Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Unternehmereinheit bei mittelbarer Beteiligung.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1 S. 2, § 2/2/2
Tatbestand
Streitig ist, ob zwischen der Beschwerdeführerin (Bfin.), einer GmbH, die eine Druckerei und Buchbinderei betreibt, und dem Verlag X. KG (künftig KG) Unternehmereinheit besteht und ob deshalb die Entgelte, die die Bfin. für Lieferungen und Leistungen an die KG in II/1948 vereinnahmt hat, umsatzsteuerfrei sind. Alleiniger Gesellschafter der Bfin. war im streitigen Veranlagungszeitraum die KG, Gesellschafter der KG waren Frau A., deren Schwiegersohn B. und deren Tochter C., letztere als Kommanditistin. Das Finanzamt hat die Unternehmereinheit abgelehnt, einmal, weil nicht die gleichen Gesellschafter bei beiden Gesellschaften gegeben seien und ferner, weil zwischen der Bfin. und der KG ein Organschaftsverhältnis vorliege, wobei die KG die beherrschende Gesellschaft sei. Das Finanzgericht lehnte ebenfalls Unternehmereinheit zwischen den beiden Gesellschaften ab mit der Begründung, daß die Geschäftsanteile an der Bfin. im Besitz der KG und nicht im Besitz ihrer Teilhaber seien, ein Verhältnis der Nebenordnung, wie sie die Unternehmereinheit voraussetze, also nicht gegeben sei. Ob zwischen den beiden Gesellschaften ein Organschaftsverhältnis bestehe, ließ das Finanzgericht ununtersucht.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die auch bei juristischen Personen mögliche Unternehmereinheit - abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen - nur gegeben, wenn die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles das Verhältnis der Nebenordnung der mehreren Gesellschaften zueinander aufweisen. Unternehmereinheit kann deshalb nicht vorliegen, wenn im Einzelfall ein tatsächliches Unterordnungsverhältnis im Sinne der Organschaft von einer oder mehreren Gesellschaften gegenüber einer übergeordneten Gesellschaft gegeben ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294; 66/57 U vom 23. April 1959, BStBl 1959 III S. 256). Auch wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Unternehmereinheit dem Anschein nach vorliegen (gleiche Beteiligung im gleichen Verhältnis, einheitliche Willensbildung), kann hiernach Unternehmereinheit nicht angenommen werden, wenn sich bei Prüfung der bestehenden Verhältnisse ergibt, daß ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der Organschaft gegeben ist. Die Vorinstanz hat diese Frage ungeprüft gelassen. Sie ist aber für den Streitfall von entscheidender Bedeutung. Denn liegt zwischen den beiden Gesellschaften ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der Organschaft nicht vor, so kann der Umstand allein, daß die Anteile der Bfin. im Besitze der KG sind, der Annahme eines Nebenordnungsverhältnisses nicht entgegenstehen. Denn der 100 % ige Besitz bedingt als solcher noch nicht die für das Abhängigkeitsverhältnis entscheidende Unselbständigkeit der anderen Gesellschaft. Diese ist nur gegeben bei einer Abhängigkeit im Sinne der Organschaft (vgl. das oben angeführte Urteil V 66/57 U vom 23. April 1959). Die Vorentscheidung war deshalb wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif.
Das Verhältnis zwischen der Bfin. und der KG ist im Jahre 1939 vom Finanzamt als ein Organschaftsverhältnis anerkannt worden. Es ist bis zur Aufhebung der Organschaft durch Art. II des Kontrollratgesetzes Nr. 15 unbeanstandet geblieben. Ob die Verhältnisse, die damals zur Anerkennung der Organschaft geführt haben, auch noch in dem hier streitigen Veranlagungszeitraum bestanden haben, kann aus den dem Senat vorliegenden Akten nicht ersehen werden. Die Einspruchsbegründung des Finanzamts, die die Frage der Abhängigkeit im Sinne der Organschaft der Bfin. von der KG geprüft und bejaht hat, läßt nicht eindeutig erkennen, ob das Gesamtbild der tatsächlich bestehenden Verhältnisse zwischen den beiden Gesellschaften in II/1948 für die Annahme der Organschaft spricht. Zwar ist die finanzielle Eingliederung der Bfin. in die KG bei der 100 % igen Beteiligung der KG unbestreitbar. Der Umstand, daß, wie die Bfin. meint, die GmbH finanziell vollständig auf eigenen Füßen stehe, widerspricht der Annahme der finanziellen Eingliederung nicht, da diese die satzungsmäßige Einflußnahme auf die andere Gesellschaft bedeutet. Eine solche ist aber bei einer 100 % igen Beteiligung im vollen Umfange gegeben. Auch eine organisatorische Eingliederung liegt durch die Personalunion der Geschäftsführer bei beiden Gesellschaften vor. Hierdurch ist gewährleistet, daß der Wille des beherrschenden Unternehmers tatsächlich ausgeführt wird. Nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist deshalb, daß, wie die Bfin. geltend macht, die GmbH in eigenen Räumen arbeitet, eine eigene Buchhaltung