Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall – innerer Zusammenhang – Betriebsratsfeier – betriebliches Interesse – Ersatzmitglied – Organisation und Finanzierung – Betriebsrat – betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung
Leitsatz (amtlich)
Teilnehmer an einer Feier des Betriebsrates, an der nur Betriebsrats- und Ersatzmitglieder des Betriebs teilnehmen, stehen jedenfalls dann nicht unter Versicherungsschutz, wenn der Unternehmer in keiner Weise am Zustandekommen, am Ablauf und an der Finanzierung der Veranstaltung beteiligt war.
Stand: 17. April 2001
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 8 Abs. 1, § 9 S. 1, § 25 Abs. 1, § 37 Abs. 1, 6 S. 1
Beteiligte
Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 27. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei dem Unfall der Klägerin am 1. Dezember 1995 um einen Arbeitsunfall handelte.
Die Klägerin war im Jahre 1995 bei der Industriemontagen M. GmbH angestellt, in deren Betrieb etwa 450 Mitarbeiter (Stand 1997) beschäftigt waren, und dort Ersatzmitglied des Betriebsrates. Am 1. Dezember 1993 nahm sie von 7.00 Uhr bis 14.00 Uhr an einer im Betriebsgebäude der Firma in M. stattfindenden Betriebsratssitzung und anschließend an einer Feier in einem in B. gelegenen Sportlerheim teil, zu welcher der Betriebsratsvorsitzende die Betriebsrats- und Ersatzmitglieder eingeladen hatte. Hierzu verließ sie den Betrieb vor dem Ende der eigentlichen Arbeitszeit, nachdem sie sich zuvor bei ihrem Vorgesetzten abgemeldet hatte. Auf der Feier, an der kein verantwortlicher Beauftragter der Arbeitgeberin beteiligt war und die von jedem der 23 Teilnehmer selbst finanziert wurde, fand ein gemeinschaftliches Kegeln statt. Daneben nutzte der Betriebsratsvorsitzende die Veranstaltung zur Würdigung der im abgelaufenen Jahr geleisteten Arbeit des Betriebsrates. Darüber hinaus fanden betriebsbezogene Einzelgespräche statt. Nach dem Ende des Kegelns sollte die Feier in einer Gaststätte fortgesetzt werden. Beim Verlassen des zweistufigen Eingangs zur Kegelbahn stolperte die Klägerin und brach sich bei dem nachfolgenden Sturz den rechten Knöchel und das rechte Wadenbein.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. Juli 1996 und Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 1997 die Erbringung von Leistungen aus Anlaß des Unfalles ab, weil es sich bei der Veranstaltung im Sportlerheim um eine privat organisierte Feier gehandelt habe und die Unternehmensleitung nicht an den Vorbereitungen oder an der Durchführung beteiligt gewesen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Juni 1998). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 27. Januar 2000). Die letztlich zum Schaden führende Betriebsratsfeier habe nicht in dem erforderlichen inneren Zusammenhang zur Betriebsratstätigkeit gestanden. Die Veranstaltung im Sportlerheim selbst sei schon nach der damaligen Sichtweise der daran Beteiligten nicht als Betriebsratssitzung anzusehen, weil sie nach dem schlüssigen Verhalten der Beteiligten zur Herstellung einer geselligen Atmosphäre bewußt aus dem betrieblichen Zusammenhang gelöst worden sei. Dies folge aus der Wahl des auch zweckentsprechend genutzten Versammlungsraumes, einer Kegelbahn, und aus der abweichend von der vorangegangenen Betriebsratssitzung organisierten Finanzierung. Hätte es sich um eine Betriebsratssitzung gehandelt, wäre die Arbeitgeberin gemäß § 40 Abs 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zur Kostentragung verpflichtet gewesen. Der Feier fehle auch hinsichtlich eines betriebsratsbezogenen Inhalts ein sonstiger innerer Zusammenhang zur Betriebsratstätigkeit; denn der auf der Feier geäußerte Dank des Betriebsratsvorsitzenden und die Führung von betriebsbezogenen Einzelgesprächen hätten den Zweck der Veranstaltung nicht geprägt. Diese betriebsratsbezogenen Momente der Feier hätten ebensogut durch Fortsetzung der durchgeführten Betriebsratssitzung auf Kosten der Arbeitgeberin bzw im Rahmen anderer unmittelbar betriebsverfassungsrechtlicher, nämlich arbeitgeberfinanzierter Betriebsratsarbeit erledigt werden können. Selbst wenn man diese Momente der Feier hier in Betracht ziehe, handele es sich um eine gemischte Tätigkeit mit im wesentlichen eigenwirtschaftlichen Charakter, weil nur die Zweckbestimmung einer geselligen Feier zu der Versammlung auf der Kegelbahn Anlaß gegeben habe.
