Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherter, der wegen seiner Krankheit nicht mehr auf seinen bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren und auch nicht eine ähnlich geartete leichtere Erwerbstätigkeit verrichten kann, bleibt arbeitsunfähig, auch wenn sein Zustand nicht mehr besserungsfähig ist. Dies gilt selbst dann, wenn er eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bezieht.
Leitsatz (redaktionell)
1. Krankheit iS des RVO § 182 ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und zugleich oder ausschließlich Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.
Arbeitsunfähig ist ein Versicherter, der seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit überhaupt nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin nachgehen kann, seinen Zustand zu verschlimmern. Bei der Prüfung, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist mithin nach der überkommenden Bestimmung ihres Begriffs lediglich zu fragen, welche Tätigkeit der Versicherte zuletzt verrichtet hat und ob er sie (oder eine ähnlich geartete) nach seinem Gesundheitszustand noch verrichten kann. Wenn und solange dies zu verneinen ist, ist er arbeitsunfähig, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Art seiner Krankheit ihn nur vorübergehend hindert, seine bisherige Tätigkeit fortzusetzen, oder ob er sie voraussichtlich dauernd nicht mehr verrichten kann.
2. Hat die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig gemacht, so liegt sie noch so lange vor, als die durch sie verursachte AU besteht, auch wenn die Behandlungsbedürftigkeit inzwischen weggefallen ist.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2, § 183 Abs. 5 S. 1 Fassung: 1961-07-12
Tenor
Die Sprungrevision der beklagten Krankenkasse gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29. Oktober 1964 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der 1908 geborene Kläger, ein gelernter Schlosser, verlangt die Weiterzahlung von Krankengeld bis zur "Aussteuerung".
Nach Feststellung eines Herzmuskelschadens im Jahre 1956, der ihn in der Folgezeit wiederholt, teilweise länger arbeitsunfähig machte, wurde er am 31. Oktober 1961 wegen desselben Leidens erneut arbeitsunfähig. Die beigeladene Landesversicherungsanstalt (LVA) gewährte ihm darauf eine Kur bis zum 28. November 1961 und anschließend (ab 29. November 1961) Rente wegen Berufsunfähigkeit. Da er auch nach Beendigung der Kur arbeitsunfähig blieb, zahlte ihm die beklagte Krankenkasse, ebenfalls ab 29. November 1961, Krankengeld, nahm dafür allerdings später die Rentennachzahlung in Anspruch und kürzte - nach Zustellung des Rentenbescheides im September 1962 - das Krankengeld um die laufende Rente (§ 183 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Mit Ablauf des Monats Februar 1963 stellte sie die Zahlung des Krankengeldes ein, weil sie den Kläger nicht mehr für krank und arbeitsunfähig hielt: Sein Herzleiden habe einen Zustand erreicht, der durch Heilbehandlung nicht mehr zu beeinflussen sei; im übrigen könne er zwar wegen dieses Leidens seinen Beruf als Schlosser nicht mehr ausüben, nach Ansicht des Vertrauensarztes und auch des behandelnden Arztes jedoch eine andere leichtere Tätigkeit innerhalb oder außerhalb seines Berufs aufnehmen (Widerspruchsbescheid vom 11. März 1963, durch den der Widerspruch des Klägers gegen einen mündlichen Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 1963 zurückgewiesen wurde).
Das Sozialgericht (SG) ist der Auffassung der Beklagten nicht gefolgt und hat sie entsprechend dem Antrag des Klägers zur Weiterzahlung des Krankengeldes "bis zum Ablauf des Aussteuerungszeitraumes" verurteilt: Da der Kläger mindestens zur Linderung seiner Beschwerden, die sich in Brennen, Stichen und ziehenden Schmerzen in der Herzgegend äußerten, fortlaufender ärztlicher Behandlung bedürfe, sei er weiterhin als krank anzusehen. Seine Arbeitsunfähigkeit sei auch nicht dadurch entfallen, daß er voraussichtlich auf Dauer in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert sei und deswegen eine Berufsunfähigkeitsrente beziehe. Die Neufassung des § 183 RVO im Jahre 1961 habe an dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit, der streng auf die bisher, d.h. unmittelbar vor dem Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübte Erwerbstätigkeit abstelle, nichts geändert. In einem anderen - unter den Beteiligten nicht mehr strittigen - Punkt hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Oktober 1964).
Gegen dieses Urteil, in dem die Berufung zugelassen worden ist, wendet sich die Beklagte mit der Sprungrevision. Sie meint, für Berufsunfähigkeitsrentner wie den Kläger müsse der herkömmliche Begriff der Arbeitsunfähigkeit modifiziert werden. Die Zahlung einer doppelten Entschädigung - Krankengeld und Berufsunfähigkeitsrente - bis zur Aussteuerung nach 78 Wochen sei mit dem Sinn des Gesetzes, insbesondere mit der Neuabgrenzung von Krankengeld und Rente in § 183 RVO, nicht zu vereinbaren. Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 29. Oktober 1964 aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Sprungrevision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend; ein arbeitsunfähiger Versicherter dürfe auf keine andere als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit verwiesen werden.
