Leitsatz (amtlich)
1. Es ist nicht schädlich, die Höhe der steuerfreien Abfindung nach § 3 Nr.9 EStG danach zu bemessen, was der Arbeitnehmer als Lohn erhalten hätte, wenn sein Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig beendet worden wäre.
2. Die Steuerfreiheit einer Abfindung nach § 3 Nr.9 EStG wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Arbeitnehmer aufgrund eines nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossenen neuen Dienstvertrages beim selben Arbeitgeber zu anderen Bedingungen weiterbeschäftigt wird.
3. Zur Abgrenzung des Sachverhalts zu 2. von einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG.
Orientierungssatz
1. Im Falle einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG sind die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG (zum Begriff vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1978 VI R 91/77) mangels zwischenzeitlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht gegeben (Literatur).
2. Der BFH kann eine eigene rechtliche Würdigung des Sachverhalts vornehmen, wenn es sich dabei nur um Fragen der Rechtsanwendung handelt.
3. NVS: Der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu stellen (vgl. BFH-Beschluß vom 18.7.1967 GrS 5-7/66).
4. NV: Die Frage, wer zur Vertretung des FA als Behörde vor dem BFH berufen ist (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG) wird durch interne Maßnahmen des FA geregelt. Der Vorsteher des FA als geborener Vertreter dieser Behörde ist berechtigt, diese Eigenschaft im Einzelfall oder für Gruppen von Fällen auf andere (vertretungsberechtigte) Beamte, so insbesondere auch auf seinen ständigen Vertreter, zu delegieren. Andererseits hat er jederzeit das Recht, eine Befugnis an sich zu ziehen, die er vorher an seinen Vertreter delegiert hatte.
Normenkette
FGO §§ 118, 126 Abs. 2; EStG 1975 § 3 Nr. 9; KSchG § 2; FGO § 139 Abs. 3 S. 3; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1 S. 3
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.08.1983; Aktenzeichen 3 K 167/83) |
Tatbestand
Bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, war seit dem Jahre 1952 der 1914 geborene Arbeitnehmer W als Angestellter beschäftigt; er war zuletzt technischer Leiter des Unternehmens.
Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 14.Dezember 1976 das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.Dezember 1977. Im April 1977 schloß sie mit W einen Vergleich, wonach er als einmalige Ausgleichszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes 50 000 DM erhalten soll. Die Klägerin und W gingen davon aus, daß die Abfindung in Höhe von 36 000 DM nach § 3 Nr.9 des Einkommensteuergesetzes 1977 (EStG) lohnsteuerfrei sei; für die restlichen 14 000 DM Abfindung übernahm die Klägerin die Lohnsteuer.
Die Klägerin schickte am 20.Januar 1978 W folgendes Schreiben:
"Wir danken für Ihre Bereitschaft, auch noch nach Beendigung Ihres
Arbeitsverhältnisses an der weiteren Einarbeitung Ihres Nachfolgers
mitzuwirken, Urlaubs- bzw. Abwesenheitsvertretungen wahrzunehmen und uns
beratend zur Seite zu stehen.
Für diese Tätigkeit bieten wir Ihnen eine Vergütung von pauschal DM
1.000,-, rückwirkend ab 1.1.78, monatlich an. Sollte Ihre Tätigkeit einen
größeren zeitlichen Einsatz bedingen als jetzt vorhersehbar ist, soll die
vorstehende Vergütung entsprechend angepaßt werden. Andererseits ist diese
Vereinbarung ohne Einhaltung einer Frist kündbar."
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) verneinte aufgrund einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung die Steuerfreiheit der Abfindung in Höhe von 36 000 DM, erließ u.a. wegen dieses Punktes gegen die Klägerin am 7.April 1981 einen Haftungsbescheid und wies den Einspruch dagegen als unbegründet zurück.
Die Klage gegen den Haftungsbescheid vom 7.April 1981 hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Bescheid, soweit die streitige Lohnsteuer die Abfindung betraf, und die dazugehörige Einspruchsentscheidung vom 25.November 1981 auf, da Haftungsbescheid und Einspruchsentscheidung die notwendigen Ermessenserwägungen des FA zur Inanspruchnahme der Klägerin als Arbeitgeberin nicht erkennen ließen.
