ein zusätzliches Urlaubsgeld vor, das neben dem Urlaubsentgelt zu zahlen ist, kann der Schwerbehinderte auch für den ihm zustehenden Zusatzurlaub Urlaubsgeld verlangen.
3.Ist der Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld im Tarifvertrag auf die tariflich festgelegte Urlaubsdauer begrenzt, scheidet ein Anspruch auf Urlaubsgeld für den Zusatzurlaub aus.
Orientierungssatz
Auslegung des § 11 des Rahmentarifvertrages für die Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12.6.1978.
Normenkette
TVG § 1; BUrlG §§ 1, 11; SchwbG § 44
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 16.02.1983; Aktenzeichen 4 Sa 182/82) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 25.11.1982; Aktenzeichen 5 Ca 251/82) |
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1. November 1977 bei der Beklagten als Ausbilder beschäftigt. Er ist schwerbehindert. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Rahmentarifvertrag für die Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12. Juni 1978 (RTV) anzuwenden.
Die Beklagte gewährte dem Kläger vom 25. Januar bis 5. Februar 1982 Urlaub unter Einbeziehung des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte. Sie weigerte sich jedoch, für den Zusatzurlaub das zusätzliche tarifliche Urlaubsgeld nach § 11 Nr. 6 RTV in Höhe von 320,-- DM zu zahlen.
§ 11 Nr. 2 RTV bestimmt:
"2. Urlaubsdauer
2.1 Für Poliere und Schachtmeister beträgt der
Urlaub
bis zum vollendeten 30. Lebensjahr
20 Arbeitstage
nach vollendetem 30. Lebensjahr
22 Arbeitstage
nach vollendetem 30. Lebensjahr bei gleichzei-
tiger dreijähriger ununterbrochener Betriebs-
zugehörigkeit 25 Arbeitstage.
2.2 ....."
In § 11 Nr. 5 RTV ist bestimmt:
"5. Urlaubsentgelt
5.1 Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem
durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der
Polier oder Schachtmeister in den letzten
drei Kalendermonaten vor dem Beginn des Ur-
laubs erhalten hat.
....."
§ 11 Nr. 6 RTV lautet:
"6. Zusätzliches Urlaubsgeld
6.1 Poliere und Schachtmeister haben nach
Maßgabe folgender Bestimmungen neben dem Ur-
laubsentgelt Anspruch auf ein zusätzliches
Urlaubsgeld.
6.2 Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt
32,-- DM für jeden Urlaubstag.
6.3 Der Anspruch auf Gewährung des zusätz-
lichen Urlaubsgeldes besteht für jeden tarif-
vertraglich festgelegten Urlaubstag. Das zu-
sätzliche Urlaubsgeld kann nur in Zusammen-
hang mit dem Urlaubsentgelt beansprucht und
gewährt werden.
6.4 Das zusätzliche Urlaubsgeld kann auf be-
trieblich gewährtes zusätzliches Urlaubsgeld
angerechnet werden.
6.5 Nr. 5.4 gilt sinngemäß für die Rückfor-
derung von zusätzlichem Urlaubsgeld."
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 320,-- DM brutto zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die zugelassene Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht das von ihm begehrte tarifliche Urlaubsgeld nicht zu.
1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der RTV keinen Anspruch auf Urlaubsgeld für den Zusatzurlaub von Schwerbehinderten enthält.
§ 11 Nr. 6.3 Satz 1 RTV erstreckt den Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld nur für jeden tarifvertraglich festgelegten Urlaubstag. Diese Voraussetzungen treffen für den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nicht zu, weil der Tarifvertrag keine Regelungen enthält, aus denen ein Anspruch auch für den nach § 44 SchwbG dem Kläger zustehenden Zusatzurlaub als Schwerbehinderter hergeleitet werden könnte. Nach dem RTV sind "tarifvertraglich festgelegte Urlaubstage" nur die in § 11 Nr. 2 RTV geregelte Urlaubsdauer zwischen 20 und 25 Arbeitstagen. Die dem Kläger nach § 44 SchwbG zustehenden Urlaubstage stehen ihm nicht nach dem Tarifvertrag, sondern aufgrund Gesetzes zu, der RTV trifft weder zur Gewährung dieses Zusatzurlaubs noch zu Modalitäten der Gewährung eine tarifliche Festlegung.
2. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision rechtfertigen keine andere Beurteilung. Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revision, daß aus der Gleichstellung des Schwerbehindertenurlaubs mit dem "sonstigen Urlaub" sich auch ergebe, daß dem Kläger der Urlaubsgeldanspruch nach § 11 RTV zu gewähren sei. Zwar trifft es zu, daß nach § 44 SchwbG der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers, also dessen Anspruch, von den nach dem Arbeitsverhältnis entstehenden Arbeitspflichten befreit zu werden, im Umfang der gesetzlichen Regelung erweitert ist. Daraus folgt aber nur, daß auch für die Zeit des Zusatzurlaubs der nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Lohn weiterzuzahlen ist, nicht jedoch kann daraus die Verpflichtung des Arbeitgebers entnommen werden, eine nach dem Tarifvertrag zusätzlich zum weiterzuzahlenden Arbeitsentgelt zu gewährende Vergütung, das Urlaubsgeld, aus diesem Grund dem Arbeitnehmer zu gewähren. Unter "bezahltem" zusätzlichen Urlaub nach § 44 Satz 1 SchwbG ist ebenso wie unter "bezahltem" Erholungsurlaub nach § 1 BUrlG eine Befreiung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung zu verstehen, deren Höhe sich nach § 11 BUrlG bestimmt. Hingegen steht es den Tarifvertragsparteien frei zu bestimmen, für welchen Personenkreis im übrigen ein Anspruch auf (zusätzliches) Urlaubsgeld entstehen soll. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts ist bereits im Urteil vom 9. Januar 1979 (- 6 AZR 512/77 - AP Nr. 1 zu § 44 SchwbG mit zust. Anm. von Schröder) davon ausgegangen, daß es einer ausdrücklichen Regelung bedarf, um auch für den dem Schwerbehinderten zusätzlich zu gewährenden Urlaub einen Anspruch auf Zahlung eines tariflichen Urlaubsgeldes, das neben dem Urlaubsentgelt zu zahlen ist, zu begründen. Diese Auffassung ist im Urteil des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 1983 (- 6 AZR 142/82 - AP Nr. 4 zu § 44 SchwbG) bestätigt worden. Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzuweichen. Entgegen der Auffassung von Wilrodt/Neumann (SchwbG, 6. Aufl., § 44 SchwbG Rz 15) kann es für die rechtliche Beurteilung nicht darauf ankommen, ob das tarifvertragliche zusätzliche Urlaubsgeld nach Tagen oder Wochen berechnet wird oder für den gesamten zu gewährenden Urlaub, weil auch insoweit die Tarifvertragsparteien in ihrer Regelungsmacht nicht gesetzlich beschränkt sind. Die Berechnung des Urlaubsgeldes nach unterschiedlichen Zeiträumen ändert nichts daran, daß die Gewährung des Urlaubsgeldes eine über das während des Urlaubs fortzuzahlende Entgelt hinausgehende Leistung ist, auf die der Schwerbehinderte für den ihm zusätzlich zu gewährenden Urlaubsanteil nach § 44 SchwbG nur dann Anspruch hat, wenn dieser in die tarifliche Regelung mit einbezogen ist.
Im hier zu beurteilenden Tarifvertrag haben die Tarifvertragsparteien keine Regelung über die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes für den Zusatzurlaub nach § 44 SchwbG getroffen, sondern die Pflicht zur Urlaubsgeldzahlung nur auf den tarifvertraglich geregelten Urlaubsanspruch bezogen. Damit bestand zwar eine Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger zur Zahlung des Urlaubsentgelts nach § 11 Nr. 5 RTV, den sie unstreitig auch für die Dauer des Zusatzurlaubs erfüllt hat, nicht aber nach § 11 Nr. 6 RTV zur Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes für diesen Zeitraum, weil der Tarifvertrag insoweit die Verpflichtung für die Beklagte nur auf "jeden tarifvertraglich festgelegten Urlaubstag" begrenzt hat (§ 11 Nr. 6.3 RTV), also die in § 11 Nr. 2 RTV geregelte Urlaubsdauer von 20 bis 25 Arbeitstagen. Dazu gehört der Anspruch auf Arbeitsbefreiung nach § 44 SchwbG nicht.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Kleeschulte Kordus
Fundstellen
Haufe-Index 441560 |
BAGE 52, 301-305 (LT1-3) |
BAGE, 301 |
DB 1986, 2684-2684 (LT1-3) |
ArbN 1987, 468-468 (T) |
NZA 1986, 835-836 (LT1-3) |
RdA 1986, 406 |
AP § 44 SchwbG (LT1-3), Nr 7 |
EzA § 44 SchwbG, Nr 7 (LT1-3) |