Die beigeladene LVA hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
II
Die Sprungrevision der Beklagten ist nach §§ 144 Abs. 1 Nr. 2, 150 Nr. 1, 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber nicht begründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, steht dem Kläger auch über Februar 1963 hinaus Krankengeld zu.
Nach § 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO wird Krankengeld gewährt, "wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht". Die Gewährung von Krankengeld setzt also voraus, daß der Versicherte krank ist, daß er ferner arbeitsunfähig ist und daß die Arbeitsunfähigkeit auf der Krankheit beruht. Arbeitsunfähigkeit allein - aus welchen Gründen immer - genügt nicht. Nur wenn eine Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig gemacht hat und solange sie ihn arbeitsunfähig "macht", hat er Anspruch auf Krankengeld.
Krankheit im Sinne des § 182 RVO ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und zugleich oder ausschließlich Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vgl. BSG 13, 134, 136; 19, 179, 181 und die ständige Rechtsprechung des früheren Reichsversicherungsamts - RVA -). Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne, d.h. als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen der Krankenversicherung, insbesondere von Krankengeld, erfordert hiernach mehr als nur das Vorliegen einer "von der Norm abweichenden Erscheinung" (so der medizinische Krankheitsbegriff, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 des Zahnheilkundegesetzes vom 31.3.1952, BGBl I S. 221, und BSG 11, 102, 111 unten). Andererseits genügt es, wenn zu dem normwidrigen Körper- oder Geisteszustand alternativ das Bedürfnis nach ärztlicher Behandlung oder aber Arbeitsunfähigkeit hinzutritt. Ein Anspruch auf Krankengeld kann deshalb auch dann schon bestehen, wenn der regelwidrige Zustand des Versicherten keiner ärztlichen Behandlung (mehr) bedarf, etwa bei einer unbehebbaren, keine Beschwerden verursachenden Körperverletzung (z.B. bei einer Erblindung, vgl. RVA, Die Arbeiterversorgung 1927, 408).
Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kann dahinstehen, ob das Herzleiden des Klägers, wie der Widerspruchsbescheid der Beklagten ausführt, durch ärztliche Behandlung nicht oder nicht mehr wesentlich zu beeinflussen ist. Nach der unangefochtenen Feststellung des SG bedarf der Kläger jedenfalls zur Linderung seiner Beschwerden (Brennen, Stiche, ziehende Schmerzen in der Herzgegend) fortlaufender ärztlicher Behandlung. Auch eine solche, nicht auf Heilung der Krankheit, sondern nur auf Linderung der Beschwerden gerichtete Behandlung ist Teil der ärztlichen Versorgung, auf die der Versicherte Anspruch hat (vgl. § 368 e Satz 1 RVO und Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 16. Aufl., § 182 Anm. 6 a). Die Beklagte durfte deshalb das Krankengeld des Klägers - entgegen der im Widerspruchsbescheid vertretenen Ansicht - nicht schon deswegen einstellen, weil sein Herzleiden im Februar 1963 einen nicht mehr besserungsfähigen Zustand erreicht hatte. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, blieb der Kläger behandlungsbedürftig und damit krank.
Entgegen der Ansicht der Beklagten war er auch weiterhin arbeitsunfähig, mag für ihn auch keine Aussicht mehr bestanden haben, auf seinen alten Arbeitsplatz und in seinen erlernten Schlosserberuf zurückzukehren; denn Arbeitsunfähigkeit entfällt nicht dadurch, daß ein Versicherter auf die Dauer durch Krankheit gehindert ist, die zuletzt verrichtete oder eine ähnlich geartete Tätigkeit (wieder-)aufzunehmen.
Arbeitsunfähig ist ein Versicherter, der seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit überhaupt nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin nachgehen kann, seinen Zustand zu verschlimmern (BSG 19, 179, 181 im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des RVA). Bei der Prüfung, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist mithin nach der überkommenen Bestimmung ihres Begriffs lediglich zu fragen, welche Tätigkeit der Versicherte zuletzt verrichtet hat und ob er sie (oder eine ähnlich geartete) nach seinem Gesundheitszustand noch verrichten kann. Wenn und solange dies zu verneinen ist, ist er arbeitsunfähig, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Art seiner Krankheit ihn nur vorübergehend hindert, seine bisherige Tätigkeit fortzusetzen, oder ob er sie voraussichtlich dauernd nicht mehr verrichten kann, wie etwa in dem vom RVA aaO entschiedenen Fall der Erblindung.