und eigene Einkaufs- und Verkaufsabteilungen hat, da dies dem Willen der Obergesellschaft entsprechen kann. Dagegen lasse die allgemein gehaltenen Ausführungen der Einspruchsentscheidung keinen eindeutigen Schluß zu, ob eine wirtschaftliche Eingliederung gegeben ist. In dieser Hinsicht wären noch Ermittlungen dahingehend vorzunehmen, ob konkrete Umstände vorliegen, die für einen wirtschaftlichen Zusammenhang beider Unternehmen sprechen. Beweisanzeichen hierfür könnten sein, wenn die von der KG erteilten Aufträge eine notwendige Ergänzung der Kapazität der von der KG selbst betriebenen Druckerei wären, oder wenn es sich bei den von der Bfin. ausgeführten Druckereiarbeiten um solche handelte, die ein besonderes Verfahren verlangen und deshalb von der eigenen Druckerei der KG nicht ausgeführt werden könnten, die Tätigkeit der Bfin. also eine notwendige Ergänzung der eigenen Tätigkeit der KG darstellte. Auch wäre festzustellen, zu welchen Bedingungen die gegenseitigen Leistungen der Gesellschaften erfolgen und ob in irgendeiner Weise eine Einflußnahme der KG auf die betrieblichen Entscheidungen der Bfin. stattfindet. Aus Protokollen über Gesellschafterversammlungen oder aus dem Schriftwechsel könnten sich in Verbindung auch mit der Entstehungsgeschichte der GmbH Hinweise in dieser Richtung ergeben. Der Umstand, daß die Bfin. überwiegend Leistungen für andere Kunden ausführt, könnte der Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung entgegenstehen. Je nach dem Ergebnis der Ermittlungen kann dann darüber befunden werden, ob und in welchem Ausmaße eine wirtschaftliche Eingliederung der Bfin. in die KG vorliegt, und ob sodann das Gesamtbild der Verhältnisse eine Abhängigkeit der Bfin. von der KG im Sinne der Organschaft aufweist oder nicht aufweist. Ist die Annahme eines Organschaftsverhältnisses gerechtfertigt, so sind die Umsätze zwischen den beiden Gesellschaften umsatzsteuerpflichtig gemäß Art. II des Kontrollratgesetzes Nr. 15 (Urteil des Bundesfinanzhofs V 17/52 vom 17. Juli 1952, BStBl 1952 III S. 234, Slg. Bd. 56 S. 604).
Lassen die Ermittlungen die Annahme eines Organschaftsverhältnisses nicht zu, so kommt es darauf an, ob Unternehmereinheit vorliegt. Hierzu wird noch folgendes bemerkt:
Die für die Annahme einer Unternehmereinheit notwendige Voraussetzung der Nebenordnung wäre in diesem Falle, wie bereits ausgeführt, gegeben. Es fragt sich aber noch - abgesehen von der Prüfung weiterer Voraussetzungen für die Unternehmereinheit -, ob, wie das Finanzamt meint, Unternehmereinheit deshalb abzulehnen sei, weil bei der KG drei Gesellschafter vorhanden sind, während alleiniger Gesellschafter der Bfin. die KG ist, die als umsatzsteuerrechtlich selbständige Persönlichkeit wesensverschieden ist von den drei Gesellschaftern der KG, bei beiden Gesellschaften also nicht die gleichen Gesellschafter beteiligt sind. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß es unter bestimmten Voraussetzungen für die Frage der Gesellschafteridentität wirtschaftlich keinen Unterschied ausmachen kann, ob sich die Anteile der in Betracht kommenden Gesellschaften im unmittelbaren Besitze der Gesellschafter oder in ihrem mittelbaren Besitz über eine Gesellschaft befinden. Diese Voraussetzungen liegen dann vor, wenn es sich um eine mittelbare gleiche Beteiligung handelt und wenn das Beteiligungsverhältnis entsprechend dem Wesen der Unternehmereinheit klar und übersichtlich ist, wie dies zumeist bei Familiengesellschaften der Fall ist. Denn auch dann sind die gleichen genau bestimmbaren Personen, wenn auch teilweise in Form eines gesellschaftlichen Zusammenschlusses, an den Gesellschaften beteiligt. Es kann deshalb auch in diesen Fällen Identität der Gesellschafter angenommen werden, dies um so mehr, als ja die gleichen, genau bestimmbaren Personen den entscheidenden Einfluß auf alle Gesellschaften haben. Auf die unterschiedlichen vermögensrechtlichen Verhältnisse bei unmittelbarer und bei mittelbarer Beteiligung kann es bei der für die Gesellschafteridentität maßgebenden genauen Bestimmbarkeit des Personenkreises nicht ankommen. Hiernach kann Gesellschafteridentität bei teils unmittelbarer, teils mittelbarer gleicher Beteiligung jedenfalls dann nicht anerkannt werden, wenn die Gesellschafter der die Anteile besitzenden Gesellschaft der Zahl und der Persönlichkeit nach unkontrollierbar sind. Dies würde dem auf Klarheit und übersichtlichkeit der Beteiligungsverhältnisse beruhenden Wesen der Unternehmereinheit widersprechen.
Hiernach war die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit diese die noch erforderlichen Ermittlungen vornimmt und sodann im Sinne der vorstehenden rechtlichen Ausführungen erneut entscheidet.
Fundstellen
Haufe-Index 409440 |
BStBl III 1959, 376 |
BFHE 1960, 307 |
BFHE 69, 307 |