Der Zweck einer geselligen Feier des Betriebsrates als solcher vermittele nicht den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Bei einer solchen Feier handele es sich um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, weil selbst dem Zweck der Förderung einer kameradschaftlichen Umgangsweise innerhalb des Betriebsrates keine entsprechende Eingliederung der Feier in die Organisation des Betriebes gegenüberstünde. Insoweit gehe der Schutzbereich der Unfallversicherung für den Betriebsrat nicht weiter als derjenige anderer betrieblicher Gremien. Allein ein früheres Ende der Arbeitszeit für die Teilnehmer an der Betriebsratsfeier begründe den erforderlichen organisatorischen Zusammenhang einer Feier zum Betrieb hier nicht, weil dadurch allein weder zum Ausdruck komme, die Unternehmensleitung habe sich mit Inhalt, Ablauf und Organisation der Feier auseinandergesetzt, noch daß sie sich die Betriebsratsfeier als betriebsbezogenes Bedürfnis zu eigen gemacht habe. Angesichts der alleinigen Initiative des Betriebsratsvorsitzenden und deren Beschränkung auf seinen eigenen Interessenkreis lasse sich dem Verhalten der Betriebsführung insoweit nur ein eng begrenzter Verzicht auf die Ausübung von Arbeitgeberrechten gegenüber eigenverantwortlichem Handeln des Betriebsrates entnehmen.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 539 Abs 1 Nr 1 iVm §§ 547, 548 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Der Maßstab, den die Rechtsprechung zu Gemeinschaftsveranstaltungen entwickelt habe, könne nur in unzulänglicher Weise auf den Umfang des Versicherungsschutzes von Betriebsratstätigkeiten übertragen werden. Nach der herrschenden Rechtsprechung stehe eine Gemeinschaftsveranstaltung unter Versicherungsschutz, wenn sie vom Unternehmer veranstaltet sei, mit seiner Billigung stattfinde oder von seiner Autorität getragen sei. Aktivitäten des Betriebsrates seien jedoch nie von der Autorität des Arbeitsgebers getragen oder fänden stets seine Billigung; dies würde gerade dem gesetzlichen Auftrag des Betriebsrates widersprechen. Vielmehr könne bei Betriebsratstätigkeiten der Versicherungsschutz nur dort verneint werden, wo er offensichtlich rechtsmißbräuchlich in Anspruch genommen werde, da ansonsten die Entfaltung der Betriebsratstätigkeit unzulässig beschränkt würde. Außerdem stehe die Klägerin auch unter Versicherungsschutz, da es sich um eine Dankveranstaltung gehandelt habe, bei der geleistete Dienste gewürdigt worden seien. Damit sei auch der innere Zusammenhang mit der verrichteten Tätigkeit gegeben, da in der Gesamtbetrachtung die Handlungstendenz dazu bestimmt sei, dem Unternehmen zu dienen. Des weiteren sei auch § 548 Abs 1 Satz 2 RVO einschlägig, da auch das Entgegennehmen immaterieller Entlohnungen unter diese Vorschrift fiele. Da weder Betriebsratsmitglieder noch nachrückende Ersatzmitglieder für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhielten, sei es zur Motivation für ihr – weit über das Maß eines üblichen Mitarbeiters hinausgehendes – Engagement wichtig, daß ihnen eine entsprechende Würdigung zuteil werde. Ob die nach dem Ende des Kegelns angesetzte Fortsetzung der Feier in einer Gaststätte auch noch unter Versicherungsschutz stehen würde, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls die Klägerin beim Verlassen der Kegelbahn, in der die Dankesrede des Vorsitzenden stattgefunden habe, gemäß § 548 Abs 1 Satz 2 RVO unter Versicherungsschutz gestanden habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 27. Januar 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. Juni 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 1. Dezember 1995 zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch, wegen des Unfallereignisses vom 1. Dezember 1995 aus der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt zu werden, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben.
Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da sich der Unfall vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 ereignet hat (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ≪UVEG≫ § 212 SGB VII).
Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeit erleidet. Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sogenannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSG SozR 2200 § 548 Nr 82; BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG Urteil vom 27. März 1990 – 2 RU 45/89 – USK 90149; BSG Urteil vom 19. Dezember 2000 – B 2 U 37/99 R –). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 32). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muß der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN). Es muß also sicher feststehen, daß im Unfallzeitpunkt eine – noch – versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84 mwN).
Das LSG hat unter Beachtung dieser Grundsätze ohne Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder Beweisregeln entschieden, daß ein Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit der Klägerin als Beschäftigte iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO, der hier als einziger Versicherungstatbestand in Betracht kommt, und dem Unfall am 1. Dezember 1995 nicht feststellbar ist.
Eine nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO versicherte Tätigkeit wird im Regelfall durch die Erfüllung der im Arbeitsvertrag festgelegten Arbeitnehmerpflichten ausgeübt. Eine derartige Tätigkeit kommt aber weder nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) noch nach den Darlegungen der Beteiligten im Revisionsverfahren in Betracht. Denn danach nahm die Klägerin weder auf Veranlassung noch auf Initiative ihrer Arbeitgeberin an der Feier teil. Auch begründete ihre Freistellung zur Teilnahme an der Feier jedenfalls keine Ausdehnung der arbeitsvertraglichen Beschäftigungszeit. Vielmehr ist hier allein entscheidend, ob die Klägerin in Erfüllung ihrer Aufgaben als Ersatzmitglied des Betriebsrates den Unfall erlitten hat. Typisch für diese Aufgaben ist, daß sie nicht im Arbeitsvertrag, sondern in den Vorschriften des BetrVG vom 15. Januar 1972 (BGBl I 13) idF der Bekanntmachung vom 23. Dezember 1988 (BGBl 1989 I 1, 902) ihre Rechtsgrundlage haben. Mitglieder des Betriebsrates einschließlich der Ersatzmitglieder, soweit sie nachrücken oder die Stellvertretung eines zeitweilig verhinderten Betriebsratsmitglieds wahrnehmen (§ 25 Abs 1 BetrVG), führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt (§ 37 Abs 1 BetrVG). Gleichwohl hat der Gesetzgeber keine besonderen Vorschriften über ihren Unfallversicherungsschutz erlassen. Da ihre Aufgaben betriebsbezogen sind (§ 2 Abs 1, §§ 74 ff BetrVG) scheidet auch eine Versicherung nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO aus. Die fehlende gesetzliche Regelung, die Betriebsbezogenheit der Aufgabenstellung des Betriebsrates sowie der Umstand, daß dessen Mitglieder und Ersatzmitglieder – abgesehen von bestimmten Heimarbeitern – stets Arbeitnehmer des Betriebs sein müssen, dessen Betriebsrat sie angehören (§ 8 Abs 1 Satz 1 BetrVG), haben in Rechtsprechung und Literatur zu der einhelligen Auffassung geführt, daß Tätigkeiten, die ein Mitglied des Betriebsrates im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenstellung ausübt, den versicherten Tätigkeiten nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO zuzurechnen sind (vgl BSGE 42, 36, 37 = SozR 2200 § 539 Nr 19 sowie ua Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 RdNr 114 mwN). Das gilt