Zu einer Änderung dieses von der Rechtsprechung entwickelten und bis vor wenigen Jahren nahezu unangefochtenen Begriffs der Arbeitsunfähigkeit zwingt auch die neuere Gesetzgebung nicht. Das gilt insbesondere für das Gesetz vom 12.7.1961 (BGBl I, 913), das die zeitliche Begrenzung beseitigt hat, der das Krankengeld bis dahin unterlag (im allgemeinen 26 Wochen), so daß der Versicherte nunmehr, selbst wenn er ununterbrochen krank bleibt, der Versicherungsfall also fortbesteht, seinen Krankengeldanspruch nicht mehr endgültig verlieren kann (§ 183 Abs. 2 RVO nF). Wenn auch das Krankengeld dadurch nicht zu einer eigentlichen Dauerleistung nach Art einer Rente geworden ist - innerhalb von je drei Jahren kann es höchstens für 78 Wochen, d.h. für die Hälfte der Zeit, gewährt werden, dann bricht es zunächst bis zum Beginn einer neuen Dreijahresfrist ab -, so hat doch schon die Ausdehnung der Bezugszeit auf 78 Wochen das Krankengeld in die Nähe einer Zeitrente gerückt und damit aus einer kurzfristigen eine nicht selten mittelfristige Leistung gemacht. Dieser deutliche Funktionswandel des Krankengeldes hätte in Verbindung mit wesentlichen Verbesserungen in seiner Höhe (vgl. § 182 Abs. 4 ff RVO nF) Anlaß zu einer neuen Definierung des Arbeitsunfähigkeitsbegriffs geben können. Indessen hat der Gesetzgeber - anders als etwa beim Einkommensausgleich, einer dem Krankengeld verwandten, weil ebenfalls vom Bestehen von Arbeitsunfähigkeit abhängigen Leistung des Versorgungsrechts - bisher keine Vorschrift geschaffen, die der Gewährung des Krankengeldes eine feste zeitliche Schranke setzt, sobald die Arbeitsunfähigkeit zu einer dauernden wird (vgl. für den Einkommensausgleich jetzt § 18 a Abs. 7 BVG idF des 3. Neuordnungsgesetzes vom 28.12.1966, BGBl I, 750, danach entfällt der Einkommensausgleich, wenn die Arbeitsunfähigkeit in einen Zustand übergeht, der in den nächsten 78 Wochen voraussichtlich nicht zu beseitigen ist, und zwar mit Ablauf von zwei Wochen nach Feststellung des Dauerzustandes; hierzu Töns, DOK 1967, 105, 203 f). Eine solche Zeitgrenze, die den Anspruch auf Krankengeld ein für allemal untergehen ließe, wäre auch schlecht vereinbar mit dem Grundsatz des § 183 Abs. 2 RVO nF, wonach im Gegensatz zum früheren Recht ein endgültiger Wegfall des Krankengeldes (Aussteuerung) nicht mehr eintreten soll. Daß dies auch dann gilt, wenn der Versicherte über einen Zeitraum von drei Jahren hinaus ununterbrochen krank bleibt, hat der Senat im Urteil vom 28. April 1967 (SozR Nr. 17 zu § 184 RVO) entschieden.
Nach einer ebenfalls durch das genannte Gesetz vom 12.7.1961 in die RVO eingefügten Vorschrift endet allerdings der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tage des Beginns einer Erwerbsunfähigkeitsrente oder eines Altersruhegeldes (§ 183 Abs. 3 RVO); damit schließt der Bezug einer der genannten Renten grundsätzlich - eine Ausnahme enthält § 183 Abs. 4 RVO - die Gewährung von Krankengeld aus. Auch diese Regelung rechtfertigt indessen nicht die Annahme, daß Arbeitsunfähigkeit begrifflich auf Krankheitszustände vorübergehender Art beschränkt ist, daß sie also mit dem Übergang in einen Dauerzustand wie den des Alters oder der Erwerbsunfähigkeit (vgl. § 1247 Abs. 2 RVO: "... auf nicht absehbare Zeit ...") zu einem qualitativ anderen Risiko wird, das nicht mehr von der Krankenversicherung zu tragen ist. Allein der Eintritt dieser Dauerzustände hat nämlich auf den Bezug des Krankengeldes keinen Einfluß; vielmehr läßt erst die Bewilligung einer entsprechenden Rente den Krankengeldanspruch untergehen. Gerade dies zeigt, daß das Krankengeld und der Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht von vornherein eine zeitliche Beschränkung in sich tragen, insbesondere sich nicht nur auf Zustände vorübergehender Art beziehen.