Auf Anweisung der Oberfinanzdirektion (OFD) erließ das FA am 11.Januar 1983 wegen der auf die Abfindung entfallenden Lohnsteuer erneut einen Haftungsbescheid. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Im Klageverfahren brachte die Klägerin vor, das Dienstverhältnis des Arbeitnehmers W in den Jahren 1978 und 1979 sei keine Fortsetzung des bis zum Jahre 1977 bestehenden Arbeitsverhältnisses gewesen. Das bisherige Arbeitsverhältnis mit W als technischem Leiter des Unternehmens habe aufgrund Kündigung zum 31.Dezember 1977 geendet; die ihm erteilte Prokura sei widerrufen worden. Der als Nachfolger ausgewählte Angestellte habe seine Tätigkeit am 1.Mai 1977 aufgenommen und sei von W acht Monate lang eingearbeitet worden. Da sich aber nachträglich herausgestellt habe, daß der Nachfolger eine weitere Einarbeitung benötige, habe sie, die Klägerin, mit W Kontakt aufgenommen, um ihn als Berater für die Firma zu gewinnen. Dies habe zur Vereinbarung vom 20.Januar 1978 geführt. W sei aufgrund des Beratungsverhältnisses als freier Mitarbeiter an keine festen Arbeitsstunden gebunden gewesen, habe erheblich geringere Vergütungen bezogen und seine Tätigkeit als Berater habe sich etwa auf 20 v.H. seiner früheren Arbeitszeit erstreckt.
Das FG gab der Klage statt. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 192 veröffentlichten Urteil aus:
Ob die Klägerin für die streitigen 36 000 DM Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen habe, hänge davon ab, ob zum 31.Dezember 1977 das Dienstverhältnis mit W i.S. des § 3 Nr.9 EStG aufgelöst worden sei. Bei einer mit dem Streitfall vergleichbaren Änderungskündigung sei dies umstritten. Nach Ansicht der Finanzverwaltung bewirke die Änderungskündigung keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht zu einem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis führe. Nach der von Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 3 EStG Anm.55) vertretenen Auffassung sei im Streitfall die Anwendung des § 3 Nr.9 EStG zu bejahen, da das ursprüngliche Arbeitsverhältnis unbedingt gekündigt worden sei. Die Kündigung sei ohne Rücksicht darauf ausgesprochen worden, ob sich ein geändertes Arbeitsverhältnis anschließen werde. Das Gericht sei überzeugt, daß sich die Art der Tätigkeit von W in den Jahren 1978 und 1979 gegenüber den Vorjahren so verändert habe, wie die Klägerin dies vortrage. Der unterschiedliche Aufgabenbereich, der Wegfall der Prokura, die wesentliche Reduzierung der Arbeitszeit und des Arbeitslohnes und der Wegfall von festen Arbeitsstunden sprächen für die Ansicht der Klägerin, das ursprüngliche Dienstverhältnis sei zum 31.Dezember 1977 i.S. des § 3 Nr.9 EStG aufgelöst worden mit der Folge, daß das Arbeitsverhältnis der Jahre 1978 und 1979 keine Fortsetzung dieses ursprünglichen Arbeitsverhältnisses sei.
Das Gericht brauche dieser Frage jedoch nicht weiter nachzugehen. Denn der Haftungsbescheid sei jedenfalls deshalb aufzuheben, weil die Inanspruchnahme der Klägerin als Arbeitgeberin ermessensfehlerhaft gewesen sei.