insbesondere für die Aufgaben des Betriebsrates nach dem BetrVG; denn die in diesem Gesetz vorgesehenen allgemeinen und besonderen Aufgaben des Betriebsrates lassen erkennen, daß diesem wesentlich die Regelung innerbetrieblicher Belange obliegt. Daher ist bei Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer nachweislich in Ausübung seiner gesetzlichen Rechte und Pflichten als Betriebsratsmitglied ausübt, stets davon auszugehen, daß die jeweilige Tätigkeit den Interessen des Unternehmens zu dienen bestimmt ist und es daher eines weiteren Nachweises der Verfolgung betrieblicher Interessen nicht bedarf (vgl Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl, § 8 SGB VII RdNr 7.11; Lauterbach/Schwerdtfeger, SGB VII, § 8 RdNr 180; Hauck/Keller, SGB VII, K § 8 RdNr 65; Schulin, HS-UV, Band 2 Unfallversicherungsrecht, § 30 RdNr 129; Krasney in „Das Arbeitsrecht der Gegenwart”, Band 22, Berlin 1985, S 19, 26/27). Versicherungsschutz besteht daher auch dann, wenn ein Betriebsratsmitglied an einer Schulungs- oder Bildungsveranstaltung iS des § 37 Abs 6 BetrVG teilnimmt, welche zwar die für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Kenntnisse vermittelt, die aber keinen konkreten Bezug zu dem Betrieb hat, in dem das jeweilige Betriebsratsmitglied beschäftigt ist.
Auf den Nachweis konkreter betrieblicher Interessen kann in der gesetzlichen Unfallversicherung jedoch nur dann verzichtet werden, wenn das Betriebsratsmitglied in Erfüllung ihm gesetzlich zugewiesener Aufgaben tätig wird. Bei einem Tätigwerden, das zwar im Interesse des Betriebsrates liegt, seine Grundlage aber nicht im Gesetz hat, besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn eine wesentliche konkrete Beziehung zum Beschäftigungsverhältnis besteht. Dem Revisionsvorbringen, daß bei Gemeinschaftsveranstaltungen des Betriebsrates andere Maßstäbe anzulegen seien als bei Veranstaltungen von sonstigen Beschäftigten, kann daher insoweit nicht gefolgt werden. Denn eine Gleichbehandlung mit den Fällen gesetzlicher Aufgabenerfüllung etwa in dem Sinne, daß jedwede dem Betriebsrat nützliche Handlung zugleich den Zwecken des Unternehmens wesentlich zu dienen bestimmt ist, kann im Wege der Auslegung des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO als einer Vorschrift über die Beschäftigtenversicherung nicht herbeigeführt werden. Auch können in diesem Zusammenhang Entscheidungen des Unternehmers in betrieblichen Angelegenheiten nicht durch solche des Betriebsrates oder dessen Vorsitzenden ersetzt werden. Hierzu bedürfte es einer besonderen gesetzlichen Regelung.
Bei Anwendung dieser Maßstäbe stand die Klägerin während der Betriebsratsfeier nicht in Ausübung ihrer gesetzlichen Aufgaben als Ersatzmitglied des Betriebsrates unter Versicherungsschutz. Die Veranstaltung in dem Sportlerheim war insbesondere schon deshalb keine Sitzung des Betriebsrates, weil an ihr weit mehr Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder als gesetzlich zugelassen teilnahmen. So nahmen nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) an der Veranstaltung 23 Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder teil, also deutlich mehr als die in § 9 Satz 1 BetrVG für den Betrieb der Arbeitgeberin der Klägerin vorgesehene Zahl von neun Betriebsratsmitgliedern (bei 301 bis 600 Arbeitnehmern). Eine Teilnahmeberechtigung an Sitzungen des Betriebsrates haben aber nur die Mitglieder des Betriebsrates, sowie die für an der Teilnahme verhinderten Mitglieder gemäß § 29 Abs 2 Satz 6 BetrVG geladenen Ersatzmitglieder. Die übrigen Ersatzmitglieder