Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit vom insolventen Arbeitgeber bezahlter Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
Leitsatz (amtlich)
Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ist als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle anfechtbar (Bestätigung von BGHZ 183, 86; ständige Rechtsprechung).
Normenkette
SGB IV § 28e Abs. 1 S. 2; InsO § 129 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 11.06.2010; Aktenzeichen 22 S 286/09) |
AG Düsseldorf (Urteil vom 06.10.2009; Aktenzeichen 23 C 6279/09) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des AG Düsseldorf vom 6.10.2009 und der 22. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 11.6.2010 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 782,88 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.5.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 7.2.2008 und einen Fremdantrag vom 18.3.2008 am 16.5.2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M. K. . Die Vollstreckungsbehörde der Beklagten vereinnahmte beim Insolvenzschuldner wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge aus einer früheren unternehmerischen Tätigkeit am 19.11.2007 eine Barzahlung von 756,31 EUR und am 15.12.2007 eine Barzahlung von 948,05 EUR. Auf die vom Kläger erklärte Anfechtung zahlte die Beklagte die Arbeitgeberanteile zurück. Wegen der Arbeitnehmeranteile i.H.v. 782,88 EUR lehnte sie die Rückzahlung ab. Das AG hat die auf Zahlung dieses Betrags gerichtete Klage des Verwalters im Hinblick auf die gesetzliche Neuregelung in § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV abgewiesen. Das LG hat die Berufung des Klägers in Kenntnis der Entscheidung des Senats vom 5.11.2009 (IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86) zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 2
Die Revision ist begründet.
Rz. 3
1. Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge kann ungeachtet der Regelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle angefochten werden (BGH, Urt. v. 5.11.2009 - IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Rz. 13). § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV steht der Annahme einer Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO nicht entgegen. Der Senat hat diese Rechtsprechung zwischenzeitlich bestätigt (BGH, Urt. v. 30.9.2010 - IX ZR 237/09, ZIP 2010, 2209). Die Ausführungen des Berufungsgerichts geben mangels neuer Argumente keine Veranlassung, die Rechtsfrage anders zu entscheiden.
Rz. 4
2. Der Senat kann die Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Aufhebung des Urteils erfolgt wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis. Die Sache ist zur Endentscheidung reif. Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind unstreitig gegeben. Zinsen sind ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu zahlen (BGH, Urt. v. 1.2.2007 - IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38).
Fundstellen
Haufe-Index 2679542 |
DB 2011, 1107 |
DB 2011, 6 |
EBE/BGH 2011 |
NZG 2011, 743 |
WM 2011, 903 |
ZIP 2011, 966 |
DZWir 2011, 301 |
MDR 2011, 693 |
NZI 2011, 456 |
NZI 2011, 5 |
NZS 2011, 783 |
ZInsO 2011, 916 |