Das FA legte gegen das Urteil Revision ein. Es rügt die Verletzung des § 3 Nr.9, § 42d Abs.1 Nr.1 und Abs.3 EStG, § 191 Abs.5, § 171 Abs.4 der Abgabenordnung (AO 1977) und § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es beruft sich außerdem auf mangelnde Sachverhaltsaufklärung. Es bringt u.a. vor:
Es könne keine steuerfreie Abfindung vorliegen, weil der Arbeitnehmer W ohnehin das Rentenalter erreicht habe und die gezahlte Abfindung zusammen mit dem vorgezogenen Altersruhegeld dem Arbeitslohn entsprochen hätte, den W bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Erreichen des Rentenalters erhalten hätte. Es wäre mithin die Frage von entscheidender Bedeutung gewesen, ab wann der Arbeitnehmer tatsächlich Rentenbezüge erhalten habe. Wäre dieser Sachverhalt vom FG untersucht worden, hätte sich dem FG unter Berücksichtigung einer Rentenzahlung ab 1.Januar 1978 die Annahme einer absichtlichen Umgehung der Steuerpflicht nach § 42 AO 1977 aufdrängen müssen. Wäre W (geboren 1914) mit 63 Jahren rechtlich zulässig in den Ruhestand getreten, hätte die Kündigung und die Abfindung zum 1.Januar 1978 keinen Sinn mehr gehabt. Im übrigen sei das Dienstverhältnis auch bei wörtlicher Interpretation der Verträge mit W überhaupt nicht aufgelöst worden. Denn eine Änderungskündigung bewirke keine Auflösung des Dienstverhältnisses, wenn sie nicht zu einem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis führe (Abschn.4 Abs.2 Satz 2 der Lohnsteuer- Richtlinien --LStR--). Auch eine Versetzung innerhalb des Betriebs beinhalte keine Beendigung des Dienstverhältnisses, selbst wenn der Arbeitnehmer geringer entlohnt werde oder einen Arbeitsplatz erhalte, der z.B. den Verlust von steuerfreien Einnahmen mit sich bringe.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
++/ Außerdem beantragt sie, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Revision sei unzulässig. Auch juristische Personen und Behörden müßten sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertreten lassen. Das Revisionsschreiben des FA vom 21.September 1983 sei vom Regierungsdirektor X als Vertreter nach Art.1 Nr.1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) unterschrieben worden. Damit sei Regierungsdirektor X Vertreter des FA i.S. dieser Vorschrift. Bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist sei ein weiterer Vertreter vom FA nicht benannt worden. Die Revisionsbegründungsschrift vom 31.Oktober 1983 sei vom Leitenden Regierungsdirektor Y unterzeichnet worden, der sich auch als Vertreter nach Art.1 Nr.1 BFHEntlG bezeichne. Es sei unklar, ob das FA den bisherigen mit der Vertretung beauftragten Beamten aus der Vertretung entlassen und einen neuen Beamten mit seiner Vertretung vor dem BFH beauftragt habe. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß Regierungsdirektor X nach wie vor zur Vertretung des FA im Revisionsverfahren berufen sei. Damit habe die Revisionsbegründungsschrift ein Beamter unterzeichnet, der in diesem Rechtsstreit nicht zur Vertretung nach Art.1 Nr.1 BFHEntlG beauftragt gewesen sei.
Im übrigen sei die Revision auch unbegründet. /++
Entscheidungsgründe
++/ Die Revision ist zulässig.
Nach Art.1 Nr.1 BFHEntlG muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung einer Revision. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte vertreten lassen, die die Befähigung zum Richteramt besitzen.
Der Revisionskläger, das FA, ist eine Behörde i.S. des Art.1 Nr.1 Satz 3 BFHEntlG. In der Revisionsschrift vom 21.September 1983 wird ausgeführt, daß das FA vertreten werde durch Regierungsdirektor X. Dieser hat die Revisionsschrift vom 21.September 1983 mit den Worten "in Vertretung" unterzeichnet. In der Revisionsbegründungsschrift vom 31.Oktober 1983 heißt es, das FA werde vertreten durch Leitenden Regierungsdirektor Y; dieser hat die Revisionsbegründungsschrift ohne Hinzusetzung der Worte "in Vertretung" oder "im Auftrag" unterschrieben.