sind nicht teilnahmeberechtigt (Stege/Weinspach, BetrVG, 8. Aufl, § 29 RdNr 10; vgl auch Richardi, BetrVG, 7. Aufl, § 29 RdNr 32; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 20. Aufl, § 29 RdNr 37). Ferner stellte die Veranstaltung keine Schulungs- oder Bildungsveranstaltung iS des § 37 Abs 6 BetrVG dar. An solchen Veranstaltungen können zwar unter bestimmten Umständen auch Ersatzmitglieder teilnehmen (vgl BAGE 52, 73, 77/78). Auf der Feier wurden jedoch keine Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind (§ 37 Abs 6 Satz 1 BetrVG). Fehlte es aber an der gesetzlichen Grundlage für die Veranstaltung, genügt für den Versicherungsschutz nicht, daß diese möglicherweise den Zwecken des Betriebsrates dienlich war. Vielmehr ist erforderlich, daß die Klägerin im Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachging, indem sie betriebsdienliche Zwecke verfolgte oder zumindest eine Tätigkeit ausübte, die den Zwecken des Unternehmens zu dienen bestimmt war (vgl BSG SozR Nr 22 zu § 548 RVO; BSG SozR 2200 § 539 Nr 119; BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn 22 und 38). Nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt, der mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffen worden und daher gemäß § 163 SGG für den Senat bindend ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin im Unfallzeitpunkt einer betriebsdienlichen Tätigkeit in diesem Sinne nachging.
Die diesen Feststellungen zu entnehmenden Kriterien sprechen dagegen, daß die Betriebsratsfeier betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen bestimmt war. Sie fand nicht in einem Raum des Betriebes, sondern sogar in einem anderen Ort außerhalb des Betriebssitzes statt. Beauftragte der Arbeitgeberin nahmen daran nicht teil. Die Arbeitgeberin beteiligte sich nicht an deren Kosten, was vom Betriebsrat auch nicht verlangt wurde. Des weiteren lag die Organisation der Feier allein in der Hand des Betriebsrates. Aus dem Umstand, daß diese jedenfalls teilweise noch während der Arbeitszeit ablief und die Klägerin – wie wohl auch die übrigen Teilnehmer an der Feier – sich bei ihrem Vorgesetzten abmeldete, führt nicht zu einer Mitverantwortlichkeit der Arbeitgeberin für die Veranstaltung. Betriebsratsmitglieder sind arbeitsvertraglich verpflichtet, sich beim Arbeitgeber abzumelden, wenn sie den Arbeitsplatz zur Ausübung von Betriebsratstätigkeit verlassen; danach müssen sie sich wieder zurückmelden. Inhalt dieser Verpflichtung ist nur die ordnungsgemäße Unterrichtung; wie diese bewirkt wird, steht dem Betriebsratsmitglied frei (stRspr des BAG, zuletzt Beschluß vom 13. Mai 1997 – 1 ABR 2/97 – AP Nr 119 zu § 37 BetrVG 1972). Bei einer solchen Abmeldung hat das Betriebsratsmitglied dem Arbeitgeber zwar Ort und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. Angaben auch zur Art dieser Tätigkeit können jedoch nicht verlangt werden. Es gibt auch keine gesetzliche Vermutung dafür, daß ein Betriebsratsmitglied, das sich bei seinem Arbeitgeber für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben abmeldet, stets erforderliche Betriebsratstätigkeit verrichtet (BAGE 79, 263, 266 ff). Der Vorgesetzte der Klägerin kann daher deren Abmeldung nur als eine Abmeldung unter diesen rechtlichen Voraussetzungen gesehen haben, nämlich als eine Unterrichtung darüber, daß sie während der Arbeitszeit an einer Betriebsratstätigkeit teilnehmen will. Die Entgegennahme einer Unterrichtung kann aber nicht als Befürwortung oder Duldung dessen angesehen werden, was Gegenstand der geplanten Betriebsratstätigkeit war.