Noch mehr gilt dies für den Fall des Zusammentreffens von Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit. Wird nämlich ein arbeitsunfähiger Versicherter berufsunfähig und erhält er eine entsprechende Rente (§ 1246 RVO), so wirkt sich das nur insofern auf seinen Krankengeldanspruch aus, als dieser bis zur Höhe des Rentenzahlbetrages gekürzt wird (§ 183 Abs. 5 RVO); selbst diese Kürzung unterbleibt, wenn die Berufsunfähigkeitsrente früher als das Krankengeld beginnt (vgl. BSG 20, 135). Da mithin der Eintritt von Berufsunfähigkeit auch bei Bewilligung einer Rente in keinem Falle den Anspruch auf Krankengeld völlig beseitigt, kann neben ihr begrifflich auch Arbeitsunfähigkeit fortbestehen. Angesichts dieser klaren gesetzlichen Regelung hält sich der Senat nicht für befugt, den herkömmlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit von sich aus im Sinne der Beklagten zu "modifizieren", ihn insbesondere auf Zustände vorübergehender Art zu beschränken, so daß ein Versicherter bei Eintritt von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich nicht mehr als arbeitsunfähig anzusehen wäre (wie hier Töns, DOK 1963, 305 ff, 330 ff, 353 ff, 560 ff und 1967, 105, 108 unter Nr. 7; a.A. anscheinend Klaas, BKK 1962, 546 ff, DOK 1963, 516 ff). Im Falle des Klägers ändert somit der Umstand, daß er wegen seines Herzleidens voraussichtlich auf Dauer gehindert ist, in seinen erlernten und bisher ausgeübten Schlosserberuf zurückzukehren, und deshalb eine Berufsunfähigkeitsrente bezieht, nichts an seiner Arbeitsunfähigkeit.
Diese ist schließlich nicht deswegen entfallen, weil er nach Ansicht der Beklagten jedenfalls seit Einstellung des Krankengeldes (mit Ablauf des Monats Februar 1963) wieder in der Lage war, eine andere leichte Tätigkeit innerhalb oder außerhalb seines Schlosserberufs zu verrichten. Die Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten ist nach bisheriger Rechtsauffassung an der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit zu messen (vgl. BSG 19, 179, 181); sie wird "durch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, diesen Erwerb durch Übergang zu einer anderen Berufstätigkeit zu gewinnen, auch wenn solche Tätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entspricht und ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und des Berufs, den er seither ausgeübt hat, zugemutet werden kann" (RVA GE 4339, AN 1932 IV 176; ebenso schon die Begründung zum Entwurf einer RVO vom 12.3.1910, S. 156 oben). Das RVA hat dabei allerdings unter der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht lediglich den bisherigen Arbeitsplatz verstanden, sondern dazu auch ähnlich geartete Tätigkeiten gerechnet (aaO z.B. für einen Schiffsheizer eine gleichartige Beschäftigung an Land; vgl. ferner EuM 30, 142, Thielwann , Die Arbeiterversorgung 1932, 529 und Peters aaO § 182 RVO Anm. 10 a). Dem ist unbedenklich zuzustimmen.
Noch weiter zu gehen, hält der Senat dagegen nicht für zulässig; andernfalls würde es kaum einmal zu einem Zusammentreffen von Krankengeld und Berufsunfähigkeitsrente kommen, von dem § 183 Abs. 5 RVO ausgeht. Ob eine Ausnahme für den Fall zu machen ist, daß der arbeitsunfähige und zugleich berufsunfähige Versicherte aus freien Stücken eine "unzumutbare" Tätigkeit aufnimmt und damit seinen Beruf wechselt, läßt der Senat unentschieden (vgl. dazu Franz, Die Sozialgerichtsbarkeit 1967, 155, 157 f; RVA GE 2141, AN 1916, 343, 344 und EuM 25, 38, 39).
Der Kläger hatte bei Einstellung des Krankengeldes weder seine frühere noch eine andere Tätigkeit aufgenommen. Er war dazu als Berufsunfähiger auch nicht fähig, soweit es sich um Tätigkeiten innerhalb seines Berufskreises handelte. Auf solche konnte er deshalb schon aus medizinischen Gründen, auf sonstige Tätigkeiten aus rechtlichen Gründen nicht verwiesen werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten blieb er somit über den Monat Februar 1963 hinaus arbeitsunfähig und behielt seinen Anspruch auf Krankengeld bis zum Ablauf von 78 Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Jahre 1961 (§ 183 Abs. 2 RVO). Die entsprechende Verurteilung der Beklagten durch das SG, dem Kläger das Krankengeld "bis zum Ablauf des Aussteuerungszeitraums" weiterzugewähren, besteht hiernach zu Recht, die Sprungrevision der Beklagten ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2020262 |
BSGE, 288 |