Aus der Art der Unterzeichnung mit den Worten "in Vertretung" und dem Weglassen dieser Worte ist zu entnehmen, daß Leitender Regierungsdirektor Y der Vorsteher des FA und Regierungsdirektor X sein ständiger Vertreter ist. Es wird von der Klägerin nicht bestritten, daß beide Angehörige des höheren Dienstes der Finanzverwaltung mit Befähigung zum Richteramt sind. Die rechtswirksame Vertretung des FA im vorliegenden Revisionsverfahren wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß die Revisionsschrift und die Revisionsbegründungsschrift von zwei insoweit qualifizierten Beamten desselben FA gefertigt und unterschrieben wurden. Denn die Frage, wer zur Vertretung des FA als Behörde berufen ist, wird durch interne Maßnahmen des FA geregelt. Der Vorsteher des FA als geborener Vertreter dieser Behörde ist berechtigt, diese Eigenschaft im Einzelfall oder für Gruppen von Fällen auf andere Beamte, so insbesondere auch auf seinen ständigen Vertreter, zu delegieren. Andererseits hat er jederzeit das Recht, eine Befugnis an sich zu ziehen, die er vorher an seinen Vertreter delegiert hatte. Von einem solchen Sachverhalt ist im Streitfall auszugehen. /++
Die Revision des FA ist unbegründet.
Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob das FG den Haftungsbescheid deshalb zu Recht aufgehoben hat, weil die Inanspruchnahme der Klägerin als Arbeitgeberin ermessensfehlerhaft war. Die Revision des FA kann jedenfalls schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der streitige Teilbetrag der Abfindung von 36 000 DM nach § 3 Nr.9 EStG steuerfrei war und deshalb nicht dem Lohnsteuerabzug unterlag.
Nach § 3 Nr.9 EStG sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlaßten Auflösung des Dienstverhältnisses bis zum Höchstbetrag von 36 000 DM steuerfrei, wenn das Dienstverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden und der Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses das 55. Lebensjahr vollendet hat.
Der Arbeitnehmer W war am 31.Dezember 1977, dem Zeitpunkt also, zu dem die Klägerin ihm mit Schreiben vom 14.Dezember 1976 gekündigt hatte, mehr als 20 Jahre bei der Klägerin tätig gewesen und hatte das 55. Lebensjahr vollendet.
Streitig ist, ob die von der Klägerin mit Schreiben vom 14.Dezember 1976 ausgesprochene Kündigung zur Auflösung des Dienstverhältnisses per 31.Dezember 1977 geführt hat und ob der Betrag von 50 000 DM, den W erhalten hat, in Höhe von 36 000 DM als steuerfreie Abfindung i.S. des § 3 Nr.9 EStG zu werten ist. Das FG hat hierzu nicht endgültig rechtlich Stellung genommen, da es der Klage aus anderen Gründen stattgegeben hat. Es hat jedoch ausgeführt, es sei überzeugt, daß sich die Art der Tätigkeit von W in den Jahren 1978 und 1979 gegenüber den Vorjahren tatsächlich so verändert hat, wie die Klägerin es vorträgt. Das FG hat damit den Sachverhalt entsprechend dem Vorbringen des Klägers festgestellt.
Das FG hat zwar den Sachverhalt nicht dahin rechtlich gewürdigt, ob die Voraussetzungen des § 3 Nr.9 EStG vorliegen. Dies hindert den Senat jedoch nicht, eine eigene rechtliche Würdigung vorzunehmen, weil es sich insoweit nur um Fragen der Rechtsanwendung handelt.
a) Geht man von dem Vorbringen der Klägerin aus, von dessen Richtigkeit das FG überzeugt ist, so hat die Klägerin dem Arbeitnehmer W rechtswirksam zum 31.Dezember 1977 gekündigt. Die Kündigung war unstreitig von ihr veranlaßt, da sich Unstimmigkeiten zwischen einem Gesellschafter und W im Hinblick auf die innere und äußere Leitung des Unternehmens ergeben hatten. Sie führten zu dem Entschluß der Klägerin, sich vorzeitig von W zu trennen. Die Kündigung bewirkte die Auflösung des Dienstverhältnisses zum 31.Dezember 1977. Nach dem vom FG für glaubhaft erachteten Vorbringen der Klägerin hat diese erst am 20.Januar 1978 mit W eine Vereinbarung getroffen, daß W weiterhin bei der Einarbeitung seines Nachfolgers mitwirken, Urlaubs- bzw. Abwesenheitsvertretungen wahrnehmen und der Klägerin beratend zur Seite stehen sollte.