Auch dem Ablauf und Inhalt der Veranstaltung kann nicht entnommen werden, daß diese wesentlich betrieblichen Zwecken zu dienen bestimmt war. Vielmehr stand das von diesen Zwecken unabhängige gesellige Zusammensein unter Ausübung des Kegelns im Vordergrund. Daß hierbei auch betriebsbezogene Gespräche geführt wurden, ändert am privaten Charakter der Veranstaltung nichts (vgl hierzu ausführlich BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 17). Auch die Ansprache des Betriebsratsvorsitzenden sowie der von der Revision vorgetragene Umstand, daß es sich um eine Dankveranstaltung gehandelt habe, bei der geleistete Dienste gewürdigt worden seien, nehmen der Feier nicht den privaten Charakter. Zwar ist in der gesetzlichen Unfallversicherung seit jeher nicht nur für die Ausführung der Betriebstätigkeit, sondern auch für die mit der persönlichen Lohnzahlung verbundenen Tätigkeiten Versicherungsschutz angenommen worden. Diesen vorgegebenen, grundlegenden Versicherungsschutz hat der Gesetzgeber des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes mit der Fassung des – durch das UVEG allerdings ersatzlos gestrichenen – § 548 Abs 1 Satz 2 RVO den besonderen Verhältnissen angepaßt, die dadurch entstanden sind, daß die Arbeitgeber dazu übergegangen waren, Lohn und Gehalt bargeldlos auf entsprechend eingerichtete Konten ihrer Arbeitnehmer zu überweisen. Unter Heranziehung dieser Gesichtspunkte hat der Senat in seinem Urteil vom 19. März 1991 (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 9) entschieden, daß bei einer Dankveranstaltung, die eine Kirchengemeinde für ihre unbezahlten Helfer im Anschluß an umfangreiche Eigenbauarbeiten durchführt, die Helfer unfallversichert sind. Im vorliegenden Fall kann aber dieser Belohnungsaspekt nicht zum Versicherungsschutz der Klägerin führen; denn anders als in § 548 Abs 1 Satz 2 RVO und anders als in der genannten Entscheidung des Senats wurde der Dank hier nicht vom Unternehmer, der den Lohn bzw den Dank schuldete, sondern vom Betriebsratsvorsitzenden ausgesprochen, der selbst als ehrenamtlich Tätiger iS des § 37 Abs 1 BetrVG zu dem Personenkreis zählt, dem Dank für die Arbeit im Betriebsrat gebührt.
Allerdings kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Ansprache des Betriebsratsvorsitzenden, soweit sie inhaltlich auf die Tätigkeit im Betrieb und im Betriebsrat abgestellt war, betrieblichen Interessen diente. Insofern kann hier von einer sogenannten gemischten Tätigkeit ausgegangen werden, die nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen dann vorliegt, wenn sich eine Tätigkeit – wie hier – nicht eindeutig in zwei Teile zerlegen läßt und sowohl privaten (unversicherten), als auch betrieblichen Interessen dient (BSG SozR 2200 § 548 Nr 93). Bei diesen Tätigkeiten ist für die Annahme von Versicherungsschutz ausreichend, daß die Tätigkeit wesentlich betrieblichen Interessen gedient hat; überwiegendes betriebliches Interesse ist jedoch nicht erforderlich (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19 mwN). Für das Vorliegen einer wesentlichen Betriebsbezogenheit genügt es nicht festzustellen, ob die einzelne Verrichtung losgelöst von den tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich ist oder nicht. Abgrenzungskriterium für die Frage, ob die gemischte Tätigkeit wesentlich betrieblichen Interessen gedient hat, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (vgl hierzu BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn 19 und 25). Dies ist – wie das LSG zutreffend festgestellt hat – hier nicht der Fall. Der Dank für die geleistete Betriebsratstätigkeit hätte danach ohne weiteres bei anderer Gelegenheit abgestattet werden können. Nach den Feststellungen des LSG ist daher nicht anzunehmen, daß auf die Kegelveranstaltung verzichtet worden wäre, wenn die Ansprache des Betriebsratsvorsitzenden unterblieben wäre oder sie keine betrieblichen Bezüge gehabt hätte.
Schließlich standen die Teilnehmer an der Betriebsratsfeier auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung unter Versicherungsschutz. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann die Teilnahme von Beschäftigten etwa an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist, daß die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und der Belegschaft sowie der Betriebsangehörigen untereinander durch die Teilnahmemöglichkeit möglichst aller Betriebsangehörigen dient. Die „betriebliche Zielsetzung” muß wesentlich auf die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen maßgebende Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Betriebsangehörigen gerichtet sein. Zusammenkünfte, welche der Pflege der Verbundenheit nur der Arbeitnehmer eines Unternehmens untereinander dienen, reichen daher nicht aus, um die Teilnahme an ihnen einer betrieblichen Tätigkeit gleichzustellen (BSG SozR Nrn 25 und 66 zu § 542 RVO aF). Die Veranstaltung muß deshalb auch grundsätzlich allen Arbeitnehmern – bei Großbetrieben mindestens allen Arbeitnehmern einzelner Abteilungen oder anderer betrieblicher Einheiten – offenstehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betrieblicher Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden (BSGE 1, 179, 182; 17, 280, 281 = SozR Nr 56 zu § 542 RVO aF; BSG SozR 2200 § 548 Nr 30; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 21; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 – B 2 U 25/99 R –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Brackmann/Krasney, aaO, § 8 RdNrn 118 ff mwN; Hauck/Keller, aaO, § 8 RdNrn 100 ff; Kater/Leube, aaO, § 2 RdNrn 94 ff; Mehrtens, aaO, § 8 RdNrn 7.20 bis 7.20.4). Um das Ziel der Förderung der Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Betriebsangehörigen zu erreichen, muß die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung auch vom Unternehmer selbst als solche gewollt sein (BSG, Urteil vom 28. Juli 1977 – 2 RU 49/76 –, HV-Info 10/1985, 19 bis 20). Dazu gehört ein gewisses Maß an Planung und Organisation durch den Unternehmer selbst bzw durch Dritte in seinem Auftrag oder mit seiner Billigung (BSG SozR 2200 § 548 Nr 11). Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität des Unternehmers getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht oder nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit dem Unternehmer oder für diesen handelt (BSG SozR Nr 66 zu § 542 RVO aF). Der Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen, welche der Verbundenheit von Unternehmer und Belegschaft dienen, hängt nicht davon ab, daß der Unternehmer selbst Veranstalter ist; es genügt, daß er die Veranstaltung billigt und fördert. Veranstalter kann auch der Betriebsrat sein. Eine Veranstaltung ist von der Autorität des Unternehmers auch zu einer Zeit getragen, in der er nicht selbst anwesend ist, der Betriebsrat aber die Veranstaltung leitet und dabei zugleich für den Unternehmer handelt (BSGE 7, 249, 253).
Ob der Betriebsrat, soweit er keine gesetzlichen Aufgaben verrichtet, in gleichem Maße wie eine Betriebsabteilung eine unter Versicherungsschutz stehende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung durchführen kann und ob dies auch unter Hinzuziehung der nicht als Stellvertreter in Betracht kommenden Ersatzmitglieder möglich ist, kann hier offenbleiben. Denn selbst, wenn dies der Fall wäre, hätte die Betriebsratsfeier vom 1. Dezember 1995 nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) die Arbeitgeberin der Klägerin in keiner Weise am Zustandekommen, am Ablauf und der Finanzierung der Veranstaltung beteiligt war, kein Vertreter von ihr daran teilnahm und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Betriebsrat die Feier im Auftrag der Arbeitgeberin durchgeführt oder in sonstiger Weise für diese gehandelt hat.
Stand die Klägerin somit während der Veranstaltung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gemäß § 548 Abs 1 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so kommt ein solcher Schutz auch nicht für das Verlassen des Veranstaltungsgebäudes in Betracht.
Die Revision der Klägerin war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 584597 |
BSGE 87, 294 |
BSGE, 294 |
NJW 2002, 1446 |
NWB 2001, 1546 |
NZA 2001, 1240 |
AuA 2001, 573 |
NZS 2001, 496 |
SozR 3-2200 § 539, Nr. 54 |
br 2001, 150 |
RdW 2001, 707 |
b&b 2001, 340 |
b&b 2002, 126 |