Der Abschluß des neuen Arbeitsvertrags am 20.Januar 1978 ließ die Rechtswirksamkeit der mit Schreiben vom 14.Dezember 1976 gegenüber W ausgesprochenen Kündigung zum 31.Dezember 1977 mit der Folge der Auflösung des ursprünglichen Dienstverhältnisses zu diesem Zeitpunkt unberührt. Das zeigt sich auch darin, daß W aufgrund des Vertrages vom 20.Januar 1978 in einem ganz anderen Bereich und in anderer Stellung, mit einer niedrigeren Vergütung und einer erheblich geringeren Stundenzahl für die Klägerin tätig werden sollte und tätig geworden ist.
Die Voraussetzungen für eine Änderungskündigung sind nicht gegeben. Eine solche Kündigung liegt nach § 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und er dem Arbeitnehmer bei der Kündigung zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen anbietet. Nimmt der Arbeitnehmer in einem solchen Fall das Angebot des Arbeitgebers an, tritt eine --von beiden Beteiligten gewollte-- Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen ein, ohne daß das Arbeitsverhältnis sich zwischenzeitlich aufgelöst hat. In einem solchen Fall sind die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer Abfindung nach § 3 Nr.9 EStG mangels zwischenzeitlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht gegeben (vgl. Offerhaus, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1980, 478, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1981, 449, Der Betrieb --DB-- Beilage 10/82, S.4 D 1; v.Bornhaupt, Betriebs-Berater --BB-- Beilage 7/1980 zu Heft 23/1980, S.4).
b) Es bestehen keine Bedenken dagegen, den von der Klägerin steuerfrei gelassenen Teil der Abfindung in Höhe von 36 000 DM als "Abfindung" i.S. des § 3 Nr.9 EStG anzusehen.
Abfindungen in diesem Sinne sind Zahlungen, die mit der vom Arbeitgeber veranlaßten Auflösung des Dienstverhältnisses in Zusammenhang stehen, so insbesondere Leistungen zum Ausgleich von Nachteilen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13.Oktober 1978 VI R 91/77, BFHE 126, 399, BStBl II 1979, 155). Es kann dahingestellt bleiben, ob entsprechend dem Vorbringen des FA die Abfindung und das vorgezogene Altersruhegeld dem Arbeitslohn entsprachen, den der Arbeitnehmer W bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Erreichen des Rentenalters erhalten hätte. Denn wie der Senat im Urteil vom 11.Januar 1980 VI R 165/77 (BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205) betont hat, kann eine steuerfreie Abfindung i.S. des § 3 Nr.9 EStG auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber dem früheren Arbeitnehmer für die Zeit nach Auflösung des Dienstverhältnisses die Beträge zahlt, auf die dieser bei Fortbestand des Dienstverhältnisses Anspruch gehabt hätte, wenn das Dienstverhältnis nicht aufgelöst worden wäre. Das FG brauchte daher im Streitfall den Sachverhalt nicht näher dahin aufzuklären, wann der Kläger das Rentenalter erreichen würde und ab wann er Rentenbezüge erhalten hat.
Es kann auch keine unzulässige Umgehung der Steuerpflicht i.S. des § 42 AO 1977 darin gesehen werden, daß die Klägerin und W von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, für einen Teilbetrag der Abfindung von 36 000 DM die Steuerfreiheit nach § 3 Nr.9 EStG in Anspruch zu nehmen. Sie durften sich auch bei der Bemessung der Höhe der Abfindung nach den entgehenden Verdienstmöglichkeiten des W entsprechend den Grundsätzen des Urteils in BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205 richten.
++/ Der Antrag der Klägerin nach § 139 Abs.3 Satz 3 FGO ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu stellen (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 18.Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56). /++
Fundstellen
Haufe-Index 61167 |
BStBl II 1987, 186 |
BFHE 148, 257 |
BFHE 1987, 257 |
BB 1987, 457 |
BB 1987, 457-457 (ST) |
DB 1987, 515-516 (ST) |